Landgericht Aurich
Beschl. v. 21.10.1988, Az.: 3 T 226/88

Bibliographie

Gericht
LG Aurich
Datum
21.10.1988
Aktenzeichen
3 T 226/88
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1988, 25126
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
AG Norden - 08.09.1988 - AZ: 9 M 1232/88

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin gegen den Beschluß des Amtsgerichts Norden vom 08.09.1988 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

[Grunde]

1

Die Gläubigerin hat den Gerichtsvollzieher mit der Zwangsvollstreckung aus dem vorläufig vollstreckbaren Urteil des Landgerichts Aurich - 4 0 1424/87 - beauftragt, worin der Gläubigerin nachgelassen ist, die Sicherheit durch eine Bankbürgschaft zu erbringen. Das Original der Bürgschaftsurkunde - die Bürgschaft erlischt mit der Rückgabe der Bürgschaftserklärung - ist von den Prozeßbevollmächtigten der Gläubigerin gem. § 198 ZPO den Prozeßbevollmächtigten der Schuldnerin zugestellt worden.

2

Der Gerichtsvollzieher hat die Durchführung des Vollstreckungsauftrages von der Vorlage der Bürgschaftsurkunde in öffentlicher oder öffentlich beglaubigter Form abhängig gemacht. Hiergegen richtet sich die Vollstreckungserinnerung der Gläubigerin vom 02.09.1988, die das Amtsgericht durch Beschluß vom 08.09.1988, der Gläubigerin zugestellt am 14.09.1988, zurückgewiesen hat. Auf diesen Beschluß wird verwiesen.

3

Gegen diesen Beschluß richtet sich die sofortige Beschwerde der Gläubigerin vom 14.09.1988, beim Amtsgericht eingegangen am 15.09.1988. Die sofortige Beschwerde ist gem. § 793 ZPO zulässig, jedoch unbegründet. Gem. § 751 Abs. 2 ZPO darf der Gerichtsvollzieher mit der Zwangsvollstreckung nur beginnen, wenn die Sicherheitsleistung durch eine öffentlich beglaubigte Urkunde nachgewiesen und eine Abschrift dieser Urkunde bereits zugestellt ist oder gleichzeitig zugestellt wird. Da im vorliegenden Fall das Erlöschen der Bürgschaft von der Rückgabe der Originalbürgschaftsurkunde abhängt, muß die Originalurkunde zugestellt werden, damit verhindert wird, daß die Bürgschaft vorzeitig ohne und gegen den Willen der sicherungsberechtigten Schuldnerin durch Rückgabe der Originalurkunde erlischt. Das Zustandekommen des Bürgschaftsvertrages muß in der Form einer öffentlichen oder öffentlich beglaubigten Urkunde nachgewiesen werden (Zöller, ZPO, 15. Aufl., § 751 Rdnr. 6). Diese Voraussetzung ist durch die Vorlage des Empfangsbekenntnisses über die nach § 198 ZPO erfolgte Zustellung der Bürgschaftsurkunde von Anwalt zu Anwalt nicht erfüllt (vgl. Zöller a.a.O., § 108 Rdnr. 11, Stein-​Jonas ZPO, 20. Aufl., § 108 Rdnr. 21, Probst, Anwbl. 76, 288, LG Landau MDR 59, 930 [LG Landau 08.07.1959 - T 29/59]; anderer Ansicht: Baumbach-​Lauterbach-​Hartmann, ZPO, 46 Aufl., § 108 Anm. 3, OLG Frankfurt, MDR 78, 490 m.w.N., LG Aachen, Rpfl. 83, 31). Das Zustandekommen des Bürgschaftsvertrages setzt voraus, daß die Bürgschaftserklärung der Sicherungsberechtigten zugeht, wobei die Bürgschaftserklärung auch dann als zugegangen gilt, wenn sie durch die Vermittlung eines Gerichtsvollziehers zugestellt worden ist, § 132 Abs. 1 S. 1 BGB. Die Zustellung ohne Mitwirkung des Gerichtsvollziehers ersetzt mithin nicht den Zugang der Bürgschaftserklärung. Der Nachweis der Erbringung der Sicherheitsleistung - das Zustandekommen des Bürgschaftsvertrages -ist nicht erbracht. Auf die Frage, ob das Empfangsbekenntnis in seiner Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde gleichzustellen ist (vgl. OLG München, OLGZ 65, 292, 294) kommt es insoweit nicht an.

4

Die Gegenauffassung (OLG Frankfurt a.a.O., LG Aachen a.a.O.) hält die Zustellung von Anwalt zu Anwalt in Fällen der vorliegenden Art für zulässig, weil die Leistung der Prozeßbürgschaft als "ein durch die gerichtliche Anordnung erzwungener Vertrag" einen eigenen Charakter habe. Die Leistung der Prozeßbürgschaft erschöpfe sich nicht in dem Abschluß des Bürgschaftsvertrages, sie gehöre auch zum Prozeßbetrieb, in dem weitere Formen der Zustellung möglich seien. Ferner entspräche es einem Bedürfnis der Praxis, die Zustellung gemäß § 198 ZPO zuzulassen.

5

Dieser Gegenauffassung vermag die Kammer nicht zu folgen. Die gerichtliche Zulassung der Bürgschaft als Sicherheit ersetzt allein die Annahme der Bürgschaftserklärung durch den Sicherheitsberechtigen (Stein-​Jonas a.a.O., Rdnr. 22), d.h., der Sicherheitsberechtigte muß die Bürgschaft annehmen. Die gerichtliche Anordnung der Annahme befreit jedoch nicht davon, daß die Bürgschaftserklärung dem Sicherungsberechtigten zugehen muß. Die Wirksamkeit des Zugangs ist jedoch eine Frage des materiellen Rechts, § 116 f. BGB, die von den Regelungen des Prozeßrechts unberührt bleibt.

6

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

7

Der Beschwerdewert wird auf 33.055,61 DM festgesetzt.