Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 20.02.2023, Az.: L 2/12 BA 17/20

abhängige Beschäftigung; funktionsgerecht dienende Teilhabe am Arbeitsprozess; Homeoffice; medizinische Hotline

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
20.02.2023
Aktenzeichen
L 2/12 BA 17/20
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2023, 44901
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2023:0220.2BA17.20.00

Verfahrensgang

vorgehend
SG Bremen - 27.08.2020 - AZ: S 53 R 24/17

Fundstellen

  • DStR 2023, 10-11
  • NWB 2023, 1229
  • NZS 2023, 8
  • NZS 2023, 519
  • RdW 2023, 535-536

Amtlicher Leitsatz

Die Heranziehung von Ärzten im Rahmen einer Hotline zur Beantwortung von medizinischen Anfragen kann auch dann im Rahmen abhängiger Beschäftigungsverhältnisse erfolgen, wenn die Auskunft gebenden Ärzte die jeweils übernommenen Bereitschaftsdienste in ihrem häuslichen Umfeld verrichten.

In dem Rechtsstreit
1. Dr. B., Fachärztin für Anästhesiologie,
C.
2. D.,
vertr. d. d. Geschäftsführer E. und F.,
G.
- Kläger und Berufungsbeklagter -
Prozessbevollmächtigte:
zu 1: Rechtsanwälte Anwaltssozietät H.,
I.
zu 2: Rechtsanwälte J.,
K.
gegen
Deutsche Rentenversicherung Bund,
vertreten durch das Direktorium,
Ruhrstraße 2, 10709 Berlin
- Beklagte und Berufungsklägerin -
hat der 2. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen auf die mündliche Verhandlung vom 20. Februar 2023 in Celle durch den Vorsitzenden Richter am Landessozialgericht Dr. L., die Richterin am Landessozialgericht Dr. M. und den Richter am Landessozialgericht Dr. N. sowie die ehrenamtliche Richterin O. und den ehrenamtlichen Richter P.
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts vom 27. August 2020 geändert.

Unter Abweisung der Klagen im Übrigen werden die Bescheide der Beklagten vom 28. Dezember 2015 in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 29. Dezember 2016 aufgehoben, soweit eine Versicherungspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung festgestellt worden ist.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt 1/6 der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 2. aus beiden Rechtszügen; im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beklagte wendet sich mit ihrer Berufung gegen die Aufhebung ihrer im Statusfeststellungsverfahren gemäß §7a SGB IV a.F. getroffene Feststellung einer der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegenden abhängigen Beschäftigung zwischen der Klägerin zu 1. als Arbeitnehmerin und der Klägerin zu 2. als Arbeitgeberin.

Die Klägerin zu 2. bietet in der Rechtsform einer GmbH insbesondere Unterstützungsleistungen unter Einschluss einer rund um die Uhr erreichbaren sog. ärztlichen Notrufhotline namentlich auch für Taucher an. Diese Hotlineberatung ist eingebettet in ein Unterstützungspaket, welches auch eine Auslandsreisekrankenversicherung, eine Betreuung im Krankheitsfall unter Einschluss einer erforderlich werdenden Organisation einer Krankenhausbehandlung und die Durchführung ggfs. erforderlicher Rücktransporte umfasst (vgl. auch Bl. 597 GA). Für die Inanspruchnahme dieser Dienstleistungen im Bedarfsfall zahlen die Kunden der Klägerin zu 2. Pauschalbeträge (nach Angaben der Klägerin zu 2. in Höhe von 49 € im Jahr).

Geschäftsführer der Klägerin zu 2. sind E. und F.. Letzterer ist seit 25 Jahren auf der Grundlage spezifischer medizinischer Fachkunde insbesondere in den Bereichen Notfall-, Assistance-, Tropen- und Tauchmedizin ist Assistancearzt beruflich tätig.

Um die fortlaufende Erreichbarkeit der ärztlichen Hotline zu gewährleisten, hat die Klägerin zu 2. mit Ärzten mit der erforderlichen tauchmedizinischen Erfahrung Vereinbarungen abgeschlossen, wonach diese schichtweise - im Regelfall von ihrer häuslichen Umgebung, mitunter auch aus ihrem anderweitigen dienstlichen Umfeld aus - telefonisch erreichbar sind und während der jeweils übernommenen Schichten bei der Hotline eingehende telefonischen medizinische Anfragen der Kunden der Klägerin zu 2. sowie entsprechende per Email übermittelte Anfragen beantworten. Diese diensthabenden Ärzte greifen jeweils über einen Onlinezugang auf die Datenbanken der Klägerin zu 2. zu.

