Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 10.04.1978, Az.: 9 U 66/77
Haftung eines in einem Baugeschäft angestellten Maurermeisters für die Bezahlung einer Kaufpreisschuld gegenüber einer Baustoffhandlung kraft Rechtsscheins wegen des Auftretens als Vertragspartner
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 10.04.1978
- Aktenzeichen
- 9 U 66/77
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1978, 16622
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:1978:0410.9U66.77.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Oldenburg - 25.11.1977 - AZ: 8 O 119/77 LG Oldb.
Rechtsgrundlagen
- § 433 Abs. 2 BGB
- Art. 28 Abs. 2 WG
- Art. 48 Abs. 1 Ziff. 2 WG
Fundstelle
- NJW 1978, 2159 (amtl. Leitsatz)
Verfahrensgegenstand
Forderung
In dem Rechtsstreit
.........
hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts in Oldenburg
auf die mündliche Verhandlung vom 13. März 1978
unter Mitwirkung
des Präsidenten des Oberlandesgerichts XXX
des Richters am Oberlandesgericht XXX und
des Richters am Oberlandesgericht XXX
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 25.11.1977 verkündete Urteil des Einzelrichters der 8. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg geändert.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.921,28 DM nebst 8,25 % Zinsen seit dem 1.4.1977 auf 3.535,53 DM zu zahlen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Wert der Beschwer liegt unter 40.000,- DM.
Tatbestand
Die Klägerin, eine Baustoffhandlung, lieferte aufgrund entsprechender Bestellungen des Beklagten am 6., 13. und 30.7.1976 Kalksandsteine für den Bau der Schule in XXX. Rechnungen der Klägerin vom 31.7. und 27.9.1976 lauten über 1.990,54 DM und 1.544,99 DM. Sie sind adressiert an "Herrn XXX Maurermeister, XXX". Eine Bezahlung erfolgte nicht.
Die Klägerin verlangt die Zahlung des Kaufpreises von 3.535,53 DM sowie Verzugszinsen. Sie macht weiter 280,30 DM Wechselzinsen aus einem von ihr am 6.1.1976 ausgestellten und auf XXX Bauunternehmen, XXX i/O. XXXX" gezogenen Wechsel über 4.705,66 DM geltend. Unter dem Wort "Angenommen" befinden sich der Stempelaufdruck XXX, Maurermeister, XXX, XXX und die Unterschrift Beklagten XXX. Verfalltag war der 6.4.1976. Der Wechsel wurde nicht eingelöst.
Der Vater XXX des Beklagten betrieb in XXX ein Baugeschäft. Der Beklagte war seit vielen Jahren als angestellter Maurermeister in diesem Geschäft tätig. Die Klägerin und das Baugeschäft XXX unterhielten seit langer Zeit Geschäftsbeziehungen.
Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte aus den genannten Bestellungen und dem Wechselakzept zahlungspflichtig geworden ist oder ob er lediglich den Inhaber des Baugeschäfts, seinen gleichnamigen Vater, verpflichtet hat.
Die Klägerin hat vorgetragen: Ihr gegenüber sei stets der Beklagte aufgetreten; er habe alle Verhandlungen geführt, die Bestellungen getätigt und Wechselakzepte gegeben. Sie habe ihn als den Inhaber der Baufirma und als ihren Vertragspartner angesehen. Der Beklagte habe durch nichts zu erkennen gegeben, daß er für seinen Vater habe auftreten wollen.
Der Beklagte sei vergeblich zum 1.12.1976 gemahnt worden. Sie nehme in Höhe der Kaufpreisforderung Bankkredit in Anspruch, den sie seit dem 1.4.1977 mit 8,25 % verzinsen müsse. In dem Zeitraum 1.12.1976 - 31.3.1977 habe sie 8,5 % Zinsen zahlen müssen; ihr Anspruch errechne sich insoweit mit 105,45 DM. Weiter stünden ihr für die Zeit vom 6.4.1976 bis zum 30.3.1977 6 % Zinsen auf die Wechselsumme (= 280,30 DM) zu.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie 3.921,28 DM nebst 8,25% Zinsen seit dem 1.4.1977 auf 3.535,53 DM zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat vorgetragen, er sei nicht passivlegitimiert. Zahlungspflichtig sei allein sein Vater als der Inhaber der Baufirma XXX. Die Klägerin habe für das Baugeschäft liefern sollen und wollen. Eine persönliche Verpflichtung sei er (Beklagter) nicht eingegangen.
Der Einzelrichter der 8. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg hat die Klage nach Beweiserhebung durch Urteil vom 25.11.1977 abgewiesen, da die Klägerin nicht den ihr obliegenden Nachweis geführt habe, daß der Beklagte ihr Vertragspartner geworden sei. Auf das Urteil wird verwiesen.
Die Klägerin hat gegen das ihr am 30.11.1977 zugestellte Urteil am 29.12.1977 Berufung eingelegt und ihr Rechtsmittel am 30.1.1978, einem Montag, begründet.
Sie beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern und nach ihrem erstinstanzlichen Antrag zu erkennen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Beide Parteien wiederholen und ergänzen ihr Vorbringen aus dem ersten Rechtszuge nach Maßgabe ihrer in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze, auf die Bezug genommen wird.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache hat sie Erfolg. Denn der Beklagte haftet auf Bezahlung der geltend gemachten Ansprüche.
1.)
