Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 14.12.2011, Az.: 2 A 284/10
Herleitung eines subjektiv-öffentlichen Rechts aus den Festsetzungen eines Bebauungsplans hinsichtlich der Erhöhung eines Lärmschutzwalls
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 14.12.2011
- Aktenzeichen
- 2 A 284/10
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2011, 34547
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGBRAUN:2011:1214.2A284.10.0A
Rechtsgrundlage
- § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB
Fundstellen
- BauR 2012, 837
- DWW 2012, 27-30
Verfahrensgegenstand
Immissionsschutz;
hier: Erhöhung einer Lärmschutzwand
Redaktioneller Leitsatz
1.
Eine drittschützende Wirkung kann die Festsetzung in einem Bebauungsplan nur insoweit haben, wie der Satzungsgeber sie nach verständiger Würdigung den Grundstückseigentümern hat einräumen wollen, wobei aus der Planbegründung oder anderen Umständen auf einen entsprechenden Willen des Satzungsgebers geschlossen werden können muss.
2.
Der von einem Bebauungsplan betroffene Grundstückseigentümer hat grundsätzlich keinen Anspruch auf Einhaltung planerischer Festsetzungen gegen den Plangeber.
3.
Für Grundstückseigentümer besteht kein Anspruch auf Maßnahmen des aktiven Lärmschutzes, wenn der die Wohnbebauung heranführende Bebauungsplan wegen eines Abwägungsfehlers unwirksam ist, auch wenn das Wohngebiet unzumutbaren Lärmbelastungen ausgesetzt wird.
In der Verwaltungsrechtssache
...
hat das Verwaltungsgericht Braunschweig - 2. Kammer -
auf die mündliche Verhandlung vom 14. Dezember 2011
durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Schwarz,
den Richter am Verwaltungsgericht Dr. Struß,
die Richterin am Verwaltungsgericht Horten sowie
die ehrenamtlichen Richter D.
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger können die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des festzusetzenden Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 17.000,-- EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks E. der Beklagten, für das sie einen besseren Schutz vor Verkehrslärm von der östlich angrenzenden Zollstraße begehren.
Das klägerische Grundstück liegt im Geltungsbereich des am 02.05.2003 in Kraft getretenen Bebauungsplans "F. }", der dort ein Allgemeines Wohngebiet (WA) ausweist. Der Bebauungsplan setzt entlang der Zoll- und der G. zeichnerisch einen "Schallschutzwall" als Maßnahme zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes nach § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB fest. § 4 der textlichen Festsetzungen führt dazu aus, es sei ein Schallschutzwall oder eine Kombination aus Schallschutzwall und - wand in einer Höhe von mindestens 5 Meter entlang der G. und einer Höhe von 4 Meter entlang der H., gemessen über der Straßenoberkante der jeweilig angrenzenden Straßen in durchgehend geschlossener Bauweise zu errichten.
Die Umsetzung des Bebauungsplans erfolgte durch einen Erschließungsträger, die Firma I. -, mit der die Beklagte am 20.03.2003 einen Erschließungsvertrag auf der Grundlage des § 124 Abs. 1 BauGB schloss. Nach § 2 Ziff. 1 ad) des Vertrages hatte der Erschließungsträger den Schallschutzwall herzustellen. Hierfür stellte Herr J. als Bauherr einen Bauantrag, mit dem er am 19.06.2003 eine Befreiung von der Festsetzung in § 4 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans mit dem Ziel beantragte, die Lärmschutzanlage lediglich in einer Höhe von 4 bzw. 5 Meter, "gemessen ab Oberkante anstehendes Gelände" und nicht ab Oberkante der angrenzenden Straßen errichten zu dürfen. Zur Begründung verwies er darauf, das Schalltechnische Gutachten des Büros K. zu dem Bauvorhaben L. sei für den zu errichtenden Wall von Höhenangaben, bezogen auf das Geländeniveau an der Stelle des geplanten Walles ausgegangen (S. 14 des Gutachtens). Auf dieses Gutachten nehme hinsichtlich des zu errichtenden Lärmschutzwalls Ziff. 9.4.1 der Begründung des Bebauungsplans Bezug. Außerdem sei nach den Flächenfestsetzungen des Bebauungsplans auf der für den Wall zur Verfügung stehenden Grundfläche keine höhere Anlage zu realisieren. Mit der Baugenehmigung für den Wall vom 20.06.2003 erteilte die Beklagte eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB, weil sich die Höhenangaben im Lärmschutzgutachten auf das Geländeniveau an der Stelle des geplanten Walles bezögen.