Für jede Schicht werden nach Angaben der Klägerin zu 2. üblicherweise jeweils zwei Ärzte eingeteilt, um eine lückenlose Erreichbarkeit weitestmöglich sicherzustellen (Bl. 58 GA; die von ihr auf Aufforderung des Senates vorgelegten konkreten Schichtpläne, vgl. etwa Bl. 398 ff. GA, bringen eine solche Doppelbesetzung allerdings nicht zum Ausdruck).

Bei entsprechenden telefonischen Anfragen meldet sich der jeweilige Arzt unter Hinzufügung seines eigenen Namens mit dem Namen der Klägerin zu 2. (Bl. 20 GA S 53 R 26/17).

Die entsprechenden Schichtpläne (die Klägerin zu 2. verwendet inzwischen den Begriff "Erreichbarkeitsplan") werden jeweils im Voraus in Absprache und unter Berücksichtigung der anderweitigen terminlichen Verpflichtungen der an der Hotline teilnehmenden Ärzte und Ärztinnen von der Klägerin zu 2. aufgestellt. Aus dem "Pool" der an der Hotline teilnehmenden (und über entsprechende zeitliche Freiräume verfügenden) Ärzte werden von der "Bremer Zentrale" der Klägerin zu 2. jeweils freitags für die folgende Woche die diensthabenden Ärzte eingeteilt (Bl. 58, 598 GA).

Dabei wird von Seiten der Klägerin zu 2. eine "hohe primäre Annahmequote" (so die Formulierung der Klägerin zu 1. im Schreiben vom 14. Dezember 2015, Bl. 149 VV) in dem Sinne gewünscht, dass telefonische Kundenanfragen an den jeweils diensthabenden Hotlinearzt durchgestellt werden können. Für den Fall, dass dies ausnahmsweise nicht in Betracht kommt, etwa, weil dieser etwa bereits mit einem anderen Kunden telefoniert, wird der Versuch unternommen, den Anruf an einen anderen Hotlinearzt weiterzuleiten. Ansonsten sind entgangene Anrufe möglichst nachzuverfolgen.

Die telefonischen Beratungen sind von den Ärzten in den Datenverarbeitungsanlagen der Klägerin zu 2. zu dokumentieren. Insbesondere sind nicht abgeschlossene Beratungen vor Dienstende so in der Datenbank zu dokumentieren, dass eine kontinuierliche Betreuung durch den nachfolgenden diensthabenden Arzt gewährleistet ist. Bei Emailanfragen von Kunden wird eine Beantwortung durch den diensthabenden Arzt innerhalb der übernommenen Schicht erwartet (Bl. 150 VV).

Im Rahmen der Hotlinetätigkeit haben die jeweils diensthabenden Ärzte/innen die Kunden der Klägerin zu 2. telefonisch zu beraten und bei Bedarf bei Erkrankungen und medizinischen Notfällen aller Art eine telefonische Behandlungskoordination zu übernehmen und die sog. "Assistance-Abteilung" der Klägerin zu 2. hinsichtlich erforderlicher Behandlungen und Rücktransporte zu beraten; bei Tauchunfällen kommt auch eine telefonische Beratung von Rettungsdiensten, Notärzten und Krankenhäusern in Betracht (vgl. die Angaben der Klägerin zu 2., Bl. 346 GA).

Für die Hotlineärzte hat die Klägerin zu 2. eine "Art Handbuch", auch "Curriculum" genannt, ausgearbeitet, welches aus ihrer Sicht eine "fachliche Arbeitshilfe" darstellen soll (Bl. 58 GA).

Für eventuelle "Zweifelsfälle" teilt die Klägerin zu 2. jeweils einen "medizinischen Koordinator" ein, an den (oder auch an die sog. "Assistanceleitung" der Klägerin zu 2.) sich der diensthabende Arzt jeweils wenden soll. Dies gilt insbesondere wenn es sich um medizinisch sehr komplexe Fälle handelt (welche die Klägerin zu 2., Bl. 596 GA, mit dem Hinweis ab "NACA 3 bzw. NACA 5" umschreibt, wobei ab NACA 3 die Einschaltung eines weiteren Arztes und ab NACA 5 eine ärztliche Koordination erforderlich sei; zu dem in der Notfallmedizin gebräuchlichen NACA-Score vgl. auch die Erläuterungen unter wikipedia), wenn hohe Kosten von mehr als 10.000 € zu erwarten sind oder wenn über größere Entfernungen ("international") eine Repatriierung des Betroffenen erforderlich erscheint.

Entsprechende "Zweifelsfälle" treten nach Angaben der Klägerin zu 2. im Routinebetrieb nur eher selten und etwas häufiger bei der Vorbereitung neuer Kollegen auf (Bl. 596 GA).

