Verwaltungsgericht Osnabrück
Urt. v. 29.06.2007, Az.: 6 A 119/06

Bereinigung; Einkommen; Elternteil; Erziehung; Hilfe ; Härte; Jugendhilfe; Kostenbeitrag; Lebensunterhalt; Leistung; Notwendigkeit; Scheidung; teilstationäre Leistung; vollstationäre Leistung

Bibliographie

Gericht
VG Osnabrück
Datum
29.06.2007
Aktenzeichen
6 A 119/06
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2007, 71993
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. § 94 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII ist einschränkend dahingehend auszulegen, dass der Einsatz des gesamten (nach § 93 SGB VIII bereinigten) Einkommens eines bei einem geschiedenen Elternteil lebenden jungen Menschen bei lediglich teilstationären Jugendhilfeleistungen in der Regel nicht in Betracht kommt.
2. Führt der geforderte Einsatz des gesamten (bereinigten) Einkommens dazu, dass der junge Mensch (teilweise) sozialhilfebedürftig wird, stellt dies zugleich eine besondere Härte i.S.d. § 92 Abs. 5 Satz 1 SGB VIII dar.

Tatbestand:

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Der am 17.03.1995 geborene Kläger wurde in der Zeit vom 08.09.2003 bis zum 13.10. 2006 im Kinderhof D. in einer Tagesgruppe betreut. Die Betreuungszeiten einschließlich der erforderlichen Fahrzeiten betrugen insgesamt 23 Stunden pro Woche (dienstags bis donnerstags jeweils von 12:15 Uhr - 18:30 Uhr, freitags von 12:15 Uhr - 16:30 Uhr); Verpflegung wurde dem Kläger in der Einrichtung nicht gestellt. Für diese Tagesgruppenbetreuung, deren Kosten sich auf rd. 2.000,- € monatlich beliefen, gewährte der Beklagte der Mutter des Klägers seit dem 08.09.2003 Hilfe zur Erziehung auf der Grundlage der §§ 27, 32 und 39 SGB VIII.

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Aus Anlass des Inkrafttretens des Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetzes (KICK) vom 08.09.2005 überprüfte der Beklagte die aktuellen wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers und seiner Mutter. Diese Überprüfung ergab, dass die Mutter des Klägers mit ihrem (jetzigen) Ehemann - der nicht der leibliche Vater des Klägers ist - und insgesamt fünf minderjährigen Kindern (einschließlich des Klägers) in einem gemeinsamen Haushalt lebt und vom Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II bezieht; bei der diesbezüglichen Bedarfsberechnung wurden an den Kläger geleistete Unterhaltszahlungen seines Vaters in Höhe von 125,- € als monatliches Einkommen des Klägers berücksichtigt. Aufgrund dieser Überprüfung teilte der Beklagte der Mutter des Klägers am 07.04.2006 mit, dass von dieser ab dem 01.04.2006 kein Kostenbeitrag hinsichtlich der für den Kläger gewährten Hilfe zur Erziehung gefordert werden könne.

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Mit Bescheid vom 02.05.2006 setzte der Beklagte gegen den Kläger nach vorheriger Anhörung für die Zeit ab 16.03.2006 einen Kostenbeitrag in Höhe von 69,- € monatlich fest (insoweit hat die Sitzungsvertreterin des Beklagten in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass es sich bei diesem Datum um ein Versehen handele und der Kostenbeitrag tatsächlich erst ab dem 01.04.2006 habe gefordert werden sollen). Zur Begründung führte er aus, dass der Kläger aus seinem Einkommen in angemessenem Umfang zu den Kosten der gewährten Jugendhilfe heranzuziehen sei; dabei würden von dem zur Verfügung stehenden Nettoeinkommen in der Regel 25 % als Freibetrag in Abzug gebracht. Da der Kläger von seinem Vater tatsächlich Unterhaltszahlungen in Höhe von 115,- € monatlich erhalte, habe er nach Abzug des Freibetrages grundsätzlich die verbleibenden 75 % (= 86,- €) als Kostenbeitrag einzusetzen. Dieser Betrag sei hier allerdings weiter, nämlich auf 69,- €, zu reduzieren, weil der Kläger lediglich an vier Wochentagen in einer Tagesgruppe betreut werde. - Mit diesem Bescheid wurde zugleich ein bereits am 26.04.2007 erlassener Festsetzungsbescheid aufgehoben, mit dem der Beklagte - in der Annahme, der Kläger erhalte von seinem Vater Unterhaltszahlungen in Höhe von 125,- € monatlich und halte sich an fünf Wochentagen in der Tagesgruppe auf - einen Kostenbeitrag von 93,- € monatlich gegen den Kläger festgesetzt hatte.

