Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 16.03.1984, Az.: 1 VG A 87/82

Rechtmäßigkeit der Zulassung eines Pflanzenbehandlungsmittel; Anforderungen an die Unterlagen bei der Zweitzulassung; Anwendung der Bestimmungen des Pflanzenschutzrechts; Freiheit der Berufsausübung

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
16.03.1984
Aktenzeichen
1 VG A 87/82
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1984, 18778
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGBRAUN:1984:0316.1VG.A87.82.0A

Fundstellen

  • NJW 1987, 1224
  • NJW 1985, 83-85 (Volltext mit amtl. LS)

Verfahrensgegenstand

Zulassung des Pflanzenbehandlungsmittels "Zedesa Methylbromid"

Die 1. Kammer des Verwaltungsgerichts Braunschweig hat
auf die mündliche Verhandlung vom 16. März 1984
durch
den Präsidenten des Verwaltungsgerichts Dr. Riemann,
den Richter am Verwaltungsgericht Büschen,
den Richter Grell sowie
die ehrenamtlichen Richter ... und ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Verfahrenskosten; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1

I.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Aufhebung eines der Beigeladenen erteilten Zulassungsbescheides für das Pflanzenbehandlungsmittel ...

2

Die Klägerin vertreibt das Pflanzenbehandlungsmittel .... Dieses Mittel ist von der Beklagten erstmals mit Bescheid vom 19. Dezember 1962 für die Klägerin zugelassen worden. In der Folgezeit ist der zugelassene Anwendungsbereich des Mittels verändert und die Zulassung jeweils verlängert worden, letztmalig durch Bescheid vom 23. Oktober 1979 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 8. Januar 1981 bis zum 31. Oktober 1990 ... besteht zu 100 % aus ... (CH3Br) mit einem Reinheitsgrad von 99,5 %.

3

Mit Datum vom 11. Februar 1982 stellte die Beigeladene bei der Beklagten einen "Antrag auf Ausstellung eines Zulassungsbescheides für ein zugelassenes Pflanzenbehandlungsmittel" für das Mittel " ..." und berief sich auf die unter der Nummer ... der Beklagten erteilte Zulassung für das Pflanzenbehandlungsmittel .... Nach den von der Beigeladenen vorgelegten Unterlagen besteht das Mittel ... ebenfalls ausschließlich aus ... mit einem Reinheitsgrad von 99,5 %.

4

Mit Bescheid vom 19. April 1982 wurde der Beigeladenen unter der Zulassungsnummer die Zulassung für das Pflanzenbehandlungsmittel ... befristet bis zum 31. Oktober 1990 erteilt.

5

Gegen diese Zulassung legte die Klägerin Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 4. Mai 1982 - zugestellt am 7. Mai 1962 - zurückwies.

6

Daraufhin hat die Klägerin am 7. Juni 1982 Klage erhoben, zu deren Begründung sie vorträgt:

7

Die Verwertung der von ihr als geheim bezeichneten Unterlagen im Rahmen der Zweitzulassung sei sittenwidrig, so daß die Zulassung des Mittels ... gemäß §44 Abs. 2 Nr. 6 VwVfG nichtig sei. Sie habe die Zulassung nach jahrelanger Forschung und unter Einsatz eines Geldbetrages von ca. 830.000,- DM erreicht. Es sei ein unhaltbarer Zustand, daß die Beklagte Parallelzulassungen für Wettbewerber ausstelle, die diesen Aufwand nicht getätigt hätten. Jedenfalls sei die Zulassung rechtswidrig, da sie unter Verletzung des §30 VwVfG zustandegekommen und die Klägerin am Zulassungsverfahren nicht beteiligt worden sei. Ohne die Verwertung der Unterlagen der Klägerin hätte eine Zulassung nicht erfolgen können. Außerdem stelle die Zweitzulassung einen Eingriff in die ihr durch Art. 12, 14 und 2 GG eingeräumten Grundrechte dar. Im Chemikaliengesetz sei bei der Zweitzulassung die Zustimmung des Erstherstellers vorgeschrieben. Diese Bestimmung müsse im Pflanzenschutzrecht entsprechend angewendet werden.

