Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 02.11.1989, Az.: 3 Ss (OWi) 229/89

Schutzwirkung eines vorgeschriebenen Sicherheitsgurtes

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
02.11.1989
Aktenzeichen
3 Ss (OWi) 229/89
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1989, 20622
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:1989:1102.3SS.OWI229.89.0A

Verfahrensgang

vorgehend
StA Hannover - AZ: 672 Js 12210/89
AG Burgwedel - 11.04.1989

Fundstelle

  • NZV 1990, 81-82 (Volltext mit amtl. LS)

Verfahrensgegenstand

Verkehrsordnungswidrigkeit

In der Bußgeldsache
...
hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Celle
auf die mit einem Zulassungsantrag verbundene Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen
das Urteil des Amtsgerichts Burgwedel vom 11. April 1989
nach Anhörung der Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht am 02. November 1989
durch
die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht ...,
den Richter am Oberlandesgericht ... und
den Richter am Landgericht ...
beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen und mit der Maßgabe verworfen, daß der Betroffene statt eines fahrlässigen eines vorsätzlichen Verstoßes gegen § 21 a StVO schuldig ist.

Der Betroffene hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe

1

I.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen "fortgesetzten fahrlässigen Nichtanlegens des Sicherheitsgurtes" zu einer Geldbuße von 80,00 DM verurteilt. Hierzu hat es festgestellt, der Betroffene habe am 21. November 1988 gegen 3.40 Uhr seinen Pkw auf der Bundesstraße 3 geführt und sei von einem Polizeibeamten angehalten und kontrolliert worden, weil er ohne angelegten Sicherheitsgurt gefahren sei. Diesem gegenüber habe er angegeben, in seinem Fahrzeug sei ein sogenannter Airbag eingebaut und deshalb müsse er nicht angeschnallt fahren, wie ihm seine Werkstatt mitgeteilt habe, bei der dieser Einbau vorgenommen worden sei. Von der Kontrollstelle sei er anschließend fortgefahren, ohne den Sicherheitsgurt anzulegen. Daraufhin sei er von dem Polizeibeamten erneut angehalten und ermahnt worden, den Gurt anzulegen. Dieses habe er bei Fortsetzung der Fahrt wiederum nicht getan.

2

II.

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG zuzulassen, weil dies zur Fortbildung des Rechts geboten ist.

3

Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

4

1.

Ein "Airbag" ist kein Rückhaltesystem, dessen Schutzwirkung dem eines vorgeschriebenen Sicherheitsgurtes im Sinne des § 35 a Abs. 8 Nr. 2 StVZO entspricht. Bei einem "Airbag" handelt es sich um einen Luftsack, der im normalen Fahrbetrieb zusammengefaltet und weitgehend unsichtbar vor dem jeweiligen Insassen, z.B. in der Mitte des Lenkrades oder im Armaturenbrett, untergebracht ist. Erst bei einem Aufprall des Fahrzeuges entfaltet er sich und fängt damit den Insassen auf (vgl. Bundesanstalt für Straßenwesen - Hrsg. -, Unfall- und Sicherheitsforschung Straßenverkehr, Heft 17, "Sicherheitsgurte in Personenkraftwagen", Seite 37, Köln 1978). Dieser Luftsack kann die jeweiligen Insassen - anders als ein Dreipunktgurt - nur kurzzeitig und nur in bestimmten Unfallsituationen, z.B. bei einem Frontalaufprall, schützen. Dagegen ist die Schutzwirkung bei sogenannten Serienauffahrunfallen oder beim überschlagen des Fahrzeuges nicht während des gesamten Unfallablaufes gegeben.

5

Ebensowenig schützt der "Airbag" die Insassen bei leichteren Unfällen, so daß dann der Fahrer aufgrund seiner unsicheren Sitzposition möglicherweise nicht in verkehrsgerechter Weise reagieren kann und dadurch ein Risiko auch für andere Verkehrsteilnehmer darstellt. Deshalb ist die Reduktion der Getöteten und Verletzten bei angelegtem Dreipunktgurt größer als bei vorhandenem "Airbag" (Bundesanstalt für Straßenwesen a.a.O.).

6

Mithin ist der "Airbag" kein geeigneter Ersatz für den Sicherheitsgurt im Sinne des § 35 a Abs. 8 Nr. 2 StVZO (ebenso - ohne eigene Begründung - Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht 30. Aufl., § 35 a StVZO, Rdn. 7).

7

2.

Die rechtliche Würdigung des Amtsgerichts hinsichtlich der Begehensweise der Ordnungswidrigkeit hält der Nachprüfung nicht stand. Nach dem festgestellten Sachverhalt war dem Betroffenen nämlich bewußt, mit angelegten Sicherheitsgurten fahren zu müssen, jedoch glaubte er irrig, durch das Vorhandensein eines "Airbag" dieses unterlassen zu können. Zutreffend hat das Amtsgericht darauf hingewiesen, daß dieser Irrtum vermeidbar war. Dieser Verbotsirrtum schließt jedoch die vorsätzliche Begehensweise nicht aus (Göhler, OWiG, 9. Aufl., § 11 Rdn. 19).

8

3.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 473 Abs. 1 StPO, 46 OWiG.