Verwaltungsgericht Göttingen
Beschl. v. 08.05.2014, Az.: 2 B 145/14

Dublin-III-VO; effektiver Rechtsschutz; Non-Refoulement; Polen; polnisches Ausländergesetz; Refoulement-Verbot; systemischer Mangel; wirksamer Rechtsbehelf

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
08.05.2014
Aktenzeichen
2 B 145/14
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2014, 42624
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Jedenfalls seit dem Inkrafttreten der Änderung des polnischen Ausländergesetzes am 01.05.2014, nach welcher Asylbewerber bis zur gerichtlichen Entscheidung über ihren Eilantrag gegen negative Entscheidungen des Refugee Board zu ihrem Asylantrag nicht abgeschoben werden dürfen, ist kein Raum für die Annahme, den Betroffenen stehe im Asylverfahren Polens kein wirksamer Rechtsbehelf i.S.d. Art. 47 EU-Grundrechtecharta zur Verfügung und es drohe ein Verstoß gegen das Refoulement-Verbot während des gerichtlichen Eilverfahrens.

2. Liegt insoweit kein systemischer Mangel im Asylrechtsschutzsystem Polens begründet, scheidet jedenfalls eine daraus resultierende Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung, wie sie von Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 Dublin-III-VO vorausgesetzt wird, aus.

Tenor:

1. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens; Gerichtskosten werden nicht erhoben.

2. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes unter Beiordnung von Rechtsanwalt H. aus J. wird abgelehnt.

Gründe

I.

Die Antragsteller - eine alleinerziehende Mutter mit drei minderjährigen Söhnen - sind russische Staatsangehörige tschetschenischer Volkszugehörigkeit. Nach eigenen Angaben reisten sie mit dem Zug aus K. kommend über L. und die weißrussische Stadt M. in das Gebiet der Europäischen Union ein. Am 14. März 2014 beantragten sie in N./Republik Polen erstmalig internationalen Schutz, und ihnen wurden Fingerabdrücke abgenommen. Befragt zu den Einreisemodalitäten, hat die Antragstellerin zu 1. sich dahin gehend eingelassen, sie seien von Polen aus mit dem PKW weitergefahren und bereits am 15. März 2014 nach Deutschland eingereist. Hier suchten sie am 17. März 2014 in O. um Asyl nach und stellten am 20. März 2014 einen Asylantrag. In ihrer am selben Tage durchgeführten Anhörung zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - verneinte die Antragstellerin zu 1. auf Frage für sich und ihre Kinder einen Unterstützungsbedarf. Nach Polen - wo sie am 14. März 2014 Asyl habe beantragen müssen - wolle sie mit ihren Kindern nicht rücküberstellt werden, weil sie sich dort nicht sicher fühle. Recherchen des Bundesamts ergaben bezogen auf die Antragsteller einen EURODAC-Treffer der Kategorie 1 hinsichtlich Polens.

Auf das am 21. März 2014 gestellte Übernahmeersuchen des Bundesamts erklärte das Office for Foreigners of the Republic of Poland - Department for Refugee Procedures - mit Schreiben vom 24. März 2014 seine Zuständigkeit für die Wiederaufnahme der Antragsteller gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b) der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 - Dublin-III-VO - (Abl. EU L 180 vom 29. Juni 2013, S. 31). Daraufhin entschied das Bundesamt mit Bescheid vom 27. März 2014, der den Antragstellern am 31. März 2014 persönlich zugestellt wurde, dass die Asylanträge der Antragsteller unzulässig seien (Ziffer 1.) und ihre Abschiebung nach Polen angeordnet werde (Ziffer 2.). Zur Begründung verwies das Bundesamt im Wesentlichen auf die von Polen erklärte Zuständigkeit für die Asylanträge der Antragsteller. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO auszuüben, seien nicht ersichtlich. Systemische Mängel im polnischen Asylverfahren seien nicht gegeben. Soweit die Antragstellerin zu 1. in ihrer Anhörung angegeben habe, sie fühle sich in Polen nicht sicher, sei auf die Schutzbereitschaft und -fähigkeit der polnischen Behörden zu verweisen.

