Amtsgericht Hildesheim
Urt. v. 15.05.2001, Az.: 43 C 394/00
Anforderungen an die Bestimmtheit eines Anspruchs; Eröffnung des Konkursverfahrens; Durchführung eines Prozesses bei Masseunzulänglichkeit; Aufgaben des Konkursverwalters
Bibliographie
- Gericht
- AG Hildesheim
- Datum
- 15.05.2001
- Aktenzeichen
- 43 C 394/00
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2001, 29274
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGHILDE:2001:0515.43C394.00.0A
Rechtsgrundlagen
- § 114 ZPO
- § 82 KO
Fundstelle
- ZInsO 2001, 816-817 (Volltext mit red. LS u. Anm.)
Verfahrensgegenstand
Schadensersatz aus Konkursverwaltertätigkeit
Das Amtsgericht Hildesheim hat
auf die mündliche Verhandlung vom 15. Mai 2001
durch
den Richter ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 800,00 DM abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Der Klägerin wird gestattet, die von ihr zu erbringende Sicherheit durch unbedingte, unwiderrufliche, unbefristete selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank oder öffentlichen Sparkasse zu leisten.
Tatbestand
Die Klägerin war mit einem Geschäftsanteil von 15.000,00 DM (entsprechend 30 %) Mitgesellschafterin der Spedition - nachfolgend Gemeinschuldnerin genannt -, über deren Vermögen mit Beschluss des Amtsgerichts - Konkursgericht - Hildesheim vom 17. September 1996 das Konkursverfahren eröffnet wurde. Zum Konkursverwalter wurde gemäß vorgenanntem Beschluss der Beklagte bestellt.
Mit vorliegender Klage macht die Klägerin gegen den Beklagten aus dessen Tätigkeit als Konkursverwalter der Gemeinschuldnerin Schadenersatzansprüche geltend. Diesen liegt folgender Sachverhalt zu Grunde.
Unter dem 10. Januar 1997 reichte der Beklagte gegen die Klägerin zum Landgericht Hildesheim Klage wegen Rückforderung kapitalersetzender Darlehensrückzahlungen bzw. dieser gleichgestellter Handlungen ein. Mit Schriftsatz vom gleichen Tag beantragte der Beklagte die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für dieses Verfahren, die mit Beschluss vom 26. Januar 1999 gewährt wurde. Nach mündlicher Verhandlung vom 28. Januar 1999, in der eine Beweisaufnahme durchgeführt wurde, wies das Landgericht Hildesheim mit Urteil vom 25. Februar 1999, Aktenzeichen 4 O 14/97, die Klage ab.
Der Beklagte ließ durch die am Oberlandesgericht Celle zugelassenen Rechtsanwälte ... und Kollegen gegen dieses Urteil fristwahrend Berufung einlegen und beauftragte diese Rechtsanwälte mit der Prüfung der Erfolgsaussichten des Rechtsmittels. Diese kamen mit Schreiben an die erstinstanzlichen Bevollmächtigten des Beklagten vom 21. Mai 1999 zu dem Schluss, dass sich die Berufung im Umfang von 38.000,00 DM wegen der Darlehensgewährung aus September 1994 nicht Erfolg versprechend durchführen ließe, dies jedoch anders aussehe, soweit die Rückzahlung der Pachtzahlungen in Höhe von 48.300,00 DM geltend gemacht wird. Im Umfang dieser Empfehlung ließ der Beklagte die Berufung durchführen, wobei die erstinstanzlichen Bevollmächtigten der Klägerin bei Einlegung des Rechtsmittels gebeten wurde, bis zur Entscheidung ob und in welchem Umfang das Rechtsmittel durchgeführt wird, noch keinen bei dem OLG Celle zugelassenen Rechtsanwalt zu beauftragen. Auch für das Berufungsverfahren beantragte der Beklagte die Bewilligung von Prozesskostenhilfe, welche durch Beschluss vom Oktober 1999 abgelehnt wurde. In der mündlichen Verhandlung vor dem 9. Zivilsenat des OLG Celle erhoben die Prozessbevollmächtigten des Beklagten mündlich gegen den Prozesskostenhilfe ablehnenden Beschluss vom 22. Oktober 1999 Gegenvorstellung. Mit Urteil vom 17. November 1999 wurde die Berufung des geklagten zurückgewiesen, wobei in dem Urteil ausgeführt wird, dass der Senat eine im Beschluss vom 22. Oktober 1999 geäußerte Rechtsauffassung nicht aufrechterhält.
Die der Klägerin aus dem vorgenannten Rechtsstreit zu erstattenden Kosten wurden durch das Landgericht Hildesheim mit Beschluss vom 26. März 1999 für die erste Instanz auf 6.970,44 DM nebst 4 % Zinsen seit 4. März 1999 und mit Beschluss vom 24. Mai 2000 für die zweite Instanz auf 4.344,20 DM nebst 4 % Zinsen seit 2. März 2000 festgesetzt.