Der Erschließungsträger erstellte die Lärmschutzeinrichtung in der genehmigten Form. Auf einem Erdwall befindet sich eine Wand aus Gabionen. Dabei handelt es sich um mit Steinen verfüllte Drahtkörbe. Die Gabionenwand besteht aus einem 1 Meter breiten und 1 Meter hohen Korb und einem weiteren darauf befindlichen 0,5 Meter breiten und ebenfalls 1 Meter hohen Korb. Der Wall liegt bis zum Beginn der Gabionenwand auf den angrenzenden privaten Grundstücken und im Übrigen außerhalb auf dem an die L 290 angrenzenden Streifen. Die Lärmschutzanlage ist ab Straßenoberkante unterschiedlich hoch. Nach Angaben der Beklagten beträgt die Höhe am klägerischen Grundstück 3,10 Meter. Die Kläger geben 2,45 bis 2,65 Meter an. Die Anlage wurde Anfang September 2003 fertig gestellt und am 06.07.2004 abgenommen.
Mit notariellem Vertrag vom 04.07.2005 erwarben die Kläger das Grundstück M.) mit einer Größe von 691 qm, wobei der sich auf den Lärmschutzwall beziehende Grundstücksteil im Kaufvertrag mit ca. 89 qm und die Baulandfläche mit ca. 602 qm angegeben werden. Am 27.07.2005 ging bei der Beklagten eine Bauanzeige gem. § 69 a Abs. 3 NBauO für den Neubau eines Wohnhauses ein, das bis 03.01.2006 fertig gestellt wurde.
Am 26.03.2007 machte die Klägerin zu 1. die Beklagte erstmalig telefonisch auf einen störenden Lärm von der H. aufmerksam. In einem Schreiben vom 02.05.2007 beschwerten sich die Kläger zusammen mit anderen Anwohnern des L. über die "enorme Lärmbelästigung" durch den Straßenverkehr von der N. und der G. sowie der O.. LKW, Busse und im Sommer auch Motorräder trügen dazu bei, dass auf ihren Grundstücken ein Aufenthalt im Freien nicht der Erholung diene und es auch im Haus zu laut sei. Man verstehe draußen oft sein eigenes Wort nicht. Die Kinder litten unter dem Krach, wenn sie nach dem Einschlafen durch ein vorbei fahrendes Motorrad oder einen Schwerlaster wieder aufschreckten. Die Kläger verwiesen auf die nahe Kreuzung, die nach Süden ansteigende H. und die zu großen Steine in den Gabionen. Sie nannten verschiedene, aus ihrer Sicht geeignete Maßnahmen zur Lärmreduzierung: Die Herabsetzung oder permanente Kontrolle der Höchstgeschwindigkeit, eine bessere Beschilderung zum Lärmschutz (Hinweis auf Wohngebiet), ein Nachfahrverbot für den Schwerlastverkehr und die Herstellung einer besseren Dämmwirkung des Lärmschutzwalls. Ein zweites Schreiben der Kläger und der Anwohner folgte am 30.05.2007.
Die Beklagte holte ein "ergänzendes" Schalltechnisches Gutachten des Büros BMH vom 18.11.2008 zu der Lärmbelastung des klägerischen Grundstücks ein. Das Büro BMH legten unter dem 18.11.2008 eine Ergänzung des Gutachtens mit einer Bewertung der Auswirkungen des Motorradverkehrs und eines Nachtfahrverbots für den Schwerverkehr vor. Des Weiteren holte die Beklagte eine Schalltechnische Untersuchung zur Ermittlung der Abschirmwirkung der Lärmschutzanlage der Gesellschaft für Technische Akustik mbH (P. vom 12.05.2009 ein.
Mit Schreiben vom 18.08.2009 lehnte die Beklagte nach vorangegangenem Schriftwechsel eine bauliche Veränderung der Lärmschutzeinrichtung ab. Nach den vorliegenden Untersuchungen, Gutachten und Stellungnahmen sei davon auszugehen, dass der Lärmschutzwall an der H. gesunde Wohnbedingungen für die Wohnbauflächen des L. gewährleiste. Ein Antrag auf Erhöhung des Walls auf 4 Meter ab Straßenoberkante sei auch mit Blick auf die rechtmäßige Baugenehmigung mit Befreiung abzulehnen.