Hiergegen haben die Antragsteller am 7. April 2014 die Klage 2 A 144/14 erhoben, über die noch nicht entschieden ist. Zugleich haben sie um Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Abschiebungsanordnung nachgesucht. Der Bescheid vom 27. März 2014 sei formell und materiell rechtswidrig. Das Verfahren leide an Fehlern, weil sie - die Antragsteller - nicht zu ihren Fluchtgründen angehört worden seien und keine Anhörung zum Gesundheitszustand des Antragstellers zu 2., der schwerbehindert sei, stattgefunden habe; dadurch sei ihnen die Möglichkeit genommen worden, hierzu Stellung zu nehmen. Schließlich hätten sie eine unvollständige und fehlerhafte Übersetzung des Bescheidtenors erhalten. Materiell-rechtlich habe die Abschiebungsanordnung aus verschiedenen Gründen nicht ergehen dürfen: Erstens weise das Asylverfahren in Polen entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin systemische Mängel auf, die sich aus dem dortigen Rechtsschutzsystem ergäben. Dieses sehe die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines gerichtlichen Rechtsbehelfs gegen die negative Entscheidung des polnischen Refugee Board (einer Art Widerspruchsbehörde, die über Beschwerden gegen ablehnende Entscheidungen des polnischen Office for Foreigners entscheide) nur auf Antrag vor. Bis zur Anordnung der aufschiebenden Wirkung durch das Verwaltungsgericht Warschau existiere kein gesetzlicher oder behördlicher Vollstreckungsschutz. Die polnische Abschiebungspraxis gehe dahin, Dublin- Antragsteller in diesem zeitlichen Korridor in ihr Herkunftsland abzuschieben. Nach der Überstellung nach Polen drohe ihnen deshalb mit überwiegender Wahrscheinlichkeit, von dort nach Russland abgeschoben zu werden, bevor sie beim Verwaltungsgericht Warschau die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen die Ablehnung eines in Polen zu stellenden Wiederaufnahmeantrags erlangen könnten. Dadurch drohten eine Verletzung in ihrem Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf aus Art. 47 Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EUGRCh) und ein Verstoß gegen den Grundsatz der Nichtzurückweisung (Non-Refoulement). Mit dieser Begründung habe auch das niederländische Gericht von Den Haag mit Beschluss vom 18. Juni 2013 - AWB 13/11314 - eine Rücküberstellung nach Polen ausgesetzt. Zweitens leide der Bescheid an einem Ermessensausfall, soweit es um die Ablehnung eines Selbsteintritts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO gehe. Außergewöhnliche humanitäre Gründe im Sinne dieser Norm seien vom Bundesamt zu Unrecht verneint worden. Der schwerbehinderte Antragsteller zu 2. leide an den Folgen einer Spina bifida („offener Rücken“) im Lumbosakralbereich (L5-S1) und eines Dolichosigma (pathologische Verlängerung des Sigmadarms). Er müsse wegen einer daraus resultierenden Enkopresis (Einkotung) auch als Teenager ständig Windeln tragen und sei auf eine ständige Diät (fettarme Ernährung) angewiesen. Hierzu reichen die Antragsteller die Übersetzung eines bis zum 1. Dezember 2014 gültigen russischen Behindertenausweises sowie russisch-sprachige Schriftstücke ein, die ärztliche Atteste darstellen sollen. Wegen seiner Behinderung bedürfe der Antragsteller zu 2. ständig der Betreuung durch andere Familienmitglieder, insbesondere derjenigen der Antragstellerin zu 1. - Drittens stünden einer Durchführung der Abschiebung rechtliche Hindernisse entgegen, die sich wegen des zu beachtenden Grundsatzes der Familieneinheit auf sie alle auswirkten. Zum einen liege ein inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis in Gestalt einer Reiseunfähigkeit des Antragstellers zu 2. vor; angesichts der Behinderung müsse dessen Reisefähigkeit positiv ärztlich festgestellt werden, was bislang nicht geschehen sei. Zum anderen sei die Weiterbehandlungsmöglichkeit bezogen auf diesen Antragsteller in Polen nicht gesichert, so dass ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot bestehe. Unabhängig davon, ob sie nach der Überstellung in geschlossenen Gewahrsamszentren oder gewöhnlichen Aufnahmeeinrichtungen untergebracht würden, werde die von ihm benötigte Diät mit Blick auf die dort vorherrschende Qualität der Ernährung, die das Gericht aus anderen Verfahren kenne, nicht verfügbar sein. Schließlich sei die Abschiebung vor einer Zuweisung nach § 50 AsylVfG, die noch nicht erfolgt sei, nicht durchführbar, weil die bis dahin für sie zuständige Landesaufnahmebehörde Niedersachsen - LAB NI - keine Abschiebungen vornehme; dies geschehe erst durch die für den Zuweisungsort zuständige lokale Ausländerbehörde.

Die Antragsteller beantragen sinngemäß,

1. die aufschiebende Wirkung ihrer Klage 2 A 144/14 gegen die im Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 27. März 2014 enthaltene Abschiebungsanordnung anzuordnen,

2. ihnen für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt H. aus J. zu bewilligen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO abzulehnen.

Zur Begründung bezieht sie sich auf den angefochtenen Bescheid.

Mit Bescheid vom 8. April 2014 hat die LAB NI die Antragsteller - gestützt auf § 50 AsylVfG - mit Wirkung vom 6. Mai 2014 dem Flecken P. im Landkreis Q. zugewiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte des vorliegenden Eilverfahrens und des zugehörigen Klageverfahrens 2 A 144/14 sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Bundesamts und der LAB NI Bezug genommen. Diese Unterlagen haben vorgelegen und sind Gegenstand der gerichtlichen Entscheidungsfindung gewesen.

II.

1. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat keinen Erfolg. Er ist zwar zulässig, aber unbegründet.

a) Gegen die Zulässigkeit des Antrags bestehen keine Bedenken. Die Statthaftigkeit eines Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der (auch) gegen die Abschiebungsanordnung (Ziffer 2. des Bundesamtsbescheides vom 27. März 2014) gerichteten Anfechtungsklage 2 A 144/14 folgt aus § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG in der seit dem 6. September 2013 geltenden Fassung (n.F.) i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1, 1. Alt. VwGO, weil dieser Klage nach (arg. e) § 75 Abs. 1 AsylVfG i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO keine aufschiebende Wirkung zukommt. Gemessen an den §§ 57 Abs. 2 VwGO, 222 Abs. 1 ZPO, 187 Abs. 1, 188 Abs. 2, 1. Alt. BGB ist der am 7. April 2014 gestellte Eilantrag auch innerhalb der Wochenfrist (§ 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG n.F.) nach Bekanntgabe des Bescheides vom 27. März 2014 bei Gericht eingegangen. Denn dieser Bescheid ist der Antragstellerin zu 1. am 31. März 2014 selbst (§§ 31 Abs. 1 Satz 4 AsylVfG, 6 Abs. 1 Satz 1 VwZG) - im eigenen Namen und zugleich als gesetzlicher Vertreterin der Antragsteller zu 2. bis 4. - zugestellt worden. Weil zugleich die Klage 2 A 144/14 innerhalb der Wochenfrist und damit jedenfalls rechtzeitig erhoben worden ist, bedarf die Frage, ob sich aus § 74 Abs. 1, 2. HS. AsylVfG in der Gesamtschau mit § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG n.F. nunmehr eine einwöchige Klagefrist ergibt oder es - wie zuvor - bei der zweiwöchigen Klagefrist aus § 74 Abs. 1, 1. HS. AsylVfG verbleibt (vgl. hierzu den Beschluss eines anderen Einzelrichters der Kammer vom 17. Oktober 2013 - 2 B 844/13 -, juris Rn. 2), unter dem Aspekt des Eilrechtsschutzbedürfnisses keiner Entscheidung.

