Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 09.03.2015, Az.: 2 VA 3/14

Verfahrenswert eines Antrags auf Akteneinsicht gem. § 299 Abs. 2 ZPO; Festsetzung des Verfahrenswerts und Kostenentscheidung bei Zurückweisung einzelner Akteneinsichtsanträge

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
09.03.2015
Aktenzeichen
2 VA 3/14
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2015, 13677
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGBS:2015:0309.2VA3.14.0A

Verfahrensgang

vorgehend
OLG Braunschweig - 26.11.2014

Amtlicher Leitsatz

1. Für die Festsetzung des Verfahrenswertes eines Verfahrens gemäß § 23 EGGVG über die Akteneinsicht gemäß § 299 Abs. 2 ZPO in ein Parallelverfahren ist auf das Interesse des Antragstellers an der beantragten Akteneinsicht abzustellen.

2.Dabei handelt es sich um eine vermögensrechtliche Angelegenheit im Sinne des § 36 Abs. 1 GNotKG, wenn der Antragsteller mit der beabsichtigten Akteneinsicht seine prozessualen Möglichkeiten in einem von ihm betriebenen Schadensersatzprozess verbessern will.

3. Wie bei Auskunftsklagen zur Vorbereitung von Zahlungsklagen ist der Verfahrenswert dabei mit einem Bruchteil des finanziellen Interesses des Antragstellers am Erfolg der Zahlungsklage zu bemessen. Dabei ist zu berücksichtigen, welche Bedeutung die durch Akteneinsicht zu ermittelnden Tatsachen für den Antragsteller in seinem Verfahren haben.

4.Wenn der Antragsteller Akteneinsicht in mehrere verschiedene Verfahren beantragt, handelt es sich bei der Entscheidung für jedes einzelne Verfahren um einen einzelnen Justizverwaltungsakt des Antragsgegners, auch wenn die Entscheidungen in einem Bescheid zusammengefasst worden sind. Soweit in dem Verfahren gemäß § 23 EGGVG die Anträge weiterverfolgt werden, handelt es um mehrere Anträge auf Erlass von Justizverwaltungsakten.

5. Wenn der Antragsteller hinsichtlich einzelner Akten im Verfahren gemäß § 23 EGGVG erfolgreich ist und wenn hinsichtlich einzelner Akten sein Antrag zurückgewiesen wird, ist hinsichtlich der Akten, hinsichtlich der der Antrag erfolglos ist, ein Wert der Zurückweisung festzusetzen, für den Gerichtskosten gemäß KV 15301 GNotKG anfallen.

Tenor:

Der Antrag der Antragstellerin, auf ihre Gegenvorstellung die Festsetzung des Geschäftswerts in dem Beschluss des Oberlandesgerichts vom 26.11.2014 aufzuheben oder abzuändern, wird zurückgewiesen.

Der Antrag der Antragstellerin, auf ihre Gegenvorstellung die Kostengrundentscheidung in dem Beschluss des Oberlandesgerichts vom 26.11.2014 aufzuheben, wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Mit Beschluss vom 26.11.2014 hat der Senat über den Antrag der Antragstellerin gemäß § 23 EGGVG entschieden, den Bescheid des Präsidenten des Landgerichts B vom 2. Juli 2014 aufzuheben und den Antragsgegner anzuweisen, den Antrag der Antragstellerin auf Akteneinsicht in die Verfahren beim Landgericht Braunschweig X O 2894/11, X O 1110/11, X O 401/13, X O 2433/12, X O 2077/11 und X O 3086/11 unter Beachtung der Auffassung des Senates neu zu bescheiden. Hinsichtlich des Verfahrens X O 3086/11 hat der Senat dem Antrag stattgegeben, während der Antrag hinsichtlich der übrigen Verfahren zurückgewiesen wurde. Der Antragstellerin wurden die Gerichtskosten des Verfahrens nach dem Wert der Zurückweisung auferlegt. Der Wert des Verfahrens wurde auf 21.263.450,00 € und der Wert der Zurückweisung auf 17.719.541,67 € festgesetzt. Mit Kostenrechnung vom 27.11.2014 wurde der Antragstellerin eine Gebühr gemäß KV 15301 GNotKG in Höhe von 62.036,00 € in Rechnung gestellt.

