Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 15.10.2012, Az.: 2 W 58/12

Befangenheit eines Richters bzgl. der Einholung eines Sachverständigengutachtens i.R.v. Mängeln an einer Tiefgaragenrampe

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
15.10.2012
Aktenzeichen
2 W 58/12
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2012, 26120
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:2012:1015.2W58.12.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Aurich - 19.09.2012 - AZ: 2 O 327/11

In der Beschwerdesache
G... G... L... mbH, vertreten durch den Geschäftsführer ....,
Beklagte und Berufungsklägerin,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte ...
Geschäftszeichen: ..........
gegen
...
W...,
Klägerin und Beschwerdegegnerin,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte ...
Geschäftszeichen: .............
Beteiligte:
1. Firma ...
2. Architekten ....,
3. B...P..., handelnd unter ....,
4. ..., vertreten durch die Geschäftsführer ...,
Streitverkündete,
Prozessbevollmächtigter zu 1, 2, 3:
Rechtsanwalt ...,
Geschäftszeichen: ............
Prozessbevollmächtigte zu 4:
Rechtsanwälte ....,
Geschäftszeichen: ......................
hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg durch den ..............................., den ..............................und die .............................
am 15. Oktober 2012
beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten hin wird der Beschluss des Landgerichts Aurich vom 19.9.2012. aufgehoben. Der Richter am Landgericht K.... wird für befangen erklärt.

Gründe

1

I. Mit der sofortigen Beschwerde wendet sich die Beklagte gegen die Ablehnung ihres Befangenheitsantrags gegen den Einzelrichter des Landgerichts K...

2

In dem Verfahren, in dem die Klägerin Werklohn einklagt, streiten die Parteien darum, ob eine Tiefgaragenrampe Unebenheiten aufweist, die außerhalb der zulässigen Toleranzen liegen. Die Beklagte beruft sich zum Beweis hierfür auf sachverständiges Zeugnis ihres Privatgutachters B... und auf Sachverständigengutachten.

3

Mit Beweisbeschluss vom 21.12.2011 (Bl. 129) hat das Gericht die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur der Frage, ob

"die Gussasphaltoberfläche der Rampen der Tiefgarage ..... Mängel in der Ebenheit der Fahrbahnoberflächen aufweist, weil diese nicht entsprechend den maßgeblichen technischen Normen und den sonstigen Regeln der Technik erstellt wurden und größere Abweichungen von der Ebenheit .... aufweisen, als nach den anerkannten Regeln der Technik ... hinzunehmen ist", angeordnet.

4

Die Beklagte zahlte den angeforderten Vorschuss von 2.000 €. Mit Beschluss vom 17.2.2012 wurde Dipl.-Ing. S....... als Sachverständiger ernannt. Nachdem der Sachverständige S..... mitgeteilt hatte, er werde für die Bearbeitung ca. 6 Monate benötigen, die Kosten betrügen ca 3.000 €, gab das Landgericht der Beklagten mit Schriftsatz vom 29.2.2012 auf, einen weiteren Vorschuss von 1.000 € binnen 3 Wochen einzuzahlen. Mit Schreiben vom 26.3.2012 erinnerte das Gericht die Beklagte an diese Pflicht. Mit Beschluss vom 3.5.2012 setzte das Gericht der Beklagten gem. § 356 ZPO eine Frist für die Einzahlung bis zum 21.5.2012 und kündigte an, die Akten zurückzufordern, wenn bis dahin keine Zahlung eingegangen sei.

5

Mit einem am 15.5.12 bei dem Landgericht eingegangenen Schriftsatz regte die Streitverkündete zu 4) an, den Sachverständigen S....... durch den Sachverständigen T.......... zu ersetzen. Dieser habe erklärt, das Gutachten ohne weiteres noch vor den Sommerferien erstellen und mit Kosten von ca. 1.200,- € erstellen zu können. Mit Verfügung vom 24.5.12 übersandte das Landgericht diesen Schriftsatz allen Beteiligten mit der Gelegenheit zur Stellungnahme binnen einer Woche. Bis auf die Klägerin stimmten die übrigen Beteiligten einem Wechsel des Sachverständigen zu.

6

Mit Verfügung vom 7.6.2012 und am 19.06. telefonisch forderte das Gericht die Akte vom Sachverständigen zurück. Mit Verfügung vom 25.6.2012 wurde Termin auf den 6.9.12 anberaumt, zu dem nur die Prozessbevollmächtigten geladen wurden. Zugleich wies das Gericht darauf hin, dass es die Akte unerledigt zurückgefordert habe, weil der weitere Vorschuss nicht gezahlt worden sei und die Klägerin einer Auswechslung des Sachverständigen nicht zugestimmt habe. Am 27.6.12 zahlte die Beklagte den Vorschuss ein. Das Gericht teilte daraufhin mit Verfügung vom 2.7.12 den Parteien mit, dass die Akte nicht an den Sachverständigen übersandt werde, weil dieser das Gutachten offenkundig nicht bis zum Termin erstatten könne. Mit Verfügung vom 6.7.12 lehnte es die Aufhebung des Verhandlungstermins ab.

