Arbeitsgericht Celle
Urt. v. 09.12.1999, Az.: 1 Ca 426/99

Urlaubsabgeltung und Überstundenvergütung aus einem beendeten Arbeitsverhältnis; Umwandlung eines nicht erfüllten Urlaubsanspruch in Abgeltungsanspruch; Darlegungslast bei nicht schriftlich fixiertem Arbeitsvertrag bezüglich des vereinbarten Arbeitsentgeltes

Bibliographie

Gericht
ArbG Celle
Datum
09.12.1999
Aktenzeichen
1 Ca 426/99
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1999, 16081
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:ARBGCE:1999:1209.1CA426.99.0A

Verfahrensgegenstand

Forderung

In dem Rechtsstreit
hat das Arbeitsgericht in Celle
auf die mündliche Verhandlung vom 09. Dezember 1999
durch
den Richter am Arbeitsgericht ... als Vorsitzenden und
die ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 653,57 DM brutto nebst 4 % Zinsen auf den sich ergebenden Nettobetrag ab Rechtshängigkeit. 13.07.1999, zu zahlen.

    Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

  2. 2.

    Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 5/6 und der Beklagte 1/6.

  3. 3.

    Der Streitwert wird auf 3.750,51 DM festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um Urlaubsabgeltung und Überstundenvergütung aus einem beendeten Arbeitsverhältnis.

2

Der am 09.01.1973 geborene Kläger, verheiratet, zwei Kinder, schloss seine Ausbildung zum Bäcker im Jahre 1993 mit der Gesellenprüfung erfolgreich ab. Im Anschluss daran arbeitete er bis zum Beginn des 12-monatigen Grundwehrdienstes etwa ein viertel Jahr als Bäcker, auch nach der Beendigung des Wehrdienstes ging er weiter seinem Beruf als Bäcker nach. Im März 1999 - der Kläger war seinerzeit als Bäckergeselle mit einer Festvergütung von 3.100,00 DM brutto bei dem Bäckermeister beschäftigt - kamen die Parteien überein, dass der Kläger am 01.05.1999 seine Tätigkeit im ... des Beklagten aufnehmen sollte. Dabei ist zwischen den Parteien im Streit, ob der Kläger während einer dreimonatigen Probezeit ein Festgehalt von 3.100,00 DM brutto und erst danach von 3.400,00 DM brutto - so der Beklagte - oder sogleich ein Festgehalt von 3.400,00 DM brutto - so der Kläger - erhalten sollte. Einen schriftlichen Arbeitsvertrag gibt es nicht.

3

Der Kläger war für den Beklagten bis zum 30.06.1999 tatsächlich tätig. Er beendete das Arbeitsverhältnis tags darauf ohne Einhaltung einer Frist, am selben Tage war er bereits für einen neuen Arbeitgeber tätig.

4

Mit der am 07.07.1999 erhobenen Klage macht der Kläger die Abgeltung des anteiligen Erholungsurlaubs in Höhe von 653,57 DM brutto sowie die Vergütung für 154 Überstunden in Höhe von 3.096,94 DM brutto geltend. Er führt zur Begründung aus, bereits beim ersten Gespräch mit dem Beklagten am 23.03.1999 sei im Beisein seiner Ehefrau eine monatliche Vergütung von 3.400,00 DM brutto vereinbart worden; er habe zunächst einen Betrag von 3.600,00 DM brutto gefordert, auf Wunsch des Beklagten habe man sich dann auf ein monatliches Festgehalt von 3.400,00 DM brutto verständigt. Nachdem ihm - wie insoweit außer Streit - kein Urlaub gewährt worden sei, habe er Anspruch auf Abgeltung des anteiligen Erholungsurlaubs in Höhe von 653,57 DM (5 Tage à 6,5 Std. à 20,11 DM brutto). Im Übrigen habe er regelmäßig über die arbeitsvertraglich vereinbarte Zeit hinaus gearbeitet und 154 vergütungspflichtige Überstunden geleistet. Er habe die Arbeit vereinbarungsgemäß um 2.00 Uhr (montags bis freitags) bzw. um 23.00 Uhr (freitags/samstags) aufnehmen müssen, entsprechend sei dann auch mit Ausnahme der Tage, an denen er bereits früher zu arbeiten begonnen habe, verfahren worden; nach Abzug der arbeitstäglichen Arbeitszeit von 6,5 Stunden - auf die Darstellung im Schriftsatz vom 23.08.1999 wird insoweit zwecks Vermeidung von Wiederholungen verwiesen (Bl. 17 f. d. A.) - ergäbe sich eine Mehrarbeit von 154 Stunden. Der Beklagte habe die Überstunden teils ausdrücklich angeordnet, teils auch schlicht darauf hingewiesen, dass bestimmte Arbeiten noch zu leisten seien. Dass er - der Kläger - regelmäßig über die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinaus habe arbeiten müssen, könnten die Verkäuferinnen und auch die bei dem Beklagte beschäftigte Reinigungskraft bezeugen.

