Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 23.03.2015, Az.: 1 W 69/14

Voraussetzungen der Auswechselung einer Wertsicherungsklausel hinsichtlich des Erbbauzinses im Erbbaugrundbuch; Erfordernis der Zustimmung des nachrangig Berechtigten

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
23.03.2015
Aktenzeichen
1 W 69/14
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2015, 20949
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGBS:2015:0323.1W69.14.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BGH - 09.06.2016 - AZ: V ZB 61/15

Fundstellen

  • FGPrax 2015, 197-198
  • NJOZ 2015, 1596
  • ZfIR 2015, 777

Amtlicher Leitsatz

Soll im Erbbaugrundbuch eine Vormerkung, die einen schuldrechtlichen Anspruch auf regelmäßige Anpassung des Erbbauzinses sichert, an gleicher Rangstelle durch eine im Wesentlichen inhaltsgleiche dingliche Wertsicherungsklausel (sog. Gleitklausel) ausgewechselt werden, bedarf dies der Zustimmung der nachrangig Berechtigten. Die Sicherungsvormerkung kann nicht dafür verwendet werden, der Gleitklausel den Rang der Vormerkung einzuräumen.

Tenor:

Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1. wird die Zwischenverfügung des Amtsgerichts - Grundbuchamt - G. vom 07.04.2014 aufgehoben, soweit dem Beteiligten zu 1. aufgegeben wurde, die Löschung der Erbbauzinsreallasten in Abt. II Nr. 1, 6 und 7 und die Neueintragung einer Erbbauzinsreallast in Höhe von 7.439,38 € mit Wertsicherungsklausel herbeizuführen.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Beteiligte zu 1. trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Geschäftswert von 5.000,00 €.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Der Beteiligte zu 1. räumte der Beteiligten zu 2. mit Erbbauvertrag vom 24.09/04.10.1993 (Bl. 2 d. A.) das im Erbbaugrundbuch von G. Blatt X eingetragene Erbbaurecht ein. Die Beteiligten vereinbarten einen Erbbauzins von jährlich 10.527,00 DM (= 5.382,37 €), der in Abteilung II Nr. 1 des Grundbuchs als Reallast eingetragen wurde. Der Erbbauvertrag enthält außerdem eine schuldrechtliche Anpassungsklausel, der zufolge die Vertragsparteien grundsätzlich alle 5 Jahre eine Überprüfung des Erbbauzinses auf seine Angemessenheit und gegebenenfalls eine Änderung des Erbbauzinses verlangen können, wobei als Maßstab für die Angemessenheit der Preisindex für die Lebenshaltung von 4-Personen-Haushalten von Arbeitern und Angestellten mit mittlerem Einkommen vereinbart wurde. Zur Sicherung dieses Anspruches wurde in Abt. II Nr. 2 des Grundbuchs eine Sicherungsvormerkung eingetragen.

Das Erbbaurecht ist außerdem in Abt. II mit einem Vorkaufsrecht zugunsten des jeweiligen Eigentümers, zwei beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten und zwei Reallasten für Erbbauzinserhöhungen (834,26 € jährlich ab 01.10.2003 und 547,06 € ab 01.10.2008) und in Abt. III mit 2 Grundschulden belastet. Die Erbbauzinsreallasten (Abt. II Nr. 1, 6 und 7) und die Sicherungsvormerkung (Abt. II Nr. 2) sind gleichrangig und gehen dem Vorkaufsrecht (Abt. II Nr. 3), den beschränkten persönlichen Dienstbarkeiten (Abt. II Nr. 4 und 5) und den Grundschulden (Abt. III Nr. 1 und 3) im Rang vor.

