Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 11.10.1995, Az.: 2 A 2283/94
Gewährung einer einmaligen Beihilfe für die Beschaffung eines Fernsehgerätes; Deckung des Bedarfs an Beziehungen zur Umwelt und Teilnahme am kulturellen Leben; Maßstab der Ausstattungsdichte in den Bevölkerungsgruppen geringeren Einkommens; Zumutbarkeitsgrenze hinsichtlich Ansparen von Beträgen vom Regelsatz; Zuordnung eines Gebrauchsgegenstandes zu einer Bedarfsgruppe nach dessen typischen Gebrauchszweck; Ermessenseröffnung hinsichtlich Ausgestaltung des Beihilfeanspruchs
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 11.10.1995
- Aktenzeichen
- 2 A 2283/94
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1995, 17201
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGGOETT:1995:1011.2A2283.94.0A
Rechtsgrundlagen
- § 4 Abs. 2 BSHG
- § 11 Abs. 1 BSHG
- § 12 Abs. 1 BSHG
- § 21 Abs. 1a Nr. 6 BSHG
Verfahrensgegenstand
Hilfe zum Lebensunterhalt (Beschaffung eines Schwarz-Weiß-Fernsehgeräts)
Redaktioneller Leitsatz
Ein (gebrauchtes) Schwarz-Weiß-Fernsehgerät ist ein Gebrauchsgut von längerer Gebrauchsdauer und von höherem Anschaffungswert, das zum notwendigen Lebensunterhalt i.S.v. § 12 BSHG (Bundessozialhilfegesetz) gehört und für dessen Anschaffung eine einmalige Beihilfe zu gewähren ist.
Die 2. Kammer des Verwaltungsgerichts Göttingen hat
auf die mündliche Verhandlung vom 11. Oktober 1995
durch
den Richter am Verwaltungsgericht Lenz als Vorsitzenden,
die Richter am Verwaltungsgericht Rühling und Pardey sowie
die ehrenamtlichen Richter ... und ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides der Samtgemeinde ... vom 14. April 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 12. Juli 1994 verpflichtet, der Klägerin eine einmalige Beihilfe zur Beschaffung eines gebrauchten Schwarz-Weiß-Fernsehgerätes zu gewähren.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte; Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Berufung wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die am 30. Januar 1964 geborene Klägerin erhält seit Sommer 1993 von der Samtgemeinde ... die vorliegend namens und im Auftrag des Beklagten tätig wird, laufende Hilfe zum Lebensunterhalt. Sie lebt von ihrem Ehemann getrennt zusammen mit den gemeinsamen, 1981 und 1992 geborenen Kindern ... und ...
Mit Schriftsatz vom 27. Januar 1994 beantragte die Klägerin bei der Samtgemeinde ... ein Fernseh- bzw. Radiogerät, und gab zur Begründung an, ihr Ehemann habe jetzt auch u.a. den Fernseher und die Stereoanlage abgeholt. Bei einem Hausbesuch am 13. April 1994 stellten Mitarbeiter der Samtgemeinde fest, daß in der Wohnung der Klägerin eine Stereoanlage und ein Weckradio sowie ein Videorecorder vorhanden waren.
Durch Bescheid vom 14. April 1994 lehnte die Samtgemeinde ... den Antrag auf eine einmalige Beihilfe zur Beschaffung eines Fernseh- oder Radiogerätes mit der Begründung ab, ein sozialhilferechtlicher Bedarf bestehe nicht. Die Klägerin verfüge über funktionstüchtige Radiogeräte, mit denen sie ihre persönlichen Bedürfnisse in Gestalt der Pflege von Beziehungen zur Umwelt und der Teilnahme am kulturellen Leben menschenwürdig befriedigen könne. Für den Bezug einer Tageszeitung sei im monatlichen Sozialhilferegelsatz ein entsprechend anteiliger Betrag enthalten. Darüber hinaus bestünden Möglichkeiten durch Benutzung einer öffentlichen Leihbücherei, durch Besuche eines Filmtheaters und weiterer, unterhaltender Veranstaltungen. Entsprechende Beträge seien im Sozialhilferegelsatz enthalten.