b) Jedoch hat der Eilantrag in der Sache keinen Erfolg. Der Maßstab der Begründetheitsprüfung bei Anträgen nach § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1, 1. Alt. VwGO ist nach der Rechtsprechung der Kammer (vgl. etwa den Beschluss eines anderen Einzelrichters vom 11. Oktober 2013 - 2 B 806/13 -, juris Rn. 3) nicht etwa dem § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG zu entnehmen, der sich auf den Eilrechtsschutz gegen eine Abschiebungsandrohung bei einer Ablehnung eines Asylantrags als unbeachtlich oder offensichtlich unbegründet bezieht und nach welchem die Abschiebung nur ausgesetzt werden darf, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Vielmehr ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen, die sich maßgeblich - wenngleich nicht ausschließlich - an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache orientiert. Diese Abwägung des öffentlichen Vollzugsinteresses mit dem privaten Aussetzungsinteresse der Antragsteller fällt vorliegend zu Lasten der Antragsteller aus. Denn in der Hauptsache bestehen bei - im Eilverfahren nur möglicher und gebotener - summarischer Prüfung keine Erfolgsaussichten, denn der angefochtene Bescheid des Bundesamts vom 27. März 2014 begegnet in Ziffer 2. keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

Die darin enthaltene, auf die Republik Polen bezogene Abschiebungsanordnung findet ihre Grundlage in § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG n.F. i.V.m. § 27a AsylVfG und der Dublin-III-VO, die nach ihrem Art. 49 Abs. 2 Satz 1 sowohl hinsichtlich des Verfahrens als auch bezüglich der Zuständigkeitskriterien anwendbar ist, weil der (erste) Antrag auf internationalen Schutz am 14. März 2014 und damit ab dem 1. Januar 2014 gestellt worden ist.

aa) Die Einwände der Antragsteller gegen die formelle Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung, insbesondere gegen das Verfahren ihres Zustandekommens, greifen nicht durch.

(1) Das gilt zunächst für die Rüge, eine Anhörung zu den Fluchtgründen sei nicht erfolgt. Eine derart weitgehende inhaltliche Anhörung der Antragsteller war nicht erforderlich. In sog. Dublin-Verfahren wie dem vorliegenden beschränkt sich die Anhörungspflicht des Bundesamts auf die Angaben nach § 25 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 AsylVfG, d.h. im Wesentlichen zu Wohnsitzen, Reisewegen, Aufenthalten und Asylantragstellungen oder internationalen Schutzverfahren in anderen Staaten oder im Bundesgebiet sowie zu sonstigen Tatsachen und Umständen, die einer Abschiebung oder einer Abschiebung in einen bestimmten Staat - hier den für zuständig erachteten anderen Mitgliedstaat - entgegenstehen. Denn bereits mit diesen Angaben kann das Bundesamt die Entscheidung über den zuständigen Mitgliedstaat bzw. die ggf. zu unterlassende Abschiebung dorthin treffen (vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 26. Februar 2014 – 13 L 171/14.A -, juris Rn. 11). In diesem Verfahrensstadium bedarf es hingegen nicht der Kenntnis der von § 25 Abs. 1 Satz 1 n.F. AsylVfG genannten Tatsachen, die die Furcht des Asylbewerbers vor politischer Verfolgung im Herkunftsland oder die Gefahr eines ihm dort drohenden ernsthaften Schadens begründen. Aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Dublin- III-VO, der nunmehr ausdrücklich ein „persönliches Gespräch“ der Behörden des die Zuständigkeit prüfenden Staates mit dem Antragsteller vorsieht, folgt nichts anderes. Dieses Gespräch dient ausweislich der Norm lediglich dazu, das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates zu erleichtern und (gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Dublin-III-VO) das Verständnis der dem Antragsteller nach Art. 4 Dublin-III-VO bereitgestellten Informationen zu ermöglichen. Es ist nicht ersichtlich, dass das Bundesamt in der zweiteiligen Anhörung vom 20. März 2014 diesem Maßstab nicht gerecht geworden wäre.

(2) Nicht nachvollziehbar erscheint in diesem Zusammenhang das weitere Monitum, eine Anhörung zu etwaigen gesundheitlichen Problemen des Antragstellers zu 2. sei unterblieben, und dadurch sei den Antragstellern die Möglichkeit zur Stellungnahme hierzu versagt worden. Gemäß §§ 25 Abs. 2, 15 AsylVfG oblag es der Antragstellerin zu 1., selbst die Tatsachen und Umstände anzugeben, die einer Abschiebung oder einer Abschiebung in einen bestimmten Staat entgegenstehen. Soweit die Antragsteller der Ansicht sind, aus der Behinderung des Antragstellers zu 2. folge dessen Reiseunfähigkeit (§ 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG) oder die Weiterbehandlungsunmöglichkeit behandlungsbedürftiger Krankheiten im Zielstaat Polen (vgl. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG), hat die Anhörung vom 20. März 2014 die Gelegenheit geboten, auf derartige Umstände hinzuweisen und ggf. darauf bezogene Atteste vorzulegen. Dies ist nicht geschehen; nicht einmal der Umstand der nunmehr im Eilverfahren vorgetragenen Schwerbehinderung ist erwähnt worden. Dass die Antragstellerin zu 1. gehindert worden wäre, derartige Angaben zu machen, ist nicht ersichtlich. Vielmehr hat sie die seitens des Bundesamts gestellten Fragen, ob sie oder ihre Kinder auf eine Unterstützung angewiesen seien, eindeutig verneint. Vor diesem Hintergrund mangelnder Mitwirkung der Antragsteller kann der Antragsgegnerin nicht der Vorwurf gemacht werden, sie habe diese Umstände verfahrensfehlerhaft nicht berücksichtigt.

