Sozialgericht Aurich
Urt. v. 19.09.2018, Az.: S 13 SO 31/17

Bewilligung von höheren Leistungen für die Bedarfe der Kosten der Heizung i.R.v. Leistungen der Grundsicherung im Alter

Bibliographie

Gericht
SG Aurich
Datum
19.09.2018
Aktenzeichen
S 13 SO 31/17
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2018, 51353
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
LSG Niedersachsen-Bremen - AZ: L 8 SO 251/18

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Frage, ob der Beklagte im Rahmen der Leistungen der Grundsicherung im Alter gemäß dem 4. Kapitel des 12. Buches des Sozialgesetzbuches - Sozialhilfe (SGB XII) den Klägern höhere Leistungen für die Bedarfe der Kosten der Heizung beziehungsweise Warmwasserbereitung zu bewilligen hat.

Der Kläger zu 1. ist am G. 1940 geboren und der Ehemann der Klägerin zu 2., geboren am H. 1944. Beide leben seit Januar 2012 gemeinsam im örtlichen Zuständigkeitsbereich des Beklagten in der Gemeinde I ... Sie stehen seit diesem Zeitpunkt im laufenden Bezug für Leistungen der Grundsicherung nach dem 4. Kapitel SGB XII bei der für den Beklagten handelnden Gemeinde. Die Kläger bewohnen in einem älteren Haus eine Erdgeschosswohnung mit einer Größe von nach ihrem Vorbringen ca. 80 Quadratmeter. Hierfür müssen sie eine Grundmiete von 390,00 Euro zuzüglich 90,00 Euro Nebenkostenabschlag an die Vermieter zahlen. Im streitigen Zeitraum des Jahres 2017 mussten die Kläger einen monatlichen Abschlag für die Belieferung mit Gas in Höhe von 132,00 Euro leisten. Dieses Gas wird genutzt für eine Gasheizungsanlage Vaillant—eco TEC exclusiv und einen Gasdurchlauferhitzer Vaillant atmo MAG.

Mit dem im Verfahren streitigen Bescheid vom 19.01.2017 änderte der Beklagte die Bewilligung der laufenden Leistungen für die Zeit von Januar bis November 2017 in Bezug auf die Heizkosten für den Zeitraum ab Juli 2017. Bis Juni 2017 waren als Bedarf zugrunde gelegt ein Betrag von 90,00 Euro zuzüglich 16,92 Euro für "zentrale Warmwasserversorgung". Ab dem August 2017 hingegen legte er insgesamt 96,00 Euro für die Heizkosten inklusive zentraler Warmwasserversorgung zugrunde. Im streitigen Bescheid wies der Beklagte auf die nach seiner Auffassung angemessenen Heizkosten ausdrücklich hin.

Den Widerspruch der Kläger vom 08.02.2017 wies der Beklagte mit streitigem Widerspruchsbescheid vom 10.04.2017 als unbegründet zurück. Ein Mehrbedarf für dezentrale Warmwassererzeugung im Sinne des SGB XII stehe den Klägern nicht zu, da die Kosten für die Bereitung von Warmwasser bereits in den bewilligten Leistungen für den Gasabschlag enthalten seien.

Die Kläger sind im gerichtlichen Verfahren der Auffassung, es handele sich bei ihnen um eine separate Warmwasserbereitungsanlage in Form des Gasdurchlauferhitzers. Es bestehe also eine dezentrale Warmwasserversorgung.

Die Kläger beantragen,

den Bescheid vom 19.01.2017 in Gestalt des

Widerspruchsbescheides vom 10.04.2017 sowie alle weiteren Änderungsbescheide in Bezug auf die Heizkosten abzuändern und Ihnen für August bis November 2017 Heizkosten in rechtmäßiger Höhe zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist auch im gerichtlichen Verfahren der Auffassung, den Klägern seien Heizkosten in rechtmäßiger Höhe bewilligt worden und beruft sich hierzu auf den sogenannten bundesweiten Heizkostenspiegel. Ein Mehrbedarf für die Kosten der Bereitung von Warmwasser stehe den Klägern nicht zu, da sie ihr Wasser mit dem Energieträger Gas erwärmten und daher im Rahmen der bewilligten Gasabschläge die Bedarfe in voller Höhe gedeckt würden.