7

Mit Schriftsätzen vom 9.7.12, 16.7.12 und 18.7.12 wies die Beklagte auf ihren Beweisantritt " sachverständiges Zeugnis B........" hin sowie darauf, dass bis zum Termin ein Gutachten durch T... erstellt werden könne. Mit Verfügung vom 16.7.12 fragte das Gericht beim Sachverständigen S............ an, der mit Schreiben vom 29.7.12 erklärte, das Gutachten werde voraussichtlich 2 Monate Bearbeitungszeit benötigen. Das Gericht teilte darauf mit, eine Einholung des Gutachtens bis zum Termin sei nicht möglich.

8

Im Termin vom 6.9.2012 hörte das Gericht den sistierten Zeugen B.....nicht. Die Beklagte stellte daraufhin einen Befangenheitsantrag gegen den Einzelrichter. Dieser erklärte in seiner dienstlichen Stellungnahme, er fühle sich nicht befangen und könne auch keine unsachgemäße Verfahrensführung erkennen. Das Landgericht hat den Befangenheitsantrag mit Beschluss vom 19.9.2012 zurückgewiesen.

9

II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig und gem. § 42 Abs. 2 ZPO begründet. Es liegt ein Grund vor, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Die Verfahrensführung des Richters ist in mehrfacher Hinsicht zu beanstanden und aus der Sicht der Beklagten insgesamt geeignet, Zweifel an seiner Unparteilichkeit zu wecken.

10

Der Richter hätte zunächst nicht wegen Versäumung der Frist zur Zahlung des Vorschusses die Akte vom Sachverständigen zurückfordern und Termin anberaumen dürfen. Zwar war der Vorschuss nicht fristgemäß eingezahlt worden. Die Beklagte durfte aber davon ausgehen, dass dies unschädlich war. Da ihr der Vorschlag der Streitverkündeten zu 4), den Sachverständigen S.... gegen den Sachverständigen T... auszutauschen, vom Gericht zur Stellungnahme zugeleitet worden war, durfte sie davon ausgehen, dass das Gericht ungeachtet der bereits verstrichenen Frist einen solchen Austausch in Betracht zog, und dass dann die Einzahlung eines weiteren Vorschusses entbehrlich sein würde. Das Gericht hätte deshalb, nachdem es sich gegen einen Wechsel des Sachverständigen entschieden hatte, der Beklagten eine erneute Frist zur Zahlung des Vorschusses setzen müssen.

11

Weiter ist zu beanstanden, dass das Gericht nach der Einzahlung sich nicht um die Erstattung eines Gutachtens bemüht hat. Wie das Schreiben des Sachverständigen S... vom 29.07.12 zeigt, wäre die Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen bis zum Termin möglich gewesen. Zudem war, worauf die Beklagte zutreffend hingewiesen hat, davon auszugehen, dass jedenfalls der Sachverständige T.... rechtzeitig ein Gutachten hätte erstellen können, so dass jedenfalls nunmehr dessen Beauftragung in Betracht zu ziehen war. Schließlich wäre auch in Betracht gekommen, einen der Sachverständigen - S............ oder T.... - im Termin ein mündliches Gutachten erstatten zu lassen.

12

Nicht nachvollziehbar ist zudem, warum der von der Beklagten benannte Zeuge B...............nicht geladen und, als er sistiert worden war, nicht vernommen worden ist. Die Beklagte hat diesen von Anbeginn an als weiteres Beweismittel für ihre Behauptung, es lägen über die zulässigen Toleranzen hinausgehende Ebenheitsabweichungen vor, benannt. Weder dem Protokoll noch der dienstlichen Erklärung des Richters lässt sich entnehmen, warum er diesem Beweisantritt nicht nachgegangen ist. Die Mutmaßung im Beschluss vom 19.9.12, die Unebenheiten als solche seien unstreitig oder bereits von anderen Zeugen bekundet, widerspricht dem Umstand, dass mit dem Beweisbeschluss die Einholung des Sachverständigengutachtens auch zum "ob" der Vertiefungen angeordnet worden war, und nicht nur zu der Frage, ob die Vertiefungen als Mangel anzusehen seien.

13

Die Gesamtheit dieses prozessualen Vorgehens ist geeignet, auch bei einer vernünftigen Partei den Eindruck zu erwecken, hier solle das erstinstanzliche Verfahren in jedem Fall ohne weitere Beweiserhebung beendet werden, was notwendig die Klägerin bevorteilen würde.