Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 15.02.1989, Az.: 3 Ws 31/89
Körperliche Untersuchung eines Beschuldigten durch einen Sachverständigen
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 15.02.1989
- Aktenzeichen
- 3 Ws 31/89
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1989, 20653
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1989:0215.3WS31.89.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- StA ... - AZ: 84 Js 20305/88
Rechtsgrundlagen
- § 80 StPO
- § 81 StPO
- § 81a StPO
- § 133 StPO
Fundstellen
- MDR 1989, 762 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW 1989, 2339-2340 (Volltext mit amtl. LS)
- StV 1989, 193
Verfahrensgegenstand
Unterbringung
In dem Ermittlungsverfahren
...
hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die Beschwerde des Beschuldigten gegen
den Beschluß der 11. Strafkammer des Landgerichts ... vom 21. Dezember 1988
nach Anhörung der Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht
am 15. Februar 1989
unter Mitwirkung
der Vorsitzenden Richterin am Oberlandesgericht ...,
des Richters am Oberlandesgericht ... und
des Richters am Landgericht ...
beschlossen:
Tenor:
Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Beschuldigten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Landeskasse zur Last.
Gründe
Die Strafkammer hat durch den angefochtenen Beschluß den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Unterbringung des Beschuldigten nach § 81 StPO abgelehnt und stattdessen seine körperliche Untersuchung gemäß § 81 a StPO durch den Sachverständigen Prof. Dr. ... zur Vorbereitung der Abgabe einer Stellungnahme gemäß § 81 StPO angeordnet. Dagegen wendet sich der Beschuldigte mit der Beschwerde. Er ist der Ansicht, nach § 81 a StPO seien andere als körperliche Untersuchungen nicht erzwingbar; hier aber gehe es um eine psychiatrische Begutachtung. Im übrigen sei, so meint er, eine Unterbringung nach § 81 StPO ausgeschlossen, weil er sich gegenüber dem Sachverständigen nicht äußern wolle.
Die Beschwerde ist begründet.
Der von dem Landgericht gewählte Weg, die Voraussetzungen für die nach § 81 Abs. 1 StPO vor der Anordnung der Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus erforderliche Anhörung eines Sachverständigen zu schaffen, wenn der Beschuldigte zur persönlichen Vorstellung bei dem Sachverständigen nicht bereit ist, bedeutet eine - nicht notwendige und zudem nicht praktikable - zu weitgehende Ausdehnung des § 81 a StPO (diesen Weg hatte, soweit ersichtlich als einziger, Jessnitzer vorgeschlagen in:
Der gerichtliche Sachverständige, ein Handbuch für die Praxis, 8. Aufl., 1980, Seite 210/211. In der neueren Auflage - 9. Aufl., 1988, Seite 185 - vertritt er diese Ansicht nicht mehr).
