Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 02.02.1989, Az.: 3 L 39/89
Jagdsteuer; Eigenjagdbezirk; Jagdwert; Jagdrecht; Landwirtschaftlicher Betrieb; Aufwandssteuer; Verfassungsmäßigkeit
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 02.02.1989
- Aktenzeichen
- 3 L 39/89
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1989, 12774
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:1989:0202.3L39.89.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Hannover - 28.11.1986 - AZ: 8 VG A 190/84
- nachfolgend
- BVerwG - 18.01.1991 - AZ: BVerwG 8 C 24.89
Tenor:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung zur Jagdsteuer. Er ist Eigentümer des 103 ha großen nicht verpachteten Eigenjagdbezirks Rittergut Oelbergen in Auetal. Durch Bescheid vom 15. Mai 1984 zog der Beklagte ihn auf der Grundlage seiner Jagdsteuersatzung vom 18. April 1979 (Amtsblatt Regierungsbezirk Hannover Nr. 16 vom 27. 6. 1979) für die Zeit vom 1. April 1984 bis zum 31. März 1985 zur Jagdsteuer in Höhe von 61,80 DM heran. Der Berechnung legte der Beklagte gemäß § 4 Abs. 4 dieser Satzung einen Jagdwert zugrunde, den er durch Umrechnung von Jagdwerten gleichartiger verpachteter Jagdbezirke im Kreisgebiet ermittelt hatte. Den Widerspruch des Klägers wies der Beklagte durch Bescheid vom 24. Juli 1984 zurück.
Zur Begründung seiner Klage hat der Kläger die Auffassung vertreten, er sei nicht jagdsteuerpflichtig, weil er als Eigenjagdbesitzer die Jagd als Teil seines landwirtschaftlichen Betriebes selbst ausübe und mit dem Jagdrecht nach § 1 Abs. 1 Satz 2 BJagdG die Pflicht zur Hege verbunden sei. Die Ausübung der Jagd könne daher nicht als Vergnügen angesehen werden, so daß eine Besteuerung mit dem Sinn der Jagdsteuer als einer Aufwandsteuer unvereinbar sei. Würde die Jagd verpachtet, sei auch keine Jagdsteuer zu zahlen, da die Pachteinnahmen einkommenssteuermäßig zu behandeln seien, während der Pächter die Jagdsteuer zu tragen habe. Der Eigenjagdbesitzer werde unter Verletzung des Art. 3 GG ungleich behandelt.
Der Kläger hat beantragt,
die Bescheide vom 15. Mai und 24. Juli 1984 aufzuheben.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er weist darauf hin, daß nach § 2 Abs. 1 der Jagdsteuersatzung steuerpflichtig sei, wer das Jagdrecht ausübe. Nicht von Bedeutung für die Entstehung der Steuerpflicht sei, ob das Jagdrecht im Rahmen eines Jagdvergnügens oder aufgrund gesetzlich auferlegter Verpflichtungen zur Hege ausgeübt werde.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Gerichtsbescheid vom 28. November 1986 mit der Begründung abgewiesen, gegen die Erhebung der Jagdsteuer beständen keine verfassungsrechtlichen Bedenken, insbesondere verstoße ihre Erhebung nicht gegen Art. 3 GG. Es handele sich um eine örtliche Aufwandsteuer gemäß Art. 105 Abs. 2 a GG, die bundesgesetzlich geregelten Steuern nicht gleichartig sei. Ihre Erhebung sei nicht deswegen willkürlich, weil die Ausübung der Jagd nicht als Vergnügen angesehen werden könne, sondern aufgrund der gesetzlichen Regelung in § 1 BJagdG die Hege im Vordergrund stehe. Die Erhebung der Jagdsteuer bedeute nicht, daß die Jagdausübung als nicht wünschenswert oder vom Gesetzgeber als Luxus eingestuft würde. Zweck einer Steuererhebung sei die Erzielung von Einkünften. Die Belegung eines bestimmten Vorgangs mit einer Steuer besage