(3) Jeglicher Substanz entbehrt die auf das Verfahren bezogene Rüge der Antragsteller, sie hätten nur eine unvollständige und fehlerhafte russischsprachige Übersetzung des Tenors des Bescheides vom 27. März 2014 erhalten. Sie machen nicht einmal ansatzweise deutlich, worin diese Unvollständigkeiten und Fehler bestehen sollen. Der Einzelrichter kann deshalb dahinstehen lassen, welche Konsequenzen sich bei der Bejahung eines Übersetzungsfehlers ergäben (vgl. hierzu den Beschluss eines anderen Einzelrichters der Kammer vom 17. Oktober 2013 - 2 B 844/13 -, juris Rn. 5).

bb) In materiell-rechtlicher Hinsicht ist die Abschiebungsanordnung ebenfalls nicht zu beanstanden. Nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG n.F. ordnet das Bundesamt, sofern ein Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a AsylVfG) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a AsylVfG) abgeschoben werden soll, die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamts zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht.

Diese Voraussetzungen sind hier im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1, 2. HS. AsylVfG) gegeben.

(1) Ein Fall des § 27a AsylVfG liegt vor, denn Polen ist der für die Durchführung des Asylverfahrens der Antragsteller zuständige andere Mitgliedstaat der Europäischen Union. Zu Recht hat das Bundesamt deshalb in Ziffer 1. des angegriffenen Bescheides vom 27. März 2014 die am 20. März 2014 in Deutschland gestellten Asylanträge der Antragsteller als unzulässig abgelehnt.

(a) Auch hinsichtlich der Zuständigkeitskriterien ist vorliegend - nach deren Art. 49 Abs. 2 Satz 1 - die Dublin-III-VO anwendbar, weil der (erste) Antrag auf internationalen Schutz am 14. März 2014 und damit ab dem 1. Januar 2014 gestellt worden ist. Durch diese Antragstellung ist die Zuständigkeit der Republik Polen nach Maßgabe des Art. 3 Abs. 2 UAbs. 1 Dublin-III-VO begründet worden. Den Umstand der Antragstellung hat bereits die EURODAC-Abfrage ergeben, die einen Treffer der Kategorie 1 (= Asylbewerber, vgl. Art. 2 Abs. 3 Satz 5 der Verordnung (EG) Nr. 407/2002 des Rates vom 28. Februar 2002 - EURODAC-DVO -, ABl. EG L 62 vom 5. März 2002, S. 1, zur Festlegung von Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 2725/2000 des Rates vom 11. Dezember 2000 über die Einrichtung von „EURODAC“ für den Vergleich von Fingerabdrücken zum Zwecke der effektiven Anwendung des Dubliner Übereinkommens - EURODAC-VO -, ABl. EG L 316 vom 15. Dezember 2000, S. 1) ausgewiesen hat. Die Asylantragstellung in Polen ist von der Antragstellerin zu 1. in ihrer Anhörung vor dem Bundesamt sowie im vorliegenden Verfahren vorgetragen worden. Polen hat ferner in seiner Antwort vom 24. März 2014 auf das Übernahmeersuchen des Bundesamts vom 21. März 2014 erklärt, es halte sich nach Art. 18 Abs. 1 lit. b) Dublin-III-VO (= offener Asylantrag in Polen) für zuständig und verpflichtet, die Antragsteller wiederaufzunehmen.

(b) Die Zuständigkeit ist auch nicht gemäß Art. 23 Abs. 3 Dublin-III-VO von Polen auf die Beklagte übergegangen. Denn das Wiederaufnahmeersuchen des Bundesamts gegenüber Polen ist bereits am 21. März 2014 und damit jedenfalls innerhalb der (nunmehr in Art. 23 Abs. 2 UAbs. 1 Dublin-III-VO vorgesehenen) Frist von zwei Monaten nach der EURODAC-Treffermeldung i.S.d. Art. 9 Abs. 5 der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 - der neuen EURODAC-VO - vom 26. Juni 2013, ABl. EU L 180 vom 29. Juni 2013, S. 1 (bzw., bis zu deren Inkrafttreten am 20. Juli 2015, i.S.d. Art. 4 Abs. 5 EU- RODAC-VO; vgl. Art. 49 Abs. 3, 1. Alt. Dublin-III-VO) gestellt worden.

(c) Schließlich ist kein Zuständigkeitswechsel hin zur Beklagten aufgrund von Art. 3 Abs. 2 UAbs. 3 Dublin-III-VO eingetreten. Nach dieser Bestimmung wird, wenn es sich als unmöglich erweist, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, weil es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für den Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung i.S.d. Art. 4 EUGRCh mit sich bringen (§ 3 Abs. 2 UAbs. 2 Dublin-III-VO), der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat zum zuständigen Mitgliedstaat, wenn auch eine alternative Überstellung in einen weiteren Mitgliedstaat anhand nachrangiger Zuständigkeitskriterien ausscheidet.