Das Gericht hat im 19.09.2018 eine mündliche Verhandlung in der Angelegenheit durchgeführt, bezüglich des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung wird auf das in den Akten befindliche Protokoll Bezug genommen. Weiterer Gegenstand der Entscheidungsfindung waren die Gerichtsakten sowie die vom Beklagten überreichten Verwaltungsvorgänge.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid vom 19.01.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.04.2017 ist in Bezug auf die bewilligten Leistungen für die Bedarfe der Heizung nicht rechtswidrig ergangen und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten. Die Kläger können vom Beklagten keine weiteren Leistungen gemäß § 35 SGB XII oder § 30 SGB XII beanspruchen.

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der bewilligten Leistungen für die Bedarfe der Kosten der Unterkunft und Heizung für die Zeit ab August 2017 bis November 2017 streitig. In diesem Zusammenhang streiten die Beteiligten insbesondere um die zustehenden Leistungen für die Bedarfe der Bereitung von Warmwasser.

Die Höhe der mit dem streitigen Bescheid bewilligten Leistungen für die Bedarfe der Unterkunft und Heizung stellt sich als rechtmäßig dar. Die Kläger können nicht gemäß § 35 SGB XII vom Beklagten höhere Leistungen der Grundsicherung im Alter in Bezug auf die ab August 2017 zu bewilligenden Kosten der Heizung beanspruchen.

Nach inzwischen einhelliger Rechtsprechung erfordert die Übernahme eines vom Beklagten als angemessen angesehenen Teils der Bedarfe, also die Reduktion der Übernahme, eine sogenannte Kostensenkungsaufforderung. Mit dieser hat der Leistungsträger in einem Dialog mit den Leistungsempfängern Die Frage der zu übernehmenden Heizkosten zu treten. (vergleiche BSG, Urteil vom 12.06.2013 - B 14 AS 60/12 R zitiert nach juris). Hier findet sich die Darstellung des Beklagten im Verwaltungsverfahren im streitigen Bescheid. Die dort aufgeführten Aspekte stellen sich nach Bewertung des Gerichts in Anbetracht der individuellen Kenntnisse der Kläger als hinreichend und nachvollziehbar dar. Der Beklagte hat umfänglich dargelegt, auf welche Umstände er die Bewertung der Angemessenheit der Heizkostenbewilligung stützt und die Kläger haben ausweislich ihres Vorbringens in der mündlichen Verhandlung diese Hinweise nachvollzogen und überprüfen können.

Die Kläger können als angemessene Kosten für die Unterkunft in Form der Heizkosten keine höheren Leistungen als den ab August zugrunde gelegten Betrag von 96,00 Euro pro Monat beanspruchen. Dies beruht darauf, dass die Angemessenheit der Heizkosten indiziell nicht mehr gegeben ist, wenn ein Grenzwert, der sich aus dem sogenannten Bundesweiten Heizspiegel ergibt, überschritten ist. Bezüglich der Bewertung des Grenzwertes stellt das Bundessozialgericht den entgegenstehenden Argumenten zum Trotz ausdrücklich weiterhin auf diese Werte ab (BSG, Urteil vom 12.06.2013 a.a.O.; Nguyen in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 35 SGB XII, Rn. 183). Es ist daher eine Berechnung des Grenzwertes aus der abstrakt angemessenen Wohnfläche multipliziert mit den entsprechenden Werten der Spalte "zu hoch" für den maßgeblichen Energieträger des bundesweiten Heizspiegels vorzunehmen.

Abgestellt wird auf denjenigen Heizspiegel, der zum Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung veröffentlicht war, hier also der Heizspiegel 2016. Der entsprechende Wert für den Energieträger Gas für kleine Immobilien, wie sie von den Klägern bewohnt wird, beläuft sich auf 19,20 Euro, sodass sich multipliziert mit der für die zwei Kläger abstrakt angemessenen Fläche von 60,00 Quadratmetern ein Betrag von 1152,00 Euro ergibt, also im Monatsdurchschnitt 96,00 Euro. Dieser Betrag wird von den durch die Kläger zu leistenden Abschlägen von 132,00 Euro überschritten.