nur, daß der Gesetzgeber sich dadurch Einnahmen für den allgemeinen Haushalt verspreche. Auch aus der Tatsache, daß die Jagdsteuer eine Aufwandsteuer darstelle, ergebe sich nicht, daß ihre Erhebung in der heutigen Zeit völlig unvertretbar und somit willkürlich wäre. Der Begriff der "Aufwandsteuer" besage nur, daß die Verwendung von Einkommen für bestimmte Tätigkeiten Anlaß für die Besteuerung sei, weil dadurch eine finanzielle Leistungsfähigkeit zum Ausdruck komme. Daß die Ausübung des Jagdrechts erhebliche finanzielle Aufwendungen erfordere, liege auf der Hand. Über die Einschätzung dieser Einkommensverwendung, insbesondere über eine Wertung als Luxus oder Vergnügen, besage die Steuererhebung dagegen nichts. Deshalb stehe auch die Tatsache, daß die Ausübung der Jagd mit zahlreichen Verpflichtungen und Beschränkungen verbunden sei und der Umweltschutz besondere Bedeutung gewinne, nicht im Widerspruch zur Belegung mit dieser Steuer. Auch im Hinblick auf die Situation der Eigenjagdbesitzer sei die Erhebung der Jagdsteuer nicht willkürlich. Dem Eigenjagdbesitzer werde durch die Verpflichtung zur Hege und den damit zwangsläufig hinzunehmenden Wildschäden kein Sonderopfer gegenüber den sonstigen Grundeigentümern oder den übrigen Jagdausübungsberechtigten auferlegt. Die somit grundsätzlich zulässige Erhebung der Steuer beruhe auf einer wirksamen Rechtsgrundlage. Die Jagdsteuersatzung vom 18. April 1979 sei ordnungsgemäß zustandegekommen und auch inhaltlich nicht zu beanstanden. Das gelte auch für die Regelung in § 4 der Satzung. Danach sei Steuermaßstab der Jagdwert. Dieser entspreche bei verpachteten Jagden dem Pachtpreis (Abs. 2). Die Anknüpfung an das Entgelt, das zur Erlangung des Jagdausübungsrechts zu entrichten sei, sei im Rahmen einer Aufwandsteuer sachlich gerechtfertigt. Denn das Entgelt stelle den wesentlichen Teil des Aufwandes dar, der typischerweise zur Erlangung des Jagdausübungsrechts aufgebracht werden müsse. Hinsichtlich der nicht verpachteten Jagden bestimme § 4 Abs. 4, daß der Jagdwert 75 v.H. des Wertes betrage, der sich aus den auf den Hektar umgerechneten Jagdwerten aller verpachteten gleichartigen Jagdbezirke im Kreisgebiet ergebe. Der Eigenjagdbesitzer, der das Jagdrecht selbst ausübe, wende zwar keinen Geldbetrag zur Erlangung des Jagdrechts auf, treibe jedoch finanziellen Aufwand zur Ausübung der Jagd, indem er das ihm durch das Eigentum vermittelte Recht selbst nutze. Auch diese Nutzung des eigenen Vermögens stelle eine Einkommensverwendung im Sinne des Aufwandsteuerbegriffs dar. Der vom Eigenjagdbesitzer betriebene Aufwand könne jedoch im Gegensatz zum Aufwand des Jagdpächters nur fiktiv und nicht konkret ermittelt werden. Da tatsächlich keine Geldbeträge aufgewendet würden, könne nur auf den vermeintlich aufzuwendenden Geldbetrag abgestellt werden. In diesem Zusammenhang sei es sachlich gerechtfertigt, an den für gleichgeartete verpachtete Jagden aufzubringenden Pachtpreis anzuknüpfen, der am ehesten Rückschlüsse auf den vom Eigenjagdbesitzer aufzubringenden finanziellen Aufwand zulasse. Da von diesem durchschnittlichen Pachtpreis nur 75 % angesetzt würden, habe der Satzungsgeber den Ungenauigkeiten, die sich aus der Unterschiedlichkeit der Aufwandsermittlung und dem Anknüpfen an Durchschnittspreise ergäben, in ausreichender Weise Rechnung getragen.
