Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 30.08.1984, Az.: 12 UF 95/84

Einstweilige Verfügung zur Sicherung des Zugewinnausgleichs; Anspruch auf Sicherheitsleistung nach § 1389 BGB; Leistungsverfügungen mit vorläufiger Erfüllungswirkung

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
30.08.1984
Aktenzeichen
12 UF 95/84
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1984, 10382
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:1984:0830.12UF95.84.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Hildesheim - 10.04.1984 - AZ: 39 F 161/83

Prozessführer

XXX

Prozessgegner

YYY

In der Familiensache
hat der 12. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle
auf die mündliche Verhandlung vom 16. August 1984
durch
die Richter ... und ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts - Familiengerichts - Hildesheim vom 10. April 1984 geändert.

Dessen einstweilige Verfügung vom 23. Dezember 1983 wird aufgehoben.

Der Antrag der Verfügungsklägerin auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

Die Verfügungsklägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand und Entscheidungsgründe

1

I.

Die Parteien sind seit 1943 verheiratet. Die Verfügungsklägerin hat Anfang 1983 Scheidungsantrag gestellt (ihrem Ehemann zugestellt am 04.03.1983). Gegenwärtig betreibt nicht sie, sondern nur noch der Ehemann das Scheidungsverfahren.

2

Beide Parteien sind jetzt Rentner. Sie haben während der Ehe in erheblichem Umfang Vermögen erworben. Wegen des gemeinschaftlichen (Grund-) Vermögens haben sie sich vor und während des Scheidungsverfahrens in der Weise auseinandergesetzt, daß jeder von ihnen Werte in Höhe von etwa 200.000,00 DM erhalten hat.

3

Die Verfügungsklägerin meint, ihr stehe darüber hinaus ein erheblicher Zugewinnausgleichsanspruch zu. Sie behauptet, der Verfügungsbeklagte habe ein Endvermögen in Form von Wertpapieren und anderen Geldanlagen in Höhe von 300.000,00 DM.

4

Sie hat die einstweilige Verfügung vom 23.12.1983 erwirkt. Darin ist dem Verfügungsbeklagten aufgegeben worden, der Verfügungsklägerin eine Sicherheitsleistung in Höhe von 150.000,00 DM zu erbringen. Diese ihr am 27.12.1983 zugestellte Verfügung ist im Wege der Privatzustellung dem Verfügungsbeklagten am 04.11.1984 zugestellt worden. Im Januar 1984 erwirkte die Verfügungsklägerin mit diesem Vollstreckungstitel verschiedene Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse, mit denen sie - zumeist geringfügige - Guthaben des Verfügungsbeklagten pfändete und sich überweisen ließ. Unter den gepfändeten Konten war auch das Konto, auf welchem die monatlichen Renten des Beklagten eingingen.

5

Das Amtsgericht hat mit dem angefochtenen Urteil seine einstweilige Verfügung bestätigt.

6

II.

Die hiergegen eingelegte Berufung des Verfügungsbeklagten hat Erfolg.

7

Die einstweilige Verfügung ist innerhalb der Monatsfrist nach § 929 ZPO vollzogen worden. Die hiergegen vom Verfügungsbeklagten erhobenen Bedenken greifen nicht durch. Zwar durfte die Verfügungsklägerin die Zwangsvollstreckung nicht auf dem von ihr eingeschlagenen Weg betreiben, weil sie keinen Vollstreckungstitel über eine Geldforderung (Zahlungstitel) hatte. Vielmehr hätte sie gemäß § 887 ZPO den für die Vollstreckung vertretbarer Handlungen vorgesehenen Weg beschreiten müssen. Für die Frage, ob eine einstweilige Verfügung rechtzeitig vollzogen worden ist, kommt es im vorliegenden Fall jedoch nicht darauf an, ob rechtlich richtig, sondern ob überhaupt innerhalb der Monatsfrist vollzogen worden ist. Ein Fehler im Vollstreckungsverfahren muß mit den dort vorgesehenen Rechtsmitteln geltend gemacht werden.

8

Die einstweilige Verfügung hätte jedoch nicht erlassen werden dürfen. Nach Auffassung des Senats kann der Anspruch auf Sicherheitsleistung nach § 1389 BGB nicht im summarischen Verfügungsverfahren geltend gemacht werden. Ob ein Arrest möglich ist, ist hier nicht zu entscheiden. Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung auf seine grundsätzlichen Bedenken hingewiesen. Ein Antrag oder eine Anregung der Verfügungsklägerin, ihr Begehren auch unter dem Gesichtspunkt des Arrestes zu prüfen, ist unterblieben. Die im folgenden erörterten Bedenken bestehen allerdings gegenüber einem Arrest wegen der dort möglicherweise noch weiterreichenden Folgen für den Arrestschuldner zumindest in gleichem Maße.

