Arbeitsgericht Hannover
Urt. v. 22.04.1993, Az.: 11 Ca 633/92
Kündigung aus wichtigem Grund wegen Verteilens asylantenfeindlicher und ausländerfeindlicher Texte an die Mitarbeiter von Kunden; Einschränkung der Meinungsfreiheit des Arbeitnehmers durch die Loyalitätspflicht; Abwägungskriterien für die Prognoseentscheidung für die Weiterbeschäftigung; Prognoseentscheidung bei grober Pflichtverletzung; Bindung des Gerichts an ein Betriebsratsvotum und Einschätzung der Gewerkschaft; Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung wegen Berichterstattung der Medien
Bibliographie
- Gericht
- ArbG Hannover
- Datum
- 22.04.1993
- Aktenzeichen
- 11 Ca 633/92
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1993, 22486
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:ARBGHAN:1993:0422.11CA633.92.0A
Rechtsgrundlagen
- § 626 Abs. 2 BGB
- Art. 5 GG
- § 13 Abs. 1 KSchG
- § 4 Abs. 1 KSchG
- § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG
Fundstellen
- AuR 1993, 415 (amtl. Leitsatz)
- BB 1993, 1218-1220 (Volltext mit amtl. LS u. Anm.)
- DB 1993, 1194 (Volltext)
Verfahrensgegenstand
Feststellung
Forderung
In dem Rechtsstreitverfahren
hat das Arbeitsgericht in Hannover
auf die mündliche Verhandlung vom 22. April 1993
durch
den Richter am Arbeitsgericht ... als Vorsitzenden und
die ehrenamtlichen Richter ... und
... als Beisitzer
für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.
Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis durch die schriftliche fristlose Kündigung vom 19.11.1992, den Kläger durch Boten am 20.11.1992 ausgehändigt, nicht aufgelöst worden ist.
- 2.
Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis durch die fristgemäße Kündigung vom 3. Dezember 1992, zugestellt durch persönliche Übergabe am 10.12.1992, nicht aufgelöst worden ist.
- 3.
Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu den bisherigen Bedingungen als Kundendiensttechniker weiterzubeschäftigen.
- 4.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
- 5.
Der Streitwert wird auf DM 22.100,- festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen sowie einer hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Arbeitgeberkündigung.
Die Beklagte ist ein weltweit operierendes Unternehmen, das zur Zeit ca. 3.450 Mitarbeiter beschäftigt. Der am 18.06.1947 geborene Kläger wurde am 01.06.1973 von der Beklagten in der Niederlassung Hannover eingestellt. Das Bruttogehalt des Klägers beträgt monatlich 4.420,- DM.
Am 19.06.1992 erteilte die Beklagte dem Kläger ein Zwischenzeugnis, das auszugsweise folgenden Wortlaut hat:
"Aufgrund seiner Kontaktfähigkeit und Aufgeschlossenheit versteht er es jederzeit, verhältnismäßig schnell eine positive Beziehung zu unseren Kunden herzustellen.
Sein Verhalten Vorgesetzten, Kollegen und Kunden gegenüber ist stets korrekt und wird geprägt durch sein freundliches Wesen und seine Hilfsbereitschaft."
Am 16.10.1992 führte der Kläger in seiner Tätigkeit als Kundendiensttechniker bei eine Kundin der Beklagten, der Firma ... in Salzgitter, Wartungsarbeiten aus. Bei dieser Gelegenheit überreichte er einer Sekretärin der Firma ... drei fotokopierte Schriftstücke mit den Worten: "Hier habe ich was für Siel".
Es handelt sich hierbei um folgende Texte:
"Ich, Aussiedler Kasimir
Oh, Schiska Jenno, Polska Scheiße
Kann über Grenze Oder - Neiße
in BRD. Oh welch ein Glück,
nach Polen ich nie mehr zurück.
Wie mußte ich dort schwer malochen,
hier Geld umsonst als paar Wochen.
In Deutschland gut, wenn nix deutsch sprechen.
Behörde ohn Kontroll tut blechen.
Gibt Wohnung, Möbel, Bescheid von Rente
und wenn auch sein muß Alimente.
Für mich Symblik jetzt deutsche Fahne,
obwohl nix deutsch, auch nix der Name.
Mit Deutschnachweis war schnell gemacht,
hab Schäden und deutsch angelacht.
Nun hab ich Paß von deutsch Behörde,
auf daß ich ganz schnell Deutscher werde.
Für Sprache lernen gibt's ja Geld,
sonst nirgendwo auf ganze Welt.
Auch viele Mark für Überbrückung,
wir alle sind ganz voll Entrückung.
Mit Arbeiten hat noch viel Zeit,
Wohnung mit Möbel stehn bereit.
Dafür Kredit ganz ohne Zinsen.
Matka und ich, wir heimlich grinsen
Sogar Video steht auf dem Schrank,
auch Auto mit vollem Tank
Textil und Schuh, damit kein Jammer,
alles unrecht, von Kleiderkammer.
Matka und ich verstehn nicht recht,
vielen Deutschen geht's sehr schlecht.