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Gegen den Bescheid vom 02.05.2006 hat der Kläger am 30.05.2006 Klage erhoben. Er macht geltend, dass die Unterhaltszahlungen seines Vaters sowohl im vorliegenden jugendhilferechtlichen Verfahren als auch bei der Bedarfsberechnung im Rahmen der Bewilligung von SGB II - Leistungen an seine Mutter als Einkommen berücksichtigt worden seien; eine derartige doppelte Anrechnung könne nicht rechtens sein.

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Der Kläger beantragt,

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den Bescheid des Beklagten vom 02.05.2006 aufzuheben.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er ist der Auffassung, dass der dem Kläger gezahlte Unterhalt bei der Bewilligung von SGB II - Leistungen an seine Mutter nicht angerechnet werden sollte, hat allerdings zunächst darauf hingewiesen, dass diese Frage zwischen seinem Fachdienst Jugend und dem Leistungsbereich SGB II derzeit streitig und intern noch nicht geklärt sei (eine entsprechende Klärung ist mittlerweile aber offenbar erfolgt). Im Übrigen entspreche die Heranziehung des Klägers zu einem Kostenbeitrag den gesetzlichen Vorgaben.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig und begründet.

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Nach §§ 91 Abs. 2 Nr. 2, 92 Abs. 1 Nr. 1 SGB VIII in der seit dem Inkrafttreten des Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetzes (KICK) vom 08.09.2005 geltenden Fassung werden (u. a.) Kinder zu den Kosten der Hilfe zur Erziehung in einer Tagesgruppe (§ 32 SGB VIII) herangezogen, wobei die Heranziehung durch die Erhebung eines durch entsprechenden Leistungsbescheid festzusetzenden Kostenbeitrags erfolgt (§ 92 Abs. 2 SGB VIII). Soweit es die Höhe des Kostenbeitrags betrifft, sieht § 94 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII vor, dass das Kind sein Einkommen nach den gemäß § 93 SGB VIII vorzunehmenden Abzügen in vollem Umfang als Kostenbeitrag einzusetzen hat. Unter Berücksichtigung dessen ist eine entsprechende Kostenbeitragspflicht des Klägers hier zwar dem Gesetzeswortlaut nach an sich gegeben, weil der Beklagte für dessen Betreuung in einer Tagesgruppe in der Zeit vom 08.09.2003 bis zum 13.10.2006 tatsächlich entsprechende Jugendhilfeleistungen erbracht hat. Auch die Höhe des vom Beklagten mit dem angefochtenen Bescheid errechneten Kostenbeitrags entspricht den gesetzlichen Vorgaben der §§ 93 Abs. 2 und 3, 94 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII. - Gleichwohl kommt im vorliegenden Fall eine Heranziehung des Klägers zu einem Kostenbeitrag nicht in Betracht.

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Dabei kann im Ergebnis offen bleiben, ob - worüber die Beteiligten im Rahmen des Verwaltungs- und Klageverfahrens zunächst ausschließlich gestritten haben - aus dem Umstand, dass die dem Kläger zufließenden Unterhaltszahlungen seines Vaters (zumindest ursprünglich) sowohl bei der Heranziehung des Klägers zum Kostenbeitrag als auch bei der Bewilligung von SGB II - Leistungen an seine Mutter (bzw. die mit dieser zusammen lebenden Bedarfsgemeinschaft) als Einkommen des Klägers berücksichtigt worden sind, eine besondere Härte i.S.d. § 92 Abs. 5 Satz 1 SGB VIII folgt, die den Beklagten ggf. hätte veranlassen müssen, von einer Heranziehung des Klägers zum Kostenbeitrag abzusehen (in einem vergleichbaren Fall von der Kammer verneint, vgl. B. v. 21.12.2006 - 6 A 126/06 -).

