Arbeitsgericht Hannover
Urt. v. 25.03.1993, Az.: 3 Ga 2/93
Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung der Teilnahme am Trainingsbetrieb einer Lizenzspielermannschaft; Bestandteile eines Lizenzvertrags im Fussballsport; Direktionsrecht eines Fussballtrainers; Einstweilige Verfügung auf Teilnahme am Trainingsbetrieb einer Fussballmanschaft
Bibliographie
- Gericht
- ArbG Hannover
- Datum
- 25.03.1993
- Aktenzeichen
- 3 Ga 2/93
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1993, 10004
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:ARBGHAN:1993:0325.3GA2.93.0A
Rechtsgrundlagen
- § 940 ZPO
- § 611 BGB
- § 241 Abs. 1 BGB
- § 311 Abs. 1 BGB
Fundstelle
- SpuRt 1998, 197-198
Verfahrensgegenstand
Forderung
In der einstweiligen Verfügungssache
hat das Arbeitsgericht in Hannover
auf die mündliche Verhandlung vom 25. März 1993
durch
die Richterin ... als Vorsitzende ... und
die ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer
für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.
Der Antrag wird zurückgewiesen.
- 2.
Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
- 3.
Der Streitwert wird auf 5.000,00 DM festgesetzt.
Tatbestand
Der Antragsteller begehrt im Wege der einstweiligen Verfügung vertragsgemäße Beschäftigung in Form der Teilnahme am Trainingsbetrieb der Lizenzspielermannschaft des Antragsgegners.
Der Antragsteller ist auf der Grundlage des bis zum 30.06.1993 befristeten Arbeitsvertrages vom 15.06.1991 bei dem Beklagten als Lizenz-Fußballspieler beschäftigt. Wegen der Einzelheiten, insbesondere der Vertragsklauseln der §§ 2 a, 4 a und 6 wird auf den Arbeitsvertrag (Blatt 9-12 der Akte) verwiesen.
Am 03.03.1993 erhielt der Antragsteller neben vier weiteren Lizenzspielern durch den Cheftrainer die Mitteilung, er dürfe mit sofortiger Wirkung am Mannschaftstraining nicht mehr teilnehmen. Statt dessen wurde für diese fünf Spieler ein zeitversetztes Sondertraining unter Leitung des Co-Trainers angeordnet.
Der Antragsteller meint, der Antragsgegner erfülle die ihm obliegenden Vertragspflichten nicht. Die alleinige Durchführung eines Sondertrainings und der damit verbundene Ausschluß vom regulären Mannschaftstraining, das üblicherweise 90 % seiner Trainingstätigkeit ausmache, führe zu drastischen Nachteilen. Ohne die Teilnahme am Trainingsbetrieb der Lizenzspielermannschaft werde er bereits nach kurzer Zeit nicht mehr in der Lage sein, seinen Beruf als Lizenzfußballspieler ordnungsgemäß auszuüben. Das Mannschaftstraining sei für die Erhaltung seines Leistungsstandards unerläßlich. Das nunmehr angeordnete Sondertraining sei damit nach Qualität, Intensität und Umfang nicht vergleichbar.
Der Antragsteller beantragt,
dem Antragsgegner - bei Meidung eines Zwangsgeldes in Höhe bis zu 50.000,00 DM, ersatzweise Zwangshaft des Präsidenten des Antragsgegners, ... für jeden Fall der Zuwiderhandlung - zu gebieten, den Antragsteller an dem vom Antragsgegner organisierten und durchgeführten Trainingsbetrieb der Lizenzspielermannschaft der 2. Fußball-Bundesliga unter Leitung qualifizierter Fachkräfte teilnehmen zu lassen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag auf Erlaß der einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
Er behauptet, das angeordnete Sondertraining diene der Wiederherstellung der erforderlichen Leistungs- und Einsatzfähigkeit des Antragstellers. Es sei Teil des zu gewährenden Trainings, für dessen Durchführung in erster Linie der Cheftrainer verantwortlich sei. Zudem werde das Training regelmäßig in verschiedenen Gruppen betrieben, je nach persönlichem Leistungsstand - sei dies verletzungsbedingt oder auch aufgrund konditioneller Probleme.
Wegen des Vorbringens im übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Inhalt der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
Gründe
Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung ist unbegründet, denn der Antragsgegner erfüllt seine vertraglichen Verpflichtungen. Auch die Anordnung der Teilnahme an einem Sondertraining ohne die ständige Teilnahme an einem Training mit der gesamten Mannschaft entspricht einem geordneten Trainingsbetrieb im Sinne des § 4 a des Arbeitsvertrages. Ein darüber hinausgehender Anspruch, ständig mit der gesamten Spielermannschaft zu trainieren, steht dem Antragsteller nicht zu.
Das Begehren des Antragstellers ist - wie sich aus dem Zusammenhang von Antrag und Antragsbegründung ergibt - darauf gerichtet, den Antragsgegner zu verpflichten, den Antragsteller gemeinsam mit allen Lizenzspielern des beklagten Vereins, d. h. im Rahmen des Mannschaftstrainings trainieren zu lassen. Der Antragsteller macht mithin die Nicht- bzw. Schlechterfüllung der arbeitsvertraglichen Pflichten des Antragsgegners geltend. Ein derartiger Erfüllungsmangel, für den der Antragstellers darlegungs- und beweispflichtig ist, ist indes auch nach dem Vorbringen des Antragstellers nicht ersichtlich.
Nach § 4 a des Arbeitsvertrages ist der Antragsgegner u. a. verpflichtet, einen "geordneten Spiel- und Trainingsbetrieb unter der Leitung von qualifizierten Fachkräften zu garantieren". Im vorliegenden Fall ist der Anspruch des Klägers auf geordneten Trainingsbetrieb erfüllt.
Der vertraglichen Regelung ist nicht zu entnehmen, daß allein ein Training mit der gesamten Mannschaft der Lizenzspieler einen geordneten Trainingsbetrieb und damit ordnungsgemäße Vertragserfüllung darstellt.
Zwar hat das Training von fünf Lizenzspielern untereinander einen anderen Inhalt und andere Schwerpunkte, als das Training beispielsweise einer 11-köpfigen Fußballmannschaft, die ggf. taktische Spielzüge einübt.
Dem steht jedoch nicht entgegen, wenn seitens des Antragsgegners, hier durch den verantwortlichen Cheftrainer des beklagten Vereins, Lizenzspieler aus der Gemeinschaft herausgenommen werden, um ihre speziellen Schwächen aufzuarbeiten. Vielmehr ist im Rahmen der vertraglichen Beziehungen unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände ein konzentriertes Einzeltraining oder - wie vorliegend - ein Training mit vier Berufskollegen allein zur Leistungssteigerung und -maximierung als Erfüllung der arbeitsvertraglichen Pflichten anzusehen.
Dem Arbeitgeber muß grundsätzlich die Möglichkeit gegeben sein, das Training zu organisieren, insbesondere die Trainingszeiten und -methoden festzulegen. Es liegt im Ermessen des Cheftrainers, alle von ihm für notwendig erachteten Maßnahmen - wie hier in Form eines Sondertrainings zur Wiederherstellung der von einem Berufssportler zu erwartenden Leistungsfähigkeit, Kondition oder Motivation - durchzuführen. Auch dies gehört zu einem geordneten Trainingsbetrieb im Sinne des Arbeitsvertrages, wobei gerade im Rahmen eines Mannschaftssports wie dem des Fußballs nicht nur physische, sondern durchaus auch psychologische Aspekte zum Tragen kommen können.
Dem entspricht zudem die in § 2 a des Arbeitsvertrages festgehaltene Verpflichtung des jeweiligen Spielers, gerade auch am Training - sei es allgemein vorgesehen oder sei es besonders angeordnet - teilzunehmen, und, wie § 6 Abs. 2 des Vertrages vorsieht, den Weisungen, insbesondere des Trainers, vor allem auch hinsichtlich seiner Teilnahme am Training, zuverlässig und genau Folge zu leisten.
Die relativ strenge Bindung an Entscheidungen des Trainers ist nach Auffassung der Kammer - gerade weil es sich um einen Mannschaftssport handelt - unerläßlich, um die Funktionsfähigkeit und schließlich den Erfolg des Teams zu gewährleisten. Wenn es hieran fehlt, sind Einzelmaßnahmen im Rahmen des Trainings zur Erreichung des oben genannten Zieles ein billigenswertes und vom Direktionsrecht gedecktes Anliegen des Arbeitgebers.
Eine mißbräuchliche Handhabung dieser arbeitgeberseitigen Befugnisse mochte die Kammer vorliegend nicht zu erkennen. Es ist auch nicht ersichtlich, daß der Trainer von dem ihm zustehenden Ermessen bei der Festlegung der Trainingsmethoden unsachgemäß bzw. willkürlich Gebrauch gemacht hat.
Insbesondere ist der vorliegende Sachverhalt mit dem der seitens des Antragstellers herangezogenen Entscheidung des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 25.02.1992 nicht vergleichbar. In dem dortigen Verfahren wurde zum einen ein Lizenz-Fußballspieler zunächst gänzlich vom Spielbetrieb und Training suspendiert und erhielt sodann "... einige Trainingsmöglichkeiten mit der Amateurmannschaft...". Der Antragsteller des vorliegenden Verfahrens unterliegt hingegen weiterhin einem regelmäßigen Training mit insoweit gleichgeordneten Berufsfußballern, wenn auch zur Zeit in einem zahlenmäßig abgegrenzten Rahmen.
Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, daß das Training der Lizenzspielermannschaft unstreitig auch bisher in unterschiedlich starken Gruppen, nicht etwa ausschließlich im Verband von jeweils 11 Spielern, stattgefunden hat. Auch die Größe der Gruppenbildung ist ein vom Trainingsziel und damit der diesem zugrundeliegenden Einschätzung und dem Ermessen des Trainers überlassen.
Der Antragsteller wird auch entsprechend der arbeitsvertraglichen Verpflichtung des Antragsgegners unter Leitung qualifizierter Fachkräfte trainiert. Er hat nicht dargetan, daß bzw. inwieweit es diesbezüglich etwa dem Co-Trainer oder dem Konditionstrainer auf seinem jeweiligem Fachgebiet an Kompetenz fehle.
Nach alledem liegt eine den Erlaß der einstweiligen Verfügung rechtfertigende Nichterfüllung der arbeitsvertraglichen Verpflichtungen des Antragsgegners nicht vor.
Da der Antragsteller mithin vertragsgemäß beschäftigt wird, kommt es auf die im Rahmen der Entscheidung des Großen Senats des BAG vom 27.02.1985 (NJW 1985, Seite 2968 ff.) maßgebliche Interessenabwägung in dieser Form nicht an.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 46 Abs. 2 ArbGG in Verbindung mit 91 ZPO.
Der Streitwert war im Urteil gemäß den §§ 61 Abs. 1 ArbGG, 3, 4 ZPO festzusetzen. Dabei wurde der Beschäftigungsanspruch des Klägers in Höhe eines Bruttomonatsgehaltes bewertet.
Streitwertbeschluss:
Der Streitwert wird auf 5.000,00 DM festgesetzt.