Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 07.07.2022, Az.: 7 B 1612/22
Betreuungsverbot; Fortnahme; Haltungsverbot; Prognose; Veräußerungsanordnung; Vorrangige Beurteilungskompetenz
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 07.07.2022
- Aktenzeichen
- 7 B 1612/22
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2022, 59784
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 15 Abs 2 TierSchG
- § 16a TierSchG
- § 16a Abs 1 S 2 Nr 2 TierSchG
- § 16a Abs 1 S 2 Nr 3 TierSchG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Die Frage, wie sich eine Person zukünftig als Tierhalter verhalten wird, ist keine veterinärmedizinische, so dass die entsprechende Einschätzung der Amtstierärzte nicht durch die Vorschrift des § 15 Abs. 2 TierSchG privilegiert ist.
2. Die bloße Angabe, die festgestellten Verstöße rechtfertigten nach amtstierärztlicher Beurteilung die negative Zukunftsprognose, stellt keine hinreichende Begründung dar.
Tenor:
1. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 18.Mai 2022 wird wiederhergestellt bzw. angeordnet.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Streitwert wird auf 10.000,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 18. Mai 2022.
Die Antragstellerin war Halterin von sechs Equiden (fünf Endmaßponys und ein Fohlen), die sie auf einer Weide am Standort G., hielt.
Am Abend des 31. März 2022 unterrichtete die Polizei das Veterinäramt des Antragsgegners telefonisch über einen „Tierschutzfall“ auf der Weide am Standort H.. Vor Ort stellten die Amtsveterinäre des Antragsgegners ihrem Bericht über die Kontrolle zufolge folgendes fest:
Auf der Weide hätten sich die sechs o.g. Tiere der Antragstellerin befunden. Die Tiere hätten sich in einem „mäßigen Ernährungs- und Pflegezustand“, ein cremellofarbener Hengst habe sich in einem „schlechten Ernährungszustand“ befunden. Bei mindestens drei Ponys sei der fachgerechte Intervall für die Hufbearbeitung nicht eingehalten worden. Die Weide sei „abgeweidet“ gewesen, es habe für die Tiere kein Futter, keinen Unterstand und keinen Windschutz gegeben. Die Einzäunung der Weide sei nicht sicher gewesen, es habe die Gefahr bestanden, dass die hungrigen Pferde auf der Suche nach Futter auf die Straße laufen würden. Der benachbarte Stall sei leer gewesen, es habe sich dort kein Futter befunden. Der Boden sei gereinigt, nass und rutschig gewesen, so dass ein Einstallen der Equiden zum Schutz vor der nächtlichen Witterung nicht möglich sei. Nach Aussage des bei der Kontrolle anwesenden Verpächters der Weide (Herr I.) hätten die Tiere trotz der kalten Witterung und des noch sehr kleinen Fohlens seit einer Woche Tag und Nacht draußen auf der Weide gestanden. Die Situation sei dringlich geworden, da sich das Wetter weiter verschlechtert und die Temperatur nur 4 ˚C betragen habe. Die Antragstellerin sei sodann telefonisch auf die bestehenden Mängel hingewiesen und zum Sachverhalt angehört worden. Sie habe erklärt, dass Herr I. den Pachtvertrag für die Weide und den Stall gekündigt habe. Weiter habe sie angegeben, die Pferde „heute Abend“ abholen zu wollen. Sie sei dabei einen Anhänger zu organisieren, habe aber keine konkreten zeitlichen Angaben zum Abtransport der Tiere machen können. Die Amtstierärztin habe ihr daraufhin mitgeteilt, dass die Tiere „jetzt sichergestellt werden und unverzüglich aufgestallt werden, da ein weiterer Aufschub nicht möglich sei“. Die Amtstierärzte hätten daraufhin versucht, den Abtransport der Tiere zu organisieren. Mindestens fünf Stellen seien kontaktiert worden. Um den Abtransport zu erleichtern und die Tiere vor der Witterung zu schützen, seien die Pferde in das Innere des leerstehenden Stallgebäudes verbracht worden. Während der Wartezeit auf das Eintreffen des Transporters habe sich die Antragstellerin erneut telefonisch gemeldet und mitgeteilt, dass der Zustand des Hengstes auf eine Infektion mit der Krankheit Druse zurückzuführen sei. Aufgrund dieser Information und des Umstandes, dass es sich bei Druse um eine hochansteckende Krankheit handele, sei von einem Abtransport der Tiere Abstand genommen und stattdessen der Stall für eine vorübergehende Unterbringung der Tiere (bis zur Abklärung des Krankheitsstatus) hergerichtet und anschließend versiegelt worden.
Mit Bescheid vom 6. April 2022 „bestätigte [der Antragsgegner] die von [ihm] am 31.03.2022 amtstierärztlich angeordnete und durchgeführte amtliche Sicherstellung der in der Unterbringung, Gesundheitspflege und Gesundheitsfürsorge erheblich vernachlässigten 6 Equiden/Ponys (5 Endmaßponys und 1 Fohlen) am Standort Weide am J.. Die Sicherstellung der vorgenannten 6 Equiden wurde dadurch bewirkt, dass die Tiere von [ihm] im Rahmen des unmittelbaren Zwangs am 31.03.2022 in [sein] Gewahrsam genommen wurden“.