5

Der Kläger beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 3.750,51 DM brutto nebst 4 % Zinsen auf den sich ergebenden Nettobetrag ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

6

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

7

Der Beklagte macht geltend, mit dem Kläger sei zu Beginn des Arbeitsverhältnisses im Beisein seiner Ehefrau eine Vergütung von monatlich 3.100,00 DM brutto, welche erst nach Ablauf einer dreimonatigen Probezeit habe auf 3.400,00 DM brutto erhöht werden sollen, vereinbart worden. Da er "einfach so" gekündigt und dadurch die Voraussetzungen für die begehrte Urlaubsabgeltung geschaffen habe, sei ein diesbezüglicher Anspruch verwirkt.

8

Im übrigen stehe dem Kläger auch ein Anspruch auf Zahlung von Überstundenvergütung nicht zu. Der Kläger habe um 3.00 Uhr (montags bis freitags) bzw. um 24.00 Uhr (freitags/samstags) zu arbeiten begonnen und keine Überstunden zu leisten brauchen; Überstunden seien weder angeordnet noch geduldet worden. Die Ausführungen des Klägers zu den tatsächlichen Voraussetzungen für die von ihm behaupteten Überstunden seien nicht hinreichend substantiiert; ganz ähnlich seien die Beweisangebote des Klägers mangels Spezifizierung ungeeignet.

9

Wegen der Einzelheiten wird auf das Vorbringen der Parteien in ihren in diesem Verfahren gewechselten Schriftsätzen nebst Anlagen und auf die Sitzungsniederschriften verwiesen.

Gründe

10

Die (zulässige) Klage ist begründet, soweit der Kläger die Zahlung von Urlaubsabgeltung in Höhe von 653,57 DM brutto nebst Zinsen begehrt; im übrigen hat die Klage keinen Erfolg.

11

1.)

Die Forderung auf Abgeltung des nicht gewährten Teilurlaubs von (aufgerundet) 5 Tagen steht dem Kläger in der geltend gemachten Höhe von 653,57 DM brutto zu, § 7 Abs. 5 BUrlG.

12

Das Arbeitsverhältnis hat vom 01.05. bis zum 30.06.1999 bestanden und somit zwei Monate gedauert. Da die Parteien eine Urlaubsdauer von jährlich 28 Werktagen vereinbart haben, ergibt sich gem. § 5 Abs. 1 BUrlG ein Teilurlaub von 4,66 Tagen. Für den Fall, dass sich bei der Berechnung des gesetzlichen Teilurlaubs auf Grund des Zwölftelungsprinzips ein Teilurlaubstag von wenigstens einem halben Tag ergibt, enthält § 5 Abs. 2 BUrlG eine Aufrundungsregel. Vorliegend ergibt sich somit ein auf 5 Tage aufgerundeter, von dem Beklagten auch teilweise nicht erfüllter Urlaubsanspruch.

13

Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses wandelte sich der noch nicht erfüllte Urlaubsanspruch des Klägers in einen Abgeltungsanspruch um, ohne dass es weiterer Handlungen des Beklagten oder des Klägers bedurfte (BAG, 28.06.84, AP Nr. 18 zu § 7 BUrlG; 17.01.95, AP Nr. 66 zu § 7 BUrlG Abgeltung). Den Urlaubs- wie auch den diesen ersetzenden Urlaubsabgeltungsanspruch berührt es nicht, dass der Kläger das Arbeitsverhältnis zu dem Beklagten ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist beendet hat. Rechtlich bedeutsam ist allein, dass der Kläger bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses einen (nicht verwirktlichten) Anspruch auf Freistellung von der Arbeitspflicht hatte, welcher sich mit der Beendigung in den Abgeltungsanspruch umwandelte.