Auf der Grundlage mündlicher Absprachen nahm im Zeitraum November 2013 bis Juli 2019 auch die über entsprechende tauchmedizinische Erfahrungen verfügende Klägerin zu 1. am telefonischen Hotlinedienst teil. Für die Beantwortung der Kundenanfragen hatte ihr die Klägerin zu 2. ein Handy zur Verfügung gestellt (Bl. 27 GA).

Die Klägerin zu 1. ist Fachärztin für Anästhesiologie mit der Zusatzqualifikation im Bereich der Notfallmedizin und mit einer Weiterqualifizierung auf dem Gebiet der Tauchmedizin (Bl. 23 GA).

Hauptberuflich war die Klägerin zu 1. überwiegend an verschiedenen Krankenhäusern als Oberärztin (und zwar seit 2015 nur mit einer halben Stelle) beruflich tätig (vgl. etwa Bl. 151 f. VV, 28 f., 590 GA). Nebenberuflich hat sie auch als Rettungsärztin und vereinzelt als flugbegleitende Ärztin für Krankentransporte gearbeitet.

Zeitweilig hat auch die Klägerin zu 1. Tätigkeiten "für die ärztliche Koordination" ausgeübt (vgl. etwa Abrechnung vom 7. September 2018, Bl. 330 GA), dafür erhielt sie einen Tagessatz von 30 €.

Für die gelegentliche Teilnahme an Ärztetreffen und Besprechungen wurde ein gesondertes Honorar gezahlt (vgl. etwa Bl. 306 GA: 300 € für 1,5 Tage Teilnahme am Ärztetreffen im März 2018, hinzukamen 900 € zzgl. USt. für eine Vortragstätigkeit bei diesem Treffen, Bl. 307 GA; vgl. ferner Abrechnung vom 5. Juni 2019, Bl. 331 GA: 300 € für ein Ärztetreffen am 18. und 19. Mai 2019 zuzüglich 120 € für eine Vorbereitungszeit und Fahrtkostenerstattung).

Beispielsweise übernahm die Klägerin zu 1. im Monat Juli 2019 (und zwar in der 29. Kalenderwoche) zwei Nachtschichten jeweils in der Zeit von 20 Uhr abends bis 8 Uhr am nächsten Morgen (vgl. Dienstplan Bl. 570 GA). Für die sich daraus ergebende 24 Bereitschaftsstunden erhielt sie jeweils einen Bereitschaftsstundenlohn von 5 €, entsprechend insgesamt 120 € für die beiden Nachtschichten.

Tatsächlich tätig in Form telefonischer Nachfragen von Kunden der Klägerin zu 2. wurde sie während dieser beiden Nachtschichten 37 Minuten lang. Diese tatsächlichen (von der Datenverarbeitungsanlage der Klägerin zu 2. ihrer Dauer nach automatisch erfassten) Gesprächsleistungen wurden zusätzlich zu dem Bereitschaftsstundenlohn von 5 € mit einem Euro je Minute (bei Gesprächszeiten in der Zeit zwischen 22 Uhr abends und 6 Uhr morgens zuzüglich eines Nachtzuschlages von 25 %) vergütet. Damit erhielt die Klägerin zu 1. für die beiden im Monat Juli 2019 übernommenen Nachtschichten im Ergebnis 170,60 €. Zusätzlich beantwortete sie im Juli 2019 schriftliche (Email-)Anfragen von Kunden der Klägerin mit einem Zeitaufwand von 40 Minuten. Entsprechend den mündlich vereinbarten Vergütungssätzen erhielt sie dafür zusätzlich 1 € je Minute, im Ergebnis also 40 € gutschrieben (vgl. Abrechnung, Bl. 345 GA), so dass sich ihr Gesamtentgelt im Monat Juli 2019 auf 210,60 € belief.

Der Grundstruktur nach sahen die Vergütungsvereinbarungen auch in den Jahren bis 2018 in ähnlicher Ausrichtung ebenfalls eine relativ geringe Honorierung der Übernahme von Bereitschaftsdienstzeiten (durch die Gewährung von Pauschalen, wobei auch eine Jahrespauschale von 500 €, vgl. etwa Bl. 305 GA, jedenfalls in einigen Jahren gewährt worden ist) und eine deutlich höhere Honorierung von tatsächlichen (seinerzeit mit speziellen Abrechnungsziffern und -zuschlägen erfassten) Beratungsleistungen vor.

Die Höhe der monatlichen Entgeltzahlungen hing insbesondere vom Ausmaß der jeweils übernommenen Bereitschaftszeiten und der tatsächlichen Inanspruchnahme der Hotline durch die Kunden der Klägerin zu 2. ab. Beispielsweise erhielt die Klägerin zu 1. in den ersten Monaten des Jahres 2018 folgende Entgeltzahlungen (Bl. 308 ff. GA):

  • Februar 2018 - 306,90 €

  • März 2018 - 545,90 €

  • April 2018 - 202,10 €

  • Mai 2018 - 444,80 €

  • Juni 2018 - 287,40 €.

