Amtsgericht Nordenham
Urt. v. 31.05.2007, Az.: 5 OWi 441 Js 59850/06 (587/06)
Verwertbarkeit einer Geschwindigkeitsmessung mittels Police-Pilot-System (PPS) nach einer Eichung des Gerätes vor einem Reifenwechsel von Winterreifen auf Sommerreifen; Wechsel von Winterreifen der Größe 185/65 R 15 auf Sommerreifen der Größe 205/60 R 15 und Beeinflussung einer Geschwindigkeitsmessung durch diesen Wechsel; Bußgeldzumessung bei einem Geschwindigkeitsverstoß
Bibliographie
- Gericht
- AG Nordenham
- Datum
- 31.05.2007
- Aktenzeichen
- 5 OWi 441 Js 59850/06 (587/06)
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2007, 40682
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGNOHAM:2007:0531.5OWI441JS59850.06.0A
Rechtsgrundlage
- § 17 OWiG
Fundstellen
- VRA 2008, 17
- VRR 2008, 37-38 (Volltext mit amtl. LS u. Anm.)
Verfahrensgegenstand
Verkehrsordnungswidrigkeit
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Eine Geschwindigkeitsmessung mittels Police-Pilot-System (PPS) ist auch dann verwertbar, wenn es nach einer Eichung des Gerätes zu einem Reifenwechsel von Winterreifen auf Sommerreifen gekommen ist und die nach der Gebrauchsanweisung für diesen Fall vorgesehene Neueichung unterblieben ist.
- 2.
Steht fest, dass der Reifenwechsel das Messergebnis nicht zuungunsten des Betroffenen beeinflusst haben kann, ist kein höherer Toleranzabzug als von 5% angezeigt. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn die Sommerreifen einen größeren Umfang als die Winterreifen aufweisen (hier: Wechsel von Winterreifen der Größe 185/65 R 15 auf Sommerreifen der
Größe 205/60 R 15 )
Das Amtsgericht Nordenham - Abteilung für Bußgeldsachen - hat
in der Sitzung vom 31.05.2007, an der teilgenommen haben:
Richter am Amtsgericht Fischer als Richter in Bußgeldsachen
Rechtsanwalt F. als Verteidiger -
gemäß §§ 46 Abs. 1 OWiG, 226 Abs. 2 StPO wurde von der Hinzuziehung eines Urkundsbeamten der Geschäftsstelle abgesehen -
für Recht erkannt:
Tenor:
Gegen den Betroffenen wird wegen vorsätzlichen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaft um 48 km/h ein Bußgeld von 150 Euro festgesetzt.
Ferner wird ein Fahrverbot von einem Monat verhängt.
Das Fahrverbot wird wirksam, sobald der Führerschein nach Rechtskraft des Urteils in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von 4 Monaten ab Rechtskraft des Urteils.
Der Betroffene trägt die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen.
Angewendete Vorschriften: §§ 3 Abs. 3 Ziffer 2c), 49 Absatz 1 Ziffer 3 StVO; 24, 25 StVG.
Gründe
I.
Der Betroffene ist von Beruf Zahnarzt mit geregeltem Einkommen. Das Verkehrszentralregister weist folgende Eintragungen auf:
Am 19. Juli 2004 verhängte die Bußgeldbehörde der Stadt Reutlingen gegen den Betroffenen ein Bußgeld von 50 Euro, weil er die zulässige Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 23 km/h überschritten hatte. Die Entscheidung ist seit dem 23.08.2004 rechtskräftig.
Am 13.10.2004 verhängte die Bußgeldbehörde des Märkischen Kreises in Iserlohn gegen den Betroffenen ein Bußgeld von 60 Euro, weil er am 27.09.2004 die Vorfahrt eines bevorrechtigten Fahrzeuges missachtet hatte, so dass es zum Unfall kam.
Am 31.10.2004 verhängte die Bußgeldbehörde der Stadt Dortmund ein Bußgeld von 100 Euro und ein Fahrverbot von einem Monat, weil der Betroffene am 21. Juli 2004 die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 47 km/h überschritten hatte. Die Entscheidung ist seit dem 17. Januar 2005 rechtskräftig.