(aa) Auf von der Norm vorausgesetzte „systemische Schwachstellen“ oder „systemische Mängel“ des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in Polen können sich die Antragsteller im vorliegenden Fall aufgrund der von der Antragstellerin zu 1. geschilderten Einreisemodalitäten von vornherein nicht berufen, denn einer Geltendmachung derartiger Umstände steht der Einwand unzulässiger Rechtsausübung (§ 242 BGB) entgegen. Nach den Angaben der Antragstellerin zu 1. zum Ablauf und Reiseweg, die diese im Rahmen der Anhörung vor dem Bundesamt gemacht hat, unterliegt es keinem vernünftigen Zweifel, dass die Antragsteller nach Stellung ihres ersten Asylantrags in N. (Grenzstadt im Südosten Polens) am 14. März 2014 umgehend nach Deutschland weitergereist sind, ohne die für sie zuständige polnische Erstaufnahmeeinrichtung auch nur aufzusuchen. In das Bundesgebiet sind sie nach einer Reise mit dem PKW quer durch polnisches Staatsgebiet bereits am nächsten Tag (15. März 2014) eingereist, und Anhaltspunkte für eine zwischenzeitlich erfolgte Meldung bei der Erstaufnahmeeinrichtung ergeben sich weder aus ihrem Vortrag noch aus den Akten. Die Antragsteller haben sich ohne aktuelle und gesicherte Erkenntnisse der Aufnahme-und Unterbringungsbedingungen tschetschenischer Flüchtlinge in Polen entschieden, sofort nach Deutschland weiterzureisen und hier einen weiteren Asylantrag zu stellen. Damit haben sie bewusst das gegenüber den polnischen Behörden in N. geäußerte Asylgesuch dazu missbraucht, sich eine Transitmöglichkeit über polnisches Territorium in die Bundesrepublik zu verschaffen. Dieser Missbrauch des Rechts zur Stellung eines Asylgesuchs an einer EU-Außengrenze kann den Antragstellern im vorliegenden Verfahren nicht auch noch dazu verhelfen, die Aufnahme- und Unterbringungsbedingungen für tschetschenische Asylbewerber in Polen generell als mit systemischen Mängeln behaftet einzuwenden, obwohl sie diese nicht ansatzweise aus eigener Anschauung erfahren haben (vgl. im Einzelnen Beschlüsse eines anderen Einzelrichters der Kammer vom 3. Januar 2014 - 2 B 763/13 -, juris Rn. 21, und - 2 B 804/13 -, S. 10 des Beschlussabdrucks).

(bb) Selbst wenn man dies anders sieht, so liegen derartige systemische Schwachstellen oder Mängel in Bezug auf die Republik Polen nicht vor. Das haben sowohl die Kammer (Beschluss eines anderen Einzelrichters vom 7. März 2014 - 2 B 55/14 -, juris Rn. 13 ff., im Anschluss an VG Lüneburg, Beschluss vom 18. November 2013 - 2 B 64/13 -, vgl. auch dessen Beschluss vom 10. Oktober 2013 - 2 B 47/13 -, juris Rn. 14) sowie der 13. Senat des Nds. OVG (Beschluss vom 1. April 2014 - 13 LA 22/14 -, juris Rn. 11) als auch andere deutsche Gerichte (vgl. VGH Mannheim, Urteil vom 26. Februar 2014 - A 3 S 698/13 -, juris Rn. 34; VG Düsseldorf, Beschluss vom 19. November 2013 - 25 L 2154/13.A -, juris Rn. 23; VG Schleswig, Beschluss vom 27. August 2013 - 1 B 43/13 -, juris Rn. 9; VG Kassel, Beschluss vom 26. August 2013 - 4 L 984/13.KS.A -, juris Rn. 23) entschieden. Auf diese Beschlüsse und die dort wiedergegebenen Erkenntnismittel kann zur Vermeidung von Wiederholungen hinsichtlich der Durchführung der Asylverfahren, der Verfahrensdauer, der grundsätzlichen Unterbringung, Verpflegung und medizinischen Versorgung verwiesen werden, zumal die Antragsteller des vorliegenden Verfahrens darauf bezogene generelle Monita nicht erheben. Soweit sie konkrete Rügen formulieren, greifen diese nicht durch.

Der Befürchtung der Antragsteller, in Polen vor Übergriffen anderer Tschetschenen nicht sicher zu sein, fehlt jegliche Glaubhaftmachung anhand abweichender Erkenntnisse, dass eine Schutzunfähigkeit oder Schutzunwilligkeit Polens gegeben wäre.

Der Vortrag, Rückzuüberstellende wie der Antragsteller zu 2. würden sowohl in polnischen Gewahrsamszentren als auch in dortigen gewöhnlichen Erstaufnahmeeinrichtungen eine aufgrund von Erkrankungen benötigte, pauschal als „fettarm“ bezeichnete Ernährung nicht erhalten, erschöpft sich in einer bloßen, durch nichts belegten Behauptung.