Mit Schreiben vom 14.10.2009 erhoben die Kläger Widerspruch gegen die Befreiung in der Baugenehmigung für den Lärmschutzwall. Das Ingenieurbüro Richter legte im Auftrag der Beklagten einen Bericht vom 21.05.2010 zu Möglichkeiten und Kosten einer Ertüchtigung der Lärmschutzanlage entlang der H. vor.
Die Kläger haben am 13.10.2010 haben Klage erhoben. Sie tragen verschiedene Einwände zu den Lärmgutachten vor. Diese seien nicht geeignet, einen hinreichenden Lärmschutz zu bestätigen. Sie hätten einen Rechtsanspruch auf eine Realisierung des im Bebauungsplan festgesetzten Lärmschutzwalls mit Gabionen mit einer Höhe von 4 Metern ab Straßenoberkante. Die Gabionen seien nach dem Stand der Technik auszuführen, was mit den vorhandenen Lücken aufgrund der zu groben Körnung des Füllmaterials nicht der Fall sei. Die dem Erschließungsträger erteilte Befreiung sei rechtswidrig. Die Baugenehmigung sei ihnen gegenüber auch nicht bestandskräftig, weil sie nach Bekanntwerden der Befreiung rechtzeitig Widerspruch eingelegt hätten. Jedenfalls habe die Beklagte auf ihre Beschwerden hin ein erneutes Verwaltungsverfahren zur Prüfung der Lärmeinwirkungen aufgenommen. Wirtschaftlich unzumutbar seien die geforderten Maßnahmen angesichts der Versäumnisse der Beklagten nicht.
Die Kläger beantragen,
die Beklagte zu verpflichten, die im Bebauungsplan Q. entlang der H. festgesetzte Lärmschutzwand auf eine Höhe von 4 m ab der Oberkante der angrenzenden Straße zu erhöhen und die Bauausführung der Gabionen dieser Lärmschutzwand entsprechend dem Stand der Technik zu verbessern, insbesondere die in den Gabionen befindlichen Löcher zu verschließen, die Gabionen auf eine Dicke von einem Meter zu verbreitern und mit homogenem Basaltschotter anstelle unregelmäßiger großer Steine zu füllen,
h i l f s w e i s e ,
Beweis zu der Behauptung zu erheben, dass die tatsächliche Immissionsbelastung durch den Verkehr die Orientierungswerte der DIN 18005 für allgemeine Wohngebiete überschreitet.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie macht geltend, die Schallschutzanlage gewährleiste einen ausreichenden Schutz vor dem Verkehrslärm von der H., was durch die eingeholten schalltechnischen Gutachten belegt werde. Dem Anspruch der Kläger sei der Grundsatz von Treu und Glauben entgegenzusetzen. Der Wall sei bei Erwerb des Grundstücks schon fertig gewesen. Mängel der Lärmschutzvorrichtung seien für die Kläger deshalb schon im Jahr 2005 erkennbar gewesen. Die Kläger seien Rechtsnachfolger der Erschließungsträgers. Die gegenüber dem Erschließungsträger eingetretene Bestandskraft der Baugenehmigung müssten sie sich zurechnen lassen. Der am 14.10.2009 erhobene Widerspruch sei verfristet.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Vernehmung eines sachverständigen Zeugen zu der Immissionsbelastung des klägerischen Grundstücks, insbesondere im Hinblick auf die schalldämmende Wirkung von Lärmschutzwall und -wand. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 14.12.2011 Bezug genommen.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten, die dem Gericht bei der Entscheidung vorgelegen haben, verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Kläger haben keinen Anspruch auf eine Erhöhung der Lärmschutzwand auf eine Höhe von vier Metern ab der Oberkante der angrenzenden Straße und die beantragte Bauausführung der Gabionen entsprechend dem Stand der Technik (s. o. Klageantrag).
Es ist bereits zweifelhaft, ob die Kläger aus den Festsetzungen des Bebauungsplans überhaupt ein subjektiv-öffentliches Recht auf Schutz vor dem Lärm von der H. herleiten können.