8

Während des Verwaltungsstreitverfahrens hat die Beklagte den umstrittenen Zulassungsbescheid mit Bescheid vom 9. Juni 1983 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 2. Februar 1984 widerruten, weil aufgrund neuerer Erkenntnisse die Zulassung methylbromidhaltiger Bodenbehandlungsmittel nicht mehr vertretbar sei, also aus Gründen, die mit diesem Verfahren in keinem Zusammenhang stehen. Gegen den Widerruf hat die Beigeladene am 14. Februar 1984 vor dem erkennenden Gericht Klage erhoben (Aktenzeichen: 1 VG A 22/84).

9

Die Klägerin beantragt,

  1. 1.

    die Beklagte zu verpflichten, unter Abänderung ihres Widerspruchsbescheides vom 4.5.1982 den zugunsten der Beigeladenen erlassenen Zulassungsbescheid für das Produkt ... aufzuheben;

  2. 2.

    hilfsweise,

    festzustellen, daß der der Beigeladenen am 19. April 1982 erteilte Zulassungsbescheid für das Pflanzenbehandlungsmittel ..., Zulassungsnummer ... rechtswidrig gewesen ist.

10

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

11

Sie meint, die Beigeladene habe gemäß §8 PflSchG einen Anspruch auf Zulassung des Mittels ... gehabt. Im Rahmen des Zulassungsverfahrens sei §30 VwVfG nicht verletzt worden. Das Pflanzenschutzrecht bezwecke den Schutz von Pflanzen und der Gesundheit von Mensch und Tier, nicht jedoch den Schutz von Marktanteilen. Deshalb räume es der Klägerin die von ihr begehrten Rechte nicht ein. Die Tatsache, daß der Nachanmelder manchmal weniger Unterlagen einzureichen habe als der Voranmelder, beruhe auf §7 Abs. 3 PflSchG, wonach nur die für die Beurteilung erforderlichen Unterlagen vorzulegen seien. Würde sie - die Beklagte - mehr Unterlagen verlangen, so würde sie gegen das Übermaßverbot verstoßen und eine entsprechende Aufforderung an den Zweitzulasser deshalb rechtswidrig sein. Außerdem wären dann in der Regel erneut Tierversuche vorzunehmen, die nicht notwendig seien und daher gegen das Tierschutzgesetz verstießen. Die Klägerin sei schließlich auch nicht in ihren Grundrechten verletzt.

12

Mit Beschluß vom 19. März 1984 ist die Firma ... zu diesem Verfahren beigeladen worden.

13

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten, die Verwaltungsvorgänge der Beklagten und die Akten zum Verfahren 1 VG A 22/84 Bezug genommen. Diese waren in ihren wesentlichen Teilen Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

14

II.

1.

Die Klage ist unzulässig, soweit die Klägerin die Aufhebung des Zulassungsbescheides zugunsten der Beigeladenen begehrt. Denn die Beklagte hat die umstrittene Zulassung - wenn auch aus anderen Gründen als den von der Klägerin geltend gemachten - mit Bescheid vom 9. Juni 1983 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 2. Februar 1984 widerrufen. Damit hat sie dem Hauptantrag des Klagebegehrens entsprochen, so daß insoweit der Klägerin das Rechtsschutzinteresse fehlt.

15

2.

Dagegen ist der hilfsweise gestellte Feststellungsantrag zulässig, denn die Klägerin hat ein berechtigtes Interesse an der von ihr begehrten Feststellung im Sinne des §43 Abs. 1 VwGO.