Mit Schriftsatz vom 12.12.2014 beantragt die Antragstellerin im Wege der Gegenvorstellung, hilfsweise im Wege der Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs,

1. den Beschluss des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 27. November 2014 aufzuheben, soweit er die Kostengrundentscheidung und die Festsetzung des Geschäftswerts betrifft;

2. den Kostenansatz der Kostenrechnung des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 26. November 2014 aufzuheben.

hilfsweise beantragt sie:

3. die Festsetzung des Geschäftswerts in dem Beschluss des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 26. November 2014 aufzuheben und unter Zugrundelegung eines Geschäftswerts nach § 36 Abs. 2 GNotKG in Höhe von 1.000.000 € neu zu bescheiden;

4. den Kostenansatz der Kostenrechnung des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 26. November 2014 aufzuheben und unter Berücksichtigung eines Geschäftswerts nach § 36 Abs. 2 GNotKG in Höhe von 1.000.000 € neu zu bescheiden.

Eine Gerichtsgebühr sei hier nicht entstanden, weil gemäß KV 15301 GNotKG eine Gebühr nur bei vollständigem Unterliegen der Antragstellerin anfalle. Hier liege ein Teilerfolg vor. Der Gebührentatbestand habe lediglich den Zweck, eine unbedachte oder übermäßige Inanspruchnahme der Justiz zu verhindern. Das Oberlandesgericht habe eine Entscheidung nur über einen Antrag getroffen, weil nur ein Bescheid des Antragsgegners angefochten worden sei. Außerdem sei es unbillig, wenn die Antragstellerin hinsichtlich des Akteneinsichtsgesuchs in die zwischenzeitlich an das Landgericht Hannover abgegebenen Akten des Verfahrens X O 2433/12 Kosten tragen müsse. Die Antragstellerin habe auf die Abgabe des Verfahrens keinen Einfluss.

Der Geschäftswert sei unzutreffend festgesetzt worden. Es handele sich nicht um eine vermögensrechtliche Angelegenheit gemäß § 36 I GNotKG, sondern um eine nichtvermögensrechtliche Angelegenheit gemäß § 36 II GNotKG mit einem Höchstwert von 1.000.000 €. Die Antragstellerin habe ihr Recht auf prozessuale Waffengleichheit für das von ihr betriebene Ausgangsverfahren X O 2068/12 vor dem Landgericht Braunschweig mit den Anträgen auf Akteneinsicht verfolgt.

Der Anspruch der Antragstellerin auf rechtliches Gehör sei verletzt, weil der Senat die Ablehnung des Antrages auf Akteneinsicht in 4 Verfahren damit begründet habe, dass die X Zivilkammer im Ausgangsverfahren von der ursprünglich angekündigten Vorgehensweise abgesehen habe und sich die Besetzung der X Zivilkammer grundlegend geändert habe. Neben der der Antragstellerin bekannten Tatsache, dass der Vorsitzende und Berichterstatter zwischenzeitlich in den Ruhestand getreten ist, habe der Senat auch den der Antragstellerin nicht bekannten Umstand berücksichtigt, dass auch der stellvertretende Vorsitzende durch Beförderung beim Landgericht ausgeschieden sei. Außerdem habe die Antragstellerin keine Gelegenheit gehabt, zur Festsetzung des Geschäftswertes Stellung zu nehmen. Es sei außerdem zu berücksichtigen, dass auch der Senat davon ausgehe, dass die Verfahrensweise der X Zivilkammer des Landgerichts "unüblich" gewesen sei.

Daneben hat die Antragstellerin mit einem gesonderten Schriftsatz vom 12.12.2014 Erinnerung gegen den Kostenansatz eingelegt.