Mit einem dritten Nachtragsvertrag vom 11.03/28.03.2014 (Bl. 94 d. A.) haben die Beteiligten eine Erhöhung des jährlich zu zahlenden Erbbauzinses um 675,69 € auf insgesamt 7.439,38 € ab 01.04.2014 vereinbart. Darüber hinaus haben sie in § 2 des Nachtragsvertrags eine Änderung der Wertsicherungsklausel vorgenommen: Danach soll mit dem Zeitpunkt der Änderung eine automatische Anpassung des gesamten Erbbauzinses von 7.439,38 € nach Ablauf von jeweils 5 Jahren erfolgen und für die Erhöhung bzw. die Ermäßigung des Erbbauzinses der Verbraucherpreisindex für Deutschland maßgebend sein. Die Beteiligten waren sich darüber hinaus einig, dass die in Abt. II Nr. 2 eingetragene Sicherungsvormerkung so geändert werde, dass sie künftig die Rangstelle für den automatisch geänderten Erbbauzins im Rang mit dem in Abt. II Nr. 1 eingetragenen Erbbauzins sichere.

Mit ihrem in § 3 des Nachtragsvertrags enthaltenen Eintragungsantrag begehrt der Beteiligte zu 1. zum einen die Eintragung eines weiteren Erbbauzinses in Höhe von jährlich 675,69 € als selbständige Reallast unter teilweiser Ausnutzung der in Abt. II Nr. 2 eingetragenen Vormerkung in gleichem Rang mit dem Erbbauzins und zum anderen die Änderung der Vormerkung entsprechend der vereinbarten Änderung der Wertsicherungsklausel (automatische Wertsicherung).

Das Grundbuchamt hat in der angefochtenen Zwischenverfügung vom 07.04.2014 (Bl. 104 d. A.) die Eintragung der Änderung der Wertsicherungsklausel von folgenden Voraussetzungen abhängig gemacht:

- die Löschung der Erbbauzinsreallasten Abt. II Nr. 1, 6 und 7,

- die Löschung der Vormerkung Abt. II Nr. 2,

- die Neueintragung einer Erbbauzinsreallast i. H. v. 7.439,38 € mit Wertsicherungsklausel an erster Rangstelle, ggf. ergänzt um den Zusatz nach § 9 Abs. 3 Nr. 1 ErbbauRG, in Abt. II,

- die Rangrücktrittserklärung des Beteiligten zu 1. bzgl. des in Abt. II Nr. 3 eingetragenen Vorkaufsrechts und Rangrücktrittserklärungen der Berechtigten zu Abt. II Nr. 4 und 5 (beschränkte persönliche Dienstbarkeiten) sowie der Gläubiger zu Abt. II Nr. 1 und 3 (Grundschulden).

In seiner hiergegen eingelegten Beschwerde vom 02.07.2014 vertritt der Beteiligte zu 1. die Auffassung, dass weder die bisherigen Erbbauzinsreallasten noch die Vormerkung zu löschen seien und eine neue Erbbauzinsreallast über den Gesamtbetrag eingetragen werden müsse; es bedürfe auch keiner Rangrücktrittserklärung der nachrangig Berechtigten. Wegen der Einzelheiten der Beschwerdebegründung wird auf den Schriftsatz vom 02.07.2014 (Bl. 111 ff. d. A.) Bezug genommen.

Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die gemäß § 71 Abs. 1, § 73 GBO zulässige Beschwerde ist begründet, soweit sich der Beteiligte zu 1. gegen die vom Grundbuchamt verlangte Löschung der bislang eingetragenen Erbbauzinsreallasten und Neueintragung einer Reallast in Höhe von 7.439,38 € wendet.

Eine Zusammenfassung der bisher eingetragenen Reallasten unter Einbeziehung der im dritten Nachtragsvertrag vereinbarten Erbbauzinserhöhung ist nicht erforderlich. Der Erhöhungsbetrag von 675,69 € jährlich kann, wie vom Beteiligten zu 1. beantragt - als weitere Reallast (Erbbauzinserhöhung) in Abt. II Nr. 8 des Erbbaugrundbuchs eingetragen werden. Dabei ist der neuen Reallast in teilweiser Umschreibung der Vormerkung Abt. II Nr. 2 der Rang vor den in Abt. II Nr. 3, 4, 5 und in Abt. III Nr. 1 und 3 eingetragenen Rechten und der Gleichrang mit den in Abt. II Nr. 1, 6 und 7 eingetragenen Reallasten einzuräumen.