Diese Anordnung stützte der Antragsgegner auf §§ 64 Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 Satz 1, 65, 69, 70 Abs. 1 Satz 3, 74 Abs. 1 Satz 2 NPOG. Danach „können Zwangsmittel (unmittelbarer Zwang) von mir als zuständige Behörde ohne vorausgehenden Verwaltungsakt angewendet werden, wenn dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr, insbesondere weil Maßnahmen gegen Personen nach den §§ 6 bis 8 nicht oder nicht rechtzeitig möglich sind oder keinen Erfolg versprechen, erforderlich sind und die Verwaltungsbehörde hierbei innerhalb ihrer Befugnisse handelt (vgl. §§ 64 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. 65, 69 NPOG, § 16, § 16a TierSchG).“ Zur weiteren Begründung führte der Antragsgegner in seinem Bescheid aus, dass die „Versäumnisse [der Antragstellerin] in Bezug auf Ernährung Gesundheitsfürsorge/Gesundheitspflege, Hufpflege und Unterbringung der o.g. Equiden zu dem oben näher beschriebenen und besorgniserregenden Zustand der Tiere führten“. Diese stellten „grobe Verstöße gegen § 18 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 1 Satz 2, § 2 Nr. 1 TierSchG in Anlehnung an die Leitlinien zur Beurteilung von Pferdehaltungen unter Tierschutzgesichtspunkten i.V.m. Ordnungswidrigkeitentatbestände [sic] i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 TierSchG dar“. Aus diesem Grund habe eine gegenwärtige Gefahr im Sinne des § 2 Nr. 2 NPOG bestanden. „Im Hinblick auf [das] bisherige Verhalten [der Antragstellerin] gegenüber ihren Equiden (grobe Vernachlässigung i.V.m. Untätigkeit) war am 31.03.2022 nicht davon auszugehen, dass [die Antragstellerin] ihrer Tierhalterpflicht kurzfristig nachkommen [werde] (neg. Zukunftsprognose)“.
Mit Bescheid vom 7. April 2022 bestätigte der Antragsgegner die „am 4. April 2002 [sic] angeordnete und durchgeführte Sicherstellung und Verwahrung [der] Equidenpässe und Eigentumsunterkunden, zuzuordnen der [sic] o.g. sichergestellten 6 Ponys.“ Diese Anordnung stützte der Antragsgegner auf §§ 26 Nr. 1, 27, 29 Abs. 3, 64 Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 Satz 1, 65, 69, 70 Abs. 1 Satz 3, 74 Abs. 1 Satz 2 NPOG. Die für die Sicherstellung der Pässe erforderliche Gefahr ergebe sich hier daraus, dass er – der Antragsgegner – infolge der zuvor erfolgten „Sicherstellung und Gewahrsamnahme“ Halter der Ponys geworden sei. Nach § 44b ViehVerkV dürfe ein Tierhalter ein Pferd nur dann in seinen Bestand übernehmen, wenn dieses von einem Equidenpass begleitet werde. Verstöße gegen diese Vorschrift seien bußgeldbewehrt. Zur Abwehr dieser Gefahr und zur Gewährleistung der Rechtmäßigkeit der anderweitigen Unterbringung der Tiere sei die Sicherstellung angeordnet und vollzogen worden.
Diese Bescheide sind Gegenstand der Parallelverfahren 7 A 1281/22 und 7 B 1282/22.
Mit Schreiben vom 7. April 2022 hörte der Antragsgegner die Antragstellerin zu seiner Absicht an, die Fortnahme und anderweitig pflegliche Unterbringung, die Veräußerung der Equiden sowie ein Haltungs- und Betreuungsverbot anzuordnen. Zur Begründung verwies er auf die Feststellungen bei der Vor-Ort-Kontrolle am 31. März 2022.
Nach Ablauf der eingeräumten Äußerungsfrist ordnete der Antragsgegner mit Bescheid vom 18. Mai 2022 u.a. Folgendes an:
„1. Ab Bekanntgabe dieser Verfügung ordne ich die Fortnahme sowie die auf Ihre Kosten anderweitige pflegliche Unterbringung Ihrer erheblich in der Ernährung, Gesundheitspflege, Gesundheitsfürsorge sowie in der Unterbringung vernachlässigten 6 Pferde/Ponys/Equiden (5 Endmaßponys und 1 Fohlen) an.
(…)
Anmerkung:
Ihre o.g. 6 Pferde/Ponys wurden vorausgehend bereits am 31.03.2022 auf einer Weide am Standort J. im Rahmen des unmittelbaren Zwangs ohne vorausgehenden Verwaltungsakt von mir amtlich sichergestellt (§ 64 Abs. 2 NPOG). Diesbezüglich verweise ich auf meine vollziehbare Verfügung v. 06.04.2022 (…).
2. Darüber hinaus ordne ich die Veräußerung Ihrer unter Ziff. 1 fortgenommenen 6 Ponys an.
3. Ab Bekanntgabe dieser Verfügung untersage ich Ihnen das Halten von Pferden, Ponys aller Rassen oder anderen Equiden. Jede Equidenhaltung ist Ihnen damit ausnahmslos verboten.