Bei dem oben genannten Betrag von 96,00 Euro, der sich aus der Anwendung des bundesweiten Heizspiegels errechnet, handelt es sich nach der vom Gericht ausdrücklich geteilten Auffassung mit der Grundsicherung betrauten Senat des BSG nicht um eine Quadratmeterhöchstgrenze im Sinne einer Angemessenheitsgrenze der zu übernehmenden Kosten für die Heizung. Die Überschreitung des Grenzwertes durch die tatsächlich zu leistenden Beträge hat zunächst zur Folge, das Leistungsempfänger Gründe dafür vorbringen müssten, dass ihre Aufwendungen eventuell im Einzelfall gleichwohl aus ausschließlich personenbedingten Gründen als Angemessen anzusetzen wären. Solche besonderen personenbedingten Gründe, beispielsweise aufgrund einer Rollstuhlpflichtigkeit oder Pflegebedürftigkeit eines Bewohners sind im Falle der Kläger jedoch nicht einschlägig.

In Ermangelung entsprechender personenbedingter Gründe hat die Überschreitung der Grenzwerte dabei nicht zur Folge, dass zwingend ein Wechsel der Wohnung in Erwägung gezogen werden müsste (BSG a.a.O.). Der Wohnungswechsel als Ultima Ratio der Kostensenkungsmaßnahmen wegen überhöhter Heizkosten kann nur dann rechtmäßig abverlangt werden, wenn in einer alternativ zu beziehenden Wohnung insgesamt keine höheren Kosten als bisher anfallen. Die im Rahmen der diesbezüglich notwendigen Vergleichsberechnung zu berücksichtigenden Kosten beziehen sich dabei auf Kaltmiete, Abschläge für feste Nebenkosten sowie die Heizkosten. Erst wenn mit einem Umzug das Ziel geringerer Gesamtkosten erreicht werden kann, ist das von Hilfebedürftigen abverlangte wirtschaftliche Verhalten erfüllt. Ein Wohnungswechsel der zwar zu niedrigeren Heizkosten aber nicht insgesamt niedrigeren Aufwendungen führt, ist unwirtschaftlich und kann nicht abverlangt werden. Die Kammer erachtet es im vorliegenden Fall nicht für notwendig, weitere Ermittlungen betreffs der Vergleichskosten auf dem maßgeblichen Wohnungsmarkt durchzuführen. Diese Bewertung ergibt sich daraus, dass in Anbetracht der den Klägern in der bewohnten Wohnung anfallenden sehr hohen Gesamtkosten von 480,00 Euro zuzüglich Gasabschlag es als sicher angenommen werden kann, dass auf dem maßgeblichen Wohnungsmarkt abstrakt eine insgesamt günstigere Wohnung angemietet werden könnte. Selbst der als oberste Angemessenheitsgrenze anzusetzende Wert der sogenannten Wohngeldtabelle des § 12 des Wohngeldgesetzes (WoGG) mit Erhöhung um 10 % beliefe sich im Falle der Kläger bei der maßgeblichen Mietstufe I auf den Betrag von 378,00 zuzüglich 10 prozentigen Sicherheitszuschlages, also 415,80 Euro. Dieser Betrag ist ebenfalls überschritten. So bedarf es keiner Erwägungen zur Frage der tatsächlich angemessenen Unterkunftskosten.

Von daher ist die Absenkung auf einen Wert von 96,00 Euro, der sich aus dem bundesweiten Heizspiegel ergibt, bei den Klägern jedenfalls möglich, da dieser Betrag den Höchstbetrag dessen darstellt, bei dem ein Einhalten der Angemessenheitsgrenze denkbar ist.