Der planbetroffene Grundstückseigentümer hat grundsätzlich keinen Anspruch auf Einhaltung planerischer Festsetzungen gegen den Plangeber. Das BauGB kennt keinen allgemeinen Plangewährleistungsanspruch (BVerwG, Urt. v. 28.08.1997 - BRS 47 Nr. 3 sowie [...]; Nds. OVG, Urt. v. 25.01.1993 - 6 L 195/90 - BRS 55 Nr. 164 sowie [...]). Die Ausweisung eines allgemeinen Wohngebiets vermittelt den Eigentümern dort gelegener Grundstücke keinen Anspruch auf Einhaltung bestimmter, in technischen Regelwerken vorgesehener Lärmgrenzwerte für diese Gebietsart (BVerwG, Beschl. v. 18.12.1990 BRS 50 Nr. 25; OVG Saarland, Urt. v. 29.11.1994 - 2 R 40/93 - [...]). Eine auf die Beachtung eines hinreichenden Lärmschutzes gerichtete drittschützende Wirkung ergibt sich auch nicht zwingend aus einer Festsetzung nach § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB, wie sie hier in Form der Lärmschutzeinrichtung Eingang in dem Bebauungsplan "F. }" gefunden hat. Das Bundesverwaltungsgericht hat einer solchen Festsetzung allerdings dann eine drittschützende Wirkung beigemessen, wenn sie mit der planerischen Zulassung einer Nutzung einhergeht, die zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung für die umgebenden Grundstücke führt (etwa durch eine lärmintensive Straße,BVerwG, Beschl. v. 02.11.1988 - 4 B 157.88 - BRS 48 Nr. 13 sowie [...] u. Beschl. v. 07.08.1988 - 4 N 1.87 - BRS 48 Nr. 15 sowie [...]). Insoweit kann sich ein Schutzanspruch auch aus den allgemeinen Grundsätzen des öffentlich-rechtlichen Nachbarverhältnisses ergeben (vgl. OVG Saarland, Urt. v. 29.11.1994, a. a. O. unter Berufung auf BVerwG, Beschl. v. 28.08.1987, BRS 47 Nr. 3 sowie [...]).
Der vorliegende Fall ist jedoch anders gelagert. Die Kläger wenden sich als Eigentümer eines neu ausgewiesenen Wohngebiets gegen die Lärmbelastung einer bei Planung der Wohnbauflächen bereits vorhandenen Straße. Soweit ersichtlich ist höchstrichterlich noch nicht entschieden, ob in Fällen, in denen durch Bebauungsplan eine störungsempfindliche Wohnnutzung an eine stark befahrene Straße außerhalb des Plangebiets herangeführt wird, eine Festsetzung von Maßnahmen zur Lärmminderung nach § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB drittschützend ist (offengelassen von OVG Saarland, Urt. v. 29.11.1994, a. a. O., vgl. auch BVerwG,Beschl. v. 30.03.1995 - 4 B 48.95 -, [...]). Jedenfalls besteht für die Grundstückseigentümer dann kein Anspruch auf Maßnahmen des aktiven Lärmschutzes, wenn der die Wohnbebauung heranführende Bebauungsplan wegen eines Abwägungsfehlers unwirksam ist, auch wenn das Wohngebiet unzumutbaren Lärmbelastungen ausgesetzt wird (BVerwG, Beschl. v. 30.03.1995, a. a. O.; OVG Saarland, Urt. v. 29.11.1994, a. a. O.).
Auch wenn der Bebauungsplan "F. }" eine Lärmschutzanlage nach § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB festsetzt, ergibt sich für die Kläger jedenfalls kein Anspruch auf die beantragte "buchstabengetreue" Erhöhung der Lärmschutzwand auf 4 Meter über der Straßenoberkante und eine bestimmte Bauausführung. Denn eine drittschützende Wirkung hat die Festsetzung nur insoweit, wie der Satzungsgeber sie nach verständiger Würdigung den Grundstückseigentümern hat einräumen wollen. Aus der Planbegründung oder anderen Umständen muss auf einen entsprechenden Willen des Satzungsgebers geschlossen werden können (Nds. OVG, Urt. v. 25.01.1993 - 6 L 195/90 - BRS 55 Nr. 164 - sowie [...]; BayVGH, Beschl. v. 07.04.2011 - 1 ZB 09.225 - [...]).