Gegen diese am 10. Dezember 1986 zugestellte Entscheidung führt der Kläger Berufung, die den Eingangsstempel des Verwaltungsgerichts vom 13. Januar 1987 (einem Dienstag) trägt. Der Prozeßbevollmächtigte hat dazu ausgeführt, seine Bürovorsteherin habe den Schriftsatz bereits am 12. Januar 1987 am Abend dieses Tages, einem Montag, in seiner Gegenwart in den Nachtbriefkasten des Verwaltungsgerichts eingeworfen.
Der Entscheidung des Verwaltungsgerichts könne nicht gefolgt werden. Bei dem Kläger sei die Jagd Teil seiner Landwirtschaft. Die Bejagung und Erlegung von Wild sei bei ihm Fruchtziehung, genauso wie der Anbau einer Getreidesorte, von Kartoffeln und Rüben oder die Aufzucht von Vieh. Jedenfalls sei nicht zu erkennen, wo der besondere Aufwand liege, den ein Landwirt betreibe, der die Jagd als Teil seiner Landwirtschaft ausübe. Bei einem Jagdpächter sei der besondere Aufwand alles das, was zur Erlangung und Erhaltung des Jagdrechts aufgewendet werde. Das sei im Falle des eigengenutzten Jagdbezirks eines Eigentümerlandwirtes anders, da er das Eigentümerrecht, für das der Pächter erst zahlen müsse, bereits habe und insoweit keinen Aufwand dafür betreiben müsse.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid zu ändern und nach seinem im ersten Rechtszug gestellten Antrag zu erkennen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird ergänzend auf die Verwaltungsvorgänge (1 Heft) verwiesen.
II.
Die Berufung bleibt ohne Erfolg. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig; sie verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Die Berufung ist fristgemäß eingelegt worden. Die dem angefochtenen Gerichtsbescheid beigefügte Rechtsmittelbelehrung (Bl. 8) war fehlerhaft, da sie den Hinweis enthielt, eine Berufung sei ausgeschlossen. Nach Art. 2 § 4 Abs. 3 GG war die Berufung schon aus dem Grunde zulässig, weil das Verwaltungsgericht durch Gerichtsbescheid entschieden hatte. Die Belehrung widersprach zudem der weiteren Rechtsmittelbelehrung (Bl. 1 R), die auf die Berufung als das zulässige Rechtsmittel hinwies. Infolgedessen konnte die Berufung innerhalb der in § 58 Abs. 2 VwGO genannten Jahresfrist eingelegt werden.
Der Kläger ist zu Recht auf der Grundlage der Ermächtigung in § 3 Abs. 2 des Niedersächsischen Kommunalabgabengesetzs vom 8. Februar 1973 (GVBl S. 41) i.V.m. der Jagdsteuersatzung des Beklagten vom 18. April 1979 zu einer Jagdsteuer in der angegebenen Höhe veranlagt worden.
Gegen die Erhebung einer Jagdsteuer von Eigenjagdbesitzern bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken, die der Kläger in den Mittelpunkt seines Vortrages im Berufungsverfahren gestellt hat. Sie ist eine - zulässige - Aufwandsteuer i.S. von Art. 105 Abs. 2 a GG. Zwar definiert das Grundgesetz diesen Begriff nicht. Schmölders (Handbuch der Finanzwissenschaft, 2. Bd., 2. Aufl. 1956, 635, 639 ff, 652) hat zur Begriffsbestimmung ausgeführt, die Aufwandsteuer sei eine Steuer auf die in der Einkommensverwendung für den persönlichen Lebensbedarf zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Dieser Begriffsbestimmung ist die Rechtsprechung gefolgt (BVerfGE 16, 64, 74; Bd. 49, 343, 354). In der Entscheidung über die Zulässigkeit der Zweitwohnungssteuer als einer Aufwandsteuer (BVerfG, Beschl. v. 6. 12. 1983, DVBl 1984, 216) hat das Gericht (modifizierend) ausgeführt, sie knüpfe an das Halten eines Gegenstandes oder an einen tatsächlichen oder rechtlichen Zustand an und wolle die in der Einkommensverwendung zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit erfassen. Ausschlaggebendes Merkmal sei der Konsum in Form eines äußerlich erkennbaren Zustandes, für den finanzielle Mittel verwendet würden. Der Aufwand im Sinne von Konsum sei typischerweise Ausdruck und Indikator der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, ohne daß es darauf ankomme, mit welchen Mitteln er finanziert werde und welchem Zweck er letztlich diene. Das Innehaben einer Zweitwohnung für den persönlichen Lebensbedarf sei ein Zustand, der gewöhnlich die Verwendung von finanziellen Mitteln erfordere und in der Regel wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zum Ausdruck bringe und an den der Satzungsgeber mit der Zweitwohnungssteuer habe anknüpfen dürfen.