16

Ein schutzwürdiges Interesse ist insbesondere dann anzunehmen, wenn ein der Vergangenheit angehörendes Rechtsverhältnis Wirkungen in der Gegenwart äußert, so wenn z.B. Wiederholungsgefahr besteht oder eine Klärung der im Streit befindlichen Rechtsprobleme für das zukünftige Verhalten des Klägers von Bedeutung ist (Kopp, VwGO, 6. Aufl., §43, Rz. 25, m.w.N.). Beide Voraussetzungen sind im Falle der Klägerin gegeben. Aus ihrer Sicht besteht die Gefahr der Wiederholung, da die Beklagte hinsichtlich der Zweitzulassungsproblematik auf ihrer Rechtsauffassung beharrt. Darüber hinaus ist es - dies bedarf keiner näheren Begründung - für ihre zukünftigen wirtschaftlichen Dispositionen von erheblicher Bedeutung, ob die Beklagte vom Erstantragsteller vorgelegte Unterlagen bei der Zweitzulassung eines Pflanzenbehandlungsmittels verwenden darf.

17

3.

Das Feststellungsbegehren ist jedoch nicht begründet. Die Zulassung des Pflanzenbehandlungsmittels ... war rechtmäßig. Sie verstieß - worüber die Parteien allein streiten - weder gegen Bestimmungen des Pflanzenschutzgesetzes (a), noch des Verwaltungsverfahrensgesetzes (b) oder des Grundgesetzes (c).

18

a)

Aus den Bestimmungen des Pflanzenschutzgesetzes und der dazu ergangenen Verordnungen kann die Klägerin für sich keine Rechte herleiten. Dazu hat die erkennende Kammer in ihrem Beschluß vom 26. Februar 1982, 1 VG D 10/82, S. 5 ausgeführt:

"Weder in diesem Gesetz noch in der Pflanzenschutzzulassungsverordnung, oder in der Pflanzenschutzanwendungsverordnung ist jedoch eine Norm vorhanden, aus der die Antragstellerin einen eigenen Rechtsanspruch herleiten kann. Die Vorschriften des Pflanzenschutzgesetzes, insbesondere; §8 Abs. 4, wonach die Biologische Bundesanstalt dem Antragsteller mit der Zulassung die erforderlichen Auflagen, insbesondere über die Fassung der Gebrauchsanweisung und die Verwertung bestimmter sonstiger Angaben, zu erteilen hat, begründet ausschließlich ein Rechtsverhältnis zwischen der Antragsgegnerin und dem Hersteller und Vertreiber des Pflanzenbehandlungsmittels." ...

"Ein Dritter (Mitbewerber) kann von der Antragsgegnerin aufgrund des Pflanzenschutzgesetzes kein Tätigwerden begehren, das sich auf die Rechtsbeziehungen zwischen dem Hersteller und Vertreiber eines Pflanzenbehandlungsmittels und der für die Prüfung, Zulassung und Überwachung eines solchen Mittels zuständigen Antragsgegnerin (§18 Abs. 2 Nr. 3 PflSchG) auswirkt."

19

An dieser Auffassung hält das Gericht fest. Aus ihr folgt auch, daß die Klägerin keinen Rechtsanspruch darauf hat, am Zulassungsverfahren der Beigeladenen beteiligt zu werden.

20

Die Verwertung der Unterlagen der Klägerin ist auch nicht deshalb rechtswidrig, weil §7 Abs. 3 des Chemikaliengesetzes vom 16.9.1980 (BGBl. I S. 1718) für die von diesem Gesetz erfaßten Sachverhalte die Zustimmung des Erstanmelders zur Verwertung der Unterlagen verlangt. §7 Abs. 3 Chemikaliengesetz lautet:

"Ist ein Stoff bereits angemeldet, so kann die Anmeldestelle in bezug auf die Prüfungsnachweise nach Abs. 1 Nr. 1-6 zulassen, daß der Nachanmelder auf die Ergebnisse der Untersuchungen, die von einem früheren Anmelder oder mehreren früheren Anmeldern durchgeführt worden sind, mit dessen oder deren schriftlicher Zustimmung Bezug nimmt."