Am 6. Mai 1994 legte die Klägerin gegen diesen Bescheid Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, zumindest ein Schwarz-Weiß-Fernsehgerät gehöre zum notwendigen Lebensunterhalt; dafür seien die allgemeinen Verhältnisse maßgebend. So sei zu berücksichtigen, daß mittlerweile im gesamten Bundesgebiet fast jeder Haushalt über ein Fernsehgerät verfüge; zudem bestehe deshalb auch nach Zivilprozeßrecht Pfändungsschutz. Diese Vorschrift regele, was dem Vollstreckungsschuldner als Minimum zur Führung eines menschenwürdigen Lebens verbleiben müsse.
Durch Widerspruchsbescheid vom 12. Juli 1994 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück und führte zur Begründung ergänzend aus, hinsichtlich des Fernsehgeräts sei höchstrichterlich entschieden, daß grundsätzlich dieses nicht zum notwendigen Lebensunterhalt gehöre. Die Informationsmöglichkeiten durch das Fernsehen seien nach wie vor als Annehmlichkeit anzusehen, die keine von der Menschenwürde her gebotene Notwendigkeit zum Besitz eines Fernsehgerätes zu begründen vermöge. Der Anspruch auf Teilnahme am kulturellen und sozialen Leben könne ohne weiteres auch dann befriedigt werden, wenn kein Fernsehgerät vorhanden sei, überdies seien Sozialhilfeempfänger nicht mit Nichthilfeempfängern wirtschaftlich vergleichbar gestellt. Ein Anspruch könne im Rahmen der Hilfe in besonderen Lebenslagen allenfalls dann bestehen, wenn sich der Hilfesuchende aus bestimmten Gründen von der Umwelt fernhalten müsse oder wegen Alters, Gebrechlichkeit oder Behinderung ständig an die Wohnung gebunden sei, so daß Kontaktaufnahmen zur Umwelt nicht mehr möglich seien. Dafür sei vorliegend nichts ersichtlich.
Die Klägerin hat am 29. Juli 1994 Klage erhoben. Sie vertieft ihr bisheriges Vorbringen und führt ergänzend aus, in der Rechtsprechung sei inzwischen anerkannt, daß der Wandel der allgemeinen Lebensverhältnisse dazu geführt habe, daß die Nutzung eines (ggf. auch gebraucht beschafften) Schwarz-Weiß-Fernsehgerätes als Minimalstandard gelte. Im übrigen sei inzwischen auch durch das Bundesverwaltungsgericht geklärt, daß ein gebrauchtes Schwarz-Weiß-Fernsehgerät zum notwendigen Lebensunterhalt zähle. Die Kosten für seine Beschaffung gehörten nicht zu den vom Regelsatz gedeckten Kosten. Ein solches Schwarz-Weiß-Fernsehgerät sei der Bedarfsgruppe Hausrat von nicht geringem Anschaffungswert zuzurechnen.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides der Samtgemeinde ... vom 14. April 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 12. Juli 1994 zu verpflichten, ihr eine einmalige Beihilfe zur Beschaffung eines gebrauchten Schwarz-Weiß-Fernsehgeräts zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er bezieht sich auf seine Ausführungen in dem Widerspruchsbescheid und vertieft diese; unter Modifizierung seiner Rechtsauffassung trägt er nunmehr vor, daß ein Fernsehgerät gesetzessystematisch in die Bedarfsgruppe der persönlichen Bedürfnisse des täglichen Lebens falle, was jedoch nicht dazu führe, daß zu seiner Beschaffung einmalige Beihilfen zu gewähren seien. Vielmehr sei ein solcher Bedarf aus den Regelsätzen zu decken. Es handele sich überdies bei einem Fernseher weder um ein Gebrauchsgut, noch sei ein gebrauchter Schwarz-Weiß-Fernseher von höherem Anschaffungswert. Ein solches Gerät unterfalle auch nicht der Bedarfsgruppe Hausrat. Gegebenenfalls müsse eben bei Ausgaben, die normalerweise in größeren zeitlichen Abständen anfielen, Geld aus dem Regelsatz zurückgelegt werden, um dann diese Ausgaben tätigen zu können.