Die Zahlungspflicht ergibt sich allerdings nicht unmittelbar aus § 433 Abs. 2 BGB, Art. 28 Abs. 2, 48 Abs. 1 Ziff. 2 WG. Denn der Beklagte ist nicht Vertragspartner der Klägerin geworden. Der Kaufvertrag über die Lieferung der Steine und der Wechselbegebungsvertrag sind vielmehr zwischen der Klägerin und der von dem Beklagten vertretenen Firma Baugeschäft XXX deren Inhaber der Vater des Beklagten war, abgeschlossen worden.
Der Beklagte wollte für die Baufirma seines Vaters tätig werden und deren Inhaber verpflichten. Auch die Klägerin wollte mit dieser Firma kontrahieren. Demgemäß ist Bezogener des Wechsels vom 6.1.1976 das "Bauunternehmen" XXX. Das zeigen weiter die Aussage des Zeugen XXX nach der schon seit langer Zeit Geschäftsbeziehungen zu der Firma XXX bestanden, und dessen Vorstellung, der Beklagte sei der Inhaber dieses Baugeschäfts. Im Rahmen dieser Geschäftsbeziehungen wurden der Wechsel akzeptiert und die Steinbestellungen aufgegeben. Die Steine waren für das Baugeschäft bestimmt; der Wechsel bezog sich auf Lieferungen an diesen Gewerbebetrieb. Vertragspartner sollte darum auch nach der Vorstellung der Klägerin die Firma Baugeschäft XXX sein. Daß sich die Klägerin dabei über die Person des Inhabers irrte und statt des Maurermeisters XXX sen. den Beklagten als Vertragspartner annahm, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Die Auslegung, daß der wahre Inhaber des Baugeschäfts Vertragspartei wurde, wird dadurch nicht berührt (vgl. BGH NJW 1974, 1191 [BGH 18.03.1974 - II ZB 167/72]; BGH DB 1976, 143/4; OLG Oldenburg DB 1977, 1310 = Nds. Rpfl. 1977, 164). Wesentlich ist allein, daß beide Verhandlungspartner mit Wirkung für und gegen den Inhaber des Geschäftsbetriebes abschließen wollten (Lorenz NJW 1970, 1277/8 [OLG Bremen 19.01.1970 - 1 U 166/69] m. w. Nachw. OLG Stuttgart, NJW 1973, 629 [OLG Stuttgart 28.12.1972 - 13 U 95/72] f). Das war hier der Fall.
2.)
Der Beklagte haftet jedoch kraft Rechtscheins neben seinem Vater für die Bezahlung der Kaufpreisschuld und der geltend gemachten Wechselzinsen. Denn er hat in ihm zurechenbarer Weise gegenüber der Klägerin den Rechtsschein erweckt, er sei (Mit-)Inhaber der Firma Baugeschäft XXX und persönlich zahlungspflichtig.
Der Beklagte hatte im Baugeschäft seines Vaters unstreitig umfassende Befugnisse. Er konnte u.a. Bestellungen tätigen, Zahlungen anweisen und Wechselakzepte geben. Wie durch die von dem Zeugen XXX bekundete Äußerung des Vaters des Beklagten, das Bestellen mache sein Sohn, er könne darüber nichts sagen, belegt wird, war der Beklagte weitgehend für den Geschäftsbetrieb verantwortlich. Gegenüber der Klägerin ist seit Jahren nur er aufgetreten. Dabei hat er nach der glaubhaften Bekundung des Zeugen XXX nicht zum Ausdruck gebracht, daß er für den gleichnamigen Geschäftsinhaber (seinen Vater) handele. Wie das Wechselakzept vom Januar 1976 zeigt, hat er seiner Unterschrift weder zum Zwecke der Unterscheidung von seinem Vater das Wort "junior" beigefügt noch durch geeignete Zusätze kenntlich gemacht, daß er für einen anderen Erklärungen abgebe. Da Namen, Anschrift und Berufsbezeichnung bei Vater und Sohn identisch waren, konnte und mußte die Klägerin aus diesem Verhalten den (falschen) Eindruck gewinnen und durfte darauf vertrauen, sie habe es mit dem Beklagten als Geschäftspartner zu tun, dieser sei (was angesichts der engen verwandtschaftlichen und beruflichen Beziehungen zwischen Geschäftsinhaber und Beklagten XXX nahelag) zumindest Mitinhaber der Baufirma XXX. Daß sie dieser Annahme war, ergibt sich aus der glaubhaften Aussage des Zeugen XXX und zeigt sich auch darin, daß sie den Beklagten auf Zahlung in Anspruch genommen hat.
Das Auftreten des Beklagten gegenüber der Klägerin führt demnach zu dessen unbeschränkter persönlicher Haftung kraft Rechtsscheins. Der Beklagte ist der Klägerin daher (neben seinem Vater) sowohl für die Lieferungen der Kalksandsteine vom Juli 1976 als auch für die Wechselzinsen zahlungspflichtig.
Die Kaufpreisforderung der Klägerin beläuft sich auf unstreitig 3.535,53 DM. Sie muß der Beklagte bezahlen. Der auf diese Forderung bezogene Zinsanspruch rechtfertigt sich aus §§ 284, 286, 288 BGB.
Die Wechselzinsen in Höhe von 6 % (§ 48 Abs. 1 Ziff. 2 WG i. V. mit § 1 Abs. 2 des Gesetzes über die Wechsel- und Scheckzinsen vom 3.7.1925) auf 4.705,66 DM für die Zeit vom 6.4.1976 bis zum 30.3.1977 ergeben den geltend gemachten Betrag von 280,30 DM.
3.)
Die Klage erweist sich demnach als begründet.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Ziff. 10, 713 ZPO