Danach kann hier ein subjektiv-öffentliches Recht für die Kläger wie folgt hergeleitet werden: Die Begründung des Bebauungsplans L. zu der Festsetzung des Lärmschutzwalls nimmt in Ziff. 6.5 und Ziff. 9.4.1 auf ein schalltechnisches Gutachten des Büros BMH Bezug. Damit ist das Gutachten vom 18.09.2002 mit Ergänzung vom 30.10.2002 gemeint. Die Prognoseberechnung der Gutachter für 12 Messpunkte im Wohngebiet ermittelte die Notwendigkeit und den Umfang aktiver Schallschutzmaßnahmen im Hinblick auf die schalltechnischen Orientierungswertewerte des Beiblattes 1 der DIN 18005-1 "Schallschutz im Städtebau" und der Immissionsgrenzwerte derVerkehrslärmschutzverordnung (16. BImSchV), wobei nur die Werte der 16. BImSchV mit einer Ausnahme als überall erreichbar berechnet wurden. Dem Gutachten folgend wurden Lärmschutzwall und -wand im Bebauungsplan u. a. mit einer Höhe von 4 Metern entlang der H. festgesetzt. Die Festsetzungen zum aktiven Lärmschutz erfolgten nur zum Schutz der betroffenen Anwohner vor schädlichen Umwelteinwirkungen. Die Begründung des Bebauungsplans, mit dem ein Neubaugebiet an zwei viel befahrenen Straßen und vor einer Kreuzung geplant wurde, lässt nicht den Schluss zu, die Beklagte habe sich auch aus weiter gehenden städtebaulichen Gründen zur Errichtung des Lärmschutzwalls entschlossen. Die auf die Mindestanforderungen nach dem schalltechnischen Gutachten zurück gehende Höhe der Anlage spricht nicht für deren Festsetzung auch aus optischen Gründen oder zur Gewährleistung eines besonderen, nicht zwingend erforderlichen Lärmschutzkomforts. Die Gutachter empfahlen damals außerdem nicht eine Höhe von 6 Metern an der H., um auch die Orientierungswerte der DIN 18005-1 an allen Messpunkten zu erfüllen. Ergebnis der planerischen Abwägung war daher ein Mindestlärmschutz zur Vermeidung von Gesundheitsgefahren (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) und von Eingriffen in die Substanz des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 GG). Den Betroffenen sollte insofern auch ein Recht auf den geplanten, notwendigen Lärmschutz gegenüber der Beklagten als Satzungsgeber eingeräumt werden.
Dieses Recht ist auf die Beachtung der Orientierungswerte des Beiblatts 1 der DIN 18005-1 und der hierzu ergangenen Rechtsprechung beschränkt. Während die Immissionsrichtwerte der Technischen Anleitung (TA) Lärm bei anlagenbezogenem Lärm sowie als Anhaltspunkt im baurechtlichen Nachbarschutz heranzuziehen sind und die Immissionsgrenzwerte der Verkehrslärmschutzverordnung (16. BImSchV) für den Bau und die wesentliche Änderung von Verkehrswegen gelten, bilden im Bereich der städtebaulichen Planung die Orientierungswerte der DIN 18005-1 einen Maßstab für die Bewertung der Zumutbarkeit von Lärmimmissionen. Die Werte der DIN 18005-1 kann die planende Gemeinde flexibel als Orientierungshilfe berücksichtigen. Sie ist daran nicht rechtssatzartig gebunden, sondern kann in gewissem Maße in der Abwägung mit anderen Gesichtspunkten selbst darüber entscheiden, was den Betroffenen zumutbar ist und eine Überschreitung der Werte zulassen (BVerwG, Urt. v. 22.03.2007 - 4 CN 2.06 - BVerwGE 128, 238 [BVerwG 22.03.2007 - BVerwG 4 CN 2.06] sowie [...] Normenkontrollantrag zu der Planung eines neuen Wohngebietes an einer vorhandenen Straße; Nds. OVG, Urt. v. 15.04.2011 - 1 KN 356/07 - [...] - ebenfalls Normenkontrolle). In diesem Sinn bietet sich eine Berücksichtigung der DIN 18005-1 auch in der vorliegenden Konstellation an, in der die Kläger nicht im Wege der Normenkontrolle das dem Bebauungsplan zugrunde liegende Ergebnis der planerischen Abwägung anfechten, sondern die Beachtung des Abwägungsergebnisses verlangen.