Eine Nachfrage im einschlägigen Gebrauchtwarenhandel habe ergeben, daß bereits für ca. 50,00 DM ein gebrauchtes Schwarz-Weiß-Fernsehgerät zu erhalten sei. Das Diakonische Werk in Herzberg am Harz gebe im übrigen für den hilfsbedürftigen Personenkreis Alleinerziehender kostenlos Fernsehgeräte ab.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den Inhalt der Gerichtsakte im übrigen sowie die Verwaltungsvorgänge der Samtgemeinde ... und des Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Verpflichtungsklage ist begründet.
Die Klägerin hat gemäß §§ 11, 12, 21 Abs. 1 a Nr. 6 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) einen Anspruch auf Gewährung einer einmaligen Beihilfe für die Beschaffung eines gebrauchten Schwarz-Weiß-Fernsehgerätes. Die Vorschriften sind anzuwenden in der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms vom 23. Juni 1993 (BGBl. I, 944) - FKPG -, das am 27. Juni 1993 in Kraft getreten ist (Art. 43 Abs. 1 FKPG).
Streitbefangen und von der Kammer (lediglich) zu überprüfen ist vorliegend der Zeitraum von der Antragstellung (11. Februar 1994) bis zur Entscheidung über den Widerspruch am 12. Juli 1994 durch den Beklagten; für diesen Zeitraum gilt bereits die benannte Neuregelung.
Gemäß § 21 Abs. 1 a Nr. 6 BSHG werden einmalige Leistungen zur Beschaffung von Gebrauchsgütern von längerer Gebrauchsdauer und von höherem Anschaffungswert gewährt. Ein (gebrauchtes) Schwarz-Weiß-Fernsehgerät ist nach Auffassung der Kammer ein solches Gebrauchsgut, das zum notwendigen Lebensunterhalt i.S.v. § 12 BSHG gehört. Entgegen seiner früheren Rechtsprechung (BVerwG, Urteil vom 3. November 1988 - 5 C 69.85 -, FEVS 38, 89 ff.; Urteil vom 22. Mai 1975 - V C 43.74 -, BVerwGE 48, 237) ist das Bundesverwaltungsgericht inzwischen (vgl. Urteile vom 24. Februar 1994 - 5 C 34.91 -, NJW 1994, 2844 f., und vom 21. Juli 1994 - 5 C 52.92 -, NJW 1995, 272) auch ausdrücklich der Auffassung, daß ein Fernsehgerät hinsichtlich der mit seiner Anschaffung verfolgten Zwecke der Bedarfsgruppe der persönlichen Bedürfnisse des täglichen Lebens zuzuordnen ist, die nach § 12 Abs. 1 BSHG Bestandteil des notwendigen Lebensunterhalts sind. Zu diesen persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens gehören in vertretbarem Umfange auch Beziehungen zur Umwelt und eine Teilnahme am kulturellen Leben. Das Fernsehen ist ein akustisch-visuelles Mittel der Information und Kommunikation, Bildung und Unterhaltung, das dem einzelnen ermöglicht, seine Umwelt zu erfahren und am kulturellen Leben teilzuhaben. Dieser Auffassung ist in ständiger Rechtsprechung auch das Nds. Oberverwaltungsgericht (vgl. zuletzt Urteil vom 8. Februar 1995 - 4 L 5686/94 -, S. 4 f. des Abdrucks).