Die von den Beteiligten vereinbarte neue Wertsicherungsklausel (Gleitklausel) bezieht sich zwar auf den Gesamtbetrag der Erbbauzinsreallasten in Höhe von 7.439,38 €. Die Vereinbarung ist vor dem Hintergrund des Eintragungsantrages aber dahingehen auszulegen, dass mit der Gleitklausel eine Anpassung der dann insgesamt 4 eingetragenen Reallasten sichergestellt werden soll. Dies kann grundbuchrechtlich in der Weise umgesetzt werden, dass zum einen bei der Eintragung der Gleitklausel auf die einzelnen Reallasten Bezug genommen und zum anderen in den Spalten 4 und 5 der Abt. II ein entsprechender Vermerk aufgenommen wird.

Die Beschwerde muss dagegen ohne Erfolg bleiben, soweit sich der Beteiligte zu 1. gegen die vom Grundbuchamt verlangte und nach Eintragung der neuen Erbbauzinsreallast vorzunehmende Löschung der Vormerkung Abt. II Nr. 2 und der Einreichung von Rangrücktrittserklärungen der nachrangig Berechtigten wendet.

Die Sicherungsvormerkung kann entgegen der Ansicht des Beteiligten zu 1. nicht dafür verwendet werden, der Gleitklausel den Rang der Vormerkung einzuräumen. Die Vormerkung diente bislang der dinglichen Sicherung des schuldrechtlich vereinbarten Anspruchs auf Anpassung des Erbbauzinses. Mit der Eintragung der Gleitklausel wird die Vormerkung gegenstandslos, da kein schuldrechtlicher Anpassungsanspruch mehr zu sichern ist (vgl. BayObLG, Beschluss vom 21.05.1996 - 2 Z BR 50/96 - Rpfleger 1996, 445, Rz. 13 nach juris). Die vom Beteiligten zu 1. dagegen angeführte Entscheidung des Bundesgerichtshof vom 03.05.2012 (BGHZ 193, 152) vermag seine Auffassung nicht zu stützen, da es in dieser Entscheidung um die Auswechselung des durch die Vormerkung gesicherten Anspruchs geht. Im vorliegenden Fall wird der schuldrechtliche Anspruch nicht ausgewechselt, sondern statt dessen eine dingliche Sicherung geschaffen, die zum Wegfall der Vormerkung führt.