21

Die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung dieser Bestimmungen im Pflanzenschutzrecht liegen nicht vor. Einem Gericht steht die Möglichkeit der analogen Anwendung von Rechtssätzen nur offen, wenn die eigentlich anwendbaren Rechtssätze "lückenhaft" sind (Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 4. Aufl., S. 354). Allerdings ist eine durch einen Analogieschluß zu füllende Lücke nicht immer schon dann gegeben, wenn das Gesetz zu einem Sachverhalt keine Regelungen trifft. Vielmehr ist dann weiter zu prüfen, ob der Gesetzgeber für diesen Bereich eine abschließende Regelung angestrebt hat, dies aber - aus welchem Grund auch immer - nicht gelungen ist. Eine Gesetzeslücke ist eine "planwidrige Unvollständigkeit" des Gesetzes. Sie ist abzugrenzen von dem, was rechtspolitisch wünschenswert ist, aber noch nicht Gesetzesform erlangt hat. Es kann nicht Aufgabe eines Gerichtes sein, einen ungeregelten Lebenssachverhalt mittels rechtspolitischer Wertungen einer Lösung zuzuführen. In diesem Fall würde sich die Judikative Kompetenzen der Legislative aneignen. Daher ist zu fragen, "ob das Gesetz, gemessen an seiner eigenen Regelungsabsicht, unvollständig ist, oder ob nur die in ihm getroffene Entscheidung einer rechtspolitischen Kritik nicht standhält" (Larenz, a.a.O., S. 354 bis 359).

22

Das Pflanzenschutzgesetz ist, gemessen an seinen Regelungsabsichten, vollständig. Zweck des Pflanzenschutzgesetzes ist es, Pflanzen vor Schadorganismen und Krankheiten zu schützen, Pflanzenerzeugnisse vor Schadorganismen zu schützen, die Lebensvorgänge von Pflanzen durch Stoffe zu beeinflussen, die nicht zur Ernährung von Pflanzen bestimmt sind und Schäden, insbesondere für die Gesundheit von Mensch und Tier, abzuwenden, die bei der Anwendung von Pflanzenbehandlungsmitteln oder von anderen Maßnahmen des Pflanzenschutzes oder Vorratsschutzes entstehen können (vgl. §1 Abs. 1 PflSchG). Das Pflanzenschutzgesetz bezweckt mithin nicht, wirtschaftliche Interessen - die Hintergrund des Klagebegehrens der Klägerin sind - des Erstanmelders zu schützen. Zwar mag eine entsprechende Ergänzung des Pflanzenschutzgesetzes rechtspolitisch wünschenswert sein und wird vom Gesetzgeber auch angestrebt. Eine mittels Analogieschluß zu füllende Gesetzeslücke liegt jedoch nicht vor.

23

Aus diesem Grunde scheidet ebenso die analoge Anwendung von zukünftig vorgesehenen Regelungen aus, wie sie etwa für das Arzneimittelrecht geplant sind.

24

b)

Die Verwertung der Unterlagen der Klägerin für die Zulassung zugunsten der Beigeladenen widerspricht auch nicht den Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes.

25

Eine Verletzung der Vorschrift des §30 VwVfG - wie dies die Klägerin rügt - hat zur Voraussetzung, daß Geheimnisse eines Verfahrensbeteiligten von der Behörde unbefugt "offenbart" werden. Der Begriff des "Offenbarens" setzt eine "Mitteilung an einen Dritten voraus, dem das Geheimnis noch nicht bekannt ist" (Stelkens/Bonk/Leonhardt, Verwaltungsverfahrensgesetz, 2. Aufl., §30, Rz. 7; Knack, VwVfG, 1976, zu §30, Rz. 3.3). Daran fehlt es hier. Denn Dritten, d.h. Behördenaußenstehenden - insbesondere der Beigeladenen - hat die Beklagte die von der Klägerin im Rahmen des Zulassungsverfahrens vorgelegten Unterlagen nicht zur Kenntnis gebracht. Die der Klägerin erteilte Zulassung als solche für das Pflanzenbehandlungsmittel "Terabol" war der Beigeladenen - wie sich aus ihrem Zulassungsantrag vom 11. Februar 1982 ergibt - bekannt.