Auf den Statusfeststellungsantrag der Klägerin zu 1. stellte die Beklagte mit entsprechenden an die beiden Klägerinnen gerichteten Bescheiden vom 28. Dezember 2015 in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 29. Dezember 2016 fest, dass die Klägerin zu 1. seit dem 5. November 2013 ihre Tätigkeit als Ärztin im Bereich der telefonischen Beratung und Hilfe bei tauch- und reisemedizinischen Fragen für die Klägerin zu 2. im Rahmen eines abhängigen und der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegenden abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausübe.

Dagegen richteten sich die von den Klägerinnen am 27. Januar 2017 erhobenen und vom Sozialgericht mit Beschluss vom 27. September 2017 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Klagen (S 53 R 24/17 und S 53 R 26/17).

Die Klägerinnen haben im Einzelnen ihre Einschätzung erläutert, dass die Klägerin zu 1. im Rahmen einer selbständigen Tätigkeit für die Klägerin zu 2. tätig geworden sei. Es habe keine Verpflichtungen auf Seiten der Klägerin zu 1. bestanden, in einem bestimmten Umfang Bereitschaftsdienste im Rahmen der Hotline zu übernehmen. Die Klägerin zu 1. habe vielmehr auf der Basis des mündlich geschlossenen Rahmenvertrages - ebenso wie die weiteren an der Hotline teilnehmenden Ärzte - ihrerseits der Klägerin zu 2. die Zeiten der "grundsätzlichen Verfügbarkeiten" mitgeteilt. Auf dieser Basis sei der Dienstplan aufgestellt worden.

Nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. Schriftsatz vom 31. März 2017, Bl. 25 GA) sei bei "unter dem Dach" eines Rahmenvertrags begründeten einzelnen gesonderten Vertragsverhältnissen diese einzelnen "Einsatzaufträge" am Maßstab der von der Rechtsprechung für die Abgrenzung zwischen selbstständiger Tätigkeit und Beschäftigung entwickelten Grundsätze zu bewerten (BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013 - B 12 KR 17/11 R -, Rn. 25, juris).

Die Klägerin zu 1. hat weiter geltend gemacht, dass eine Behandlung eines Patienten nach deutschem Recht (jedenfalls in früheren Jahren) auf der Basis eines Telefonanrufs überhaupt nicht zulässig gewesen sei. Hieran sachlich anknüpfend hat die Klägerin zu 2. in einer von ihr ausgearbeiteten "Kurzvorstellung", vgl. Bl. 57 GA) ausgeführt, dass die Hotlineärzte ausschließlich in "beratender Position" aufträten und "nicht Teil der Behandlung" seien (allerdings haben die Klägerinnen von einer Abführung von Umsatzsteuerzahlungen für die Mitarbeit der Klägerin zu 1. nach Maßgabe der vorgelegten Abrechnungen im Hinblick darauf abgesehen, dass es sich dabei um "Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin" im Sinne von § 4 Nr. 14 UStG handele).

Die Klägerin zu 1. hat darauf hingewiesen, dass sie die Telefonate überall dort habe führen könne, wo - wie etwa bei "Familienfeiern" - eine "ruhige Gesprächssituation" gegeben sei. Es habe ihr "völlig frei gestanden", die Intensität der Beratungen selbst zu bestimmen. Damit habe sie ihre Vergütung erhöhen können.

Die Klägerin zu 2. hat geltend gemacht, dass die Klägerin zu 1. die bearbeiteten Fälle und insbesondere die Kundenanfragen in ihrer Datenbank, d.h. in der Datenbank der Klägerin zu 2., elektronisch dokumentiere. Es sei aber "künstlich konstruiert", wenn die Beklagte von einer Zusammenarbeit mit weiterem Personal ausgehe (Bl. 20 GA S 53 R 26/17).

Die Klägerin zu 2. hat hervorgehoben, dass die Klägerin zu 1. bei ihrer beratenden Tätigkeit im Rahmen der Hotline die Vorgaben des sog. Curriculums zu beachten habe (Bl. 23 GA S 53 R 26/17).