9

Als Anspruch, der im Wege einstweiliger Verfügung nach §§ 935, 940 ZPO einstweilen gesichert werden soll, kommt nur der materielle Anspruch auf Sicherheitsleistung nach § 1389 BGB in Betracht. Der künftige Anspruch auf Zugewinnausgleich ist hingegen nicht in dieser Weise sicherungsfähig (vgl. Stein-Jonas-Grunsky, ZPO, 20. Aufl. § 935 Rz. 5, § 916 Rz. 11 m.w.N.). Weil das materielle Recht nur einen Anspruch auf Sicherheitsleistung gewährt, führt die Zulassung des Verfügungsverfahrens dazu, daß gerade dieser Anspruch vorläufig befriedigt wird. Dies ist nicht Sinn und Aufgabe des Verfügungsverfahrens, das grundsätzlich nur eine spätere Befriedigung des geltend gemachten Anspruchs sichern soll.

10

Allerdings sind im Wege richterlicher Rechtsfortbildung auf verschiedenen Gebieten sog. Leistungsverfügungen mit vorläufiger Erfüllungswirkung zugelassen worden (vgl. im einzelnen Stein-Jonas a.a.O. § 935 Rz 31 ff.; Bartholomeyczik, JZ 1965, 500 [OLG Hamburg 30.08.1963 - 1 U 36/63]). Die wohl herrschende Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum läßt unter diesem Gesichtspunkt auch für den Anspruch aus § 1389 BGB entweder das Arrest- oder das Verfügungsverfahren oder beides zu (z. B. Furtner, NJW 1965, 373 ff.; Ullmann, NJW 1971, 1294 ff.; Bartholomeyczik a.a.O.; OLG Hamburg, NJW 1964, 1078; Kammergericht FamRZ 1974, 310; BayObLG MDR 1975, 491; OLG Köln FamRZ 1983, 709 mit ausführlichen Nachweisen; OLG Celle, Urteil vom 26.01.1982 - 18 UF 75/81; zustimmend, soweit ersichtlich, die Kommentarliteratur zu § 1389 BGB z. B. Münchener Kommentar zum BGB, Gernhuber § 1389 Rz. 15; Palandt-Diederichsen, BGB, 43. Aufl. § 1389 Anm. 1).

11

Der Senat vermag sich dieser Auffassung nicht anzuschließen. Zwar hat sich die sog. Leistungsverfügung mit vorläufiger Erfüllungswirkung auf zahlreichen Gebieten als notwendig und sinnvoll erwiesen, so im Unterhaltsrecht, beim Besitzschutz, im gewerblichen Rechtsschutz und im Arbeitsrecht (vgl. dazu im einzelnen Stein-Jonas a.a.O. § 935 Rz. 31 bis 60). Mit diesen Fallgestaltungen kann der vorliegende Fall nicht gleichgesetzt worden. Dabei kann der Charakter einer Leistungsverfügung mit vorläufiger Erfüllung hier nicht etwa deshalb in Zweifel gezogen werden, weil es bei einer Verurteilung zur Sicherheitsleistung bleibt (vgl. OLG Köln a.a.O., OLG Celle 18. ZS.). Auch kann die schwächere Ausgestaltung des materiellen Anspruchs noch kein Anlaß sein, diesen Mangel durch eine großzügigere Handhabung des Verfahrensrechts auszugleichen.

12

Die oben angesprochenen Fallgestaltungen haben gemeinsam, daß entweder eine aktuelle Notlage zu beseitigen ist (so im Unterhaltsrecht) oder aber die Ablehnung einer einstweiligen Regelung im Verfügungsverfahren zumindest bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren oder gar überhaupt zur Schaffung endgültiger Verhältnisse zum Nachteil des Gläubigers führen kann (so z. B. im gewerblichen Rechtsschutz, im Arbeitsrecht, bei Fixgeschäften). Eine einstweilige Verfügung ist auch geeignet, die Schaffung endgültiger Verhältnisse zu verhindern und bis zur Entscheidung in der Hauptsache offen zu halten.

13

Um das mit weniger Rechtsschutzgarantien für den Schuldner ausgestattete Verfügungsverfahren mit der darauf beruhenden größeren Gefahr von Fehlentscheidungen in Kauf nehmen zu können, bedarf es mithin besonderer Gründe, die zugunsten des Gläubigers sprechen. Er muß auf die sofortige Erfüllung seines Anspruchs dringend angewiesen sein (vgl. Stein-Jonas a.a.O. § 935 Rz. 32, 54).

14

Es liegt auf der Hand, daß bei Streitigkeiten um den Zugewinnausgleich als Rechtfertigung für das summarische Verfügungsverfahren eine Notlage des Anspruchsgläubigers nicht in Betracht kommt. Auch der für andere Fallgruppen tragende Gesichtspunkt, daß der Anspruchsgläubiger ohne einstweilige Verfügung seinen Anspruch nicht mehr durchsetzen kann, reicht hier zur Rechtfertigung einer ausdehnenden Anwendung des Verfügungsverfahrens im Sinne der erwähnten richterlichen Rechtsfortbildung nicht aus, weil sonst die Interessen des angeblich Ausgleichsberechtigten unangemessen bevorzugt würden. Dies zeigt der vorliegende Fall besonders deutlich.