Bereits am 13. Januar 1997 hatte der Beklagte angezeigt, dass sich in dem Konkursverfahren über das Vermögen der Gemeinschuldnerin Masseunzulänglichkeit herausgestellt hat. Ein im Auftrag der Klägerin am 9. Mai 2000 durchgeführter Mobiliarzwangsvollstreckungsversuch verlief erfolglos. Eine Zahlung auf die vorbenannten Kostenfestsetzungsbeschlüsse kann wegen Massearmut auch derzeit nicht erfolgen.
Die Klägerin macht mit vorliegender Klage gegen den geklagten persönlich Schadenersatzforderungen geltend, und zwar in Höhe von 5.000,00 DM, davon 4.344,20 DM in Höhe der ihr im Berufungsverfahren des Vorprozesss entstandenen Rechtsanwaltskosten und in Höhe von 655,80 DM als Teilbetrag der im ersten Rechtszug entstandenen Rechtsanwaltskosten.
Die Klägerin ist der Auffassung, der Beklagte habe durch die Führung des vorbenannten Rechtsstreits schuldhaft seine Pflichten als Konkursverwalter verletzt. Er habe die ihm in seiner Eigenschaft als Konkursverwalter zur Verfügung stehenden Unterlagen nicht mit der gebotenen Sorgfalt bearbeitet bzw. ausgewertet. Anderenfalls hätte er die Aussichtslosigkeit des gegen die Klägerin angestrengten Verfahrens erkennen können. Erst Recht gelte dies, nachdem der Rechtsstreit in erster Instanz zu Ungunsten des Beklagten ausgegangen sei.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 5.000,00 DM nebst 4 % Zinsen aus 4.344,20 DM ab dem 2. März 2000 und auf 655,80 DM ab 4. März 1999 zu zahlen,
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
I.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Klägerin stehen die gegen den Beklagten geltend gemachten Schadenersatzforderungen nicht zu.
1.
Die Klage ist zulässig. Insbesondere bestehen gegen die Bestimmtheit des geltend gemachten prozessualen Anspruchs keine Bedenken mehr, nachdem die Klägerin erklärt hat, die geltend gemachte Forderung auf die Kosten des Berufungsverfahrens in Höhe von 4.344,20 DM und den Betrag von 655,80 DM auf einen Teil der Kosten erster Instanz zu beziehen.
2.
Es kann dahinstehen, ob der Klägerin vorliegend bereits ein Schaden entstanden ist. Hierfür dürfte allerdings das vorgelegte Pfändungsprotkoll des Gerichtsvollziehers vom 9. Mai 2000 nicht ausreichen, da diese Vollstreckungsart gegen eine Konkursmasse von vornherein wenig Aussicht auf Erfolg bietet und in dem Protokoll darüber hinaus erhebliche Bankguthaben ausgewiesen sind. Viel spricht jedoch für einen eingetretenen Schaden, da der Beklagte selbst einräumt, wegen Massearmut derzeit keine Zahlung leisten zu können. Ob zukünftig jemals wieder hinreichend Masse vorhanden sein wird, ist gänzlich ungewiss. Damit ist der der Klägerin zustehende Kostenerstattungsanspruch gegen die Masse angesichts deren Unzulänglichkeit nicht zu realisieren und damit praktisch wertlos.
3.
Die Frage, ob ein Schaden eingetreten ist, kann jedoch deshalb dahinstehen, da dem Beklagten im Zusammenhang mit dem gegen die Klägerin durchgeführten Rechtsstreit keine schuldhafte Verletzung seiner Pflichten als Konkursverwalter vorzuwerfen ist und damit ein Ersatzanspruch gegen ihn bereits aus dieserm Grund nicht besteht.
Bereits bei Einleitung des Prozesses bestand Masseunzulänglichkeit. Allein deshalb ist jedoch der Konkursverwalter noch nicht gehalten, die Durchführung eines Prozesses zu unterlassen, sofern dieser aussichtsreich erscheint. Denn der Konkursverwalter hat (in erster Linie) die Interessen der Gläubigergesamtheit wahrzunehmen und diesem Gesamtinteresse dient die Durchsetzung von Ansprüchen der Masse gegen Dritte, um die Befriedigungsmasse zu mehren und ungerechtfertigte Masseminderungen abzuwehren (vgl. OLG Hamm ZIP 1995, 1436). Aus dieser Verpflichtung, deren Verletzung ebenso Schadenersatzansprüche nach sich ziehen kann, folgt, dass der Konkursverwalter verpflichtet ist, auch dann einen aussichtsreichen Prozess einzuleiten, wenn die Konkursmasse zur Deckung eines eventuellen gegnerischen Kostenerstattungsanspruchs nicht ausreicht. Die Pflicht, die Prozessaussichten zu prüfen, und zwar nicht nur bei Prozesseinleitung sondern auch bei Fortführung des Prozesses, hat der Konkursverwalter bei unzulänglicher Masse nicht nur gegenüber den Hauptbeteiligten, sondern auch gegenüber dem Prozessgegner (vgl. Kilger/Karsten Schmidt, 17. Aufl., Rn. 9 b zu § 82 KO; Kuhn/Uhlenbrock, 11. Aufl., Rn. 11 f zu § 82 KO).