4. Ab Bekanntgabe dieser Verfügung untersage ich Ihnen das Betreuen von Pferden, Ponys aller Rassen oder anderen Equiden. Jede Equidenbetreuung ist Ihnen damit ausnahmslos verboten.“
Zur Begründung verwies der Antragsgegner erneut auf seine Feststellungen bei der Vor-Ort-Kontrolle am 31. März 2022. In den Tagen nach der „Sicherstellung“ seien nach amtstierärztlicher Einschätzung weitere tierärztliche und amtstierärztliche Untersuchungen und Pflegemaßnahmen zwingend erforderlich gewesen und durchgeführt worden. Es seien Untersuchungen und Behandlungen wegen der „Druse“-Erkrankung sowie einer „Räude“-Erkrankung (des Fohlens) und die Hufpflege der Ponys durch einen Hufschmied durchgeführt worden. Die Tiere hätten sich zum Zeitpunkt ihrer „Sicherstellung“ in einem „offenkundigen desolaten Allgemeinzustand mit deutlichen Symptomen“ befunden. Ihren Pflichten als Tierhalterin sei die Antragstellerin „über einen längeren Zeitraum nachweislich nicht nachgekommen mit der Folge einer grob tierschutzwidrigen Vernachlässigung. Nach amtstierärztlicher Beurteilung bestehe im konkreten Fall bei einer Fortführung der Equidenhaltung die hohe Wahrscheinlichkeit, dass die von der Antragstellerin betreuten oder gehaltenen Equiden weiterhin „in grober Art und Weise in der Ernährung, Gesundheitsfürsorge/-pflege und Unterbringung“ von der Antragstellerin vernachlässigt werden und somit die tierschutzwidrigen Zustände andauern.
Die Fortnahme sei die geeignete, erforderliche und angemessene Maßnahme den tierschutzwidrigen Zustand zu beseitigen und wirksam zu verhindern, dass zukünftig weiterhin eine grob tierschutzwidrige Vernachlässigung der Ponys andauere. Die Rückgabe der Ponys erübrige sich, da die Veräußerung der Ponys sowie ein Haltungs- und Betreuungsverbot angeordnet worden sei. Aus den amtstierärztlichen Feststellungen folge „erwiesenermaßen und zweifelsfrei“ die Unzuverlässigkeit der Antragstellerin, die die Anordnung des Haltungs- und Betreuungsverbots rechtfertige.
Hiergegen hat die Antragstellerin am 3. Juni 2022 Klage erhoben und zugleich einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gestellt.
Mit Verträgen vom 8. Juni 2022 verkaufte der Antragsgegner die Ponys der Antragstellerin.
II.
1.
Das nach § 80 Abs. 5 VwGO zu beurteilende Begehren der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage vom 3. Juni 2022 (7 A 1611/22) gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 18. Mai 2022 wiederherzustellen bzw. anzuordnen, ist zulässig und begründet.
Hinsichtlich der unter Ziffer 1 bis 4 des angegriffenen Bescheides angeordneten Fortnahme und Unterbringung, der Verkaufsanordnung sowie des Equidenhaltungs- und -betreuungsverbots, ist ein Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO statthaft, da der Antragsgegner die sofortige Vollziehung der Verfügungen angeordnet hat (Ziffer 6). Dagegen ist der vorläufige Rechtsschutzantrag gegen die Androhung von Zwangsmitteln (Ziffer 5 und 6) auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO gerichtet, da diese Maßnahme gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 64 Abs. 4 Satz 1 NPOG kraft Gesetzes sofort vollziehbar ist.
In materieller Hinsicht ist für den Erfolg eines Antrags nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO entscheidend, ob das private Interesse eines Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage höher als das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes zu bewerten ist. Bei dieser Interessenabwägung sind mit der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen Zurückhaltung auch die Aussichten des Begehrens im Hauptsacheverfahren zu berücksichtigen. Bei einem offensichtlich Erfolg versprechenden Rechtsbehelf überwiegt das Suspensivinteresse des Betroffenen jedes denkbare öffentliche Vollzugsinteresse. Der Antrag ist dagegen in aller Regel unbegründet, wenn der Antragsteller im Verfahren zur Hauptsache offensichtlich keinen Erfolg haben wird, insbesondere wenn die angegriffene Verfügung offensichtlich rechtmäßig ist.
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe überwiegt das Interesse der Antragstellerin an der Fortführung ihrer Equidenhaltung bis zum Abschluss des Klageverfahrens das öffentliche Interesse an der zeitnahen Beseitigung tierschutzwidriger Zustände. Denn der angegriffene Bescheid des Antragsgegners ist aller Wahrscheinlichkeit nach rechtswidrig.
a) Die Anordnung der Fortnahme und anderweitigen Unterbringung ist aller Voraussicht nach rechtswidrig.