26

Der Zulassungsbescheid ist auch nicht - wie die Klägerin meint - sittenwidrig und damit nichtig.

27

Gemäß §44 Abs. 1 VwVfG ist ein Verwaltungsakt nichtig, wenn und soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommender Umstände offenkundig ist. Nichtigkeit ist insbesondere dann anzunehmen, wenn ein Verwaltungsakt gegen die guten Sitten verstößt (§44 Abs. 2 Ziff. 6 VwVfG). Dabei ist Sittenwidrigkeit definiert als ein Widerspruch zu den Mindestanforderungen anständigen und redlichen Verhaltens (Kopp, VwVfG, 3. Aufl., §44, Rz. 49). Ein solches Verhalten der Beklagten liegt hier offensichtlich nicht vor.

28

c)

Schließlich verstößt die ohne Zustimmung der Klägerin vorgenommene Verwertung ihrer Unterlagen auch nicht gegen Bestimmungen des Grundgesetzes.

29

(1)

Eine Verletzung der durch Art. 12 GG garantierten Freiheit der Berufsausübung der Klägerin liegt nicht vor.

30

Zwar ist Art. 12 GG, obwohl er dem Wortlaut nach (Berufsfreiheit) einen personalen Zuschnitt hat, grundsätzlich auch auf juristische Personen des Privatrechts - wie die Klägerin - anwendbar (Maunz in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz, Art. 12, Rz. 8). Zweifelhaft ist aber schon, ob die gegebene Verminderung der Wettbewerbsposition, der Klägerin dem Schutzbereich dieser Vorschrift unterfällt. Denn Art. 12 GG schützt den Erwerb, die Betätigung selbst. Das, was erworben ist, also das Ergebnis der Betätigung, schützt Art. 14 GG (BVerfG, Beschl. vom 16.3.1971, 1 BvR 52 u.a./66, BVerfGE 30, 292, 334 f.; vgl. auch: Gubelt in: von Münch (Herausgeber), GG, Bd. 1, 2. Aufl., Art. 12, Rz. 93). - Der Klägerin geht es um den Schutz ihrer Erkenntnisse, die sie im Rahmen der Zulassung des Mittels "Terabol" erworben hat, und die sie, um die Zulassung zu erreichen, an die Beklagte weitergeben mußte. Da sie damit den Schutz etwas bereits Erworbenen begehrt, hat die Kammer Bedenken, ob der Schutzbereich des Art. 12 GG hier überhaupt berührt wird. Dies kann aber im Ergebnis offenbleiben.

31

Denn auch wenn man eine Berührung des Schutzbereiches dieses Artikels unterstellt, so kommt den entsprechenden Bestimmungen allenfalls der Charakter einer reinen Berufsausübungsregelung zu. Die Freiheit der Berufsausübung kann der Gesetzgeber jedoch gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG beschränken, wenn vernünftige und sachgerechte Erwägungen des Gemeinwohls dies rechtfertigen (Gubelt in: von Münch (Herausgeber), a.a.O., Art. 12, Rz. 37; Leibholz/Rinck, GG, 6. Aufl., Art. 12, Anm. 8 - jeweils unter Hinweis auf die sogenannte "Stufentheorie" des Bundesverfassungsgerichts - vgl. BVerfGE 7, 377 [BVerfG 11.06.1958 - 1 BvR 596/56]). Vernünftige und sachgerechte Erwägungen des Gemeinwohls sprechen dafür, von dem Zweitanmelder Unterlagen nicht in dem Umfange zu verlangen, wie sie vom Erstanmelder zu fordern sind. Diese Gründe ergeben sich aus den Prinzipien der Volksgesundheit, dem Tierschutzgesetz, dem Umweltschutz und dem Übermaßverbot.