§ 81 a StPO bietet nicht die gesetzliche Grundlage für die - zwangsweise durchsetzbare - Vorführung des Beschuldigten vor den Sachverständigen, damit dieser sich ein persönliches Bild von ihm machen kann um zu entscheiden, ob zur Vorbereitung eines Gutachtens über seinen psychischen Zustand die Unterbringung erforderlich ist (vgl. zum Erfordernis des persönlichen Eindrucks: Kleinknecht/Meyer, 38. Aufl., Rn. 11; LR-Dahs, 24. Aufl., Rn. 15; KK-Pelchen, 2. Aufl., Rn. 8 - jeweils zu § 81 StPO - und m.w.Hw. auf Rspr.) Diese Vorschrift gestattet Eingriffe in das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit, findet jedoch keine Anwendung im Falle einer Beobachtung des Geisteszustandes des Beschuldigten, die nicht aufgrund körperlicher Mängel angeordnet wird und die nicht zu körperlichen Untersuchungen führt (OLG Bamberg MDR 1984, 602 [OLG Bamberg 01.03.1983 - Ws 614/82]). Hier aber soll der Sachverständige Prof. Dr. ... den Beschuldigten nicht körperlich untersuchen sondern sich von ihm - insbesondere auch durch ein Gespräch - vor der Äußerung über die Notwendigkeit einer Unterbringung nach § 81 StPO einen persönlichen Eindruck verschaffen. Dieser Zweck dürfte zudem durch die bloße Vorführung des eine Mitarbeit verweigernden und möglicherweise schweigenden Beschuldigten kaum zu erreichen sein. Schon deshalb bestehen übrigens auch Bedenken gegen den vom OLG Bamberg (a.a.O.) vorgeschlagenen und von der Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht aufgegriffenen Ausweg der zwangsweise durchsetzbaren Anordnung einer nur ambulanten Beobachtung des Beschuldigten ohne vorherige Anhörung des Sachverständigen (und des Verteidigers!) zur Vorbereitung der Entscheidung nach § 81 StPO. Davon abgesehen bietet § 81 StPO hierfür keine gesetzliche Grundlage. Eine analoge Anwendung ist nicht erforderlich. Eine Gesetzeslücke besteht nicht. Denn § 80 StPO gibt die Möglichkeit, dem Sachverständigen zur Vorbereitung seines Gutachtens unter anderem durch Vernehmung des Beschuldigten weitere Aufklärung zu verschaffen, wobei nicht der Sachverständige den Beschuldigten vorlädt und vernimmt, sondern das Gericht, die Staatsanwaltschaft oder die Polizei (vgl. Kleinknecht/Meyer, a.a.O., Rn. 2 zu § 80) und das Gericht den Beschuldigten nach § 133 StPO vorführen lassen kann (wie hier: OLG Oldenburg NJW 1961, 982; Kleinknecht/Meyer, a.a.O., Rn. 11; LR-Dahs, a.a.O., Rn. 16; KK-Pelchen, a.a.O., Rn. 8 - jeweils zu § 81 StPO).
Hier kann möglicherweise aber auf die gerichtliche Vernehmung des Beschuldigten in Anwesenheit des Sachverständigen verzichtet werden, nämlich dann, wenn Prof. Dr. ... auch ohne eigenen persönlichen Eindruck von dem Beschuldigten, ggf. aber nach Rücksprache mit den diesen während seines letzten Aufenthalts im Nds. Landeskrankenhaus ... behandelnden Ärzten Dr. ...: und Dr. ..., die Unterbringung nach § 81 StPO zur Vorbereitung des Gutachtens unzweifelhaft für notwendig erachten sollte (vgl. dazu: OLG Hamburg, MDR 1964, 434; OLG Karlsruhe, MDR 1984, 72 [OLG Hamburg 31.08.1983 - 2 Ws 428/83]; StV 1984, 369; OLG Koblenz, OLGSt, § 81 StPO, S. 23; Beschl. des hies. 1. Strafsen. vom 10.2.1987 - 1 Ws 32/87; KK-Pelchen, a.a.O.).
Unter diesen Umständen muß die Anordnung der körperlichen Untersuchung des Beschuldigten durch den Sachverständigen Prof. Dr. ... aufgehoben werden. Das Landgericht wird nunmehr zu prüfen haben, auf welche Weise die Voraussetzungen für die von ihm zu treffende Entscheidung über den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Anordnung der Unterbringung des Beschuldigten nach § 81 StPO geschaffen werden können. Dazu gehört auch die Ermittlung, ob der Beschuldigte tatsächlich eine Mitarbeit bei der Erstellung des Gutachtens durch Prof. Dr. ... verweigert und ob für diesen Fall der Sachverständige dennoch die Erstellung eines Gutachtens bei einer Beobachtung des Beschuldigten im psychiatrischen Krankenhaus für möglich hält (vgl. Beschl. des hies. 1. Strafsen. in StV 1985, 224).
Die Kostenentscheidung folgt aus entsprechender Anwendung von § 467 StPO.