Die Anordnung setzt nach § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 1. Alt. TierSchG voraus, dass das Tier mangels Erfüllung (einer oder mehrerer) der Anforderungen des § 2 TierSchG entweder erheblich vernachlässigt ist oder schwerwiegende Verhaltensstörungen zeigt. Erheblich bzw. schwerwiegend bedeutet hier „nach Art oder Dauer gewichtig“ (Hirt/Maisack/Moritz, 3. Aufl. 2016, TierSchG, § 16a Rn. 22). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung des Vorliegens dieser Voraussetzungen ist hierbei derjenige der (letzten) Behördenentscheidung (Lorz/Metzger, TierSchG, 7. Auflage, § 16a, Rn. 19 m.w.N.). Dadurch, dass der Antragsgegner die Fortnahme erst mit dem Bescheid vom 18. Mai 2022 und nicht bereits am 31. März 2022 angeordnet hat („Ab Bekanntgabe dieser Verfügung ordne ich die Fortnahme (…) an.“), ist maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen der Fortnahme die Bekanntgabe des Bescheides vom 18. Mai 2022. Zu diesem Zeitpunkt waren die Ponys bereits seit mehr als sechs Wochen in „behördlichem Gewahrsam“. Dort waren sie ordnungsgemäß untergebracht und wurden mit Futter und Wasser versorgt. Zudem wurden sie tierärztlich (erfolgreich) gegen die „Druse“-Erkrankung behandelt und erhielten die erforderliche Hufpflege durch einen Hufschmied. Diese tierärztlichen und Pflegebehandlungen waren zum Zeitpunkt der Fortnahme bereits durchgeführt und abgeschlossen, so dass das Gericht nicht anzunehmen vermag, dass sich die Pferde zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 18. Mai 2022 in einem Zustand der erheblichen Vernachlässigung befanden.
Dass die Anordnung der Fortnahme und Unterbringung am 18. Mai 2022 zur Verhinderung zukünftiger Verstöße im Falle einer Rückgabe der Ponys an die Antragstellerin gerechtfertigt war, ist für das Gericht nicht zu erkennen. Die Prognose des Antragsgegners, dass im Falle der Rückgabe der Ponys an die Antragstellerin erneut tierschutzrechtliche Verstöße zu befürchten seien, ist nicht tragfähig.
Zwar ist anerkannt, dass den beamteten Amtstierärzten gemäß § 15 Abs. 2 TierSchG eine vorrangige Beurteilungskompetenz bei der Beurteilung zusteht. Dies gilt gerade auch für die zuständige Tierschutzbehörde, bei der die Amtstierärzte beschäftigt sind (OVG Lüneburg, Urteil vom 20. April 2016 – 11 LB 29/15 –, Rn. 39, juris, m.w.N.). Diese gesetzlich normierte vorrangige Beurteilungskompetenz der Amtstierärzte erstreckt sich jedoch naturgemäß (nur) auf die Bereiche, in denen die Amtstierärzte aufgrund ihrer Ausbildung und Erfahrung besondere Kompetenz besitzen. So haben sie „besondere Kenntnisse und Erfahrung in den Fragen der Schmerz- oder Leidensfähigkeit eines Tieres und dessen Möglichkeit der Äußerung des Schmerzempfindens und seines Leidens, der Erheblichkeit von Schmerzen, Leiden und Schäden, der Haltungsbedingungen, der Schädigung oder Vernachlässigung des Tieres, der Beeinträchtigungen beim Weiterleben, der Beurteilung von Eingriffen und der Würdigung von Tierversuchen und ihrer Durchführung“ (Lorz/Metzger, TierSchG, § 15, Rn. 18).
Unter Berücksichtigung dieser besonderen Beurteilungskompetenz folgt das Gericht zwar grundsätzlich der Einschätzung des Antragsgegners und seiner Amtstierärzte, dass die bei der Kontrolle am 31. März 2022 festgestellten Haltungsbedingungen nicht den Vorgaben des § 2 TierSchG entsprachen und die Ponys dadurch zu Schaden gekommen sind.