Der so begrenzte Schutzanspruch der Kläger wird im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung erfüllt, wobei die Kammer offen lässt, ob die Kläger nicht lediglich einen hinreichenden Lärmschutz bezogen auf den Zeitpunkt der Fertigstellung der Wall-/Wandanlage verlangen konnten. Die Verkehrsverhältnisse haben sich seitdem nach ihrem Vorbringen - wenn überhaupt - nur zu ihrem Nachteil verändert, so dass die später vorgenommenen Messungen der DTA und die Berechnungen des ergänzenden Gutachters des Ingenieurbüros BMH jedenfalls keine zu ihren Lasten wirkenden Immissionswerte ergeben haben.
Die Orientierungswerte werden der DIN 18005-1 werden eingehalten bzw. unmaßgeblich überschritten. Auszugehen ist nach DIN 18005 Teil 1 Beiblatt 1 von einem Orientierungswert von 55 dB(A) für den Tag (06:00 - 22:00 Uhr) und 45 dB(A) für die Nacht (22:00 - 06:00 Uhr).
Nach dem ergänzenden schalltechnischen Gutachten des Büros BMH vom 18.11.2008 (S. 12 f.) werden auf den Freiflächen des klägerischen Grundstück Mittelungspegel von tags 50 - 54 dB(A) erreicht. Für das Erdgeschoss des Wohngebäudes wurden tags 53 dB(A) und nachts 44 dB(A) ermittelt. Im 1. Obergeschoss wurden tags 55 dB(A) und nachts 48 dB(A) errechnet. Eine Überschreitung der Orientierungswerte ergab sich daher nur im 1. Obergeschoss auf der straßenzugewandten Seite um bis zu 1 dB(A) bzw. bis zu 3 dB(A). Überschreitungen bis 3 dB(A) sind zu vernachlässigen, weil sie von der Mehrzahl der Betroffenen nicht subjektiv wahrnehmbar sind und deshalb auch im Sinne der 16. BImSchV als nicht wesentlich gewertet werden (S. 11 des Gutachtens vom 18.11.2008). Eine Änderung des Mittelungspegels um nur 1 dB(A) ist ohnehin nicht messbar (S. 11 des Gutachtens vom 18.11.2008). Außerdem weisen die Gutachter darauf hin, dass bei einer üblichen baulichen Ausführung des Gebäudes nach der Wärmeschutzverordnung von einem ausreichenden Schallschutz im Gebäudeinneren auszugehen sei (S. 13 des Gutachtens vom 18.11.2008).
Die Gutachter sind von zutreffenden tatsächlichen Verhältnissen ausgegangen.
So stand ihnen ein aktueller technischer Lageplan mit Angaben zu der unterschiedlichen Höhe der Lärmschutzanlage von 2,8 Meter bis 4,1 Meter über dem Fahrbahnrand zur Verfügung. Dieser Lageplan wurde von dem Vermessungsbüro R. am 19.08.2008 erstellt und von den Gutachtern in die Berechnung eingestellt (s. das Sitzungsprotokoll).
Die Bauausführung der Gabionen mit deutlich erkennbaren Löchern hat nach den Angaben des sachverständigen Zeugen S. keine besondere schalltechnische Auswirkung. Abgesehen davon, dass dem Schall-Schirmmaß einer Schallschutzwand eine größere Bedeutung zukommt als dem Schall-Dämmmaß, für das die Löcher erheblich sein könnten, wird der Schall in den Löchern wie in einer Röhre teilweise absorbiert (Helmholtzscher Resonator). Auch die unregelmäßig geformten Steine fördern die Absorption (s. jew. das Sitzungsprotokoll).
Soweit die Kläger die Richtigkeit eines Schalldämm-Maßes von 14 dB für die in Rede stehende Lärmschutzanlage in dem Gutachten vom 18.11.2008 bezweifeln, ist auf die nachvollziehbaren Ausführungen von T. in der mündlichen Verhandlung zu verweisen. Dieser hat dargelegt, eigentlich seien hier 16 dB zutreffend gewesen. Es sei dann aber vorsichtshalber ein konservativer Wert von 14 dB einbezogen worden. Die Kammer hat auch deshalb keinen Zweifel, dass diese Annahme richtig ist, weil die von den Beteiligten zitierte Veröffentlichung der U. in der Zeitschrift für Lärmbekämpfung (Nr. 6 2007, S. 252) Messergebnisse je nach Befüllung der Gabionen zwischen 12 dB und 25 dB wiedergibt. Die Bildung eines Gesamtwertes von 14 dB für den besser dämmenden Wall und die Gabionenwand ist auf dieser Grundlage verständlich, wobei T. dem Umstand, dass der obere Gabionenkorb nur 0,50 Meter breit ist, keine ausschlaggebende Bedeutung einräumte.