Der Antragsgegner hatte Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Bezirksrevisorin beim Landgericht Braunschweig als Vertreterin der Staatskasse hat Stellung genommen. Bei teilweiser Zurückweisung des Antrages seien die Gebühren nach dem Wert des zurückgewiesenen Teils zu erheben. Daneben hat sie gegen die Berechnung der Gebührenhöhe Erinnerung gegen den Kostenansatz erhoben.

Über die beiderseitigen Erinnerungen gegen den Kostenansatz wird wegen der unterschiedlichen Senatsbesetzung durch Einzelrichterbeschluss gesondert entschieden.

II.

Gemäß § 79 II S. 1 Nr. 1 GNotKG kann der Senat die Festsetzung des Geschäftswertes von Amts wegen ändern, so dass die Festsetzung des Geschäftswertes und die Feststellung des Wertes der Zurückweisung auf die Gegenvorstellung der Antragstellerin zu überprüfen ist. Dies führt hier jedoch nicht zu einer Abänderung des Geschäftswertes oder des Wertes der Zurückweisung.

Für die Festsetzung des Verfahrenswertes ist auf das Interesse der Antragstellerin an der beantragten Akteneinsicht bezüglich der 6 Parallelverfahren abzustellen. Dabei handelt es sich um eine vermögensrechtliche Angelegenheit im Sinne des § 36 I GNotKG. Mit der beabsichtigten Akteneinsicht will die Antragstellerin ihre prozessualen Möglichkeiten in dem Ausgangsverfahren verbessern, in dem sie vor dem Landgericht Braunschweig die dortige Beklagte auf Schadensersatz in Höhe von 212.634.500 € in Anspruch nimmt. Ihr Interesse liegt daher darin, in diesem Ausgangsverfahren zu obsiegen, also einen vermögensrechtlichen Vorteil zu erzielen.

Wie bei Auskunftsklagen zur Vorbereitung von Zahlungsklagen sonst auch, ist der Verfahrenswert daher mit einem Bruchteil des finanziellen Interesses am Erfolg der Zahlungsklage zu bemessen. Dabei ist zu berücksichtigen, welche Bedeutung die durch Akteneinsicht zu ermittelnden Tatsachen für die Antragstellerin im Ausgangsverfahren haben. Da hier die Überprüfung von Sachvortrag der in den Parallelverfahren ebenfalls verklagten Beklagten zur prozessualen Waffengleichheit im Vordergrund des Interesses der Antragstellerin steht, hat der Senat hier anders als in anderen Verfahren insgesamt lediglich 10 % des Streitwertes des Ausgangsverfahrens zugrunde gelegt.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin Akteneinsicht in 6 verschiedene Verfahren beantragt hat. Jedes Gesuch ist unter Berücksichtigung der Interessen der unterschiedlichen Beteiligten der Verfahren gesondert nach § 299 II ZPO zu prüfen. Daher handelt es sich bei der Entscheidung für jedes einzelne Verfahren um einen einzelnen Justizverwaltungsakt des Antragsgegners. Lediglich zur Vereinfachung sind die Entscheidungen in einem Bescheid des Antragsgegners zusammengefasst worden. Mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 23 EGGVG hat die Antragstellerin ihre Anträge auf Erlass von 6 Justizverwaltungsakten weiterverfolgt, so dass der Beschluss des Senats vom 26.11.2014 die Entscheidung über 6 verschiedene Anträge enthält, auf die jeweils 1/6 von 10 % des Streitwertes des Ausgangsverfahrens entfällt. Pro Antrag sind daher lediglich 1,66 % des Streitwertes des Ausgangsverfahrens zugrunde gelegt worden.