14

Der Urlaubsabgeltungsanspruch steht dem Kläger auch in der geltend gemachten Höhe von 653,57 DM brutto zu. Abzugelten ist das Urlaubsentgelt, das der Kläger bei Erfüllung seines noch bestehenden Urlaubsanspruchs (von 5 Tagen) in einem fortbestehenden Arbeitsverhältnis erhalten haben würde. Legt man die übliche Berechnungsformel für Urlaubsentgelt zu Grunde (Gesamtarbeitsverdienst der letzten 13 Wochen vor Urlaubsbeginn: 78 Werkarbeitstage = Urlaubsentgelt je Urlaubstag), so ergibt sich das folgende Rechenwerk: 3.400,00 DM × 3 : 78 = 130,77 DM brutto. Der Urlaubsabgeltungsbetrag beläuft sich somit für 5 Tage auf 653,85 DM und steht dem Kläger in der geltend gemachten Höhe von 653,57 DM brutto zu. Dass der Kläger insgesamt weniger als 13 Wochen bei dem Beklagten gearbeitet hat, wirkt sich auf das Urlaubsentgelt für jeden ihm individuell zustehenden Urlaubstag im Ergebnis nicht aus.

15

Zu Grunde zu legen war die von dem Kläger behauptete, von dem Beklagten bestrittene Bruttomonatsvergütung von 3.400,00 DM. Zwar verkennt die Kammer nicht, dass grundsätzlich die anspruchstellende Partei für die ihr günstigen Tatsachen darlegungs- und beweispflichtig ist, der Kläger somit bei Fehlen besonderer gesetzlicher Vorschriften uneingeschränkt zu beweisen hat, welche Bruttomonatsvergütung vereinbart war. Indessen besteht zu Gunsten des Klägers eine besondere gesetzliche Regelung. Gem. § 2 des Nachweisgesetzes (NachwG) hat der Arbeitgeber nämlich dem Arbeitnehmer spätestens einen Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich niederzulegen, die Niederschrift zu unterzeichnen und dem Arbeitnehmer auszuhändigen, wobei gem. § 2 Abs. 1 Ziff. 6 NachwG auch die Zusammensetzung und die Höhe des Arbeitsentgelts anzugeben sind. Einen solchen Nachweis hat der Beklagte nicht erteilt. Die Rechtsfolgen der Nichterteilung des Nachweises sind umstritten (vgl. instruktiv Preis, Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, Einf. NachwG, Rz. 14 ff., Rz. 20). Die Kammer folgt der insbesondere von Preis (ebd.) vertretenen Auffassung, wonach grundsätzlich von einer Erleichterung der Beweisführungslast unter dem Gesichtspunkt der Beweisvereitelung auszugehen ist und eine Beweislastumkehr endlich dann eintritt, wenn es unzumutbar ist, den Kläger mit der Beweisführung zu belasten; ein solcher Fall liegt bei einem unterlassenen Bestätigungsnachweis vor, da der Gesetzgeber dem Arbeitgeber die Dokumentationspflicht zwingend auferlegt hat (vgl. dazu auch ArbG Celle, 07.04.99 - 2 Ca 907/98 -, rk.).

16

Es geht zu seinen Lasten, dass der Beklagte seiner Pflicht zur formalen Dokumentation gem. § 2 NachwG nicht nachgekommen ist. Dies gilt im vorliegenden Fall jedenfalls auch deshalb, weil er zu seinen Gunsten eine erheblich untertarifliche Vergütung des Klägers als (für die Probezeit) vereinbart behauptet. Bereits nach dem mit dem 01.04.1995 in Kraft getretenen Lohn- und Gehaltstarifvertrag für das Bäckerhandwerk vom 22.03.1995 - der aktuelle Lohn- und Gehaltstarifvertrag liegt hier nicht vor - betrug der Stundenlohn für einen Bäcker (wie den Kläger) ab dem 4. Berufsjahr nach der Ausbildung 19,50 DM brutto; diese Vergütung dürfte sich seither um etwa 10 % erhöht haben. Der Stundenlohn des Klägers belief sich, ausgehend von der von ihm behaupteten Bruttomonatsvergütung, auf (3.100,00 DM: 169 Std. =) 18,34 DM. Für diese Abweichung von der üblichen, anders gesagt: tariflichen Vergütung zu Lasten des Arbeitnehmers ist der Arbeitgeber dann beweispflichtig, wenn er entgegen der Verpflichtung aus dem Nachweisgesetz die wesentlichen Vertragsbedingungen nicht schriftlich niedergelegt hat. Dem von ihm angebotenen Beweis, zur Höhe der von ihm behaupteten Bruttomonatsvergütung seine Ehefrau zu vernehmen, konnte die Kammer nicht nachgehen; denn es fehlt an substantiiertem Vorbringen des Beklagten dahin, wann, bei welcher Gelegenheit, an welchem Ort und mit welchen Worten eine solche Abrede getroffen worden wäre.