Die Ergebnisse des BMH-Gutachtens vom 18.11.2008 können von den Klägern nicht mit Erfolg unter Verweis auf falsche Verkehrsmengen in Frage gestellt werden. Grundlage des Gutachtens vom 18.11.2008 sind die in der damals aktuellen Erhebung von 2008 festgestellten Verkehrsmengen (S. 5). Die Emissionspegel sind nach der Richtlinie für den Lärmschutz an Straßen (RLS-90) unter Berücksichtigung der zulässige Höchstgeschwindigkeit und Fahrbahnoberfläche berechnet worden. Wie T. und der Verkehrsplaner der Beklagten, V., in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar dargelegt haben, sind für Lärmgutachten zu den Auswirkungen von Verkehrsgeräuschen Ergebnisse konkreter Verkehrszählungen nicht notwendig oder förderlich, weil regelmäßig auf Angaben zu der Durchschnittlichen Täglichen Verkehrsstärke (DTV) zurückgegriffen wird (s. a. Gutachten S. 5 oben). Für die Kläger hätte sich hier mit den Werten der DTV kein günstigeres Ergebnis ergeben, weil die DTV-Werte nach den Angaben von W. durchschnittlich 20 Prozent unter den Verkehrszählungen liegen. Die Unterschreitung der DTV-Werte bestätigt eine 24-stündige Verkehrszählung vom 07.09.2011, die für die Zoll- und die G. sowie die Kreuzung beider Straßen einen Anteil von Schwerlastverkehr von durchschnittlich nur 6,1 Prozent ergab, während nach dem DTV nachts 10 Prozent und tags 20 Prozent anzunehmen wären (vgl. Sitzungsprotokoll).
Das Gutachten der GTA vom 12.05.2009 bestätigt die schalldämmende Wirkung der Lärmschutzanlage in Form der Wall-Wandkonstruktion, die das Büro BMH 2008 ermittelt hatte. Die von den Gutachtern am 01.04.2009 gemessene Geräuschpegelminderung und die Minderung unter Berücksichtigung der Verkehrszählung an diesem Tag entsprechen für das Erdgeschoss (2 Meter Höhe) in etwa der aus dem "Gesamtmodell" des Büros BMH berechneten Pegeldifferenz (Tabelle 4 auf S. 8 des Gutachtens: Werte zwischen 9,3 dB(A) und 10,8 dB(A)). In vier und sechs Meter Höhe ergibt sich nach den Berechnungen auf der Basis der Lärmmessung und der Verkehrszählung am 01.04.2009 sogar eine größere Schallabschirmung (Tabelle 4). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Lärmmessungen in einem Abstand von acht Metern von dem Wohnhaus der Kläger erfolgten und bei einer Messung am Gebäude zu geringeren Werten geführt hätten.
Danach war eine weitere Beweiserhebung zu der tatsächlichen Immissionsbelastung, wie von Klägern hilfsweise beantragt, wegen hinreichender Sachkunde des Gerichts nicht erforderlich.
Das Gericht lässt nach den vorstehenden Ausführungen offen, ob die Beklagte dem Klagebegehren den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) entgegen halten kann, etwa weil sie das Grundstück mit dem schon errichteten Lärmschutzwall erworben haben und sie sich das Verhalten des Erschließungsträgers bzgl. der Baugenehmigung zurechnen lassen müssen. Es kommt auch nicht auf die Rechtmäßigkeit der Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans in der Baugenehmigung vom 20.03.2003 an, wenngleich insoweit im Hinblick auf die Grundzüge der Planung in § 31 Abs. 2 BauGB rechtliche Bedenken bestehen. Schließlich muss die Kammer auch nicht auf Erwägungen zu einer Unverhältnismäßigkeit einer kostenaufwändigen Ertüchtigung der Anlage bei nur geringfügigen Dämmeffekten eingehen.
Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Der Streitwert ist gem. § 52 Abs. 1 GKG mangels anderer geeigneter Anhaltspunkte in Höhe des Mittelwerts für die Beeinträchtigung von Einfamilienhäusern bei Nachbarklagen im Baurecht festgesetzt worden (s. Streitwertannahmen der Bausenate des Nds. OVG, Nds. VBl. 2002, 192 f. zu Ziff. 8 a)).