Mit Urteil vom 27. August 2020, der Beklagten zugestellt am 15. Oktober 2020, hat das Sozialgericht den Bescheid der Beklagten vom 28. Dezember 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Dezember 2016 aufgehoben und festgestellt, dass die Klägerin zu 1. in ihrer Tätigkeit für die Klägerin zu 2. seit dem 5. November 2013 nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlegen habe. Der zeitliche Rahmen der Teilnahme der Klägerin zu 1. an der ärztlichen Hotline ergebe sich allein aus dem konkret übernommenen Dienst. Zudem gerate die Klägerin zu 1. nicht ohne Weiteres unter Rechtfertigungsdruck, wenn sie an der Entgegenahme eines Anrufs gehindert sei. Die Dokumentation der Gespräche erfolge aus berufs- und haftungsrechtlichen Gründen und bilde damit keine für die Abgrenzung zwischen einer abhängigen Beschäftigung und einer selbständigen Tätigkeit heranzuziehendes Kriterium.

Auf Nachfrage der Klägerin zu 1. hat das Sozialgericht mit Verfügung vom 14. Oktober 2020, Bl. 155 GA, erläutert, dass nach seinem Verständnis die Entscheidungsgründe zweifelsfrei erkennen ließen, dass beide Ausgangs- und Widerspruchsbescheide von der Aufhebung erfasst worden sein sollten.

Mit ihrer Berufung vom 6. November 2020 macht die Beklagte demgegenüber geltend, dass die Klägerin zu 1. in das Ärzteteam der Klägerin zu 2. eingegliedert gewesen sei. Die Klägerin zu 1. habe auch weder unternehmerische Risiken getragen noch unternehmerische Chancen gehabt.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerinnen beantragen jeweils,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie sind weiterhin der Auffassung, dass die Klägerin zu 1. im Rahmen einer selbständigen Tätigkeit an der Hotline mitgewirkt habe.

Die Klägerin zu 1. weist darauf hin, dass sie ihre Tätigkeit natürlich persönlich habe erbringen müssen. Die Hotline sei allerdings so geschaltet gewesen, dass im Falle ihrer Nichterreichbarkeit der Anruf auf den "nächsten freien Kollegen aufgeschaltet" worden sei (Bl. 199 GA). Bei den Ärztetreffen seien keine Weisungen, sondern lediglich "Empfehlungen" ausgesprochen worden. Auch die Dokumentation der Beratungen entspreche "lediglich den Empfehlungen der Klägerin zu 2" (Bl. 200 GA).

Die Klägerin zu 2. weist insbesondere darauf hin, dass nach ihrem Rechtsverständnis eine "rein medizinisch begründete" Konsultation eines weiteren Arztes keine Weisungsgebundenheit zum Ausdruck bringe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der vorliegenden Gerichtsakte und der Gerichtsakte S 53 R 26/17 sowie auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Beklagten ist überwiegend begründet. Die Klägerin zu 1. hat ihre Tätigkeit für die Beigeladene zu 2. im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt. Dadurch wurde eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung begründet. Insoweit stellen sich die Klagen als unbegründet dar. Angesichts der Geringfügigkeit der Beschäftigung bestand allerdings keine Versicherungspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung. Bezüglich der Feststellung einer Versicherungspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung stellt sich die - nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe erfolgte - Aufhebung der beiden Bescheide der Beklagten vom 28. Dezember 2015 (gerichtet einerseits an die Klägerin zu 1. und andererseits an die Klägerin zu 2.) in Gestalt der beiden Widerspruchsbescheide vom 28. Dezember 2016 als rechtmäßig dar. Angesichts des Subsidiarität der Feststellungsklage besteht allerdings kein Feststellungsinteresse im Sinne des § 55 SGG daran, dieses sich bereits aus der entsprechenden Teilaufhebung der angefochtenen Bescheide ergebende Resultat zusätzlich noch durch einen gerichtlichen Feststellungsausspruch zu bestätigen.

Streitbetroffen ist der Zeitraum ab dem 5. November 2013 bis Juli 2019. Am 5. November 2013 hat die Klägerin zu 1. die streitbetroffene Tätigkeit für die Beigeladene zu 2. aufgenommen; mit der tatsächlichen Beendigung dieser zuletzt im Juli 2019 wahrgenommenen Tätigkeit haben sich die zur Überprüfung gestellten Bescheide gemäß § 39 Abs. 2 SGB X auf andere Weise erledigt.