17

Dem Kläger stehen Zinsen in Höhe des gesetzlichen Zinsfußes von 4 % auf den aus dem Bruttobetrag von 653,57 DM sich ergebenden Nettobetrag ab Rechtshängigkeit zu, § 291 BGB.

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2.)

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Bezahlung von Überstundenvergütung in Höhe von 3.056,94 DM brutto gem. § 611 BGB i.V.m. dem Arbeitsvertrag.

19

Bei Streit um die Überstundenvergütung treffen den Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast. Der Arbeitnehmer, der im Prozess von seinem Arbeitgeber die Bezahlung von Überstunden fordert, muss beim Bestreiten der Überstunden im Einzelnen darlegen, an welchen Tagen und zu welchen Tageszeiten er über die übliche Arbeitszeit hinaus tätig geworden ist. Ferner muss er eindeutig vortragen, ob die Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet oder zur Erledigung der ihm obliegenden Arbeit notwendig oder vom Arbeitgeber gebilligt oder geduldet worden sind (BAG, 25.11.93, AP Nr. 4 zu § 14 KSchG 1969).

20

Zwar hat der Kläger im Schriftsatz vom 23.08.1999 eine Aufstellung übermittelt, welcher sich konkret die von ihm behaupteten Zeiten für Beginn und Ende der Arbeitszeit entnehmen lassen (Bl. 23 f. d. A.). Abgesehen davon, dass der Kläger Pausenzeiten nicht berücksichtigt hat: Er hat zwar behauptet, die Anordnung von Überstunden sei entweder ausdrücklich erfolgt oder aber den Umständen, unter denen die Arbeit zu leisten gewesen sei, zu entnehmen gewesen.

21

Jedoch fehlt es an jeder Spezifizierung, welche der behaupteten Überstunden auf ausdrückliche Anordnung - ggf. im Beisein des Beklagten - geleistet worden oder aber erforderlich gewesen sei, um das Arbeitsvolumen bewältigen zu können. Insoweit - darauf hat der Beklagte zutreffend hingewiesen - ist das Vorbringen des Klägers nicht hinreichend konkret. Doch hat er die Voraussetzungen für die begehrte Überstundenvergütung nicht nur nicht dargelegt, sondern überdies dafür auch keine geeigneten Beweisangebote unterbreitet. So ist nicht erkennbar - auch dies ist in der Kammerverhandlung erörtert worden -, welche der von ihm genannten Zeuginnen - hierbei handelt es sich im Wesentlichen um bei dem Beklagten tätige Verkäuferinnen - etwas zum genauen Zeitpunkt des (nächtlichen) Arbeitsbeginns und des Endes des Klägers sagen könnte. Schließlich ist bereits nach dem Vorbringen des Klägers völlig ungeklärt, zu welcher Anordnung oder Billigung von Überstunden durch den Beklagten die Zeuginnen aus welchen Gründen gehört werden könnten. Es fehlt an jedem konkreten Vorbringen dazu, dass die eine Zeugin etwas zur Dienstanordnung von Überstunden an dem einen und die andere Zeugin etwas zur Duldung von Überstunden an einem anderen Tage bekunden könnte. Eine Beweiserhebung liefe auf einem (unzulässigen) Ausforschungsbeweis hinaus.

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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 92 Abs. 1 ZPO.

23

Der Streitwert entspricht dem Nominalbetrag der Geldforderung, § 3 ZPO.

24

Gegen dieses Urteil kann Berufung eingelegt werden,

  1. 1)

    wenn es sich um eine nicht vermögensrechtliche Streitigkeit handelt,

    oder

  2. 2)

    wenn es sich um eine vermögensrechtliche Streitigkeit handelt und in diesem Fall entweder der Wert des Beschwerdegegenstandes 800,00 DM übersteigt oder das Arbeitsgericht die Berufung zugelassen hat.

Streitwertbeschluss:

Der Streitwert wird auf 3.750,51 DM festgesetzt.