Nebenan alt Deutsche Frau,
mit Rente 800 Mark genau.
Auch mit zwei Kindern deutsch Famil
hat wenig Geld trotz Arbeit viel.
Nix Auto und nix Video
und Matratze Haferstroh.
Wie gut, daß ich aus Polska bin,
vielleicht sonst gings mir auch so schlimm.
Zu Weihnacht wem geladen alle,
vom Kardinal in Grugshalle.
Er sprach, an Kanzel angekommen
"Ihr seid uns herzlich all willkommen."
Wir sangen dann, weil hocherfreut:
"Mach hoch die Tür, die Tor macht weit."
Mann schnell nach Polska Brief geschrieben:
Seid dumm, weil ihr doch da geblieben.
Kommt schnell und schaffe X auch Moneta,
in besten Land von dem Planeta.
Es weiß doch Alle Welt schon dies:
BRD ist Paradies.
Geliebt von der CDU bis zur FDP und besonders von der SPD und den Grünen, erhalten vom deutschen Steuerzahler, der die Asylanten auch noch finanzieren muß.
Herr Asylant, hallo wie geht's??
Oh ganz gut, bring' Deutschen Aids.
Komm' direkt aus Übersee
hab' Rauschgift mit, so weiß wie Schnee
verteil' im Sommer wie im Winter
sehr viel davon an deutsche Kinder.
Muß ich zur Arbeit, denn zum Glück
schafft deutsches Arschloch in Fabrik.
Hab' Kabelfernsehen, liegt im Bett -
werd' langsam wieder dick und fett.
Zahl' weder Miete, Strom noch Müllabfuhr,
das müssen dumme Deutsche nur!!
Auch Zahnarzt, Krankenhaus komplett
zahl jeden Monat deutscher Depp.
Wird deutscher Depp mal Pflegefall
verkauft ihm Staat Haus, Hof und Stall.
Man nimmt ihm einfach alles weg,
schafft vierzig Jahr umsonst, der Depp.
Wenn deutscher Dummkopf ist gestorben,
dann müssen Erben Geld besorgen.
Denn Deutscher muß bezahlen für Pflegeheim und Grab,
was als Asylant umsonst ich hab.
Man sieht, daß Deutscher ein Idiot,
muß auch noch zahlen wann er tot.
Ich liebe Deutschland - wo noch auf der Welt,
gibt's für Asylanten auch noch viel Geld.
Ist Deutschland pleite fahr ich heim.
und sag' 'leb' wohl Du Nazi-Schwein'
Das neue Deutschlandlied!
Deutschland, Deutschland, über alles,
über alles in der Welt;
Polen, Türken, Libanesen, alles lebt
von unserem Geld.
Dann die Perser, Jugoslawen,
auch die Schwarzen noch dazu,
Deutschland, Deutschland, über alles,
denn du bist die beste Kuh!
Nix verstehen, weil ich Türke,
aber Kasse immer stimmt;
Deutschland, Deutschland, über alles,
zahlt sehr gut für jedes Kind.
Wozu soll ich hier noch schaffen,
das erledigt doch mein Glied;
Deutschland, Deutschland, über alles,
ach wie schön ist dieses Lied!
Ja, die Roten und die Grünen,
machen es uns wirklich leicht;
was die CDU verwehrte,
haben wir jetzt schnell ereicht!
Wenn wir erst zur Urne schreiten,
mit dem Zettel in der Hand,
Deutschland, Deutschland, über alles,
bald gehört uns dieses Land!"
Die Sekretärin wandte sich an ihren Vorgesetzten, der die Fotokopien an den Leiter der Einkaufsabteilung der Firma ... weitergab, unmittelbar nach dem Besuch des Klägers in Salzgitter rief der Mitarbeiter Wegener der Firma ... bei dem Vorgesetzten des Klägers ... an und erörterte mit ihm den Sachverhalt. Dem Kläger wurde für die Räume der Firma ... Hausverbot erteilt.
Am Tag seines Kundenbesuchs bei der Firma ..., dem 16.10.1992, führte der Kläger ein Gespräch mit seinem Vorgesetzten ... und regte an, die Kundin aufzusuchen, um den Vorgang zu besprechen und zu bereinigen. Der Vorgesetzte des Klägers lehnte dies jedoch ab.
Am 26.10.1992 erhielt die Personalreferentin der Personalabteilung der Beklagten ... Kenntnis von dem Vorgang und ließ sich zur näheren Aufklärung des Sachverhalts die Schriftstücke mit Telefaxschreiben vom 06.11.1992 übersenden. Nach Erhalt der Texte bestellte sie den Kläger für den 09.11.1992 zu einem Gespräch, an dem außer ihr und dem Kläger dessen Vorgesetzter ... teilnahm. Der Kläger entschuldigte sein Verhalten als "Dummheit".
Am 16.11.1992 unterrichtete die Beklagte den Betriebsrat und erbat die Zustimmung zur fristlosen, hilfsweise fristgerechten Kündigung. Der Betriebsrat beschloß in seiner Sitzung am 17.11.1992, der Kündigung zuzustimmen und teilte dies der Beklagten am selben Tag mit.
