Arbeitsgericht Celle
Urt. v. 26.05.1999, Az.: 2 Ca 168/99

Schadensersatz unter dem Gesichtspunkt der Arbeitsverweigerung; Selbstbeurlaubung; Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ; Tarifliche Ausschlussfrist

Bibliographie

Gericht
ArbG Celle
Datum
26.05.1999
Aktenzeichen
2 Ca 168/99
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1999, 15781
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:ARBGCE:1999:0526.2CA168.99.0A

Fundstelle

  • APR 2000, 93

Verfahrensgegenstand

Schadensersatz

In dem Rechtsstreit
hat das Arbeitsgericht in Celle
auf die mündliche Verhandlung vom 26.05.99
durch
den Richter am Arbeitsgericht ... als Vorsitzenden und
die ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.174,59 DM netto nebst 4 % Zinsen seit dem 21.02.1999 zu zahlen.

  2. 2.

    Es wird festgestellt, dass der Beklagte zum Ersatz der weitergehenden, auf seiner eigenmächtigen Urlaubsnahme beruhenden Schäden verpflichtet ist.

  3. 3.

    Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits nach einem Streitwert von 5.000,00 DM.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses vom Beklagten noch Schadensersatz unter dem Gesichtspunkt der Arbeitsverweigerung.

2

Der Beklagte war seit November 1995 beim Kläger als Baggerfahrer zu einem Bruttomonatseinkommen von etwa 5.000,00 DM beschäftigt. Im Juni 1998 buchte der Beklagte eine Fernreise für den Jahresbeginn 1999; den entsprechenden Urlaubsantrag stellte er erst am 10. November 1998 für den Zeitraum 11. Januar 1999 bis 05. Februar 1999. Der Kläger lehnte mit Schreiben vom 15. Dezember 1998 die Urlaubsgewährung ab. Das vom Beklagten mit dem Ziel der Urlaubsgewährung eingeleitete einstweilige Verfügungsverfahren 2 Ga 1/99 war erfolglos und wurde im Termin von beiden Parteien für erledigt erklärt; der Kläger hatte zuvor lediglich die Übertragung von Resturlaub aus den Jahren 1997 und 1998 auf das Jahr 1999 zugestanden. Die Erfolglosigkeit des Verfügungsverfahrens war darauf zurückzuführen, dass der Kläger ausweislich einer Anmahnung des Staatshochbauamtes vom 09.11.1998 mit dem Baufortschritt rückständig war und vom Staatshochbauamt zu einer Aufstockung des Baustellenpersonals aufgefordert worden war. Dem lag ein Auftrag für Kanalbauarbeiten im Volumen von 1,5 Mio. DM zugrunde. Der Beklagte war für die Durchführung des Auftrages im Hinblick auf seine Kenntnisse mit dem Kettenbagger unabkömmlich. Dem Beklagten wurde zum Schluss der Kammerverhandlung im Verfahren 2 Ga 1/99 vom Vorsitzenden dringlichst nahe gelegt, nunmehr auch tatsächlich zur Verrichtung der Baggerarbeiten zu erscheinen, um so den notwendigen und unternehmensrelevanten Baufortschritt zu gewährleisten. Dabei war als ehrenamtlichen Richter im einstweiligen Verfügungsverfahren zugegen auch der ehrenamtliche Richter Stellmacher, der auch an der hier getroffenen Entscheidung mitgewirkt hat.

3

Der Beklagte trat indes die Arbeitsleistung am 11.01.1999 nicht an, sondern flog an diesem Tag in Urlaub. Die für den 11.01.1999 bis 13.01.1999 eingereichte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung entspricht nicht den Tatsachen. Der Beklagte hat noch im Kammertermin vom 26.05.1999 plakativ klargemacht, dass der Kläger eben wegen seiner Urlaubsnahme nicht mit seiner Arbeitsleistung habe rechnen können. Den Versuch, seine in Zweifel gezogene Arbeitsunfähigkeit näher zu begründen, hat der Beklagte gar nicht erst unternommen.

4

Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 11. Januar zum 13. Januar 1999. Der Zugang dieses Kündigungsschreibens lag so. dass bei Zugrundelegung der bautarifvertraglichen Kündigungsfrist eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses erst zum 29.01.1999 hätte erfolgen können.

5

In der Zeit vom 11.01. bis 29.01.1999 blieb der Bagger ungenutzt stehen, da der Beklagte der einzige Baggerfahrer für den gemieteten Bagger Typ Atlas 1404 HD war. Hierdurch entstanden Baggermietkosten pro Tag in Höhe von 320,00 DM zuzüglich Mehrwertsteuer. Den Gesamtschaden von 4.800,00 DM machte die Klägervertreterin mit Schreiben vom 08.02.1999 gegenüber dem Prozessvertreter des Beklagten aus dem seinerzeitigen einstweiligen Verfügungsverfahren geltend unter Fristsetzung auf den 20.02.1999. Nach Aufrechnung mit Gehaltsforderungen zur Höhe von netto 3.625,41 DM begehrt der Kläger nunmehr noch restlichen Schadensersatz zur Höhe von 1.174,59 DM.

6

Der Kläger beantragt,

  1. 1.

    den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 1.174,59 DM netto nebst 4 % Zinsen seit dem 21.02.1999 zu zahlen,

  2. 2.

    festzustellen, dass der Beklagte zum Ersatz der weitergehenden, auf seiner eigenmächtigen Urlaubsnahme beruhenden Schäden verpflichtet ist.