15

Obergrenze für die Sicherheitsleistung ist der mögliche bzw. wahrscheinliche Zugewinnausgleichsanspruch, maßgeblich ist jedoch der Umfang der Gefährdung (vgl. Erman-Heckelmann, BGB, Kommentar, 7. Aufl. § 1389 Rz. 5; Bartholomeyczik a.a.O.). Die für die Anspruchshöhe maßgeblichen Tatsachen zum eigenen Anfangs- und Endvermögen und zum Anfangs- und Endvermögen des Gegners brauchen im Verfügungsverfahren nicht bewiesen, sondern nur glaubhaft gemacht zu werden. Der Anspruchsgegner kann mithin zunächst zur Aufbringung von Sicherheiten in erheblichem höheren Umfang gezwungen werden, als letztlich vom Zugewinnausgleichs berechtigten bewiesen werden können. Denn spätestens im Zugewinnausgleichsverfahren muß er alle dazu erforderlichen Tatsachen beweisen. Hinzu kommt, daß der Zugewinnausgleich zwar aufgrund der Verhältnisse bei Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags berechnet wird, die spätere Vermögensentwicklung jedoch auch zu einer Verringerung des berechneten Ausgleichsanspruchs führen kann, weil es auf das bei Rechtskraft des Scheidungsausspruchs vorhandene Vermögen des Ausgleichsverpflichteten begrenzt ist (§ 1378 Abs. 2 BGB). Diese Gefahr, daß die vorläufige Sicherheit über das letztlich angestrebte Ziel noch hinausgeht, nämlich die Sicherung der Zwangsvollstreckung wegen des späteren Zugewinnausgleichsanspruchs (vgl. Furtner a.a.O.), wächst mit den beweisrechtlichen Erleichterungen des Verfügungsverfahrens. Gerade weil anerkannt ist, daß dieses eigentliche Ziel, den künftigen Zugewinnausgleich zu sichern, auf unmittelbarem Wege nicht erreicht werden kann (s.o.), geht es über eine sachlich gebotene Rechtsfortbildung hinaus, dieses Ergebnis unter Benutzung des schwächeren materiellen Anspruchs auf Sicherheitsleistung durch Erleichterung der verfahrensrechtlichen Anforderungen für den angeblich Ausgleichsberechtigten zu korrigieren.

16

Andererseits ist die einstweilige Verfügung gerade in Fällen der hier vorliegenden Art. praktisch kaum geeignet, zu der beabsichtigten Sicherung zu führen. Zwar kann eine einstweilige Verfügung in dringenden Fällen auch ohne vorherige Anhörung des Gegners erlassen werden. Dies gilt jedoch nicht für das sich hier anschließende Vollstreckungsverfahren nach §§ 887, 891 ZPO. Wenn also wirklich Umstände glaubhaft gemacht werden, die eine erhebliche Gefährdung des künftigen Ausgleichsanspruchs besorgen lassen, bietet die Dauer des Vollstreckungsverfahrens nach § 887 ZPO dem Schuldner gleichwohl, insbesondere bei angeblichem Geldvermögen wie hier, noch Gelegenheit, dieses Vermögen dem Zugriff des Ausgleichsberechtigten zu entziehen. Schließlich bieten auch die dem Gläubiger nach § 887 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO offenstehenden Möglichkeiten keine Gewißheit, wirklich eine tatsächliche Sicherheit durch den Gegner zu erhalten. Auch die Möglichkeit, wegen der vorausgezahlten Kosten, die durch die Vornahme der Handlung entstehen, einen Zahlungstitel gegen den Schuldner zu erhalten, setzt für die weitere Vollstreckung die Feststellung von Vermögenswerten beim Schuldner voraus. Je größer also die vom Anspruchsgläubiger glaubhaft gemachte Gefährdung ist, um so geringer sind seine Aussichten, mit einer einstweiligen Verfügung auch zu einem praktischen Erfolg zu kommen.

17

Der Senat hält auch nicht für angebracht, gerade in besonders streitig geführten Scheidungsverfahren die Verschärfung der vermögensrechtlichen Auseinandersetzung zu ermöglichen. Gerade wegen des ohnehin im Ehescheidungsverfahren vorhandenen Streitstoffs und der dahinterstehenden persönlichen Entfremdung und Auseinandersetzung läßt sich nicht wie in den anderen zur sog. Leistungsverfügung erwähnten Fallgruppen mit der auch hier zu verlangenden Eindeutigkeit feststellen, daß die Interessen des angeblich Ausgleichsberechtigten an einer einstweiligen Sicherung die Interessen des angeblich vermögenden Ausgleichsverpflichteten derart überwiegen, daß dafür die erheblich geringeren Rechtsschutzgarantien des Verfügungsverfahrens in Kauf genommen werden können.

18

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 10, 713 ZPO.