Damit hat das Bundesverwaltungsgericht seine frühere Rechtsprechung (vgl. Urteile vom 22. Mai 1975 und 3. November 1988, a.a.O.) modifiziert, wonach Sozialhilfeempfänger grundsätzlich ihre persönlichen Bedürfnisse in Gestalt der Pflege von Beziehungen zur Umwelt und der Teilnahme am kulturellen Leben im allgemeinen und in der Regel auch heute noch menschenwürdig mit etwa folgenden Mitteln der Kommunikation, Information und Unterhaltung erreichen können: Bezug einer Tageszeitung; Hören des Tonrundfunks; Benutzung einer öffentlichen Leihbücherei; gelegentliche Besuche eines Filmtheaters (Kino) und unterhaltender Veranstaltungen ernsteren oder leichteren Charakters. Jedenfalls seit Beginn der 90er Jahre dieses Jahrhunderts sind die Änderungen der medialen Verhältnisse im Vergleich zur Mitte der 70er Jahre (diese zieht das Bundesverwaltungsgericht auch 1988 noch heran) so gravierend, daß Sozialhilfeempfängern die Möglichkeit der Nutzung eines Fernsehgerätes mit minimaler Ausstattung (gebraucht, schwarz-weiß, kleinformatig) nicht verwehrt werden kann. Sowohl für Erwachsene als auch und gerade für Kinder sind Beziehungen zu ihrer Umwelt, d.h. insbesondere auch zu in etwa Gleichaltrigen, ohne die Möglichkeit der Nutzung eines Fernsehgerätes nicht mehr sinnvoll denkbar. Elektronische Medien haben einen großen Einfluß auf das tägliche Miteinander aller Menschen, so daß jeder, der sich mit Hilfe des Fernsehens nicht über aktuelle Ereignisse und Hintergründe bezogen auf die Region und die Welt insgesamt informieren sowie auch unterhalten (lassen) kann, von seinen Mitmenschen aufgrund seines Informationsdefizites isoliert und von einer Teilnahme an dem Leben in der Gemeinschaft ausgeschlossen ist. Die aufgezählten Möglichkeiten zur Befriedigung persönlicher Bedürfnisse reichen bei weitem nicht aus. Es geht über eine bloße Annehmlichkeit hinaus, sich beispielsweise über das Geschehen in Politik und Wirtschaft, im kulturellen und sportlichen Bereich zu unterrichten und zu unterhalten, denn wer heutzutage dazu nicht die Möglichkeit hat, dem wird eine wesentliche Voraussetzung dafür genommen, wieder in das Leben in der Gemeinschaft in der Form zurückzufinden, indem er sich vom Bezug von Sozialhilfemitteln freimacht.
Dem kann nach Auffassung der Kammer nicht mit dem Argument entgegnet werden, zunehmend mehr Personen (gerade höherer Bildungsschichten) verzichteten bewußt auf die Nutzung des Fernsehens, denn diese Personen haben in aller Regel die finanziellen und intellektuellen Möglichkeiten, Sich aus anderen, typischen Hilfeempfängern nicht zugänglichen Quellen zu informieren.
Wesentlicher Maßstab für die Bestimmung des notwendigen Lebensunterhalts ist die Ausstattungsdichte mit bestimmten Gütern in den Bevölkerungsgruppen geringeren Einkommens. Nur ausgehend hiervon kann auf die Notwendigkeit bestimmter Lebensgewohnheiten und Erfahrungen geschlossen werden. Bereits im Jahre 1991 verfügten nahezu alle - nämlich 97 % - Zwei-Personen-Haushalte von Renten- und Sozialhilfeempfängern über ein Farbfernsehgerät (vgl. Statistisches Jahrbuch 1992, 6.4). Jedenfalls eine Trendumkehrung vermag die Kammer nicht anzunehmen.
Der Bedarf für einen Schwarz-Weiß-Fernseher ist - entgegen der Auffassung des Beklagten - jedoch nicht durch die Regelsätze im Rahmen der laufenden Hilfe zum Lebensunterhalt für die Klägerin abgegolten, sondern vielmehr durch eine einmalige Beihilfe zu decken. Mit dem Nds. Oberverwaltungsgericht (Urteil vom 8. Februar 1995, a.a.O.) ist die Kammer der Auffassung, daß § 21 Abs. 1 a Nr. 6 BSHG (Beschaffung von Gebrauchsgütern von längerer Gebrauchsdauer und von höherem Anschaffungswert) eine hinreichende Grundlage für den Klaganspruch bildet. Nach dieser Norm werden einmalige Leistungen "insbesondere" für die dort im einzelnen aufgezählten sieben Fallgruppen gewährt. Diese 1993 eingefügte Vorschrift dient der Abgrenzung einmaliger Leistungen von laufender Hilfe zum Lebensunterhalt in Form etwa von Regelsatzzahlungen und Mehrbedarfszuschlägen. Die in § 21 Abs. 1 b BSHG vorgesehene Rechtsverordnung, durch die Näheres über den Inhalt, den Umfang, die Pauschalierung und die Gewährung der einmaligen Leistungen geregelt werden soll, ist bisher nicht erlassen. Unabhängig davon ergibt sich der Anspruch auf die einmalige Leistung, auch wenn die Rechtsverordnung noch nicht erlassen ist, aus dem Gesetz (§§ 11 ff. BSHG). Lediglich "insbesondere" werden einzelne Fallgruppen genannt, die dann durch eine Rechtsverordnung näher bestimmt werden sollen.