1. Im streitbetroffenen Zeitraum unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, in der Renten- und Arbeitslosenversicherung (§ 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI und § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III) der Versicherungspflicht (und Beitragspflicht). Wird eine Beschäftigung nur geringfügig im Sinne von § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV ausgeübt, hat dies nach § 25 Abs. 2 SGB III eine Versicherungsfreiheit nach dem Recht der Arbeitsförderung zur Folge. Dabei sind abweichend von § 8 Abs. 2 Satz 1 SGB IV geringfügige Beschäftigungen und nicht geringfügige Beschäftigungen nicht zusammenzurechnen. In Bezug auf die gesetzliche Rentenversicherung hat eine solche Geringfügigkeit allerdings nach der seit dem 1. Januar 2013 maßgeblichen Fassung des § 6 Abs. 1b SGB VI lediglich zur Folge, dass die betroffenen Arbeitnehmer ihre Befreiung von der Rentenversicherungspflicht beantragen können; einen solchen Antrag hat die (anwaltlich vertretene) Klägerin zu 1. nicht gestellt. Die Klägerin zu 1. hat in Bezug auf ihre streitbetroffene Tätigkeit für die Klägerin zu 2. auch keinen Befreiungsantrag nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI im Hinblick auf ihre berufsständige Altersvorsorge gestellt.

Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung war § 7 Abs. 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs. 1 S 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Tätigkeit und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Die jeweilige Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung bzw. selbstständigen Tätigkeit setzt dabei voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, d.h. den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei, gegeneinander abgewogen werden (BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013 - B 12 KR 17/11 R -, Rn. 23, juris mwN).

Im vorliegenden Fall war die Klägerin zu 1. in den Arbeitsprozess der Klägerin zu 2. im Sinne einer funktionsgerecht dienenden Teilhabe eingebunden. Die von der Klägerin zu 2. ihren Kunden angebotene rund um die Uhr zu erreichende ärztliche Hotline konnte nur auf der Basis einer arbeitsteiligen Einbindung einer Vielzahl von Ärzten nach Maßgabe von Schichtplänen erfolgen, zu diesen gehörte auch die Klägerin zu 1. Die teilnehmenden Ärzte haben ihre Beratungs- und Koordinationsleistungen im Namen und Auftrag der Klägerin zu 2. erbracht. Diese hat die Ärzte honoriert. Die beratenden Ärzte haben ihre Leistungen nicht ihrerseits den Kunden in Rechnung gestellt.

Die Beratungsleistungen wurden von den Ärzten höchstpersönlich erbracht. Ärzte handeln bei medizinischen Heilbehandlungen und Therapien grundsätzlich frei und eigenverantwortlich. Hieraus kann aber nicht ohne Weiteres auf eine selbstständige Tätigkeit geschlossen werden. Dies ergibt sich bereits daraus, dass nach ganz herrschender Meinung selbst Chefärzte als Arbeitnehmer zu qualifizieren sind (BSG, Urteil vom 4. Juni 2019 - B 12 R 2/18 R -, SozR 4-2400 § 7 Nr 40, Rn. 21).

Die Klägerin zu 1. hat im Verhältnis zur Klägerin zu 2. "unter dem Dach" des mündlich abgeschlossenen Rahmenvertrags für die Dauer der ihr (für Zeiten, für die sie ihre Verfügbarkeit jeweils zuvor angezeigt hatte) zugeteilten Schichten jeweils die Verpflichtung übernommen, für ihre telefonische Erreichbarkeit für die Kunden der Klägerin zu 1. Sorge zu tragen und eingehende telefonische Anfragen und Emailnachfragen in medizinischer Hinsicht fachgerecht zu beantworten. Dabei wurde von der Klägerin zu 1. auch erwartet, die Vorgaben der Klägerin zu 1. hinsichtlich der wirtschaftlichen Auswirkungen zu beachten (vgl. etwa aus dem Protokoll des Ärztetreffens vom 6. und 7. Juni 2015, Bl. 67 ff. VV, die Hinweise an das "Ärzteteam" bezüglich des erforderlichen Kostenbewusstseins, und zwar insbesondere auch in Form der Vorgabe: "Schadensquote müssen wir alle im Auge behalten"). Bezeichnenderweise hing die Einschaltung des Koordinators auch von der Höhe der zu erwartenden Kosten ab.

Die rund um die Uhr und verlässlich zu erreichende ärztliche Hotline war ein zentraler Baustein im Leistungsangebot der Klägerin zu 2. und konnte für Leben und Gesundheit ihrer Kunden im Notfall von ausschlaggebender Bedeutung sein. Es verstand sich damit im Verhältnis zwischen den beiden Klägerinnen von selbst und wird so auch durch die Angaben der Klägerin zu 1. bestätigt, dass von den Hotlineärzten eine besondere Verlässlichkeit bei der Sicherstellung ihrer telefonischen Erreichbarkeit und der Entgegennahme telefonischer Anfragen während der Schichtzeiten erwartet wurde. Bereits dies begründet einen wesentlichen Aspekt der funktionsgerecht dienenden Teilhabe der Klägerin zu 1. am Arbeitsprozess der Klägerin zu 1.