Nicht zu folgen vermag das Gericht jedoch der Annahme des Antragsgegners, dass „die hohe Wahrscheinlichkeit [bestehe], dass von [der Antragstellerin] gehaltene und betreute Ponys/Pferde weiterhin (…) in grober Art und Weise in der Ernährung, Gesundheitsfürsorge/-pflege und Unterbringung von [der Antragstellerin] vernachlässigt werden“ (Seite 6 des Bescheides). Soweit der Antragsgegner diese Prognose allein mit der „amtstierärztlichen Beurteilung“ begründet, ist dies hier ungenügend, da die gesetzlich normierte vorrangige Beurteilungskompetenz der Amtstierärzte dort ihre Grenzen findet, wo keine veterinärmedizinischen Fragen zu beurteilen sind. Eine solche Frage außerhalb spezifisch veterinärmedizinischer Sachkunde ist die Prognostizierung zukünftigen Tierhalterverhaltens. Die Frage, wie sich eine Person zukünftig als Tierhalter verhalten wird, ist keine veterinärmedizinische, so dass die entsprechende Einschätzung der Amtstierärzte nicht durch die Vorschrift des § 15 Abs. 2 TierSchG privilegiert ist, sondern – den allgemeinen Regeln des Verwaltungsrechts folgend – einer inhaltlich nachvollziehbaren und überzeugenden Begründung bedarf. Die Verwaltungsgerichte überprüfen in diesen Fällen, ob die Grundlage der Prognoseentscheidung zutreffend und umfassend ermittelt und die prognostische Entscheidung nach methodisch und logisch anerkannten Grundsätzen getroffen und begründet wurde (SchochKoVwGO/Geis, 1. EL August 2021, VwVfG § 40 Rn. 167). An einer diesen Anforderungen genügenden Begründung der Prognoseentscheidung fehlt es hier. Die bloße Angabe, die festgestellten Verstöße rechtfertigten nach amtstierärztlicher Beurteilung die negative Zukunftsprognose, stellt keine hinreichende Begründung dar. Es ist z.B. auch nicht ersichtlich, ob und wie der Antragsgegner bei seiner Prognose den Umstand gewürdigt hat, dass es sich um die erstmalige Feststellung tierschutzrechtlicher Verstöße durch die Antragstellerin handelte, obwohl sie – jedenfalls ihrem Vortrag zufolge – seit über zehn Jahren „mit Pferden arbeitet“. Bei der vorliegenden Sachlage bedarf die Annahme, dass die Antragstellerin nicht gewillt oder in der Lage ist, die fortgenommenen Ponys tierschutzkonform zu halten, nach Schaffung der Prognosebasis jedenfalls einer fundierteren Begründung als der, die der Antragsgegner hier angeführt hat.
Aufgrund dieser fehlerhaften Prognoseerstellung ist die Fortnahme auch unverhältnismäßig. Vor einer Fortnahme sollte aus Verhältnismäßigkeitsgründen immer auch geprüft werden, ob nicht Anordnungen nach § 16a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TierSchG i.V.m. Fristsetzungen und Zwangsgeldandrohungen ausreichen, um artgemäße Zustände herzustellen (Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, § 16a Rn. 24). Der Antragsgegner hat hier nicht substantiiert dargelegt und es ist im Übrigen auch für das erkennende Gericht nicht ersichtlich, dass und aus welchen Gründen solche Anordnungen hier nicht geeignet gewesen wären, die tierschutzwidrigen Zustände in der Tierhaltung der Antragstellerin zu beseitigen. Soweit der Antragsgegner ausführt, eine Rückgabe der Ponys komme ohnehin nicht in Betracht, da er die Veräußerung der Tiere sowie ein Haltungs- und Betreuungsverbot angeordnet habe, trägt dieses Argument nicht, da diese Anordnungen aus den nachfolgenden Gründen rechtswidrig sind.
b) Die Anordnung der Veräußerung ist ebenfalls rechtwidrig.
Gemäß § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 2. Alternative TierSchG kann die Behörde ein fortgenommenes Tier veräußern, wenn eine anderweitige Unterbringung des Tieres nicht möglich oder nach Fristsetzung durch die zuständige Behörde eine den Anforderungen des § 2 TierSchG entsprechende Haltung durch den Halter nicht sicherzustellen ist.
aa) Eine Fristsetzung zur Herstellung einer den Anforderungen des § 2 TierSchG genügenden Haltung ist hier weder erfolgt noch war sie entbehrlich.
Eine Fristsetzung ist nur entbehrlich, wenn
-eine anderweitige Unterbringung des Tieres/der Tiere nicht möglich ist oder
-gegen den Halter schon vorher ein Tierhaltungsverbot nach § 16a Abs. 1 S. 2 Nr. 3 TierSchG oder auch nach § 20 TierSchG ergangen ist oder auch gleichzeitig mit der Fortnahmeverfügung ein solches Verbot verhängt und für sofort vollziehbar erklärt wird oder
-wenn es unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles (insbesondere der Fehlverhaltensweisen des Halters oder seiner mangelnden Sachkunde oder Zuverlässigkeit) ausgeschlossen erscheint, dass er die nötigen Haltungsbedingungen zeitnah wird sicherstellen können (Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG § 16a Rn. 33 m.w.N.).
Der Antragsgegner begründet die Entbehrlichkeit einer Fristsetzung hier allein mit der gleichzeitigen Anordnung des Haltungs- und Betreuungsverbots. Eine solche gleichzeitig erfolgende Anordnung eines Haltungs- und Betreuungsverbots vermag eine Veräußerungsanordnung ohne vorherige Fristsetzung jedoch nur dann zu rechtfertigen, wenn sie auch rechtmäßig erfolgt ist. Diese ist – wie das Gericht nachfolgend unter c) ausführen wird – nicht der Fall. Die Anordnung des Haltungs- und Betreuungsverbots ist rechtswidrig.
