Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 08.07.1998, Az.: 1 A 1219/97

Untersagung einem in leitender Stellung abhängigen Beschäftigten eines Gewerbebetriebes die Ausübung des Gewerbes; Benennung dieses Gewerbes als eine unnötige Förmlichkeit und nicht notwendig für einen rechtmäßigen Bescheid; Verwertbarkeit von Mitteilungen des Finanzamtes für die Feststellung einer Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
08.07.1998
Aktenzeichen
1 A 1219/97
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1998, 32529
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGBRAUN:1998:0708.1A1219.97.0A

Verfahrensgegenstand

Gewerbeuntersagung

In der Verwaltungsrechtssache
...
hat die 1. Kammer des Verwaltungsgerichts Braunschweig
durch
den Richter am Verwaltungsgericht Bartsch als Einzelrichter
auf die mündliche Verhandlung vom 08.07.1998
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 30.000,- DM festgesetzt.

Tatbestand

1

Mit Bescheid vom 24.10.1994 untersagte die Beklagte dem Kläger die weitere Tätigkeit als Vertretungsberechtigte eines Gewerbetreibenden oder als mit der Leitung eines Gewerbebetriebes beauftragte Person, insbesondere seine Tätigkeit als Geschäftsführer der Firma ... GmbH. Darüber hinaus untersagte die Beklagte dem Kläger die selbständige Ausübung aller anderen Gewerbearten und drohte ihm für den Fall der Nichtbeachtung die Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von 5.000,00 DM an. Zur Begründung heißt es in dem Bescheid u.a.: Die Gewerbeuntersagung sei erforderlich, um eine künftige gewerbliche Betätigung des in bezug hierauf unzuverlässigen Klägers zu verhindern. Dessen Unzuverlässigkeit folge aus seiner Verantwortlichkeit als Geschäftsführer für die wirtschaftliche Leistungsunfähigkeit der von ihm geführten Gesellschaft und der insoweit aufgelaufenen Steuerschulden in Höhe von nahezu einer halben Million DM. Auch Abgabenrückstände bei der AOK Braunschweig in Höhe von ca. 7.000,00 DM seien letztlich von ihm zu verantworten.

2

Zur Begründung seines dagegen eingelegten Widerspruchs machte der Kläger u.a. geltend, daß die Sozialversicherungsbeiträge ordnungsgemäß abgeführt worden seien und die Höhe der vom Finanzamt mitgeteilten Steuerschulden unzutreffend sei.

3

Die Bezirksregierung Braunschweig wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 30.7.1997 zurück. Sie bestätigte die Beurteilung der Beklagten und fügte hinzu, daß laut Auskunft des zuständigen Finanzamtes für die von dem Kläger geführte Firma ... GmbH Steuerschulden in Höhe von nahezu 400.000,00 DM zur Konkurstabelle angemeldet worden seien. Weiterhin sei der Kläger seit 1.7.1993 Geschäftsführer der Firma ... GmbH, so heißt es in dem Bescheid weiter, wobei für diese Gesellschaft Abgabenschulden in Höhe von ca. 420.000,00 DM vom Finanzamt mitgeteilt worden seien.

4

Am 27.8.1997 hat der Kläger Klage erhoben, zu deren Begründung er vorträgt: Die Mitteilungen des Finanzamtes über die Höhe der Steuerschulden verletzten das Steuergeheimnis und seien deshalb nicht verwertbar. Die in Rede stehenden Steuerbescheide seien der Steuerschuldnerin gegenüber nicht bekannt gemacht worden. Darüber hinaus seien sie angefochten.

5

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 24.10.1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Braunschweig vom 30.7.1997 aufzuheben.

6

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

7

Sie nimmt zur Begründung Bezug auf die Gründe ihres angefochtenen Bescheides sowie des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Braunschweig.

8

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Gerichtsakte in dem Verfahren 1 A 1182/97 und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten sowie der Bezirksregierung Braunschweig, der in seinen wesentlichen Teilen Gegenstand der Entscheidungsfindung war, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet.