Schließlich machen die Antragsteller unter Verweis auf die Entscheidung des niederländischen Gerichts von Den Haag - Nebenstelle Haarlem - vom 18. Juni 2013 – AWB 13/11314 - geltend, Besonderheiten des polnischen Asylrechtsschutzsystems begründeten für sie die Gefahr einer Verletzung in ihrem europäischen Grundrecht auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes aus Art. 47 (Satz 1) EUGRCh sowie einen drohenden Verstoß gegen das Refoulement-Verbot. Diese Besonderheiten bestünden darin, dass in Polen verwaltungsgerichtlichen Klagen gegen die durch das Refugee Board bestätigte ablehnende Entscheidung des Office for Foreigners (anders als nach § 75 Abs. 1 AsylVfG) keine aufschiebende Wirkung zukomme - sondern diese Wirkung nur durch gerichtliche Entscheidung auf Antrag erzeugt werden könne - und auch kein (mit §§ 36 Abs. 3 Satz 8, 71 Abs. 4 AsylVfG vergleichbares) gesetzliches Vollstreckungshindernis im Zeitraum zwischen der Stellung eines darauf gerichteten Eilantrags und der gerichtlichen Entscheidung hierüber bestehe. Daraus und aus der polnischen Abschiebungspraxis ergebe sich, dass ihnen - den Antragstellern - in der Zwischenzeit von der Bekanntgabe des negativen Bescheides des Refugee Board bis zur gerichtlichen Entscheidung im Eilverfahren Abschiebungen in ihr Herkunftsland Russland drohen. Auch diese Rüge hat keinen Erfolg, weil den Antragstellern die behaupteten Gefahren in Polen bei einer Prognose im maßgeblichen Zeitpunkt der vorliegenden Eilentscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1, 2. HS. AsylVfG) nicht drohen.

Dabei kann offenbleiben, wie die Situation in Polen in der Vergangenheit bis einschließlich 30. April 2014 zu bewerten war, insbesondere ob es sich bei den berichteten Abschiebungen vor einer gerichtlichen Entscheidung über Eilanträge um bedauerliche, jedoch für Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 Dublin-III-VO unerhebliche Einzelfälle gehandelt hat oder aber ob sie echte Anzeichen für systemische Mängel des polnischen Asylverfahrens geboten haben. Dahinstehen kann ebenso, ob Letzterenfalls daraus gerade auch eine von Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 Dublin-III-VO weiter vorausgesetzte Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung i.S.d. Art. 4 EUGRCh bestanden hat. Denn jedenfalls ist am 1. Mai 2014 - offenbar (auch ) auf Initiative der Helsinki Foundation for Human Rights (HFHR) - eine Änderung des polnischen Ausländergesetzes in Kraft getreten, aufgrund welcher ein Asylbewerber im Zeitraum von der Einreichung seiner Klage und seines Eilantrags beim Verwaltungsgericht Warschau bis zu einer gerichtlichen Entscheidung über die Aussetzung der Abschiebungsanordnung (d.h. über seinen Eilantrag) nicht abgeschoben werden darf. Damit ist ein wirksamer Rechtsbehelf i.S.d Art. 47 EUGRCh gegeben; ferner wird ein Verstoß gegen das Refoulement-Verbot während des gerichtlichen Eilverfahrens ausgeschlossen. Dass eine derartige Gesetzesänderung in Polen geplant und bereits vom polnischen Unterhaus (Sejm) am 8. November 2013 verabschiedet worden war und noch der Bestätigung durch das polnische Oberhaus (Senat) bedurfte, tragen sogar die Antragsteller selbst vor. Denn sie haben ihrer Antragsschrift vom 5. April 2014 eine (englischsprachige) Anlage beigefügt, die einen Auszug aus dem National Country Report für Polen der HFHR u.a. vom 25. November 2013, S. 14 f., darstellen soll. Der Einzelrichter, der des Englischen hinreichend mächtig ist, hat die darin enthaltenen Informationen über den Stand des betreffenden Gesetzgebungsverfahrens zum Anlass genommen, auf der Homepage der HFHR im Internet (http://humanrightshouse.org/Articles/20075.html) weitere Recherchen hierzu auszuführen. Aus dem unter dieser URL erreichbaren Artikel vom 3. April 2014 lassen sich die erwähnten Informationen zu der Gesetz gewordenen Fassung abrufen.

(d) Art. 16 Dublin-III-VO lässt sich im vorliegenden Fall kein Zuständigkeitswechsel entnehmen. Selbst wenn - was im Eilverfahren behauptet, aber nicht glaubhaft gemacht worden ist und von der Antragstellerin zu 1. in ihrer Anhörung vor dem Bundesamt vom 20. März 2014 sogar verneint wurde - der Antragsteller zu 2. als „Kind mit Behinderung“ auf die Unterstützung insbesondere der Antragstellerin zu 1. angewiesen sein sollte, so sollen doch alle Antragsteller gemeinsam nach Polen überstellt, d.h. nicht voneinander getrennt werden.

(e) Auch aus Art. 17 Abs. 1 UAbs. 1 Dublin-III-VO folgt kein anderes Ergebnis. Nach dieser Norm kann jeder Mitgliedstaat beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in der Dublin-III-VO festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist.

(aa) Ein derartiger sog. Selbsteintritt, mit dem ein Zuständigkeitswechsel hin zur Beklagten einherginge (vgl. Art. 17 Abs. 1 UAbs. 2 Satz 1 Dublin-III-VO), ist nicht erfolgt. In seinem Bescheid vom 27. März 2014 hat das Bundesamt einen Selbsteintritt i.S.d. Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO vielmehr ausdrücklich abgelehnt. Anhaltspunkte für einen zuvor bereits konkludent ausgeübten Selbsteintritt im Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates sind weder vorgetragen noch sonstwie ersichtlich. Insbesondere hat das Bundesamt nicht durch eine Äußerung oder Mitteilung oder durch schlüssiges sonstiges Verhalten bei den Antragstellern das Vertrauen erweckt, ihr in Deutschland gestellter Asylantrag werde im nationalen Verfahren bearbeitet und beschieden.

(bb) Entgegen der Annahme der Antragsteller ist die Ablehnung des Selbsteintritts rechtlich nicht zu beanstanden.

Das Selbsteintrittsrecht hat sich nicht zu einer Selbsteintrittspflicht verdichtet.