Am 11. Januar 2006 verhängte die Bußgeldbehörde der Stadt Hagen gegen den Betroffenen ein Bußgeld von 54 Euro, weil dieser die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 21 km/h überschritten hatte. Die Entscheidung ist seit dem 02.02.2006 rechtskräftig.
II.
Nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung steht folgendes fest:
Am 06. Juni 2006 befuhr der Betroffene um 13.32 Uhr im Landkreis Wesermarsch, Stadland, die Bundesstraße 212 mit seinem Pkw Audi, .... Obwohl er wusste, dass die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 100 km/h begrenzt war, führte er sein Fahrzeug vor der Anschlussstelle Rodenkirchen in Richtung Brake mit einer Geschwindigkeit von 148 km/h, was er billigend in Kauf nahm.
III.
Der Betroffene hat zugestanden, das Fahrzeug geführt zu haben. Er sei auch schneller als 100 km/h gefahren, allenfalls aber 126 km/h, möglicherweise auch 140 km/h, keinesfalls aber schneller.
Sofern diese Einlassung im Widerspruch zu den getroffenen Feststellungen steht, ist sie hingegen durch die Beweisaufnahme widerlegt.
1.
Der Betroffene hat die zulässige Höchstgeschwindigkeit um 48 km/h überschritten.
a)
Der Zeuge L. hat überzeugend ausgesagt, er sei dem Betroffenen mit einem Messfahrzeug hinterher gefahren, in dem das Geschwindigkeitsmessgerät "PPS" Police Pilot System" installiert worden sei. Er sei dem Fahrzeug schon vom Bremerhaven aus gefolgt und habe u.a. zwei Geschwindigkeitsmessungen durchgeführt, die einen angezeigten Wert von 146 km/h statt der zugelassenen 120 km/h und von 133 km/h statt zulässiger 100 km/h ergeben hätten. Nachdem man nach Durchfahrt des Wesertunnels auf die B 212 gestoßen sei, habe der Betroffene aufgrund des Verkehrsaufkommens eine zeitlang langsamer fahren müssen, sein Fahrzeug nach der Auffahrt auf die B 212 aber erheblich beschleunigt, wo eine zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h gelte. Er habe deshalb das Messgerät in Gang gesetzt und vor der Anschlussstelle Rodenkirchen eine Messstrecke von 575 Metern in 13,12 Sekunden durchfahren, wobei er nach Augenmaß darauf geachtet habe, dass sich der Abstand zwischen seinem Fahrzeug und dem Fahrzeug des vorausfahrenden Betroffenen nicht verringert habe. Er selbst sei auf das Messgerät geschult worden, er habe nämlich einen zweiwöchigen Lehrgang in Wenningsen absolviert. Das Fahrzeug sei auch geeicht gewesen. Dies gelte auch, wenn das Fahrzeug jetzt ein anderes Kennzeichen als zum Zeitpunkt der Eichung habe.
b)
Der Sachverständige S. hat unter Auswertung dieser Informationen und des angefertigten Videobandes überzeugend ausgeführt, auch nach seinen Feststellungen sei davon auszugehen, dass der Betroffene jedenfalls 148,00 km/h gefahren sei.
aa)
Der Umstand, dass das Fahrzeug nach Aussage des Zeugen L. von Winterreifen auf Sommerreifen umgerüstet worden sei, habe sich nicht zu Lasten des Betroffenen auswirken können. Allerdings sei tatsächlich nach den Bestimmungen der physikalisch, technischen Bundesanstalt eine Neueichung erforderlich, wenn ein polizeiliches Messfahrzeug von Winterreifen auf Sommerreifen umgerüstet werden müsse. Ausweislich der von ihm eingeholten telefonischen Auskunft des Dr. J. als Vorsitzenden der Bundesanstalt habe dies den Grund, dass bei Verwendung von Sommerreifen statt von Winterreifen der Tachometer des polizeilichen Messfahrzeuges voreile, also ein zu hohes Tempo aufzeige, wenn Reifen gleich großer Dimensionen verwendet würden. Aufgrund des dickeren Profils von Winterreifen gegenüber dem Profil von Sommerreifen könne in diesem Falle nicht ausgeschlossen werden, dass ein Sommerreifen einen geringeren Umfang als der Winterreifen habe, also bei gleicher Wegstrecke und gleichem Tempo mehr Umdrehungen anzeige, als wenn mit Winterreifen gefahren werde, so dass fälschlicherweise ein zu hohes Tempo angezeigt werde, wenn der Tachometer für die Verwendung von Winterreifen geeicht gewesen sei. Dr. J. habe ihm aber bestätigt, dass diese Gefahr ausgeschlossen sei, wenn die Sommerreifen im Vergleich zu den Winterreifen einen größeren Umfang aufwiesen. Tatsächlich sei es für diesen Fall an sich nicht nötig, eine Eichung durchzuführen. Eine solche Ausnahme sei jedoch in die Eichbestimmungen nicht aufgenommen worden, um diese nicht zu verwässern und klare und eindeutige Regelungen beizubehalten.