Dass ein anderer Grund für die Entbehrlichkeit der Fristsetzung vorliegt, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Wie das Gericht bereits im Rahmen der Fortnahmeanordnung ausgeführt hat, ist auch nicht anzunehmen, dass es hier ausgeschlossen war, dass die Antragstellerin die nötigen Haltungsbedingungen zeitnah hätte sicherstellen können.
bb) Überdies ist weitere Voraussetzung der Veräußerungsanordnung, dass die Fortnahme, soweit sie – wie hier – nicht bereits bestandskräftig verfügt ist, rechtmäßig erfolgt ist (Hirt/Maisack/Moritz, 3. Aufl. 2016, TierSchG, § 16a Rn. 33 mit Verweis auf: BVerwG Urteil vom 12. Januar 2012, 7 C 5/11, NVwZ 2012, 1184 Rn. 31: „Ein Fehler der Fortnahme setzt sich in der Veräußerung fort und kann jedenfalls so lange geltend gemacht werden, wie eine erlassene Fortnahmeverfügung nicht bestandskräftig ist“). Dies ist – wie bereits ausgeführt – nicht der Fall.
cc) Schließlich ist die Anordnung der Veräußerung auch ermessensfehlerhaft im Sinne von § 114 VwGO erfolgt. Der in der Veräußerung liegende Grundrechtseingriff muss verhältnismäßig sein (Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, § 16a Rn. 33), d.h. er muss geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne sein. Der Antragsgegner hat hierzu in seinem Bescheid ausgeführt, andere, mildere Mittel – etwa eine Anordnung nach § 16a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TierSchG zur Herstellung tierschutzkonformer Haltungsbedingungen ggf. i.V.m. Fristsetzungen und Zwangsgeldandrohungen – kämen nicht in Betracht, da er ein Haltungs- und Betreuungsverbot angeordnet habe und nicht damit zu rechnen sei, dass die Antragstellerin zukünftig eine tierschutzkonforme Haltung sicherstellen werde. Wie bereits im Rahmen der Fortnahmeanordnung ausgeführt, ist diese Prognose des Antragsgegners nicht tragfähig, so dass das Gericht – anders als der Antragsgegner – nicht anzunehmen vermag, dass eine Anordnung nach § 16a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TierSchG zur Herstellung tierschutzkonformer Haltungsbedingungen von vornherein aussichtslos wäre und daher gar nicht in Betracht kommt. Auch die Anordnung des Haltungs- und Betreuungsverbot begründet nicht die vom Antragsgegner angenommen Alternativlosigkeit der Veräußerung der Ponys, da diese Anordnungen rechtswidrig sind.
Schließlich vermag das Gericht auch nicht anzunehmen, dass die Veräußerungsanordnung verhältnismäßig im engeren Sinne war. Der Antragsgegner hat hier nicht dargelegt und es ist auch für das erkennende Gericht nicht ersichtlich, dass die festgestellten und (von ihm) im Falle einer Rückgabe zu befürchtenden tierschutzrechtlichen Verstöße eine solches Gewicht haben, dass im Rahmen der Abwägung zwischen dem Eingriff in das Eigentumsrecht der Antragstellerin (Art. 14 Abs. 1 des Grundgesetzes) und der Einhaltung tierschutzgerechter Zustände (§ 1 TierSchG, Art. 20a GG) eine Veräußerung der Ponys geboten war.
c) Die Anordnung des Haltungs- und Betreuungsverbots ist ebenfalls rechtswidrig.
Gemäß § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TierSchG kann die zuständige Behörde u.a. demjenigen, der den Vorschriften des § 2 TierSchG oder einer Rechtsverordnung nach § 2 a TierSchG wiederholt oder grob zuwiderhandelt und dadurch den von ihm gehaltenen Tieren erhebliche oder länger anhaltende Schmerzen oder Leiden oder erhebliche Schäden zugefügt hat, das Halten und Betreuen von Tieren einer bestimmten oder jeder Art untersagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass er weiterhin derartige Zuwiderhandlungen begehen wird.
aa) Eine Zuwiderhandlung gegen § 2 Nr. 1 TierSchG liegt vor, wenn bei den gehaltenen Tieren oder einem Teil davon ein oder mehrere Verhaltensbedürfnisse aus den Funktionskreisen ‚Nahrungserwerbsverhalten‘, ‚Ruheverhalten‘, ‚Körperpflege‘, ‚Mutter-Kind-Verhalten‘, ‚Sozialverhalten‘ oder ‚Erkundung‘ unterdrückt oder erheblich zurückgedrängt worden sind; das Unterlassen gebotener Maßnahmen in den Bereichen ‚Ernährung’ oder ‚Pflege’ begründet ebenfalls einen Verstoß. Darauf, ob der Halter im weiteren Sinne bei seinem Verstoß oder seinen Verstößen schuldhaft gehandelt hat, kommt es nicht an. Das Verbot setzt auch nicht voraus, dass die Zuwiderhandlungen bezüglich aller gehaltenen oder betreuten Tiere begangen worden sind (vgl. VG Regensburg Beschluss vom 20. August 2010, RN 4 S 10.970, juris-Rn. 54). Wiederholt ist eine Zuwiderhandlung bereits ab zwei Verstößen (vgl. VG Würzburg Beschluss vom 3. September 2012 - W 5 S 12.718 - juris-Rn. 39). Ist demgegenüber nur eine einmalige Zuwiderhandlung nachweisbar, so kommt es darauf an, ob sie grob war. Bei einem vorsätzlichen Verstoß gegen eine Strafvorschrift ist dies stets zu bejahen. Bei nicht strafbaren Verstößen kommt es u.a. auf die Intensität und Dauer des Verstoßes, auf die Größe der dadurch herbeigeführten Gefahren, auf das Ausmaß und die Dauer der verursachten Schmerzen, Leiden und Schäden, auf den Grad des Verschuldens usw. an (Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, § 16a Rn. 45).