Vergleichbare Erwägungen lassen auch die Veranlagung zu einer Jagdsteuer von einem Eigenjagdbesitzer als rechtmäßig erscheinen. Gegenstand der Jagdsteuer ist die Ausübung des Jagdrechts, mit der ein über die Befriedigung des allgemeinen Lebensbedarfs hinausgehender besonderer Aufwand an Einkommen oder Vermögen verbunden ist, der regelmäßig auch eine überdurchschnittliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit erkennen läßt (BVerwG, Beschl. v. 13. 6. 1978 - 7 B 60.77 -; v. 27. 4. 1981 - 8 B 12.81 -; v. 30. 9. 1986 - 8 B 53.86 -, Buchholz 401.66 Nr. 2, 3 und 4). Das gilt in gleicher Weise im Falle einer Verpachtung wie bei Eigennutzung des Eigenjagdbezirks. Für die Erhebung jeder Steuer gilt, daß der Gesetzgeber hinsichtlich der Erschließung von Steuerquellen eine weitgehende Gestaltungsfreiheit hat. Ihr wird durch Art. 3 Abs. 1 GG erst dort eine Grenze gesetzt, wo ein einleuchtender Grund für eine Gleichbehandlung oder Ungleichbehandlung von Sachverhalten fehlt und diese daher willkürlich wäre. Davon kann bei der Heranziehung von verpachteten und unverpachteten Eigenjagden keine Rede sein. Maßgebender Gesichtspunkt ist in beiden Fällen ein über die Befriedigung des allgemeinen Lebensbedarfs hinausgehender besonderer "Aufwand" an Einkommen oder Vermögen. Der Aufwand, den ein Jagdpächter erbringen muß, ist mit dem "Ertrag" vergleichbar, auf den der Eigentümer eines Eigenjagdbezirks verzichtet, wenn er seine Jagd nicht verpachtet, sondern im Rahmen seines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes selbst ausübt. Auch die Tatsache, daß die Ausübung der Jagd durch den Pächter wie den Eigentümer mit zahlreichen Verpflichtungen und Einschränkungen verbunden ist, steht der Erhebung der Steuer nicht entgegen. Darauf hat das Verwaltungsgericht in Übereinstimmung mit dem Oberverwaltungsgericht Münster (RdL 1985, 239) im einzelnen hingewiesen. Die gesetzlichen Vorschriften lassen nicht erkennen, daß der die Jagd selbst ausübende Eigenjagdbesitzer gegenüber den sonstigen Grundeigentümern oder den Jagdausübungsberechtigten unter Verletzung verfassungsrechtlicher Gesichtspunkte ungleich behandelt wird.
Die danach grundsätzlich zulässige Erhebung einer Jagdsteuer beruht auch auf einer wirksamen Satzung. Das hat das Verwaltungsgericht im einzelnen dargelegt; der Senat folgt diesen Ausführungen, gegen die der Kläger im übrigen keine besonderen Einwendungen erhoben hat.
Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO, der Ausspruch über ihre vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 und 713 ZPO.
Die Zulassung der Revision ergibt sich aus § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Es ist von grundsätzlicher Bedeutung, ob ein Eigenjagdbesitzer zur Jagdsteuer veranlagt werden kann.
Eichhorn
Schnuhr
Dr. Berkenbusch