Den Klägern stehen entgegen ihrem Vorbringen und entgegen der früheren Entscheidungen des Beklagten ab August 2017 jedenfalls keine weiteren Leistungen gemäß § 30 Abs. 7 SGB XII für einen Mehrbedarf zur Warmwassererzeugung zu. Die Regelung des § 30 Abs. 7 SGB XII lautet: Für Leistungsberechtigte wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Unterkunft installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und denen deshalb keine Leistungen für Warmwasser nach § 35 Abs. 4 erbracht werden. [ ]

Die Voraussetzungen dieser gesetzlichen Regelungen sind nicht gegeben. Zwar trifft das Vorbringen der Kläger bezüglich des Bestehens einer dezentralen Warmwassererzeugung in ihrer Wohnung zu. Jedenfalls nach der gesetzlichen Definition handelt es bei der bei ihnen installierten Gasdurchlauferhitzeranlage Vaillant atmo MAG um ein in der Wohnung installiertes Gerät zur Bereitung von Warmwasser. Aber die zweite Tatbestandsvoraussetzung, dass keine Leistungen für Warmwasser nach § 35 Abs. 4 erbracht werden, liegt im Falle der Kläger nicht vor. Diese Bewertung beruht darauf, dass die Gasdurchlauferhitzeranlage ausweislich der technischen Spezifikationen und dem Vorbringen der Kläger den Energieträger Gas zur Erhitzung von Warmwasser verwendet. Es handelt sich nicht um eine mit Haushaltsstrom betriebene Anlage. Von daher ist festzustellen, dass die oben errechneten rechtmäßig abgesenkten Leistungen für die Bereitstellung von Gas im Rahmen des Wertes von 96,00 Euro pro Monat die Kosten der Bereitung von Warmwasser mit Gas als Energieträger umfassen. Der Grenzwert nach dem bundesweiten Heizspiegel in Höhe von 19,20 Euro pro Quadratmeter umfasst ausweislich des Inhaltes des bundesweiten Heizspiegel auch die Kosten für die Bereitung von Warmwasser. So findet sich auf Seite 4 des Heizspiegels 2016 der Hinweis, dass bei dezentraler Warmwasserbereitung durch elektrische Geräte 1,75 Euro pro Quadratmeter von der Angemessenheitsgrenze abzuziehen wären. Hieraus ist nur der Rückschluss möglich, dass der Grenzwert von 19,20 Euro pro Quadratmeter die Kosten für die Warmwasserbereitung mit Gas mitumfasst. Von daher stellt der vom Beklagten übernommenen Betrag von 96,00 Euro entsprechend obigen Erwägungen bereits den maximalen Betrag inklusive der Kosten für die Bereitung von Warmwasser mittels des Energieträgers Gas dar.

Das Gericht weist darauf hin, dass eine Mehrbedarfsgewährung gemäß § 30 Abs. 7 SGB XII im vorliegenden Falle eine doppelte Deckung des Bedarfes für die Energiekosten zur Bereitung von Warmwasser darstellte. Diese ist grundsicherungsrechtlich nicht angezeigt.

Konsequenterweise umfasst die gesetzliche Regelung des § 30 Abs. 7 SGB XII auch nur dann eine Mehrbedarfsgewährung wenn die Bereitstellung von Warmwasser unter Nutzung eines anderen Energieträgers als desjenigen erfolgt, der bereits im Rahmen der Kosten der Unterkunft und Heizung (§ 35 Abs. 4 SGB XII) den Bedarfen zugrunde gelegt ist. Der in der Wohnung der Kläger installierte Gasdurchlauferhitzer ist zwar eine dezentrale Anlage zur Bereitung von Warmwasser im Sinne der gesetzlichen Definition, aber bedarf keiner weiteren Energie in signifikantem Umfang neben der durch die Gasbelieferung bereitgestellten Energie.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes. Die Kläger sind mit ihrem Begehren nicht durchgedrungen und ein Abweichen von der Kostentragungspflicht nach Obsiegensgrundsätzen ist hier nicht angezeigt.

Die Berufung bedurfte der Zulassung, da der Wert des Beschwerdegegenstandes den maßgeblichen Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG nicht überschreitet. Ebenso wenig sind wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als 1 Jahr im Sinne des § 144 Abs. 1. S. 2 SGG in Streit. Die Berufung war jedoch zuzulassen gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist erkennbar, dem Gericht ist keine Entscheidung des zuständigen Berufungsgerichts oder des Bundessozialgerichtes bekannt., die zum einen bezüglich der Angemessenheitsgrenze betreffs zu übernehmender Heizkosten im Rahmen des SGB XII ergangen ist, und zum anderen das Verhältnis zwischen dezentraler Warmwassererzeugung und dem dafür genutzten Energieträger genau betrifft.