Zutreffend ist das Grundbuchamt - dessen Zwischenverfügung und Nichtabhilfeentscheidung jegliche Begründung vermissen lassen - im Ergebnis davon ausgegangen, dass die gegenüber den bislang eingetragenen Reallasten und der Vormerkung nachrangig Berechtigten eine Rangrücktrittserklärung abgeben müssen, damit die Gleitklausel im selben Rang wie die Reallasten eingetragen werden kann. Die nachträgliche Vereinbarung einer dinglichen Wertsicherungsklausel bedarf nach §§ 877, 876 S. 1 BGB grundsätzlich der Zustimmung der Inhaber nachrangiger dinglicher Rechte am Erbbaurecht, weil es sich um eine Inhaltsänderung des Erbbauzinses handelt (vgl. BayObLG, aaO. und Beschluss vom 18.07.1996 - 2 Z BR 73/96 - Rpfleger 1996, 505, Rz. 15 nach juris; Ingenstau/Hustedt, Erbbaurechtsgesetz, 10. Auflage, § 9 Rz. 27, 49; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Auflage, Rz. 1811 a). Diese Zustimmung wäre nur dann entbehrlich, wenn durch die Änderung die Rechtsstellung der nachrangig Berechtigten nicht nachteilig berührt würde (Schöner/Stöber, aaO., Rz. 1802). Dabei kommt es nicht auf eine wirtschaftliche Beeinträchtigung, sondern allein darauf an, ob ein grundbuchmäßiges Recht rechtlich beeinträchtigt wird oder werden kann (BGHZ 91, 343, Rz. 7 nach juris). Dies ist bei der Vereinbarung und Eintragung einer Gleitklausel anstelle einer den bislang vereinbarten Anpassungsanspruchs sichernden Vormerkung der Fall. Für die in Konkurrenz zum Erbbauzinsberechtigten stehenden dinglich Berechtigten am Erbbaurecht macht es einen rechtlich bedeutsamen Unterschied, ob die Erhöhung des Erbbauzinses auf Verlangen des Grundstückseigentümers erfolgt und gesondert im Grundbuch einzutragen ist oder sich der grundbuchrechtlich gesicherte Erbbauzins in regelmäßigen Abständen automatisch nach Maßgabe eines vereinbarten Indikators ändert (vgl. BayObLG, Beschluss vom 18.07.1996, aaO., Rz. 13 nach juris). Ob die nachrangig Berechtigten - wie der Beteiligte zu 1. meint - schon bisher damit rechnen mussten, dass Erbbauzinserhöhungen erfolgen werden, die im Rang ihren Rechten stets vorgehen würden, spielt daher keine Rolle. Denn zumindest sind die rechtlichen Modalitäten der Erhöhung bei der dinglichen Gleitklausel andere als bei der durch eine Vormerkung gesicherten schuldrechtlichen Anpassungsvereinbarung (vgl. MünchKomm-BGB/Kohler, 6. Aufl., § 877 Rz. 2, 6 f.). Im Übrigen zeigen auch die intensiven Diskussionen in Rechtsprechung und Literatur vor den beiden Änderungen von § 9 Abs. 2 ErbbauRG durch das Sachenrechtsänderungsgesetz vom 21.09.1994 (BGBl. I, S. 2257, Art. 2) und des Euro-Einführungsgesetzes vom 09.06.1998 (BGBl. I, S. 1242, Art. 11a; ausführliche Darstellung bei Ingenstau/Hustedt, aaO., Rz. 39 ff.), mit der die Eintragung der dinglichen Gleitklausel zugelassen wurde, dass ein rechtlich erheblicher Unterschied zwischen der bislang zwischen den Beteiligten schuldrechtlich vereinbarten Anpassungsmöglichkeit mit dinglicher Sicherung durch eine Vormerkung und der nunmehr vereinbarten dinglichen Gleitklausel besteht. Dass dieser Unterschied auch praktische und wirtschaftlich relevante Auswirkungen haben kann, zeigt sich gerade am vorliegenden Fall: Die erste Überprüfung und Anpassung des von den Beteiligten ursprünglich vereinbarten Erbbauzinses aufgrund der schuldrechtlichen Anpassungsvereinbarung erfolgte nicht 5 Jahre, sondern erst rund 10 Jahre nach der Bestellung des Erbbaurechts.

Der Beteiligte zu 1. wird daher, wie vom Grundbuchamt aufgegeben, zunächst die Zustimmungserklärungen der nachrangig Berechtigten einholen müssen.

Zur abschließenden Klärung dieser Rechtsfrage, zu der bislang keine obergerichtliche Rechtsprechung vorliegt, lässt der Senat die Rechtsbeschwerde zu (§ 78 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 GBO).

Da die Beschwerde (teilweise) zurückgewiesen wurde, hat der Beteiligte zu 1. eine Gerichtsgebühr nach Nr. 14510 des Kostenverzeichnisses zum GNotKG zu zahlen. Um der teilweisen Begründetheit der Beschwerde Rechnung zu tragen, ist der Wert, nach welchem diese Gebühr zu berechnen ist, angemessen herabgesetzt worden. Dabei ist der Senat von einem Wert des Beschwerdeverfahrens von 10.000,00 € ausgegangen (Summe der Reallasten zuzüglich zu erwartende Erhöhungen aufgrund der Wertsicherungsklausel) und hat hiervon die Hälfte als Ausgangspunkt für die Gebührenberechnung zugrunde gelegt (vgl. Demharter, Grundbuchordnung, 29. Auflage, § 77 Rz. 34).