Der Antragsteller hat hier aufgrund der Feststellungen seiner Amtstierärzte bei der Kontrolle am 31. März 2022 sowohl wiederholte als auch grobe Verstöße der Antragstellerin gegen die § 2 Nr. 1 TierSchG angenommen. Wie bereits im Rahmen der Fortnahmeanordnung ausgeführt, sind bei der Beurteilung, ob der Umgang mit Tieren den Anforderungen des § 2 TierSchG entspricht, im Einzelfall die amtstierärztlichen Einschätzungen maßgeblich zu berücksichtigen. Den Amtstierärzten wird vom Gesetzgeber insoweit nach §§ 15 Abs. 2 und 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TierSchG eine vorrangige Beurteilungskompetenz eingeräumt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. April 2014, 3 B 62.13, juris, Rn. 7; OVG Lüneburg, Urteil vom 18. Juni 2013 - 11 LC 206/12 - NdsVBl 2013, 346; Beschluss vom 3. August 2009 - 11 ME 187/09 - NdsVBl 2009, 349).
Unter Berücksichtigung dieser vorrangigen Beurteilungskompetenz hat das Gericht keine Zweifel daran, dass die von den Amtstierärzten festgestellten Haltungsbedingungen und der Gesundheits- und Pflegezustand der Ponys die Annahme von Zuwiderhandlungen der Antragstellerin gegen § 2 Nr. 1 TierSchG begründen.
Soweit der Antragsgegner diese Zuwiderhandlungen allerdings als „grob“ qualifiziert, vermag das Gericht dem nicht zu folgen. Zwar ist auch die Bewertung festgestellter Verstöße von der vorrangigen Beurteilungskompetenz der Amtstierärzte umfasst, jedoch muss eine solche Bewertung begründet werden. Nach der Rechtsprechung sind an das einer Anordnung nach § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TierSchG zugrundeliegende Gutachten des beamteten Tierarztes keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Nicht ausreichend ist aber, wenn der Tierarzt lediglich seine Wahrnehmungen und Beobachtungen schildert, sondern er muss den wahrgenommenen Sachverhalt im Hinblick auf die gesetzlichen Voraussetzungen der Fortnahme fachlich bewerten (Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, § 16a Rn. 23). Das Gutachten muss jedenfalls die zugrundeliegenden Feststellungen erkennen lassen, das Ergebnis der Beurteilung nennen und den argumentativen Weg von den Feststellungen zum Ergebnis nachvollziehbar darlegen (Lorz/Metzger, TierSchG, § 15, Rn. 19). Hier ist weder anhand der „Niederschrift Betriebskontrolle“ noch anhand der Ausführungen im angefochtenen Bescheid ersichtlich, wieso die Zuwiderhandlungen der Antragstellerin als „grob“ qualifiziert werden. Die Ausführungen erschöpfen sich vielmehr darin, die tatsächlichen Feststellungen zu benennen, sie als Verstöße zu qualifizieren und sodann ohne weitere Erläuterung zu erklären, sie seien „grob“. Das Gericht verkennt nicht, dass in der amtstierärztlich-tierschutzrechtlichen Praxis nicht selten Fälle auftreten, in denen die tierschutzrechtlichen Verstöße ein solches Maß haben, dass die Grobheit im Grunde ohne weitere Erläuterung ersichtlich ist (z.B. wenn die Tiere aufgrund der Zuwiderhandlungen des Halters schwere Verletzungen erlitten haben oder sogar zu Tode gekommen sind), allerdings ist für das Gericht im hier vorliegenden Einzelfall nicht ersichtlich, dass die konkreten Zuwiderhandlungen der Antragstellerin ein solches Maß erreicht haben, dass die Qualifizierung als „grob“ im Grunde selbsterklärend ist. Verzichten die Amtstierärzte – wie hier – in ihrem Gutachten auf eine Begründung für die Qualifizierung als „grob“ geht es zu ihren Lasten, wenn das Gericht die Qualifizierung nicht nachzuvollziehen vermag.
Offenbleiben kann hier, ob Feststellungen der Amtstierärzte hier die Annahme wiederholter Zuwiderhandlungen rechtfertigen, …
bb) …denn die erforderliche negative Prognose hinsichtlich des zukünftigen Halterverhaltens der Antragstellerin ist nicht tragfähig.