Es kann hier dahin stehen, ob bei einem Teilerfolg eines Antrages gemäß § 23 EGGVG, der nur einen Justizverwaltungsakt betrifft, entsprechend der von der Antragstellerin vertretenen Ansicht keine Gebühr gemäß KV 15301 GNotKG oder entsprechend der von der Bezirksrevisorin vertretenen Ansicht eine Gebühr gemäß KV 15301 nach einem Teilgeschäftswert anfällt. Hier sind 6 zu erlassende Justizverwaltungsakte Gegenstand des Verfahrens, so dass die Antragstellerin hinsichtlich des auf 5 beantragte Verwaltungsakte entfallenden Geschäftswertes (Wert der Zurückweisung) Gerichtskosten gemäß KV 15301 GNotKG zu tragen hat, weil insofern der Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen worden ist. Hinsichtlich eines Akteneinsichtsantrages fallen dagegen keine Gebühren an.

Der Wert der Zurückweisung ist auch nicht deshalb zu reduzieren, weil hinsichtlich des Verfahrens X O 2433/12 der Antragsgegner schon deshalb nicht zur Gewährung der beantragten Akteneinsicht verpflichtet werden konnte, weil das Verfahren zwischenzeitlich als Kartellsache an das Landgericht H verwiesen worden ist und die Akte daher nicht mehr im Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners geführt wird. Die Antragstellerin ist auf diesen Umstand vor Erlass des Beschlusses vom 26.11.2014 hingewiesen worden. Sie hat von der Möglichkeit, zur Reduzierung der Kosten diesen Antrag für erledigt zu erklären, jedoch keinen Gebrauch gemacht, sondern den Antrag aufrechterhalten und eine rechtlich nicht mögliche Verweisung beantragt, so dass dieser Antrag zurückgewiesen wurde.

Es kommt entgegen der Ansicht der Antragstellerin auch nicht darauf an, dass ihre Anträge nicht missbräuchlich waren und möglicherweise durch die "unübliche" Verfahrensweise der X Zivilkammer herausgefordert worden sind. Die Gerichtsgebühren nach dem GNotKG haben entgegen der Ansicht der Antragstellerin nicht lediglich den Zweck, eine unbedachte oder übermäßige Inanspruchnahme der Justiz zu verhindern. Vielmehr fallen wie in anderen Verfahren auch je nach Ergebnis des Verfahrens für das Betreiben des Verfahrens nach den gesetzlichen Vorschriften Gebühren an, ohne dass damit eine Wertung über die Berechtigung der Inanspruchnahme der Justiz verbunden wäre. Hier handelt es sich um ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Landgerichtspräsidenten und nicht um ein Rechtsmittel gegen die Verfahrensweise der X Zivilkammer, so dass es entgegen der Ansicht der Antragstellerin auch nicht auf eine Bewertung der Verfahrensweise der X Zivilkammer ankommt.

Soweit die Antragstellerin geltend macht, ihr Anspruch auf rechtliches Gehör sei verletzt, weil der Senat neben anderen Umständen den der Antragstellerin nicht bekannten Umstand berücksichtigt hat, dass auch der stellvertretende Vorsitzende durch Beförderung beim Landgericht ausgeschieden ist, ist nicht ersichtlich, wie mit diesem Argument die beantragte Abänderung der Kostengrundentscheidung und die beantragte Abänderung des Geschäftswertes erreicht werden könnte. Im Übrigen hat die Antragstellerin nicht dargelegt, was sie vorgetragen hätte, wenn ihr der (die Entscheidung nicht tragende) Umstand, dass der damalige stellvertretende Vorsitzende der X Zivilkammer inzwischen zum Oberlandesgericht befördert worden ist, vor Erlass des Beschlusses vom 26.11.2014 bekannt gewesen wäre.

Da aus den dargelegten Gründen zur Bestimmung des Geschäftswertes und des Wertes der Zurückweisung sich auch ergibt, dass die Kostengrundentscheidung nicht zu beanstanden ist, kann es dahin stehen, ob diese auf eine Gegenvorstellung überhaupt abzuändern ist oder eine Verletzung rechtlichen Gehörs insofern vorliegt.