Der Sachverständige S. hat überzeugend ausgeführt, dass im vorliegenden Fall die Verwendung von Sommerreifen der Größe 205/60 R 15 im Vergleich zu der Verwendung von Winterreifen der Größe 185/65 R 15 dazu geführt habe, dass der Sommerreifen nach seinen Berechnungen auf eine Messstrecke von 500 m zwei Umdrehungen weniger als der kleinere Winterreifen gebraucht habe, mithin die Verwendung der Sommerreifen dazu geführt habe, dass der Tachometer des Messfahrzeugs eine geringere Geschwindigkeit als die tatsächlich gefahrene Geschwindigkeit angezeigt habe.
Damit steht fest, dass die unterlassene Eichung der Messeinrichtung keinerlei Auswirkungen auf das Messergebnis zu Lasten des Betroffenen haben konnte.
bb)
Das Gericht hat zu Gunsten des Betroffenen unterstellt, dass es während des Messvorganges zu einer Annäherung des Polizeifahrzeuges an das Fahrzeug des Betroffenen gekommen ist. Auch dies rechtfertigt hingegen keinen weiteren Toleranzabzug als von insgesamt 5 Prozent. Der Sachverständige hat überzeugend ausgeführt, dass auf der Grundlage der Feststellungen des von dem Betroffenen eingeschalteten Sachverständigen davon ausgegangen werden müsse, dass das Polizeifahrzeug auf der Messstrecke insgesamt 5 Prozent der Strecke aufgeholt habe. Dies entspreche bei großzügiger Berechnung zugunsten des Betroffenen dem Anteil der gemessenen Differenz von 2 mm zu 38 mm. Dann errechne sich - ohne Sicherheitsabschlag - immer noch eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 156,40 km/h.
c)
Damit war eine durchschnittlich gefahrene Geschwindigkeit von 148,95 km/h, abgerundet 148 km/h festzustellen.
2.
Der Betroffene handelte auch vorsätzlich. Aufgrund des Aussage des Zeugen L. steht fest, dass der Betroffene die zulässige Höchstgeschwindigkeit bereits vor dem Tatort zweimal erheblich überschritten hatte und sein Fahrzeug nach Auffahren auf die B 212 erheblich beschleunigte. Es ist ausgeschlossen, dass dies nur versehentlich erfolgte, zumal der Betroffene nach Aussage des Zeugen L. nach dem Anhalten nach Vorhalt des Vorwurfs erklärte, er könne sich gar nicht an die Tempogrenzen halten, weil sein Auto 340 PS habe.
IV.
Gemäß § 17 OWiG war es erforderlich, aber auch ausreichend, den Betroffenen mit einem Bußgeld von 150 Euro zu belegen. Zu seinen Lasten war zu berücksichtigen, dass er bereits einige Male gegen Geschwindigkeitsverstößen in Erscheinung getreten ist und in diesem Falle die Geschwindigkeitsüberschreitung billigend in Kauf genommen hat, also vorsätzlich gehandelt hat.
Angesichts dieser Umstände war es zur Einwirkung auf den Betroffenen zudem unerlässlich, ihn mit einem Fahrverbot von einem Monat zu belegen, da er die Tat unter grober Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat. Dass der Betroffene dadurch unzumutbar belastet sein könnte, ist nicht ersichtlich.
V.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 465 StPO, 46 Absatz 1 OWiG.
Richter am Amtsgericht