32

Das Pflanzenschutzgesetz dient auch dem Schutz der Volksgesundheit (vgl. §1 Abs. 1 Ziff. 4 PflSchG). Bei diesem Rechtsgut handelt es sich um ein in jedem Falle zu beachtendes wichtiges Gemeinschaftsgut (BVerfG, Beschl. vom 18.10.1966, 2 BvR 386, 478/63, BVerfGE 20, 283, 295). Könnte die Zulassungsbehörde nicht auf Kenntnisse - vor allem bezüglich möglicher Gesundheitsgefährdungen - zurückgreifen, die ihr im Rahmen des Zulassungsverfahrens des Erstanmelders bekanntgeworden sind, 30 bestände die Gefahr, daß Risiken für die Gesundheit der Pflanzenschutzmittelanwender und der Verbraucher der behandelten Pflanzen nicht erkannt würden. Der Schutz der Volksgesundheit gebietet es deshalb dringend, daß die Zulassungsbehörde auf die bereits vorhandenen Erkenntnisse zurückgreifen kann.

33

Wäre der Zweitanmelder gezwungen, nochmals alle vom Erstanmelder bereits vorgelegten Unterlagen einzureichen, so würden damit auch die Belange des Tierschutzes gefährdet. Denn es wären dann häufig vom Zweitanmelder erneut Tierversuche durchzuführen. Dies stünde aber mit den Regelungen des Tierschutzgesetzes nicht im Einklang, denn gemäß §9 Abs. 1 Ziff. 1 des Tierschutzgesetzes vom 24. Juli 1972 (BGBl. I, S. 1277), zuletzt geändert durch Art. 37 des Zuständigkeitsanpassungsgesetzes vom 18.3.1975 (BGBl. I, S. 705), sind Tierversuche "auf das unerläßliche Maß zu beschränken". Dadurch hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, daß Tieren nicht ohne vernünftigen Grund vermeidbare Schmerzen, Leiden oder Schäden zugefügt werden dürfen (BVerfG, Beschl. vom 20.6.1978, 1 BvL 14/77, BVerfGE 48, 376, 389; vgl. auch §9 Abs. 1 Ziff. 3 Tierschutzgesetz). Dies wäre aber der Fall, wenn man den Zweitanmelder zwingen würde, erneut Tierversuche vorzunehmen. Die wirtschaftlichen Interessen des Erstanmelders rechtfertigen diese jedenfalls nicht.

34

Aus den vom Zweitanmelder vorzunehmenden Versuchen dürften sich auch Umweltbelastungen ergeben, die ebenfalls auf ein Mindestmaß zu baschränken sind.

35

Letztlich spricht auch das Verhältnismäßigkeitsprinzip für die von der Klägerin bekämpfte Regelung. Dieser aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Grundsatz fordert u.a., daß die Behörde das "mildeste" Mittel wählt, um die Zwecke, die sie zu wahren hat, zu erreichen. Gegen dieses Gebot würde die Beklagte verstoßen, wenn sie vom Zweitanmelder erneut die Vorlage sämtlicher Unterlagen fordern würde. Die der Zulassungsbehörde vom Pflanzenschutzgesetz auferlegten Pflichten können nämlich auch erfüllt werden, indem sie auf vorhandene, auf Unterlagen des Erstanmelders basierenden, Erkenntnisse zurückgreift.

36

(2)

Die Verwertung der Unterlagen der Klägerin im Rahmen des Zulassungsverfahrens der Beigeladenen für das Pflanzenschutzmittel ... verstößt auch nicht gegen Art. 14 Abs. 1 GG. Der Schutzbereich dieses Grundrechts wird nicht berührt.

37

Gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG wird der Inhalt des Eigentums durch die Gesetze bestimmt. Dabei wirken bürgerliches Recht und öffentlich-rechtliche Gesetze gleichrangig zusammen (BVerfG, Beschl. vom 15.7.1981, 1 BvL 77/78, NJW 1982, S. 745, 749). Somit ergeben sich Gegenstand und Umfang des durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG garantierten Bestandsschutzes des Eigentums aus der Gesamtheit der verfassungsmäßigen Gesetze. Wie bereits in den Ausführungen zu Art. 12 GG dargelegt, folgt sowohl aus dem Pflanzenschutzgesetz und dem Tierschutzgesetz als auch aus dem Verfassungsrang genießenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, daß Unterlagen des Erstanmelders bei der Prüfung eines anderen Antrages eines Zweitanmelders verwertet werden müssen. Gegen diese Bestimmungen bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Damit konkretisieren sie in zulässiger Weise, was Inhalt des Eigentums des Erstanmelders an den von ihm vorgelegten Unterlagen ist. Die Verwertung dieser Unterlagen durch die Beklagte bei einer Zweitzulassung berührt damit den Inhalt des Eigentums des Erstanmelders nicht.