Mit Schreiben vom 19.11.1992, das dem Kläger am 20.11.1992 durch seinen Vorgesetzten ... ausgehändigt wurde, sprach die Beklagte die fristlose Kündigung aus. Das Kündigungsschreiben hat auszugsweise folgenden Wortlaut:
"Sie haben einer Mitarbeiterin bei unserem Kunden ... rechtsradikales Schriftgut mit faschistischen Tendenzen ausgehändigt. Durch Ihr geschäftsschädigendes und mit der Ethik unseres Unternehmens nicht zu vereinbarendes Verhalten ist uns die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar geworden."
Unter dem 03.12.1992 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis aus gleichem Grunde hilfsweise fristgerecht.
Der Kläger meint:
Die fristlose wie auch die hilfsweise erklärte fristgemäße Kündigung sei unwirksam. Die Kündigungen seien unverhältnismäßig, da er - der Kläger - für die ihm vorgehaltene Pflichtverletzung zuvor keine Abmahnung erhalten habe.
Der Kläger trägt weiter vor:
Er habe die Schriftstücke für selbstironische Texte gehalten, ihm sei nicht bewußt gewesen, daß es sich hierbei um rechtsradikales Schriftgut handeln könne. Die Schriften seien als selbstironische Pamphlete zum Umgang der deutschen Bevölkerung mit Asylbewerbern und Asylantenproblemen anzusehen.
Der Kläger beantragt,
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis durch die schriftliche fristlose Kündigung vom 19.11.1992, dem Kläger durch Boten am 20.11.1992 ausgehändigt, nicht aufgelöst worden ist,
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis durch die fristgemäße Kündigung vom 03.12.1992, zugestellt durch persönliche Übergabe am 10.12.1992, nicht aufgelöst worden ist,
die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu den bisherigen Bedingungen als Kundendiensttechniker weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte vertritt folgende Auffassung:
Die Handlungsweise des Klägers rechtfertige eine fristlose Kündigung, jedenfalls aber eine fristgemäße Kündigung.
Die Schriftstücke erfüllten den Straftatbestand der Volksverhetzung (§ 130 Nr. 1 und Nr. 3 StGB). Wegen der Ausführungen im einzelnen wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 26.03.1993 (S. 4-8) vollinhaltlich Bezug genommen.
Das Verteilen der Schriften beeinträchtige das Arbeitsverhältnis in mehrfacher Hinsicht.
Insbesondere habe die Handlungsweise des Klägers bewirkt, daß die für eine Zusammenarbeit erforderliche Vertrauensgrundlage zerstört oder beeinträchtigt sei. Der Kläger habe durch sein Verhalten gegen das aus der Treuepflicht abzuleitende Verbot verstoßen, stets auf den Gesamtzweck des Arbeitsverhältnisses und des Betriebs Rücksicht zu nehmen. Daraus folge insbesondere, daß der Mitarbeiter durch sein Verhalten bei Kunden keine Mißstimmungen hervorrufen dürfe, die eine Beendigung der Geschäftsbeziehungen zur Konsequenz haben könnten. Das Verteilen der Schriftstücke sei aber im vorliegenden Fall nicht nur generell geeignet gewesen, Mißstimmungen zu erzeugen, vielmehr sei die Mißstimmung konket durch das erteilte Hausverbot belegt. Vor dem Hintergrund des derzeitigen politischen Klimas, das u.a. gekennzeichnet sei von Ausschreitungen und Anschlägen gegenüber Asylbewerbern in Deutschland, dürfe sich ein internationales Unternehmen wie die Beklagte nicht den Eindruck geben, daß sie in den Texten zum Ausdruck kommende Parolen unterstütze. Dieser Eindruck könne aber entstehen, wenn ein Außendienstmitarbeiter Schriften rechtsradikalen Inhalts verteile. Die Beklagte habe das Arbeitsverhältnis daher ohne vorherige. Abmahnung kündigen können.
Zugleich liege in der Verhaltensweise des Klägers eine Störung im Leistungsbereich und eine konkrete Beeinträchtigung im Unternehmensbereich, da die Geschäftsbeziehungdurch das Verhalten des Klägers Belastungen ausgesetzt sei.
Weiterhin sei eine Störung im betrieblichen Bereich zu konstatieren. Der Betriebsfriede sei bereits dadurch gestört, daß die Belegschaft der Beklagten, die sich aus Mitarbeitern unterschiedlicher Nationalitäten zusammensetze, von dem Verhalten des Kläges Kenntnis erlangt habe. Es mache, rechtlich keinen Unterschied aus, ob ein Mitarbeiter Schriftgut der vorliegenden Art in einem Betrieb im Umlauf bringe und dadurch ausländische Kollegen diskriminiere oder ob diese davon Kenntnis erlangten, daß solches Schriftgut außerhalb des Betriebes von einem ihrer Kollegen verteilt worden sei. Die Kenntnis sei durch die örtliche Presse vermittelt.