Die Anordnung eines Haltungs- und Betreuungsverbots setzt voraus, dass Tatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass der Halter ohne den Erlass eines Haltungs- und Betreuungsverbots weiterhin derartige Zuwiderhandlungen begehen wird. Dies ist hier nicht der Fall. Allein die Aufzählung der am 31. März 2022 festgestellten Verstöße rechtfertigt ohne weitere Begründung diese Annahme nicht. Insoweit verweist das Gericht erneut auf seine entsprechenden Ausführungen zur Anordnung der Fortnahme.
cc) Die Anordnung des Haltungs- und Betreuungsverbots ist auch unverhältnismäßig und infolgedessen ermessensfehlerhaft. Das Verbot muss nach Art und Ausmaß geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne (auch im Hinblick auf die Grundrechte des Betroffenen) sein, um weitere Zuwiderhandlungen zu verhindern. Die Behörde muss sich ernsthaft mit milderen, weniger schwer in das Eigentum (Art. 14 GG) und die Berufsfreiheit (Art. 12 GG) eingreifenden Handlungsalternativen befasst haben. Als solche kommen u.a. in Betracht: das Abhängigmachen der weiteren Haltung oder Betreuung vom Nachweis bestimmter Kenntnisse und Fähigkeiten; die Fortnahme und zeitlich befristete Unterbringung nach § 16a Abs. 1 S. 2 Nr. 2 TierSchG bei begründeter Hoffnung, dass der Halter eine tierschutzgerechte Haltung in absehbarer Zeit gewährleisten werde; die Beschränkung des Verbots auf landwirtschaftliche Nutztiere, auf bestimmte Tierarten, auf bestimmte Höchstzahlen an Tieren; die vorläufige Beschränkung auf Anordnungen nach § 16a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TierSchG. Eine vollständige Untersagung des Haltens und Betreuens von Tieren ist erforderlich und verhältnismäßig, wenn weitere Zuwiderhandlungen drohen und die in Betracht kommenden, weniger einschneidenden Handlungsalternativen zur Abwendung dieser Gefahr nicht genügend effektiv erscheinen. Bei einer Vielzahl von Verstößen und daraus ersichtlichen charakterlichen Mängeln des Tierhalters, die weitere Verstöße als wahrscheinlich erscheinen lassen, kann das grds. bestehende Auswahlermessen sogar dahingehend reduziert sein, dass eine Fortnahmeverfügung und ein Haltungs- und Betreuungsverbot erlassen werden müssen, um eine Fortsetzung der Leidensgeschichte der Tiere zu verhindern (Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, § 16a Rn. 45ff.). Diesen Anforderungen genügt die Anordnung des Antragsgegners nicht. Soweit er die Unzuverlässigkeit der Antragstellerin als einen der zukünftigen Tierhaltung entgegenstehenden charakterlichen Mangel anführt, vermag das Gericht dieser Annahme nicht zu folgen. Es genügt insoweit nicht, zur Begründung auszuführen
„Den in diesem Verfahren beteiligten Amtstierärzten, also Personen die über die entsprechenden Fachkenntnisse verfügen und über für die Entscheidung erheblichen Tatsachen Auskunft erteilen können, kommt in diesem Verfahren die maßgebliche Funktion eines „Beweismittels“ zu. Diese lassen erwiesenermaßen und zweifelsfrei Ihre Unzuverlässigkeit erkennen mit der Folge, dass Sie für die Haltung und Betreuung von Equiden ungeeignet sind.“
Auch die Ausführungen des Antragsgegners, zuverlässig sei nur, wer nicht gegen die tierschutzrechtlichen Mindestanforderungen verstoße, überzeugt das Gericht nicht. Dies hieße im Gegenzug, dass jeder Halter, der einmal gegen tierschutzrechtliche Bestimmungen verstieß, unzuverlässig und charakterlich ungeeignet für zukünftige Tierhaltung sei. Dass eine solche extensive Auslegung des Begriffs der Unzuverlässigkeit und charakterlichen Eignung nicht verhältnismäßig ist, liegt auf der Hand.
d) Die Androhungen von Zwangsmitteln in Ziffer 5 und 6 des Bescheides sind rechtswidrig, da die zugrundeliegenden behördlichen Anordnungen (Haltungs- bzw. Betreuungsverbot) ebenfalls rechtswidrig sind.
e) Soweit der Antragsgegner in seinem Bescheid abschließend ankündigt, die im Rahmen der Fortnahme und Unterbringung angefallenen Kosten einschließlich der tierärztlichen und sonstigen Behandlungskosten in einem gesonderten Bescheid festsetzen zu wollen, weist das Gericht darauf hin, dass Voraussetzung für die Kostenerstattungspflicht ist, dass die Unterbringung der Tiere aufgrund einer wirksamen Fortnahme- und Unterbringungsanordnung gemäß § 16a Satz 2 Nr. 2 TierSchG erfolgte. Da die Anordnung der Fortnahme und Unterbringung hier erst mit Bescheid vom 18. Mai 2022 erstmalig angeordnet wurden, können die zuvor angefallen Kosten, die während des „behördlichen Gewahrsams“ seit dem 31. März 2022 – unabhängig von der Frage der Rechtmäßigkeit der Fortnahme- und Unterbringungsanordnung – angefallen sind, jedenfalls nicht aufgrund § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TierSchG festgesetzt werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
2.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1, 39 Abs. 1 GKG und berücksichtigt Nr. 35.2 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Das Gericht nimmt für jede der (insgesamt vier) tierschutzrechtlichen Anordnungen einen Streitwert vom 5.000,00 Euro an und halbiert diesen im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes.