Verwaltungsgericht Braunschweig
Beschl. v. 17.11.1999, Az.: 3 B 652/99
Vorläufige Übernahme der durch eine Unterbringung in einer Evangelischen Stiftung entstehenden Kosten; Kenntnis von der Bedürftigkeit des Hilfeempfängers als Beginn der Vier-Wochen-Frist; Zuständigkeitszweifel zu Lasten des Hilfeberechtigten
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 17.11.1999
- Aktenzeichen
- 3 B 652/99
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1999, 31987
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGBRAUN:1999:1117.3B652.99.0A
Rechtsgrundlage
- § 97 Abs. 2 S. 3 Alt. 1 BSHG
Fundstelle
- ZfF 2002, 85-88
Verfahrensgegenstand
Kosten für stationäre Unterbringung
In der Verwaltungsrechtssache
...
hat das Verwaltungsgericht Braunschweig - 3. Kammer -
am 17. November 1999
beschlossen:
Tenor:
Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin ab dem 01. November 1999 vorläufig Hilfe in besonderen Lebenslagen in gesetzlicher Höhe durch Übernahme der durch ihre Unterbringung in der Evangelischen Stiftung Neuerkerode entstehenden Kosten zu leisten.
Der Antragsgegner trägt die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der Kosten des Beigeladenen, die nicht für erstattungsfähig erklärt werden. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Der Antragstellerin wird Prozesskostenhilfe für den ersten Rechtszug unter Beiordnung von Rechtsanwalt Wollschlaeger aus Wolfenbüttel bewilligt.
Insoweit ergeht die Entscheidung gerichtskostenfrei. Außergerichtliche Kosten der Beteiligten werden nicht erstattet.
Gründe
Der Antrag ist zulässig und begründet.
Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen werden, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder aus anderen Gründen nötig erscheint (Regelungsanordnung). Da nach Sinn und Zweck des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens die vorläufige Regelung grundsätzlich die Entscheidung in der Hauptsache nicht vorwegnehmen darf, kann eine Verpflichtung zur Zahlung und Übernahme von Geldleistungen, wie sie im vorliegenden Fall begehrt wird, im einstweiligen Anordnungsverfahren in der Regel nur ausgesprochen werden, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen für einen entsprechenden Anspruch (Anordnungsanspruch) glaubhaft gemacht sind und weiterhin glaubhaft gemacht wird, dass die begehrte Hilfe aus existenzsichernden Gründen so dringend notwendig ist, dass der Anspruch mit gerichtlicher Hilfe sofort befriedigt werden muss und es deshalb nicht zumutbar ist, den Ausgang eines Hauptsacheverfahrens abzuwarten (Anordnungsgrund).
Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Die Antragstellerin hat einen Anspruch gegen den Antragsgegner auf vorläufige Übernahme der durch ihre Unterbringung in der Evangelischen Stiftung Neuerkerode entstehenden Kosten glaubhaft gemacht. Der Antragsgegner ist gemäß § 97 Abs. 2 Satz 3, 1. Alternative BSHG verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig Hilfe in besonderen Lebenslagen zu leisten. Nach dieser Vorschrift hat der Sozialhilfeträger, in dessen Bereich der Hilfeempfänger sich tatsächlich aufhält (§ 97 Abs. 1 Satz 1 BSHG), vorläufig für Hilfeleistungen in einer Anstalt, einem Heim oder einer gleichartigen Einrichtung einzutreten, wenn nicht spätestens innerhalb von vier Wochen feststeht, ob und wo der gewöhnliche Aufenthalt (§ 97 Abs. 2 S. 1 und 2 BSHG) begründet worden ist. So ist es hier.
Der Zeitraum von vier Wochen beginnt in dem Zeitpunkt, in dem der Sozialhilfeträger, in dessen Bereich der Hilfeempfänger sich tatsächlich aufhält, Kenntnis von der Bedürftigkeit des Hilfeempfängers erlangt (ebenso Schellhorn, Kommentar zum BSHG, 15. Aufl., § 97 Rz. 82). Danach begann der Zeitraum hier spätestens am 30. Juni 1999, als das Schreiben des Beigeladenen vom 28. Juni 1999 bei dem Antragsgegner - in dessen Zuständigkeitsbereich die Antragstellerin sich tatsächlich aufhält - einging. Diesem Schreiben war zu entnehmen, dass die Voraussetzungen der begehrten Hilfe für die seit dem Jahre 1955 aufgrund ihrer Behinderung stationär untergebrachte Antragstellerin erfüllt waren.
Die Kammer kann offen lassen, ob dieser Zeitpunkt unter Anwendung der Regelungen in § 5 Abs. 2 BSHG und § 16 Abs. 1 Sozialgesetzbuch 1. Buch (SGB I) vorverlagert und dem Antragsgegner im Hinblick auf die Besonderheiten des vorliegenden Falles eine geringere als die 4-Wochen-Frist eingeräumt werden muss. Die Frist ist gegenwärtig nämlich jedenfalls abgelaufen.
Während dieses Zeitraums stand auch nicht der gewöhnliche Aufenthalt der Antragstellerin fest. Daran hat sich bislang nichts geändert. Der gewöhnliche Aufenthalt steht erst dann fest, wenn Zweifel an der Zuständigkeit nicht mehr bestehen, weil sich ein Sozialhilfeträger unter Anerkennung seiner Zuständigkeit zu Leistungen bereit erklärt hat oder weil er hierzu rechtskräftig verpflichtet worden ist. Dies war im Zeitpunkt des Ablaufs der 4-Wochen-Frist jedenfalls noch nicht der Fall. Der Antragsgegner durfte daher nach Fristablauf die (vorläufige) Gewährung von Hilfe in besonderen Lebenslagen nicht unter Hinweis auf die seiner Auffassung nach fehlende Zuständigkeit gemäß § 97 Abs. 2 Satz 1 und 2 BSHG ablehnen. Dies ergibt sich aus Sinn und Zweck der Regelung in § 97 Abs. 2 Satz 3, 1. Alternative BSHG. Der Gesetzgeber wollte hierdurch sicherstellen, dass Zuständigkeitszweifel nicht zu Lasten des Hilfeberechtigten gehen; vielmehr soll dessen Bedarf durch vorläufige Leistungen gedeckt werden, ohne dass er zur Klärung der Zuständigkeitsfragen um einstweiligen Rechtsschutz bei Gericht nachsuchen muss. Nach der Konzeption des Gesetzgebers soll die Klärung der Zuständigkeitszweifel vorrangig dem Verfahren um den Erstattungsanspruch des gemäß § 97 Abs. 2 Satz 3 BSHG leistenden Sozialhilfeträgers vorbehalten bleiben (vgl. § 103 BSHG).
Die Vorleistung durfte der Antragsgegner jedenfalls auch nicht mit der Begründung ablehnen, ein gewöhnlicher Aufenthalt der Antragstellerin sei im Zeitpunkt des Beginns der Heimunterbringung nicht gegeben gewesen. Der Gesetzgeber hat den für den Ort des tatsächlichen Aufenthalts des Hilfeempfängers zuständigen Sozialhilfeträger ausdrücklich auch für den Fall zum vorläufigen Eintreten nach § 97 Abs. 2 Satz 3 BSHG verpflichtet, dass die Sozialhilfeträger über das "Ob" eines gewöhnlichen Aufenthalts des Hilfeempfängers streiten.
Dem Anspruch der Antragstellerin steht auch nicht entgegen, dass sie in dem Zeitpunkt, in dem die erst mit Gesetz vom 23. Juni 1993 (BGBl. I S. 944) in das BSHG eingefügte Regelung des § 97 Abs. 2 Satz 3 in Kraft trat, bereits in der Einrichtung untergebracht war. Auch auf solche "Altfälle" ist die Regelung anwendbar (ebenso LPK-BSHG, § 97 Rz. 40; Mergler/Zink, Kommentar zum BSHG, § 97 Rz. 34 a). Weder nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift noch aus deren Wortlaut ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber diese Fälle aus dem Anwendungsbereich ausnehmen wollte. Die Bestimmung nimmt vielmehr Bezug auf die Regelungen in § 97 Abs. 2 Satz 1 und 2 BSHG, in denen der Gesetzgeber durch Verwendung von Perfekt- und Imperfektformen ausdrücklich auch auf vergangene Zeiträume abstellt.
Der Anspruch nach § 97 Abs. 2 Satz 3 BSHG ist auch nicht im Hinblick auf andere Regelungen des Sozialgesetzbuchs ausgeschlossen. Insbesondere darf die Antragstellerin nicht auf den Anspruch aus § 43 Abs. 1 SGB I auf vorläufige Leistungen gegen den zuerst angegangenen Leistungsträger verwiesen werden. Ob die Antragstellerin einen dahin auszulegenden Antrag beim Beigeladenen überhaupt gestellt hat und ob dieser der zuerst angegangene Sozialhilfeträger war, kann die Kammer dabei offen lassen. Selbst wenn ein Anspruch nach dieser Vorschrift gegen den Beigeladenen bestünde, stünde dies dem Erlass der einstweiligen Anordnung gegen den Antragsgegner nicht entgegen. Da der Beigeladene Hilfeleistungen abgelehnt hat, durfte der Antragsgegner die Antragstellerin nicht auf die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes gegen den Beigeladenen verweisen (im Ergebnis ebenso Hessischer VGH, B. v. 15.02.1996 - 9 TG 3506/95 -, NDV-RD 1996, 130). Dies ergibt sich schon aus Sinn und Zweck des § 97 Abs. 2 Satz 3 BSHG, der bei Vorliegen der Voraussetzungen das sofortige Handeln des Sozialhilfeträgers am Ort des tatsächlichen Aufenthalts des Hilfebedürftigen ohne weitere Verweisung und Verzögerung verlangt.
Darüber hinaus dürfte der § 43 Abs. 1 SGB I in Fällen wie dem vorliegenden gar nicht anwendbar sein. Für den in dieser Vorschrift allgemein geregelten Fall des Zuständigkeitsstreits zwischen Sozialleistungsträgern trifft § 97 Abs. 2 Satz 3 BSHG eine abweichende, speziell auf die stationäre Hilfe abstellende Regelung, die die Anwendung des § 43 SGB I ausschließt (vgl. § 37 Satz 1 SGB I; ebenso VG Münster, B. v. 03.02.1997 - VL 1270/96 -, info also 1997, 86; Mergler/Zink, a.a.O., § 97 Rz. 32; LPK-BSHG, § 9 Rz. 27; Zeitler, NDV 1993, 289, 290; Schwabe, ZfF 1994, 269, 270; a.A. wohl OVG Hamburg, B. v. 20.06.1994 - Bs IV 122/94 -, FEVS 45, 189, 190 f.). Die Regelung in § 97 BSHG stellt den Hilfeberechtigten insofern besser, als ihm ein Anspruch auf vorläufige Leistungen zu einem früheren Zeitpunkt eingeräumt wird. Die Aufschubfrist von längstens vier Wochen bis zur Entstehung des Anspruchs auf vorläufige Leistungen beginnt bereits mit der bloßen Kenntniserlangung durch den gemäß § 97 Abs. 1 BSHG zuständigen Sozialhilfeträger, während der Anspruch auf vorläufige Leistungen nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB I erst entsteht, wenn diese bei dem Leistungsträger beantragt werden und danach die Frist von längstens vier Wochen abgelaufen ist. Im Übrigen steht die Gewährung vorläufiger Leistungen nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB I im Ermessen des Leistungsträgers, der auch in diesem Falle aber jedenfalls "angegangen", d.h. von dem Leistungsberechtigten mit dessen Begehren befasst worden sein muss (vgl. Hauck/Haines, Kommentar zum SGB I, § 43 Rz. 5).
Auch die Regelung des § 2 Abs. 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch 10. Buch (SGB X) steht dem Anspruch der Antragstellerin gegen den Antragsgegner nicht entgegen. Die Vorschrift bestimmt für den Fall des Wechsels der örtlichen Zuständigkeit, dass die bisher zuständige Behörde die Leistungen übergangsweise weiter erbringen muss, bis sie von der nunmehr zuständigen Behörde fortgesetzt werden. Zwischen dem Antragsgegner und dem Beigeladenen ist indes gerade umstritten, ob die örtliche Zuständigkeit gewechselt hat und wer nunmehr zuständig ist. Speziell für diesen Fall trifft § 97 Abs. 2 Satz 3, 1. Alternative BSHG eine abweichende Regelung, die jedenfalls auch die Anwendung des § 2 Abs. 3 Satz 1 SGB X gemäß § 37 Satz 1 SGB I ausschließt.
Auch der § 44 Abs. 1 BSHG enthält für den vorliegenden Fall keine speziellere, den Anspruch nach § 97 Abs. 2 Satz 3 BSHG verdrängende Regelung (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.09.1991, BVerwGE 89, 81, 83 [BVerwG 26.09.1991 - 5 C 14/87]; a.A. - für den Fall der Eingliederungshilfe - LPK-BSHG, § 97 Rz. 44). Die Vorschrift ist angesichts ihrer systematischen Stellung außerhalb der Regelungen über den örtlich zuständigen Sozialhilfeträger im Falle des Zuständigkeitsstreits zwischen Sozialhilfeträgern nicht anwendbar, sondern greift allein dann, wenn ungeklärt ist, ob der Sozialhilfeträger oder der Träger einer anderen Sozialleistung zur Hilfe verpflichtet ist.
Sind - wie hier - die Voraussetzungen des Anspruchs auf vorläufige Leistungen gemäß § 97 Abs. 2 Satz 3, 1. Alternative BSHG erfüllt, so hat das Verwaltungsgericht im Verfahren nach § 123 VwGO jedenfalls grundsätzlich nicht zu prüfen, ob die (endgültige) Zuständigkeit des Antragsgegners für das Hilfebegehren gemäß § 97 Abs. 2 Satz 1 und 2 BSHG gegeben ist. Könnte der gemäß § 97 Abs. 2 Satz 3 BSHG verpflichtete Sozialhilfeträger dagegen davon ausgehen, dass im verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren gleichwohl die endgültige Zuständigkeit geprüft und gegebenenfalls festgestellt wird, wäre die Effektivität des Anspruchs auf vorläufige Leistungen nicht ausreichend gewährleistet. Der Gesetzgeber wollte gerade, dass die notwendige Hilfe bis zur abschließenden Klärung der Zuständigkeitsfrage sichergestellt wird, ohne dass der Hilfeberechtigte sich hierfür um gerichtlichen Rechtsschutz bemühen muss.
Ob sich das Gericht auch dann auf die Prüfung des Anspruchs auf vorläufige Leistungen beschränken darf, wenn der gemäß § 97 Abs. 2 Satz 3 BSHG verpflichtete Sozialhilfeträger offensichtlich nicht auch endgültig zuständig ist, braucht die Kammer nicht zu entscheiden. Ein solcher Fall ist hier nämlich nicht gegeben. Nach gegenwärtigem Sachstand spricht im Gegenteil mehr für als gegen die Annahme des Beigeladenen, nicht er, sondern der Antragsgegner sei gemäß § 97 Abs. 2 Satz 2 BSHG endgültig zuständig.
Endgültig örtlich zuständig dürfte der Sozialhilfeträger sein, in dessen Bereich die Antragstellerin im Zeitpunkt ihrer Geburt ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Auf den gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitraum ihrer Unterbringung in der Pflegefamilie in Uslar dürfte nicht abzustellen sein, weil die Betreuung dort gemäß § 104 BSHG dem Aufenthalt in einer Einrichtung im Sinne des § 97 Abs. 2 Satz 2 BSHG gleichgestellt ist. Die Auffassung des Antragsgegners, § 104 BSHG regele nur die Kostenerstattung zwischen Sozialhilfeträgern und nicht deren Zuständigkeit, entspricht nicht der obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. Nds. OVG, B. v. 18.05.1995 - 12 M 7208/94 -, ZfF 1995, 160; Hessischer VGH, a.a.O., S. 131; s.a. Schellhorn, a.a.O., § 97 Rz. 74 und LPK-BSHG, § 97 Rz. 51 m.w.N.).
Die Antragstellerin wurde ausweislich des vorliegenden Auszuges aus dem Geburtsbuch des Standesamtes Braunschweig (Bl. 3 Beiakte) am 10. Juni 1939 im Landeskrankenhaus Braunschweig geboren. Nach dem jugendpsychiatrischen Gutachten vom 03. Mai 1955 war sie anschließend in einem Kinderheim und danach wieder in einem Krankenhaus in Braunschweig untergebracht. Aus den vorliegenden Unterlagen ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die stationären Unterbringungen der Antragstellerin bis zu ihrer Aufnahme in der Pflegefamilie durch wesentliche Zwischenaufenthalte außerhalb von Einrichtungen unterbrochen waren. Auch ihr ehemaliger Pflegevater hat im Rahmen seiner Vorsprache beim Beigeladenen im Mai 1982 erklärt, er habe die Antragstellerin im August 1940 in einem Krankenhaus in Braunschweig abgeholt. Bei dieser Sachlage dürfte die auch für Altfälle uneingeschränkt geltende Regelung des § 97 Abs. 2 Satz 2 BSHG zur Anwendung kommen (vgl. auch Schellhorn, a.a.O., § 97 Rz. 72, 75, 95). Danach ist auf den für die erste Einrichtung - also für die Unterbringung im Landeskrankenhaus Braunschweig - maßgeblichen gewöhnlichen Aufenthalt der Antragstellerin abzustellen. Da die Antragstellerin dort geboren wurde, bestimmt sich ihr gewöhnlicher Aufenthalt gemäß § 97 Abs. 2 Satz 4 BSHG nach dem der Mutter. Diese hielt sich in dem gemäß § 97 Abs. 2 Satz 1 BSHG maßgeblichen Zeitpunkt vor Aufnahme im Landeskrankenhaus nach der vorliegenden Meldekarte seit dem 01. Juni 1938 in Wolfenbüttel auf (vgl. auch Schellhorn, a.a.O., § 97 Rz. 77).
Selbst wenn sich letztlich die Vermutung des Antragsgegners bestätigen sollte, dass die Antragstellerin im maßgeblichen Zeitpunkt keinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, wäre der Antragsgegner nach dem dann zur Anwendung kommenden § 97 Abs. 1 BSHG endgültig zuständig (vgl. LPK-BSHG, § 97 Rz 43; Zeitler, a.a.O., S. 290).
Die Tatsache, dass der überörtliche Träger der Sozialhilfe im Zeitraum seiner sachlichen Zuständigkeit den Beigeladenen als örtlichen Sozialhilfeträger zur Aufgabenerfüllung herangezogen hat, steht dem Anspruch der Antragstellerin auf vorläufige Leistungen nicht entgegen und dürfte auch für die Bestimmung des nunmehr endgültig zuständigen örtlichen Trägers der Sozialhilfe ohne Bedeutung sein. Dies ergibt sich schon daraus, dass zum Zeitpunkt des Grundanerkenntnisses durch den überörtlichen Träger der zuständige örtliche, zur Aufgabenerfüllung heranzuziehende Träger nach Maßstäben zu bestimmen war, die mit den nunmehr in den §§ 97 und 104 BSHG normierten Regeln nicht vollständig übereinstimmen (vgl. § 3 der Heranziehungsverordnung-BSHG v. 15.12.1980 - GVBl. S. 493 -). Mangels einer entsprechenden Rechtsgrundlage sind die Beteiligten nach dem nunmehr erfolgten Wechsel der sachlichen Zuständigkeit auf den örtlichen Sozialhilfeträger auch nicht an die frühere Entscheidung des überörtlichen Trägers gebunden.
Die materiellen Voraussetzungen für die begehrte Hilfe in besonderen Lebenslagen gemäß den §§ 27 und 28 BSHG sind - wie auch zwischen den Beteiligten nicht umstritten ist - erfüllt.
Auch einen Anordnungsgrund hat die Antragstellerin glaubhaft gemacht. Da die Heimleitung angekündigt hat, von dem ihr durch den Heimvertrag für den Fall ausbleibender Zahlungen eingeräumten Kündigungsrecht Gebrauch zu machen, ist die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zur Abwendung drohender Obdachlosigkeit und damit zur Existenzsicherung notwendig.
Nach ständiger Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts und der Kammer ist der Sozialhilfeträger im Wege der einstweiligen Anordnung grundsätzlich nur zu Hilfeleistungen ab dem ersten Tag des Monats zu verpflichten, in dem die gerichtliche Entscheidung ergeht. Dass der Heimträger das Vertragsverhältnis wegen der in der Vergangenheit (seit dem 01. Juli 1999) aufgelaufenen Zahlungsrückstände auflösen wird, obwohl die Zahlungen für die Zukunft gesichert sind, ist nicht ersichtlich.
Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens ergibt sich aus der Anwendung der §§ 154 Abs. 1 und 188 Satz 2 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen konnte die Kammer aus Billigkeitsgründen nicht für erstattungsfähig erklären, weil er sich durch seinen Verzicht auf einen Sachantrag nicht am Kostenrisiko beteiligt hat (vgl. § 162 Abs. 3 VwGO).
Da der Eilantrag aus den dargelegten Gründen hinreichende Aussicht auf Erfolg geboten hat, war der Antragstellerin Prozesskostenhilfe zu bewilligen (vgl. § 11 4 ZPO i.V.m. § 166 VwGO). Die Kostenentscheidung beruht insoweit auf den §§ 188 Satz 2, 166 VwGO, 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO.
Schlingmann-Wendenburg
Dr. Baumgarten