Die eingetretenen Störungen im Vertrauens-, Unternehmensbereich und im betrieblichen Bereich würden auch Auswirkungen für die Zukunft haben. Die Beklagte trägt insoweit vor: Für die Zukunft bestehe die Gefahr, daß der Kläger sein Fehlverhalten wiederhole, weil ihm das Unrechtsbewußtsein fehle. Es könne nicht ausgeschlossen werden, daß der Kläger auch zukünftig in einer anderen Situation wiederum gedankenlos handele. Dies folge aus dem Vortrag des Klägervertreters im Gütetermin, die Texte könnten auch satirisch verstanden seien.
Schließlich vertritt die Beklagte die Auffassung, auch unterEinbeziehung der langen Betriebszubehörigkeit des Klägers müsse der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Vorzug gegeben werden. Denn vor dem Hintergrund des aktuellen politischen Klimas dürfe sie - die Beklagte - keinesfalls den möglichen Eindruck dulden, daß ihre Bediensteten rechtsradikalen Kreisen zuzuordnen seien.
Letztlich sei die Kündigung auch deshalb unausweichlich, weil bei einer Weiterbeschäftigung die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat, der die Belegschaftsinteressen wahrnehme und der Kündigung zugestimmt habe, gefährdet sei. Zudem sei zu besorgen, daß auch die Gewerkschaft, die diesen Fall unter dem Titel "Hetzer erhält fristlose Kündigung" aufgegriffen habe, gegen eine Weiterbeschäftigung opponieren würde.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die in der Akte befindlichen Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
A.
Der Kläger hat die Kündigungsschutzklage gegen die am 20.11.1992 zugegangene fristlose Kündigung gemäß §§ 13 Abs. 1 i.V.m. 4 Abs. 1 KSchG am 10.12.1992 und gemäß § 4 Abs. 1 KSchG gegen die am 10.12.1992 zugegangene ordentlicheKündigung am 29.12.1992 jeweils binnen der dreiwöchigen Klagefrist erhoben.
Die sowohl gegen die außerordentliche wie auch gegen die ordentliche Kündigung gerichtete Klage ist als Kündigungsschutzklage zulässig. Für die Kündigungsschutzklage bedarf es neben der Geltendmachung der Unwirksamkeit der Kündigung keines gesonderten Feststellungsinteresses. Das Kündigungsschutzgesetz findet im vorliegenden Fall Anwendung, weil die Beklagte im Zeitpunkt der Kündigung ständig mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigt (§ 23 Abs. 1 S. 2 KSchG) und das Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate bestanden hat (§ 1 Abs. 1 KSchG).
B.
Die Klage ist auch begründet.
I.
Die unter Datum vom 19.11.1992 von der Beklagten ausgesprochene fristlose Kündigung ist unwirksam.
Das Gericht konnte zugunsten der Beklagten davon ausgehen, daß sie erst nach dem Gespräch des Klägers mit der Personalreferentin ... in Anwesenheit des Vorgesetzten ... hinreichende Kenntnis von den Tatsachen erlangt hat, die für ihre Kündigungsentscheidung maßgeblich sind und somit dieKündigung innerhalb der zweiwöchigen Ausschlußfrist gemäß § 626 Abs. 2 BGB erklärt hat.
Denn die Kündigung ist jedenfalls unwirksam, weil kein wichtiger Grund zur Kündigung gemäß § 626 Abs. 1 BGB bestanden hat.
1.
Ein Arbeitsverhältnis kann gemäß § 626 Abs. 1 BGB aus wichtigem Grund gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und Abwägung der Interessen beider Vertragsteile eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung des wichtigen Grundes ist der Zugang der Kündigungserklärung, so daß Kündigungsgründe, die erst nach Zugang der Kündigung entstanden sind, lediglich eine weitere Kündigung rechtfertigen können. Nachträglich entstandene Kündigungsgründe können nur ganz ausnahmsweise von Bedeutung sein, wenn sie die ursprünglichen Kündigungsgründe aufhellen und ihnen ein anderes Gewicht geben.
Die Prüfung des wichtigen Grundes vollzieht sich in zwei Abschnitten. Zunächst ist zu fragen, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne Berücksichtigung der besonderen Umständedes Einzelfalls "an sich" geeignet ist, einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB abzugeben. Erst wenn diese Frage bejaht worden ist, muß unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls eine Interessenabwägung vorgenommen werden, aus der das endgültige Urteil über die Zulässigkeit einer außerordentlichen Kündigung gewonnen wird (vgl. zum abgestuften Prüfungsverfahren KR-Hillebrecht, 3. Aufl., § 626 BGB Anm. 59 und Preis, Prinzipien des Kündigungsrechts bei Arbeitsverhältnissen, 1987, S. 328 f., 478, jeweils m.w.N. zur Rspr. des BAG).
2.