Ein (gebrauchtes) Schwarz-Weiß-Fernsehgerät ist auch ein Gebrauchsgut von längerer Gebrauchsdauer und von höherem Anschaffungswert. Dies gilt - entgegen der Auffassung des Beklagten - auch hinsichtlich des höheren Anschaffungswertes. Es ist allgemein bekannt, daß Schwarz-Weiß-Fernsehgeräte allenfalls noch für Camping, Kinder und Jugendliche interessant sind. Ein "Markt" für diese Gebrauchtgeräte besteht angesichts ihrer geringen Verbreitung nicht. Die Klägerin muß sich nicht entgegenhalten lassen, daß - wie der Beklagte vorträgt - für Hilfebedürftige in ... solche Geräte auch umsonst abgegeben werden, denn maßgeblich für die Einordnung in die genannte Fallgruppe sind nicht solche Einzelfälle, sondern die "übliche" Anschaffung solcher Gebrauchsgüter und deren Anschaffungswert.
Entsprechendes gilt hinsichtlich der pauschalen Behauptung des Beklagten, solche Fernseher würden häufig bereits zu Preisen von 50,00 DM angeboten. Diese Geräte haben in aller Regel ihren Leistungszenit weit überschritten, sind reparaturbedürftig und lediglich noch für Bastler interessant.
Überdies vermag die Kammer auch nicht zu erkennen, daß Hilfeempfänger von ihrem Regelsatz (auch noch) Beträge für die Anschaffung eines Fernsehgerätes - ggf. über Monate und Jahre hinweg - zurücklegen müssen, um sich dann ein solches Gerät kaufen zu können. Das Sparen für eine Kinokarte für ca. 12,00 DM mag insoweit noch angehen; das Ansparen von Beträgen bis zu 200,00 DM - wo die Kammer mit dem Nds. Oberverwaltungsgericht (a.a.O.) die obere Grenze zieht - hinaus überschreitet das Maß des Zumutbaren.
Entgegen der noch zur alten Rechtslage ergangenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist die Kammer mithin der Auffassung, daß der für die Anschaffung eines gebrauchten Schwarz-Weiß-Fernsehgerätes vertretbare Aufwand im Rahmen der Pflege der Beziehungen zur Umwelt und einer Teilnahme am kulturellen Leben nicht mit den Regelsätzen abgegolten ist. Indem das Bundesverwaltungsgericht (a.a.O.) ein Schwarz-Weiß-Fernsehgerät der Bedarfsgruppe der persönlichen Bedürfnisse des täglichen Lebens zuordnet, schafft es gleichzeitig die Argumentationsvoraussetzungen dafür, solche täglich anfallenden Bedürfnisse wie etwa die Nutzung des Fernsehers ("allgemeines Grundbedürfnis nach Information und Meinungsbildung zum Zeitgeschehen") dem täglichen Bedarf und damit den Regelsätzen zuzuordnen. Mit dieser Argumentation läßt sich nach Auffassung der Kammer allenfalls begründen, daß der bei der Benutzung eines Schwarz-Weiß-Fernsehgerätes anfallende Stromverbrauch sowie ggf. erforderlich werdende Reparaturen zu dem von den Regelsätzen gedeckten Bedarf gehören. Die (in aller Regel kostenintensive) Beschaffung eines Fernsehgerätes erfolgt gerade nicht jeden Tag neu. Entsprechendes gilt auch für die Beschaffung etwa eines Radios, Staubsaugers, Kühlschranks etc., für die einmalige Beihilfen gezahlt werden.
Ausdrücklich offengelassen hat das Bundesverwaltungsgericht in der zitierten Entscheidung, ob und wie weit sich diese Rechtslage hinsichtlich der Anschaffung eines Fernsehgerätes durch § 21 Abs. 1 a Nr. 6 BSHG geändert hat.