10

Der Bescheid der Beklagten vom 24.10.1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Braunschweig vom 30.7.1997 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

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Die auf § 35 Abs. 7 a und § 35 Abs. 1 Gewerbeordnung - GewO - gestützten Bescheide sind nicht zu beanstanden. Diese Regelungen gestatten es, einem in leitender Stellung abhängig Beschäftigten eines Gewerbebetriebes die Ausübung des Gewerbes zu untersagen, das seiner abhängigen Beschäftigung entspricht, soweit dieser unzuverlässig im gewerberechtlichen Sinne ist. Zwar hat die Beklagte dem Kläger durch die angefochtene Verfügung in erster Linie die weitere Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden oder als mit der Leitung eines Gewerbebetriebes beauftragte Person, insbesondere seine Tätigkeit als Geschäftsführer der Firma ... GmbH und zusätzlich die Ausübung aller anderen Gewerbetätigkeiten untersagt. Hingegen ist dem Kläger nicht ausdrücklich eine gewerbliche Betätigung untersagt worden, die seiner bisherigen leitenden und selbständigen Tätigkeit entspricht. Darin mag zum Ausdruck kommen, daß die Verwaltungsbehörde den Regelungsgehalt des § 35 Abs. 7 a GewO nicht in jeder Hinsicht richtig erfaßt hat. Das macht aber die Verfügung nicht rechtswidrig. Es genügt, daß mit der Untersagung aller Gewerbe auch dasjenige erfaßt ist, das der bisherigen Vertretungstätigkeit entspricht. Eine Benennung dieses Gewerbes zu fordern, wäre eine unnötige Förmlichkeit (BVerwG, Urt. v. 19.12.1995 - 1 C 3.93 -, GewArch 1996, S. 241 f). Die notwendige Akzessorietät der Untersagung ist ebenfalls gewahrt. Denn die Beklagte hat auch der Gesellschaft die weitere Gewerbeausübung untersagt (1 A 1182/97). Die Voraussetzungen für die Annahme der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit des Klägers sind ebenfalls erfüllt. Der Kläger hat sich als Geschäftsführer der von ihm geführten Gesellschaften durch das Entstehenlassen gravierender Steuerschulden und aufgrund seiner Verantwortlichkeit für die wirtschaftliche Leistungsunfähigkeit der Gesellschaften als gewerberechtlich unzuverlässig erwiesen. So betrugen die Steuerschulden der Firma ... GmbH in Konkurs ausweislich der Stellungnahme des Finanzamtes Braunschweig-Wilhelmstraße vom 1.12.1997 zum maßgeblichen Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung über 450.000,00 DM; die Firma ... GmbH war nach dieser Stellungnahme mit über 455.000,00 DM im Rückstand. Die Mitteilungen des Finanzamtes sind auch verwertbar. Die Zulässigkeit der Offenbarung steuerlicher Daten durch das Finanzamt ohne Einwilligung des Steuerschuldners folgt aus § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO 1977 (BVerwG, Urt. v. 02.02.1982 - 1 C 146.80 -, GewArch 1982, S. 294). Auch wenn die Steuerschuldnerin Rechtsbehelfe gegen die Steuerbescheide eingelegt haben sollte, entband sie dies nicht von ihrer Pflicht, die Steuern zu entrichten. Daß die Vollziehung der Bescheide ausgesetzt worden wäre, hat der Kläger weder vorgetragen, noch ist dies sonst ersichtlich. Es ist nicht erkennbar, daß der Kläger auf eine Regulierung der Schulden hingearbeitet hätte. Ausweislich der genannten Auskunft haben sich die Rückstände der ... GmbH auf inzwischen über eine halbe Million DM erhöht. Angesichts dessen ist nicht anzunehmen, der Kläger werde bei eigener gewerblicher Betätigung oder bei der Übernahme anderweitiger Leitungsfunktionen auch in bezug auf andere gewerbliche Betätigungen anders handeln als bisher. Auch haben die Behörden zutreffend erkannt, daß ein Ausweichen des Klägers in die selbständige Gewerbeausübung zu befürchten ist. Im übrigen sieht das Gericht gemäß § 117 Abs. 5 VwGO zur Vermeidung von Wiederholungen von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und stellt fest, daß es den Gründen des angefochtenen Bescheides und des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Braunschweig folgt. Zumindest die Widerspruchsbehörde hat zutreffend erkannt, daß die Gewerbeuntersagung gegenüber dem Kläger in seinem Ermessen stand. Ermessensfehler sind nicht erkennbar.

12

Als Unterlegener hat der Kläger gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.

13

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.

14

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.

Bartsch