Die Voraussetzungen eines wichtigen Grundes sind im vorliegenden Fall nicht gegeben.
a)
Zwar läßt das Gericht keinen Zweifel daran, daß der Kläger durch das Verteilen der fotokopierten Texte an die Mitarbeiterin der Kundin ... seine arbeitsvertragliche Pflicht in grober Weise verletzt hat. Es stellt einen "an sich" zur fristlosen, jedenfalls aber zur fristgemäßen Kündigung geeigneten Grund dar, wenn ein im Außendienst tätiger Servicetechniker gegenüber Mitarbeitern von Kunden Firmenschriften mit asylanten- bzw. ausländerfeindlichen Aussagen verteilt.
Dieses Verhalten ist nicht von der (auch im Arbeitsleben grundsätzlich bestehenden) Freiheit der Meinungsäußerung gedeckt. Denn Meinungsäußerungen im Arbeitsleben sind dann unzulässig und entsprechen nicht mehr dem Recht auf freie Äußerung der Meinung im Sinne des Art. 5 GG, wenn sie in ihren Inhalten und in ihrer Form beleidigend sind. Die Grenze zulässiger Meinungsäußerung ist schon dann deutlich überschritten, wenn Kollegen aufgrund ihrer Nationalität oder ihrer Hautfarbe herabgewürdigt werden, (vgl. Korinth, ArbuR 1993, 105, 108 unter Hinweis auf die Rspr. des BAG zur Wahrung des Betriebsfriedens sowie die hierzu im Schrifttum vertretenen Auffassungen). Erst recht hat ein Arbeitnehmer gegenüber Mitarbeitern von Kundenunternehmen in seiner politischen Meinungsäußerung Zurückhaltung zu üben. Dies gilt jedenfalls und ohne Einschränkung für die Äußerung extremer Ansichten und entspricht der Loyalitätspflicht des Arbeitnehmers gegenüber seinem Arbeitgeber. Es liegt auf der Hand, daß die Äußerung extremer politischer Auffassungen durch einen Außendienstmitarbeiter dem Ruf des Arbeitgebers und damit den Geschäftsbeziehungen zu den Kundenunternehmen abträglich sein kann.
Das Verteilen der streitgegenständlichen Texte ist Form extremer Meinungsäußerung in einem für jedermann erkennbar besonders sensiblen politischen Thema. Denn eine der unerfreulichsten Zeiterscheinungen dieser Tage ist die Ablehnung ausländischer Mitbürger, die von scheinbar undtatsächlich realpolitischen Einschätzungen über verbale Hetze bis hin zu körperlichen militanten Angriffen, Brandstiftung und Mord reicht (vgl. Korinth, ArbuR, 1993, 105).
Diesem Gebot politischer Zurückhaltung hat der Kläger zuwidergehandelt, denn die von ihm an die Sekretärin bei dem Kundenunternehmen ... weitergegebenen Texte enthalten asylanten- bzw. ausländerfeindliche Aussagen mit unzweifelhafter aggressiver Tendenz. Die in Reimform verfaßten Verse sind nach Auffassung des Gerichts auch nicht "Satire", sie sind in ihrer plakativen, undifferenzierten Aussage bar jeglichen (satirisch-literarischen) Feinsinns. Die Weitergabe derartigen Gedankensgut stellt bereits eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung dar, ohne daß es darauf ankommt, ob die "Verse" den objektiven Tatbestand der Volksverhetzung im Sinne des § 130 StGB erfüllen. Die einseitig aggressive, negative Stimmung gegenüber Asylanten Vorschub leistende Aussage wird in allen "Gedichten" deutlich. Die Texte bringen zum Ausdruck, die in Deutschland lebenden Asylanten brächten Unheil (Aids, Rauschgift) nach Deutschland und zielten nur auf die Inanspruchnahme der Sozialleistungen ab, die ein komfortables Leben auf Kosten der arbeitenden deutschen Bevölkerung ermöglichten.
Die Verhaltensweise des Klägers, diese Texte vorstehenden Inhalts an die Mitarbeiterin eines Kundenunternehmensweiterzugeben, ist insbesondere geeignet, der Kundenbeziehung nachhaltigen Schaden zuzufügen.
b)
Indes führt diese für sich betrachtet unentschuldbare Pflichtverletzung im vorliegenden Fall bei Abwägung aller Umstände nicht zu einer Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung bis zum Erreichen der ordentlichen Kündigungsfrist.
Bei der Prüfung der Unzumutbarkeit steht nur der Einzelfall zur Entscheidung, die Prüfung des wichtigen Grundes erfolgt individualrechtlich und vertragsbezogen. Die außerordentliche Kündigung ist nur gerechtfertigt, wenn die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gerade mit diesem Arbeitnehmer erforderlich ist, weil für die konkrete Vertragsbeziehung weitere (gleichartige) Vertragsverletzungen zu befürchten sind. Daraus folgt zugleich, daß eine (außerordentliche wie auch eine ordentliche) Kündigung nicht damit begründet werden kann, "ein Exempel zu statuieren" oder generalpräventive Zwecke zu verfolgen. Die Kündigung eines Arbeitnehmers verfolgt nicht den Zweck, auf das Verhalten anderer Arbeitnehmer Einfluß zu nehmen (vgl. Preis, a.a.O., S. 337).