Da in Fallgestaltungen der vorliegenden Art die Tätigkeit nach Maßgabe der jeweils übernommenen einzelnen "Einsatzaufträge", im vorliegenden Zusammenhang also nach Maßgabe der jeweils übernommenen Schichten, am Maßstab der von der Rechtsprechung für die Abgrenzung zwischen selbstständiger Tätigkeit und Beschäftigung entwickelten Grundsätze zu bewerten sind (BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013 - B 12 KR 17/11 R -, Rn. 25, juris), kommt es schon im rechtlichen Ausgangspunkt nicht darauf an, dass sich die Klägerin zu 1. nicht zur Übernahme einer bestimmten Mindestanzahl von Bereitschaftsdiensten verpflichtet hat. Ebenso wenig steht es der Annahme einer abhängigen Beschäftigung entgegen, dass sie nur für solche Zeiten zu Bereitschaftsschichten herangezogen werden konnte, für die sie entsprechende Verfügbarkeit vorab mitgeteilt hatte.

Unternehmerische Chancen und Risiken waren auf Seiten der Klägerin zu 1. nicht erkennbar. Für ihre Mitarbeit an der Hotline war ihr die von der Klägerin zu 2. in den betroffenen Zeiträumen jeweils mündlich zugesagte Vergütung gewiss. Deren Höhe hing natürlich - wie auch bei vielen anderen Bereitschaftsdiensten im Rahmen abhängiger Beschäftigungsverhältnisse - davon ab, in welchem Umfang tatsächlich Arbeitsleistungen im Rahmen der übernommenen Bereitschaftszeiten zu erbringen waren. Deren Umfang war aber schwerpunktmäßig durch das von der Klägerin zu 1. nicht steuerbare Aufkommen an telefonischen Kundenanfragen und die medizinischen Vorgaben für deren sachgerechte Bearbeitung vorherbestimmt. Ein relevanter Kapitaleinsatz war auf Seiten der Klägerin zu 1. nicht erforderlich.

Der Umstand, dass ein Auftraggeber dem Auftragnehmer keinen für Beschäftigte typischen sozialen Schutz wie namentlich eine Entgeltzahlung im Krankheits- und Urlaubsfall zur Verfügung stelle, führt als solcher nicht zur Annahme eines unternehmerischen Risikos auf Seiten des Auftragnehmers. Einem solchem Risiko müssten vielmehr - um sozialversicherungsrechtliche Folgen auslösen zu können - auch größere - im vorliegenden Zusammenhang jedoch gerade nicht ersichtliche - Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft und/oder größere Verdienstchancen gegenüberstehen (BSG, Beschluss vom 27. April 2016 - B 12 KR 17/14 R -, Rn. 34, juris).

Der Umstand, dass die Klägerin zu Hause arbeitete und insoweit keinem Weisungsrecht nach dem Ort der Ausführung unterlag, ist in Anbetracht der vielfältigen heutigen Möglichkeiten im Homeoffice zu arbeiten, kein taugliches Abgrenzungskriterium mehr (LSG Hamburg, Urteil vom 26. Januar 2021 - L 3 BA 25/19 -, Rn. 32, juris).

Auch bei abhängig ausgeübten Tätigkeiten bestehen gerade im Homeoffice grundsätzlich weitgehende Freiheiten im Hinblick auf die Lage der Arbeitszeiten (LSG Hamburg, aaO, Rn. 35). Die Klägerin hatte zwar große Freiheiten bei der Festlegung ihrer Arbeitszeiten; dies ist jedoch auch bei abhängig beschäftigten Mitarbeitern im Homeoffice - zumal wenn diese nur in Teilzeit tätig sind - vielfach üblich und begründet als solches kein ausschlaggebendes Indiz für eine selbständige Tätigkeit.

Auch eine im Wesentlichen frei gestaltete Arbeitszeit deutet nur dann auf Selbstständigkeit hin, wenn diese Freiheit tatsächlich Ausdruck eines fehlenden Weisungsrechts und nicht nur Folge der Übertragung größerer Eigenverantwortung bei der Aufgabenerledigung auf den einzelnen Arbeitnehmer bei ansonsten fortbestehender funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess ist. Dabei kommt auch einer großen Gestaltungsfreiheit bezüglich der Arbeitszeit nur dann erhebliches Gewicht zu, wenn sich deren Grenzen nicht einseitig an den durch die Bedürfnisse des Auftraggebers bzw. Arbeitgebers vorgegebenen Rahmen orientieren (BSG, Urteil vom 18. November 2015 - B 12 KR 16/13 R -, BSGE 120, 99, Rn. 29). Die Fremdbestimmtheit der Arbeit kann vielmehr - wie auch im vorliegenden Fall - auch über eine funktionsgerecht dienende Teilhabe am Arbeitsprozess innerhalb einer fremden Arbeitsorganisation vermittelt (BSG, aaO, Rn. 30; vgl. dort unter Rn. 36 auch den Ansatz, wonach zu prüfen sei, ob Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft nur dann indiziell für eine Selbstständigkeit sprechen, wenn gerade hieraus verbesserte Verdienstchancen erwachsen).