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Kammer mit dem Bundesverwaltungsgericht (vgl. Urteil vom 24. Februar 1994, a.a.O.) der Auffassung, daß das begehrte Fernsehgerät nicht als Hausrat i.S.v. § 12 Abs. 1 BSHG anzusehen ist. Das folgt aus der Systematik der Vorschrift, an der sich die begriffliche Zuordnung eines vom Hilfesuchenden begehrten Gebrauchsgegenstandes auszurichten hat. § 12 Abs. 1 Satz 1 BSHG teilt den notwendigen Lebensunterhalt in mehrere Bedarfsgruppen auf und beruht insoweit auf einer typisierenden Betrachtungsweise. Der Systematik der Vorschrift entspricht es, die Zuordnung eines Gebrauchsgegenstandes zu einer der dort genannten Bedarfsgruppen nach der Funktion zu beurteilen, die diesen Gegenstand üblicherweise prägt; maßgebend ist der typische Gebrauchszweck. Technische Geräte, die - wie das Fernsehgerät - dazu geeignet und bestimmt sind, Beziehungen zur Umwelt herzustellen und eine Teilnahme am kulturellen Leben zu ermöglichen, fallen daher gesetzessystematisch in die Bedarfsgruppe der persönlichen Bedürfnisse des täglichen Lebens. Fernsehgeräte werden zwar (auch) für einen "Haushalt" - eine Wohnung - angeschafft und stehen - wie Hausratsgegenstände - allen Haushaltsangehörigen zur Verfügung; anders als Hausrat i.S.v. § 12 Abs. 1 Satz 1 BSHG dienen sie jedoch nicht hauswirtschaftlichen Zwecken im Rahmen einer geordneten Haushaltsführung. Die auf das Familienrecht bezugnehmende Argumentation der Klägerin ist auf die speziellen Systematik des § 12 Abs. 1 BSHG nicht übertragbar.
Im übrigen steht es dem Beklagten frei, im Rahmen seines Ermessens gemäß § 4 Abs. 2 BSHG Form und Maß der Hilfeleistung so zu gestalten, daß der Klägerin einer dieser kostenlosen Fernseher durch den Beklagten vermittelt wird der auf andere Weise zukommt. Die Ausgestaltung des Anspruchs der Klägerin auf Gewährung einer Beihilfe (Sach- oder Geldleistung) steht mithin im Ermessen des Beklagten.
Zur Klarstellung fügt die Kammer hinzu, daß der Anspruch der Klägerin zumindest auf ein gebrauchtes Schwarz-Weiß-Fernsehgerät gerichtet ist. Es bleibt dem Beklagten unbenommen, ihr (z.B.) ein günstigeres Farbgerät zu beschaffen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Berufung, die gemäß § 131 Abs. 2 VwGO der Zulassung bedarf, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 1.000,00 DM nicht übersteigt und die Berufung nicht wiederkehrende oder Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft, wird nicht zugelassen, denn die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch weicht das Urteil von einer Entscheidung der in § 131 Abs. 3 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte ab. Grundsätzliche Bedeutung hat keine der in diesem Verfahren aufgeworfenen Fragen. Zum einen ist inzwischen in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, daß die Nutzung eines Fernsehgerätes zum notwendigen Lebensunterhalt im Rahmen der Bedürfnisse des täglichen Lebens gehört (vgl. BVerwG, Urteile vom 24. Februar 1994 und vom 21. Juli 1994, jeweils a.a.O., zu Beginn der Entscheidungsgründe). Zum anderen gehört bei natürlicher Betrachtungsweise ein gebrauchtes Schwarz-Weiß-Fernsehgerät ohne weiteres zu der in § 21 Abs. 1 a Nr. 6 BSHG genannten Gruppe der Gebrauchsgüter von längerer Gebrauchsdauer und höherem Anschaffungswert. Die Rechtsprechung der Kammer steht auch ausdrücklich im Einklang mit den bisher bekannten Entscheidungen des Nds. Oberverwaltungsgerichts (vgl. zuletzt Urteil vom 8. Februar 1995, a.a.O.) und weicht zudem nicht von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ab. Dieses hat sich - soweit ersichtlich - zum Anwendungsbereich von § 21 Abs. 1 a Nr. 6 BSHG noch nicht geäußert.
Rühling
Pardey