Bei der Prüfung unter Einbeziehung der Einzelfallumstände ist vornehmlich der Grundsatz des sogenannten "ultima ratio-Prinzips" zu beachten, demzufolge eine Kündigung erstdann zumutbar ist, wenn sie die unausweichlich letzte Maßnahme darstellt (vgl. KR-Hillebrecht, a.a.O., § 626 BGB Anm. 189). Diese Voraussetzung liegt vor, wenn alle anderen, nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls möglichen angemessenen milderen Mittel (insbesondere eine Abmahnung) ausgeschöpft sind, um das in der bisherigen Form nicht mehr, tragbare Arbeitsverhältnis fortzusetzen (BAG, Urteil vom 30.05.1978, EzA, § 626 BGB n.F. Nr. 66).
Die Frage, ob eine Abmahnung die im Einzelfall gebotene und angemessene Reaktion auf eine Pflichtverletzung des Arbeitnehmers darstellt, ist danach zu beantworten, ob der Arbeitgeber im Zeitpunkt der Kündigung davon ausgehen kann, daß der Arbeitnehmer sein Verhalten künftig ändern wird. Gerade bei der (außerordentlichen wie ordentlichen) Kündigung wegen Fehlverhaltens ist der Gesichtspunkt der Prognose entscheidend (vgl. Preis, a.a.O., S. 329; zum Prognoseprinzip bei der außerordentlichen Kündigung vgl. Preis, a.a.O., S. 332). Für die Prognose ist die Intensität der von dem Arbeitnehmer zu verantwortenden Pflichtverletzung ein wichtiger Anhaltspunkt. Der vergangenen, schuldhaften Pflichtverletzung kommt Indizwirkung für die Gefahr zukünftiger Beeinträchtigungen des Arbeitsverhältnisses zu. Bei der Kündigung wegen Fehlverhaltens besteht somit ein Spannungsverhältnis zwischen vergangenheitsbezogenem Verschuldensprinzip und dem zukunftbezogenen Prognoseprinzip. Einerseits vermag ein vergangenes, noch so schwerwiegendes Ereignis allein die künftige Auflösung des Vertrages nicht zu rechtfertigen, weil dem Kündigungsrecht jeder Sühne- oder Strafcharakter fremd ist (vgl. Preis, a.a.O., S. 328, 337). Andererseits kann eine schwere Loyalitätspflichtverletzung die vertrauensvolle Weiterführung des Arbeitsverhältnisses für die Zukunft als ausgeschlossen erscheinen lassen. Ebenso kann die Art und Weise der Vertragsverletzung, insbesondere der Grad des Verschuldens, in der der Arbeitnehmer eine Vertragsverletzung begangen hat, auf das Risiko weiterer Vertragsverletzungen schließen lassen und mithin eine Wiederholungsgefahr begründen (Preis, a.a.O., S. 336).
Bei Anwendung dieser Grundsätze ist in aller Regel keine Abmahnung erforderlich, wenn der Arbeitnehmer sein Fehlverhalten positiv kennt und nicht damit rechnen konnte, daß der Arbeitgeber dieses Verhalten billigt. Denn in diesen Fällen vorsätzlich begangener Pflichtverletzung kann in aller Regel nicht von einer Einsichtsfähigkeit ausgegangen werden. Eine Abmahnung ist ferner entbehrlich, wenn das Arbeitsverhältnis durch die begangene Vertragsverletzung so stark verletzt ist, daß selbst eine künftige Besserung der Zusammenarbeit an dem Vertrauensverlust nichts mehr ändert (vgl. KR-Hillebrecht, a.a.O., § 626 BGS Anm. 99 m.w.N. z.Rspr. und Anm. 100; "irreparable" Zerstörung des Vertrauensverhältnisses, vgl. BAGE 19, 351, 354 [BAG 19.06.1967 - 2 AZR 287/66] zu II der Gründe; BAGE 26, 116, 127 [BAG 04.04.1974 - 2 AZR 452/73] zu V 2 der Gründe; BAG, Urteil vom 05.11.1992, ArbuR 1993, 124).
Im vorliegenden Fall stellt zwar das Verteilen der streitgegenständlichen "Verse", das auf ausländische Mitarbeiter von Geschäftspartnern des Arbeitgebers wie auf Kollegen in extremer Weise schockierend wirken muß, eine grobe Pflichtverletzung dar. Andererseits muß man auch bei Pflichtverletzungen der vorliegenden Art den Einzelfall betrachten und danach die rechtlichen Konsequenzen ausrichten. Auch asylanten- bzw. ausländerfeindliche Äußerungen stellen keinen absoluten Grund zur Kündigung dar. Vielmehr bedarf es grundsätzlich auch in Fällen, in denen Arbeitnehmer durch ausländerfeindliches Verhalten ihre arbeitsvertragliche Pflicht verletzen, vor Ausspruch einer ordentlichen Kündigung einer Abmahnung. Nur in Ausnahmefällen (z.B. besonders intensive Störungen) ist eine außerordentliche Kündigung gerechtfertigt (vgl. Korinth, ArbuR 1993, 105, 109).