7

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Gründe

8

Die Klage ist vollen Umfangs begründet. Der Kläger schuldet unter dem Gesichtspunkt der vorsätzlichen Vertragsverletzung infolge seiner eigenmächtigen Selbstbeurlaubung den Ersatz des vollen, von ihm vorsätzlich weil billigend in Kauf genommenen Schadens. Am Vorliegen einer Vertragsverletzung kann angesichts des historischen Hergangs der Selbstbeurlaubung kein Zweifel bestehen. Der Beklagte hat weder nach Aktenlage noch im mündlichen Termin versucht, die vom Kläger zu Recht in der Klageschrift bezweifelte Arbeitsunfähigkeit näher zu verifizieren. Der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist nicht nur erschüttert, sondern vollends zunichte gemacht durch den im Tatbestand geschilderten historischen Hergang. Der Beklagte hat zudem durch seine plakative Äußerung im Termin, der Kläger habe wegen seiner Beurlaubung mit einem Stillstand des Baggers rechnen müssen, in einer für die Kammer einschließlich des seinerzeit schon teilnehmenden ehrenamtlichen Richters ... einzigartig klaren Art. und Weise verdeutlicht, dass Grund für seine Abwesenheit eben nicht eine Erkrankung, sondern vielmehr die gebuchte Fernreise und damit eine Selbstbeurlaubung war, wenn der Beklagte mit seiner Äußerung im Termin, er wisse ja nicht, wie "die das hier sehen", auf die rechtliche Qualifizierung seines Verhaltens abgestellt hat, so kann dies unter rechtlichem Gesichtspunkt nur als Vertragsbruch gewertet werden mit der Begründung einer vollen Schadensersatzpflicht des Beklagten.

9

Dabei kann der Beklagte sich auch unter dem Gesichtspunkt einer Schadensminderungspflicht nicht auf sein Scheinargument berufen, der Kläger hätte den Bagger zurückgeben müssen. Angesichts der unstreitigen dringenden und Konventionalstrafe bewerten Terminarbeiten war es dem Kläger keinesfalls verwehrt, sich um Ersatzpersonal zu bemühen und in der Hoffnung auf eine baldige Einstellung, den Bagger nicht wieder nach Hannover zurückzutranpsortieren, sondern ihn einstweilen zur Nutzung zur Verfügung zu behalten. Der Beklagte hat nicht vorgetragen, dass im Januar 1999 die Neueinstellung eines Baggerfahrers angesichts der Baukonjunktur als in naher Zeit auszuschließen betrachtet werden musste. Nur dann aber hätte der Kläger gegen eine Schadensminderungspflicht verstoßen, zumal der alternativ drohende Schaden in Form der unstreitigen Konventionalstrafe wesentlich höher gewesen wäre.

10

Die Ansprüche des Klägers sind auch nicht nach § 16 BRTV-Bau verfallen, da sie mit Schreiben vom 08.02.1999 geltend gemacht wurden. Der Beklagte selbst hat dieses Schreiben über seinen seinerzeitigen Prozessvertreter erhalten. Die Geltendmachung gegenüber seinem seinerzeitigen Prozessvertreter war ordnungsgemäß; es ist - auch unter dem Gesichtspunkt der Fairness und der Gleichheit - nicht zu beanstanden, wenn Schadensersatzansprüche statt gegenüber einer rechtsunkundigen Partei gegenüber deren Prozessvertreter aus einem unmittelbar vorangegangenen Verfahren geltend gemacht werden, wenn dieses Verfahren unmittelbar mit der schadensersatzbegründenden Handlung im Zusammenhang steht. Dementsprechend hat der seinerzeitige Beklagtenvertreter auch das Geltendmachungsschreiben nicht etwa an die Klägervertreterin zurückgesandt mit der Bemerkung, er sei nicht zuständig, sondern vielmehr an seinen Mandanten weitergeleitet.

11

Der Zinsnanspruch des Klägers ergibt sich unter dem Gesichtspunkt der Mahnung aus §§ 284 Abs. 1 S. 1, 285, 288 Abs. 1 S. 1 ZPO.

12

Aus genannten Gründen war der Beklagte zugleich im Wege der Feststellung auch hinsichtlich der Schadensersatzpflicht weitergehender Schäden zu verurteilen, die auf seiner eigenmächtigen Urlaubsnahme beruhen. Solche Schäden können sich etwa aus der auch im einstweiligen Verfügungsverfahren unstreitigen drohenden Konventionalstrafe ergeben.

13

Als unterlegene Partei hat der Beklagte gem. § 91 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, wobei die Streitwertfestsetzung aus § 3 ZPO folgt.

14

Gegen dieses Urteil kann Berufung eingelegt werden,

  1. 1)

    wenn es sich um eine nicht vermögensrechtliche Streitigkeit handelt,

    oder

  2. 2)

    wenn es sich um eine vermögensrechtliche Streitigkeit handelt und in diesem Fall entweder der Wert des Beschwerdegegenstandes 800,00 DM übersteigt oder das Arbeitsgericht die Berufung zugelassen hat.

Streitwertbeschluss:

Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits nach einem Streitwert von 5.000,00 DM.