Diesen vorgenannten Pflichten, welche durch die Rechtsprechung in Ausfüllung des § 82 KO entwickelt wurden, ist der Beklagte jedoch vorliegend nachgekommen.
Das folgt für das Verfahren erster Instanz bereits daraus, dass das Landgericht Hildesheim dem Beklagten für diesen Rechtszug Prozesskostenhilfe bewilligt hat, somit auch das Gericht von einer hinreichenden Erfolgsaussicht im Sinne von § 114 ZPO ausging. Darüber hinaus hat das Landgericht Hildesheim für einen Teil der geltend gemachten Ansprüche, die Darlehensrückforderung in Höhe von 38.000,00 DM die Durchführung einer Beweisaufnahme für erforderlich gehalten. Höhere Anforderungen an die Prüfung der Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung, als sie § 114 ZPO normiert, stellt auch § 82 KO an den Konkursverwalter nicht.
Gleiches gilt jedoch auch für das Berufungsverfahren. Dem Beklagten ist zunächst nicht vorzuwerfen, dass er mit der Prüfung der Erfolgaussichten einer Berufung gegen das klageabweisende Urteil erster Instanz ausschließlich am Oberlandesgericht zugelassene Rechtsanwälte beauftragte, die dieses Rechtsmittel zur Fristwahrung auch einlegten. Insoweit ist der Klägerin auch kein Schaden entstanden, da diese gebeten wurde, noch keine beim Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsanwälte zu bestellen. Ebenso wenig liegt eine Pflichtverletzung des Beklagten darin, die Berufung im Umfange der Empfehlung seiner zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten auch durchzuführen. Das gilt zunächst für den Zeitabschnitt bis zum Prozesskostenhilfe ablehnenden Beschluss vom 22. Oktober 1999, aber auch für die Zeit danach. Für den ersten Zeitabschnitt ist auszuführen, dass sich die Empfehlung auf Durchführung des Rechtsmittels durch die zweitinstanzlichen Bevollmächtigten mit dem Beschluss vom 22. Oktober 1999 inhaltlich dahingehend deckt, das die vom Landgericht gegebene Begründung hinsichtlich der Rückzahlung der Pachtzahlungen die Klagabweisung nicht tragen dürfte. Andererseits ist jedoch auch die von dem OLG Celle im Beschluss vom 22. Oktober 1999 vertretene Auffassung bezüglich der außerordentlichen Kündigung des Pachtvertrages im Urteil vom 17. November 1999 selbst nicht aufrechterhalten worden, was, wie der Senat im Urteil ausführt, auch auf die Hinweise des Prozessbevollmächtigten des jetzigen Beklagten im Senatstermin zurückzuführen ist. Es ist dem Beklagten im Sinne von § 82 KO nicht vorzuwerfen, auch das Berufungsverfahren im eingeschränkten Umfang und auch bis zum zweitinstanzlichen Urteil durchzuführen.
Ein Verschulden seiner jeweiligen Prozessbevollmächtigten wird von der Klägerin selbst nicht behauptet, wäre dem Beklagten jedoch auch nicht zuzurechnen, da die jeweils beauftragten Prozessbevollmächtigter nicht alle Erfüllungsgehilfen im Sinne von § 278 BGB anzusehen sind. Bei der Prozessführung im Anwaltsprozess handelt es sich nicht um eine eigene Aufgabe des Konkursverwalters, wofür § 278 BGB eingreifen würde, wenn sich der Konkursverwalter insoweit eines Gehilfen bedient (vgl. Kilger/Karsten Schmidt, 17. Aufl., Rn. 3 c zu § 82 KO). Ein Verschulden des Beklagten hinsichtlich der Auswahl seiner Prozessbevollmächtigten ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
Ist eine Pflichtverletzung des Beklagten im Zusammenhang mit der Prozessführung gegen die Klägerin somit nicht gegeben, bestehen die geltend gemachten Schadenersatzansprüche daher bereits dem Grunde nach nicht .
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit dieses Urteils hat seine Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.