Ein eventueller (im vorliegenden Zusammenhang, zumal die Klägerin zu 1. im Statusfeststellungsantrag offengelassen hat, ob sie das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer Beschäftigung beantragen wolle, Bl. 33 GA, ohnehin schon mangels schriftlicher Vereinbarungen nicht rückblickend verlässlich zu objektivierender) Wille der Vertragsparteien zur Nichtbegründung eines Beschäftigungsverhältnisses weist eine auch nur "potentielle Bedeutung" nur dann auf, wenn dieser Wille den festgestellten sonstigen tatsächlichen Verhältnissen nicht offensichtlich widerspricht und er durch weitere Aspekte gestützt wird bzw. die übrigen Umstände gleichermaßen für Selbstständigkeit wie für eine Beschäftigung sprechen. Nur unter diesen Voraussetzungen ist der in einem Vertrag dokumentierte Parteiwille überhaupt als ein auf Selbstständigkeit deutendes Indiz in die maßgebliche Gesamtabwägung einzustellen, welche im Ergebnis unter Einbeziehung weiterer Indien durchaus gleichwohl zu der Annahme einer abhängigen Beschäftigung führen kann. Dabei wird die Relevanz einer solchen Indizwirkung umso geringer eingestuft, je uneindeutiger die Vertragsgestaltung ist und je stärker die Widersprüche zu den tatsächlichen Verhältnissen sind. Zudem schwächt es die indizielle Wirkung ab, wenn wegen eines erheblichen Ungleichgewichts der Verhandlungspositionen nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden kann, dass alle Vertragsparteien in gleicher Weise die Möglichkeit hatten, ihre Wünsche bezüglich der Ausgestaltung des sozialversicherungsrechtlichen Status durchzusetzen (BSG, Urteil vom 18. November 2015 - B 12 KR 16/13 R -, BSGE 120, 99, Rn. 26; BSG, Urteil vom 4. Juni 2019 - B 12 R 11/18 R -, BSGE 128, 191, Rn. 36).

Im vorliegenden Fall sprechen die übrigen Umstände aber schon nicht gleichermaßen für Selbstständigkeit wie für eine Beschäftigung, vielmehr überwiegend aus den dargelegten Gründen eindeutig die für eine abhängige Beschäftigung maßgeblichen Indizien.

2. Die Beurteilung der Versicherungsfreiheit wegen Geringfügigkeit nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV insbesondere in Bezug auf eine Versicherung nach dem Recht der Arbeitsförderung erfordert eine Prognose bzw. vorausschauende Schätzung (BSG, Urteil vom 27. Juli 2011 - B 12 R 15/09 R -, SozR 4-2600 § 5 Nr 6, SozR 4-2400 § 8 Nr 4, Rn. 16). Die Höhe der Einkünfte der Klägerin zu 1. aus ihrer Tätigkeit für die Klägerin zu 2. schwankte in Abhängigkeit von dem Ausmaß ihrer Inanspruchnahme in den einzelnen Monaten, belief sich im Durchschnitt aber nur auf Beträge von ca. 300 bis 400 € im Monat. Insoweit bestanden auch nach Maßgabe der bei Aufnahme der Tätigkeit im November 2013 erkennbaren Umstände keine Anhaltspunkte für eine durchschnittlich zu erwartende höhere monatliche Vergütung, so dass auch im Rahmen der gebotenen Prognose von einer entgeltgeringfügigen Beschäftigung auszugehen war.

Auch von Seiten der Beklagten ist nichts substantiiert dafür aufgezeigt worden, dass und ggfs. in welchem Umfang die Klägerin im streitbetroffenen Zeitraum noch anderweitig geringfügige Beschäftigungen ausgeübt hat, welche unter Heranziehung der Ausnahmevorschrift des § 8 Abs. 2 Satz 1 SGB IV vermittels einer Zusammenrechnung der Annahme der Geringfügigkeit entgegenstehen könnten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Angesichts der auch vor dem Hintergrund der bindenden Vorgaben des § 28g SGB IV fehlenden Erkennbarkeit eines greifbaren wirtschaftlichen Vorteils für ihre Person durch das im Ergebnis zu bestätigende Nichtbestehen einer Versicherungspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung erachtet es der Senat nicht für angemessen, die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 1. auch nur in Teilen der Beklagten aufzuerlegen.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), sind nicht gegeben.