38

Aber auch wenn man auf ein möglicherweise gegebenes "geistiges Eigentum" der Klägerin an den gefundenen Ergebnissen abstellen würde, wäre der Schutzbereich des Art. 14 GG nicht berührt. Denn das "geistige Eigentum", d.h. das "Eigentum" an immateriellen Rechtsgütern, ist, selbst nicht vom Schutzbereich des Art. 14 GG umfaßt, sondern nur die sich daraus ergebenden vermögenswerten Befugnisse (BVerfG, Beschl. vom 15.1.1974, 1 BvL 5, 6, 9/70, BVerfGE 36, 281, 291). Ein Eingriff in die aus den eingereichten Unterlagen sich ergebenden vermögenswerten Befugnisse liegt jedoch nicht vor. Grundsätzlich sind zwar auch die vermögenswerten Befugnisse des Urhebers an seinem Werk dem Schutzbereich des Art. 14 GG unterstellt (BVerfG, Beschl. vom 15.1.1974, a.a.O., S. 290 f.). Eine Schutzbereichsverletzung ist aber dann nicht gegeben, wenn staatliches Handeln nur als Reflex auf das Rechtsgut ausstrahlt (Maunz in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 14, Rz. 32). - So verhält es sich hier. Denn die Benutzung der von der Klägerin vorgelegten Ergebnisse wirkt sich nicht unmittelbar auf die vermögenswerten Befugnisse aus dem Urheberrecht aus, sondern berührt sie nur reflexartig. Bei dem bezüglich der Beigeladenen angewandten Zulassungsverfahren handelt es sich um die Lockerung einer Zulassungsschranke. Diese Zulassungsschranke ist - wie sich aus den §§7 Abs. 3 Ziff. 8, 8 i.V.m. §1 Abs. 1. PflSchG ergibt - zum Schutz der Allgemeinheit errichtet worden. Die Lockerung einer allein dem Schutz der Allgemeinheit dienenden Zulassungsschranke kann aber nicht gegen Rechte Dritter, auch nicht gegen Rechte bereits Zugelassener, verstoßen (OVG Münster, Urt. vom 1.2.1980, 13 A 1509/79, NJW 1980, S. 2323, 2324).

39

(3)

Die Verwertung der Ergebnisse des Erstanmelders stellt schließlich auch keine Verletzung des allgemeinen. Gleichheitsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) dar.

40

Artikel 3 GG beinhaltet ein Willkürverbot, d.h. er gebietet, weder wesentlich Gleiches willkürlich ungleich, noch wesentlich Ungleiches willkürlich gleichzubehandeln. Eine willkürliche Ungleichbehandlung vom wesentlich Gleichem liegt dann nicht vor, wenn sachliche Gründe für die Ungleichbehandlung gegeben sind. Diese sachlichen Gründe für eine Ungleichbehandlung von Erst- und Zweitanmeldern ergeben sich - wie dargelegt - aus Gründen der Volksgesundheit, des Umwelt- und Tierschutzes und des Übermaßverbotes.

41

Die Klage ist daher mit der Kostenfolge aus §154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §167 Abs. 2 VWGO.

42

III.

Gegen dieses Urteil ist die Berufung an das Oberverwaltungsgericht in Lüneburg statthaft. Sie ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils beim Verwaltungsgericht in Braunschweig schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb dieser Frist beim Oberverwaltungsgericht eingeht.

gez. Dr. Riemann
gez. Büschen
gez. Grell