Offenbleiben kann dabei, inwieweit angesichts der zu Art. 3 Abs. 2 der Vorläuferverordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 - Dublin-II-VO - (ABl. EG L 50 vom 25. Februar 2003, S. 1) ergangenen Rechtsprechung des EuGH (vgl. insbesondere Urteile vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 u. C-493/10 - [N.S.], vom 14. November 2013 - Rs. C-4/11 - [Puid] und vom 10. Dezember 2013 - Rs. C-394/12 - [Abdullahi]), die nunmehr in Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 und 3 Dublin-III-VO nachvollzogen wird, neben diesen Vorschriften im Rahmen des Art. 17 Abs. 1 UAbs. 1 Dublin-III-VO noch Raum für eine Berücksichtigung drohender Grundrechtsverletzungen oder Unterschreitungen von (etwa in Richtlinien vorgesehenen) Mindeststandards im Asylverfahren oder bei den Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat bleibt. Insbesondere in der Entscheidung N.S. vom 21. Dezember 2011 (a.a.O, juris Rn. 82, 85) hat der EuGH betont, nicht jeder derartiger Vorfall rechtfertige es, von den im Gemeinsamen Europäischen Asylsystem vorgesehenen Zuständigkeitskriterien abzugehen, wozu im Ergebnis auch nach der Dublin-III-VO ein pflichtiger Selbsteintritt jedoch unweigerlich führen müsste. Hier kann der Einzelrichter diese Fragen dahinstehen lassen, weil - wie ausgeführt - entgegen der Ansicht der Antragsteller weder eine Verletzung in deren Recht aus Art. 47 EUGRCh noch ein Verstoß gegen das Refoulement-Verbot zu befürchten sind.

Außergewöhnlichehumanitäre(auch familiäreoderkrankheitsbedingte)Gründe,die ausnahmsweiseeineErmessensreduktionaufNullzugunsteneinesSelbsteintrittserzeugen könnten, haben die Antragsteller im vorliegenden Fall schon nicht substantiiert vorgetragen und erst recht nicht glaubhaft gemacht. Soweit auf die Schwerbehinderung des dreizehnjährigen Antragstellers zu 2. in Gestalt einer Spina bifida L5-S1 sowie eines Dolichosigma verwiesen und lediglich vorgetragen wird, dieser müsse ständig Windeln tragen und sei auf eine fettarme Diät angewiesen, ergeben sich daraus - auch unter Berücksichtigung von Art. 6 Abs. 1 und 3 Dublin-III-VO, der in allen Verfahren nach dieser Verordnung das Wohl des Kindes zur vorrangigen Erwägung der Mitgliedstaaten erhebt, sowie von Art. 21 der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen [neue Aufnahmerichtlinie], ABl. EU L 180 vom 29. Juni 2013, S. 96, der im mitgliedstaatlichen Recht eine Berücksichtigung der Belange besonders schutzbedürftiger Personen wie Behinderter verlangt - keine Anhaltspunkte dafür, dass bei dem Antragsteller zu 2. zwingend eine Durchführung seines Asylverfahrens im Bundesgebiet naheläge oder erforderlich erschiene.

Mithin verblieb es bei dem durch Art. 17 Abs. 1 UAbs. 1 Dublin-III-VO eingeräumten Selbsteintrittsermessen, welches das Bundesamt fehlerfrei ausgeübt hat. Der von den Antragstellern gerügte Ermessensausfall liegt nicht vor. Zwar hat das Bundesamt in dem angegriffenen Bescheid vom 27. März 2014 lediglich ausgeführt, außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Antragsgegnerin veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO auszuüben, seien nicht ersichtlich. Das erkennende Gericht hat aber bereits entschieden, dass derartige pauschale Ausführungen bei - wie hier gegebenem - Fehlen individueller Besonderheiten des vorliegenden Einzelfalls ausreichend sind (vgl. den Beschluss eines anderen Einzelrichters der Kammer vom 3. Januar 2014 - 2 B 763/13 -, juris Rn. 18).

(2) Entgegen der Ansicht der Antragsteller stehen der Abschiebung (Überstellung) nach Polen auch keine tatsächlichen oder rechtlichen Hindernisse i.S.d. § 34a Abs. 1 Satz 1 a.E. AsylVfG n.F. („Nichtdurchführbarkeit“ der Abschiebung) entgegen. Nach der Rechtsprechung des Nds. OVG (Beschluss des 13. Senats vom 2. Mai 2012 – 13 MC 22/12 -, juris Rn. 27), der sich der Einzelrichter anschließt, hat das Bundesamt insoweit nicht nur zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote, sondern auch inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse zu prüfen. Hier liegen jedoch keine derartigen Hindernisse vor.