Es steht daher einer Angemessenheit und Eignung der Abmahnung nicht entgegen, daß die Beklagte ein weltweit operierendes Unternehmen ist, das Mitarbeiter zahlreicher Nationalitäten, Konfessionen und Völkergruppen beschäftigt. Denn dieses Argument der Beklagten zielt darauf, ungeachtet der Einzeifallumstände Ausländerfeindlichkeit als absoluten Kündigungsgrund aufzufassen. Dies ist aber ebensowenig Zweck des individualrechtlich ausgestalteten Kündigungsschutzrechts wie etwa die Verfolgung generalpräventiver - oder Sanktionszwecke.
Das Gericht sieht vielmehr bei der Abwägung aller Einzelfall umstände eine Abmahnung als geeignete mildere Maßnahme an, selbst wenn die vornehmlich im Leistungsbereich angesiedelte Verletzung der Loyalitätspflicht auch Auswirkungen auf die Vertrauensgrundlage hat. Maßgeblich ist, daß durch den einmaligen Vorfall die für ein Arbeitsverhältnis schlechterdings unverzichtbare Vertrauensbasis nicht irreparabel zerstört ist. Vielmehr ist davon auszugehen, daß der Kläger sich eine Abmahnung zur Warnung gereichen läßt und den von ihm begangenen Fehler zukünftig nicht mehr wiederholen wird.
Für diese positive Prognose spricht das bisherige, über einen Zeitraum von nahezu 20 Jahren störungsfrei bestehende Beschäftigungsverhältnis.
Das Arbeitsverhältnis hat ausweislich des unter Datum vom 19.06.1992 von der Beklagten erteilten Zwischenzeugnisses beanstandungsfrei bestanden. Die Beklagte hat besonders hervorgehoben, daß die Kontaktfähigkeit und Aufgeschlossenheit es dem Kläger jederzeit ermöglichten, verhältnismäßig schnell eine positive Beziehung zu Kunden aufzubauen. Zudem ist in dem Zeugnis herausgestellt, daß der Kläger sich auch Kunden gegenüber stets korrekt verhalten hat und sich durch ein freundliches Wesen sowie Hilfsbereitschaft auszeichnet.
Es ist kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, daß der Kläger sich bisher im Verlaufe des Arbeitsverhältnisses gegenüberKunden oder Mitarbeitern im Sinne rechtsradikalen Gedankenguts geäußert hat. Hinzu kommt, daß der Kläger sein Fehlverhalten sofort eingestanden und nicht den Versuch der Verharmlosung unternommen hat. Der Kläger hat vor Ausspruch der ersten Kündigung noch am Tag des Kundenbesuchs bei ... gegenüber dem Vorgesetzten ... angeboten, in einem gemeinsamen Besuch bei der Kundin den Vorgang zu besprechen und zu bereinigen. In einem späteren Gespräch mit der Personalreferentin ... am 09.11.1992 erklärte der Kläger sein Verhalten als "Dummheit" und hat somit seinen Fehler nochmals eingestanden.
Hier sieht das Gericht einen maßgeblichen Unterschied zu dem vom BAG entschiedenen Fall "Juden-Witz" (BAG, Urteil, vom 05.11.1992, 2 AZR 287/92, ArbuR 1993, 124), in dem ein Lehrer wiederholt einen geschmacklosen "Juden-Witz" erzählt und sich damit gerechtfertigt hat, wegen solcher "Witzchen" dürfe seine berufliche Laufbahn nicht tangiert werden. In diesem Fall liegt im Gegensatz zu dem vorliegenden Fall die Wiederholungsgefahr auf der Hand. In dem der BAG-Entscheidung zugrunde liegenden Rechtsstreit ist die Befürchtung gerechtfertigt, der Lehrer werde sich auch zukünftig in diesem sensiblen Punkt unempfindlich und uneinsichtig verhalten.
Der Grad des Verschuldens läßt weiterhin auch nicht die Prognose zu, der Kläger werde das Arbeitsverhältnis zukünftig durch vergleichbare Pflichtverletzungen belasten. Zwar kann der Kläger nicht damit gehört werden, er habe sich bei der Weitergabe der Texte nichts gedacht. Denn die "Verse" sind in der rechtsradikalen Tendenz ihrer Aussage jedermann ohne weiteres verständlich. Dem Kläger mußte vor dem Hintergrund des aktuellen politischen Klimas in Deutschland klar sein, daß er bei der Weitergabe der Schriftstücke seine arbeitsvertragliche Nebenpflicht zur Zurückhaltung bei der Äußerung extremer politischer Aussage verletzt. Auch entschuldigt es die Pflichtverletzung des Klägers nicht, daß die Texte auch die Aussage enthalten, die Deutschen wären selbst schuld, wenn der Sozialstaat durch Asylanten ausgenutzt werde. Allerdings hat das Gericht zugunsten des Klägers konstatiert, daß die "Verse" in ihrer menschenverachtenden Aussage weder die Intensität des der BAG-Entscheidung vom 05.11.1992 zugrunde liegenden "Juden-Witzes" enthalten noch einen direkten Aufruf zu asylanten- bzw. ausländerfeindlicher Angriffen. Mithin ergibt sich eine irreparable Zerstörung der Vertrauensgrundlage auch nicht schon allein aus dem Inhalt der Schriften.