(a) Eine Reiseunfähigkeit des Antragstellers zu 2. (tatsächliches inländisches Vollstreckungshindernis i.S.d. § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG) infolge seiner Behinderung bzw. seiner Erkrankungen (Spina bifida und Dolichosigma mit Enkopresis) ist nicht substantiiert vorgetragen und nicht glaubhaft gemacht. Es ist nicht überwiegend wahrscheinlich, dass diesen Antragsteller die damit verbundenen Einschränkungen (Windelntragen, fettarme Diät) an einer Reise oder einem Transport in die Republik Polen hindern oder dass deswegen das Risiko bestünde, dass sich sein Gesundheitszustand unmittelbar durch die Ausreise oder als unmittelbare Folge davon wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern wird (vgl. zum Maßstab etwa OVG Mecklenburg- Vorpommern, Beschluss vom 2. November 2011 - 2 M 164/11 -, juris Rn. 7). Aus dem in deutscher Übersetzung vorgelegten, bis zum 1. Dezember 2014 gültigen russischen Behindertenausweis ergibt sich nichts Gegenteiliges. Dieser bestätigt lediglich pauschal, dass es sich bei dem Antragsteller zu 2. um ein „Kind mit Behinderung“ handele, ohne nähere Angaben zur Art und zum Ausmaß der mit dieser Behinderung einhergehenden Funktionsstörungen zu machen. Die mit Schriftsatz vom 8. April 2014 ausschließlich in russischer Sprache vorgelegten Schriftstücke, die nach dem Vortrag des Prozessbevollmächtigten der Antragsteller ärztliche Atteste darstellen sollen, kann und muss der Einzelrichter nicht verwerten, weil die Gerichtssprache deutsch ist (§ 184 Satz 1 GVG i.V.m. § 173 Satz 1 VwGO) und der Einzelrichter des Russischen nicht hinreichend mächtig ist. Anlass, eine Übersetzung dieser Schriftstücke ins Deutsche vornehmen zu lassen, bietet sich dem Gericht schon deshalb nicht, weil seitens der Antragsteller nicht einmal ansatzweise vorgetragen wird, welchen Inhalt die Schriftstücke im Einzelnen haben und worüber sie konkreten Aufschluss geben sollen. Vor diesem Hintergrund ist auch die Forderung der Antragsteller, die Beklagte müsse nachweisen, dass der Antragsteller zu 2. trotz seiner Behinderung reisefähig sei, unberechtigt.

(b) Desgleichen hat der Antragsteller zu 2. ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot i.S.d. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Polens nicht glaubhaft gemacht. Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Eine derartige Gefahr kann sich auch aus einer im Einzelfall bestehenden behandlungsbedürftigen Erkrankung ergeben, deren medikamentöse oder therapeutische Weiterbehandlung im Zielstaat der Abschiebung generell oder nicht für den individuell betroffenen Ausländer verfügbar ist und bei welcher deshalb eine erhebliche Verschlimmerung dieser Erkrankung und eine erhebliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Ausländers drohen.

Solche Anhaltspunkte sind nicht aufgrund des pauschalen Vortrags zu der Behinderung bzw. den Erkrankungen des Antragstellers zu 2. gegeben. Dass in Polen, einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, für diesen Antragsteller zur Linderung seiner Einschränkung Windeln verfügbar sein werden, liegt auf der Hand. Die Behauptung, sowohl in den Gewahrsamszentren als auch in den gewöhnlichen Erstaufnahmeeinrichtungen für Asylbewerber in Polen werde die vom Antragsteller zu 2. benötigte fettarme Diät angesichts der dortigen Qualität der Ernährung nicht zur Verfügung stehen, ist bereits deshalb „ins Blaue hinein“ erhoben und damit substanzlos, weil nicht einmal mitgeteilt wird, inwieweit diese Diät eine spezielle Zusammensetzung haben müsste; ferner wird nicht glaubhaft gemacht, weshalb ein etwaiges spezielles Ernährungsbedürfnis weder durch die in den polnischen Einrichtungen ausgegebenen Mahlzeiten noch anderweitig gedeckt werden könnte.

Nach alledem ist im vorliegenden Fall auch das Postulat der Antragsteller, die Beklagte habe eine Weiterbehandlungsmöglichkeit in Polen nachzuweisen, verfehlt.

(c) Eine rechtliche Unmöglichkeit der Abschiebung i.S.d. § 34a Abs. 1 Satz 1 a.E. AsylVfG ergibt sich auch nicht, wie die Antragsteller meinen, aus Gründen einer fehlenden Zuständigkeit der LAB NI für die Einleitung von Abschiebungen. Im nach § 77 Abs. 1 Satz 1, 2. HS. AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung über den vorliegenden Eilantrag (8. Mai 2014) sind die Antragsteller nämlich (und zwar bereits seit dem 6. Mai 2014) durch Bescheid der LAB NI vom 8. April 2014 dem Flecken P. im Landkreis Q. zugewiesen. Damit ist jedenfalls nunmehr die Ausländerbehörde dieses Landkreises gemäß § 71 Abs. 1 AufenthG für die Einleitung einer Überstellung (Abschiebung) auf entsprechendes Ersuchen des Bundesamts hin zuständig. Dies nehmen auch die Antragsteller nicht in Abrede. Der Umstand, dass sie bis einschließlich 5. Mai 2014 noch nicht wirksam i.S.d. § 50 AsylVfG landesintern verteilt waren und gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG weiterhin in der Erstaufnahmeeinrichtung des Landes Niedersachsen - hier der LAB NI, Standort Grenzdurchgangslager Friedland - zu wohnen hatten, ist nicht entscheidungserheblich. Ob die LAB NI vor der Verteilung als für die Antragsteller in jenem Zeitraum zuständig gewesene Ausländerbehörde ebenfalls eine Abschiebung hätte einleiten dürfen, kann daher offenbleiben, wenngleich sich bei summarischer Prüfung anhand der einschlägigen Beschlüsse der Nds. Landesregierung und Runderlasse des Nds. Innenministeriums zu dieser Behörde und ihren Vorläuferbehörden (Zentrale Aufnahme- und Ausländerbehörde [ZAAB] Niedersachsen [ZAAB NI]; GDL Friedland; ZAAB Braunschweig/ZAAB Oldenburg) kein deutlicher Zweifel hieran erhebt; mag eine solche Zuständigkeit in der Praxis auch nicht (immer) ausgeübt worden sein.

Da die Antragsteller unterliegen, haben sie gemäß §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben.

2. Die für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes begehrte Prozesskostenhilfe kann den Antragstellern nach § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO i.V.m. § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht bewilligt werden, weil es aus den unter 1. aufgeführten Gründen an der hinreichenden Erfolgsaussicht ihres Eilantrags mangelt. Demzufolge ist auch für die beantragte Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten nach § 121 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO kein Raum.