Ein anderes Abwägungsergebnis folgt auch nicht unter Einbeziehung des von der Firma ... für den Kläger erteilten Hausverbots. Insoweit hat die Beklagte nicht vorgetragen, daß eine vertragsgemäße Beschäftigung des Klägers bei Aufrechterhaltung des Hausverbots nicht möglich ist. Es ist daher davon auszugehen, daß der Kläger, der als Servicetechniker Geräte der Beklagten bei weiteren Kunden betreut, während seiner Arbeitszeit in ausreichendem Umfang beschäftigt werden kann. Es ist auch nicht ersichtlich, daß die Übertragung von der bei der Firma ... anfallenden Wartungsarbeiten auf einen anderen Servicetechniker zu einem unverhältnismäßigen Organisationsaufwand bei der Beklagten führt.
Außer Betracht bleibt bei der Prüfung der Unzumutbarkeit die Berichterstattung der Medien über die Verhandlung und Gerichtsentscheidung im vorliegenden Fall. Denn die Meinung von Medien bewirkt nicht die Rechtmäßigkeit einer Kündigung. Abgesehen davon liegt die Berichterstattung im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung und damit der vom Arbeitgeber vorzunehmenden Interessenabwägung denknotwendig noch nicht vor. Es handelt sich um eine nach der Kündigung entstehende Tatsache, die das Fehlverhalten des Klägers auch nicht in einem anderen Licht erscheinen läßt und daher bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Kündigung außer Betracht bleibt. Unbeachtlich für die Entscheidung des Rechtsstreits ist daher auch die von dem Prozeßvertreter des Klägers im Rahmen der Güteverhandlung geäußerte Ansicht, die Texte könnten als Satire aufgefaßt werden.
Auch das Betriebsratsvotum und die rechtliche sowie die politische Einschätzung der Gewerkschaft bindet weder denArbeitgeber noch das Gericht bei der Abwägung der Einzelfallumstände. Diesem Argument der Beklagten steht bereits entgegen, daß weder der Betriebsrat noch die Gewerkschaft von sich aus die Kündigung des Klägers gefordert haben, sondern ihre Stellungnahme erst nach der bereits getroffenen Entscheidung (Kündigungsabsicht bzw. Kündigungsentscheidung) abgegeben worden sind.
Schließlich sind nach Auffassung des Gerichts den der Unternehmensphilosophie der Beklagten zugrunde liegenden ethischen Grundsätzen bei einer Abmahnung in erforderlichem und ausreichendem Maß Rechnung getragen. Durch die Abmahnung bringt die Beklagte deutlich zum Ausdruck, daß der Pflichtverstoß den Unternehmensgrundsätzen zuwiderläuft und sich nicht wiederholen darf.
II.
Die von der Beklagten unter Datum vom 03.12.1992 erklärte ordentliche Kündigung ist gemäß § 1 Abs. 1 KSchG ebenfalls rechtsunwirksam, weil sie sozial ungerechtfertigt ist.
Gemäß § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG ist eine Kündigung u.a. sozial ungerechtfertigt, wenn sie nicht durch Gründe, die in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, bedingt ist. Eine Kündigung ist nur dann "bedingt", wenn dem Arbeitgeber nach Anwendung des "ultima ratio-Prinzips" keine milderen Mittel zur Verfügung stehen, um das Fehlverhalten des Arbeitnehmers für die Zukunft auszuschließen.
Im vorliegenden Fall hätte die Beklagte nach Auffassung des Gerichts den vertragsgemäßen Zustand durch Ausspruch einer Abmahnung wieder herstellen können. Die Pflichtverletzung hat keine irreparable Beeinträchtigung des Vertrauensverhältnisses bewirkt, so daß der Beklagten nach Ausspruch einer Abmahnung nicht nur die Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist, sondern auf Dauer zumutbar ist. Auf die Ausführungen unter oben I. wird sinngemäß Bezug genommen.
III.
Bei der Entscheidung über den Weiterbeschäftigungsantrag schließt sich das Gericht der Rechtsprechung des Großen Senats des BAG vom 27.02.1985 (GS, BAG, EzA 1985, 702) an.
IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Streitwertbeschluss:
Der Streitwert wird auf DM 22.100,- festgesetzt.
Die Entscheidung über den Streitwert folgt aus §§ 61 Abs. 1 ArbGG i.V.m. 12 Abs. 7 ArbGG und § 3 ZPO. Das Gericht hat für die außerordentliche Kündigung drei Monatsgehälter und für die weitere ordentliche Kündigung sowie für den Weiterbeschäftigungsantrag jeweils ein weiteres Monatsgehalt zugrunde gelegt.