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Ein Kostenbeitrag kann vom Kläger aber jedenfalls deshalb nicht gefordert werden, weil die Vorschrift des § 94 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII, wonach ein Kind sein (gemäß § 93 Abs. 2 und 3 SGB VIII bereinigtes) Einkommen in vollem Umfang als Kostenbeitrag einzusetzen hat, ohne dass insoweit (ausdrücklich) danach differenziert wird, ob die zugrunde liegenden Jugendhilfeleistungen voll- oder teilstationärer Natur sind, einschränkend dahingehend auszulegen ist, dass ein derartiger Einkommenseinsatz - jedenfalls in der Regel - nur bei vollstationären Leistungen in Betracht kommt. Dies ergibt sich im Einzelnen aus Folgendem: Würde man § 94 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII undifferenziert auf sämtliche (voll- und teilstationäre) Leistungen, die im Katalog des § 91 Abs. 1 und 2 SGB VIII genannt sind, anwenden, müsste das Kind in all diesen Fällen regelmäßig einen (einheitlichen) Kostenbeitrag in Höhe von 75 % seines Einkommens leisten. Dies erscheint zwar in denjenigen Fällen gerechtfertigt, in denen ein Kostenbeitrag für vollstationäre Jugendhilfeleistungen i.S.d. § 91 Abs. 1 SGB VIII erhoben wird, weil im Rahmen dieser Leistungen auch der gesamte Lebensunterhalt des Kindes durch den Jugendhilfeträger sichergestellt wird (vgl. §§ 39 Abs. 1, 91 Abs. 3 SGB VIII), so dass dem Kind die verbleibenden 25 % seines Einkommens zur freien Verfügung stehen. Entsprechendes mag bei der Erhebung eines Kostenbeitrags für teilstationäre Jugendhilfeleistungen in den Fällen anzunehmen sein, in denen das Kind mit seinen leiblichen Eltern im selben Haushalt zusammenlebt. Auch insoweit dürfte der Unterhalt des Kindes durch Gewährung des aus den Einkünften der Eltern zu bestreitenden Naturalunterhalts in der Regel gesichert sein; denn dem Umstand, dass Eltern gegenüber ihren Kindern unterhaltspflichtig sind, hat der Gesetzgeber bei der Kostenbeitragsermittlung dadurch Rechnung getragen, dass von den Eltern für teilstationäre Maßnahmen entsprechend niedrigere Kostenbeiträge erhoben werden (vgl. § 3 der Kostenbeitragsverordnung i.V.m. Spalte 5 und 6 der dazugehörigen Einkommenstabelle), so dass diese auch weiterhin in der Lage sein dürften, den außerhalb der (teil-)stationären Einrichtung fortbestehenden Unterhaltsbedarf zu decken. Grundlegend anders stellt sich die Situation - bezogen auf teilstationäre Jugendhilfeleistungen - jedoch bei Kindern aus zwischenzeitlich geschiedenen Verbindungen dar. In diesen Fällen hat der eine Elternteil, bei dem das Kind lebt, regelmäßig (lediglich) Betreuungsunterhalt zu leisten, während der andere Elternteil dem Kind gegenüber barunterhaltspflichtig ist mit der Folge, dass das Kind nunmehr aufgrund eigenen Einkommens nach Maßgabe des § 94 Abs. 6 SGB Satz 1 VIII selbst kostenbeitragspflichtig wird. Soweit in diesen Fällen der Lebensunterhalt des Kindes nicht durch die Jugendhilfemaßnahme selbst sichergestellt wird, führt eine allein am Gesetzeswortlaut orientierte Erhebung eines Kostenbeitrags dazu, dass dem Kind regelmäßig 75 % seines zur Sicherstellung des Existenzminimums erforderlichen Barunterhalts entzogen werden und ihm für die Bestreitung seines Lebensunterhalts lediglich 25 % verbleiben. Diese Auswirkungen hat der Gesetzgeber bei der Neufassung der Kostenbeitragsvorschriften durch das KICK jedoch offensichtlich nicht bedacht (vgl. Jans/Happe/Saurbier/Maas, Kinder- und Jugendhilferecht, 3. Aufl., § 94 Rn. 21; DIJuF-Gutachten vom 21.11.2006, JAmt 2007 unter Hinweis auf Münder u.a., Frankfurter Kommentar zum SGB VIII, 5. Aufl., § 94 Rn. 17; Stellungnahme des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 24.05.2007; Gemeinsame Empfehlungen der Arbeitsgemeinschaft der Jugendämter der Länder für die Heranziehung zu den Kosten nach §§ 90 ff. SGB VIII, Stand: 01.10.2006, Ziff. 19.1; vgl. ferner Wiesner, SGB VIII, 3. Aufl., § 94 Rn. 9 u. 26, der die Heranziehung von Kindern zu einem Kostenbeitrag letztlich ebenfalls nur im Rahmen vollstationärer Leistungen erörtert). Dafür spricht maßgeblich schon die Gesetzesbegründung selbst (vgl. BT-Drs. 15/3676, S. 42 - zu § 94 Abs. 5); denn danach hat der Gesetzgeber den Einsatz des gesamten (bereinigten) Einkommens des Kindes deshalb als gerechtfertigt angesehen, weil dessen Lebensunterhalt „bei allen (Hervorhebung durch das Gericht) kostenbeitragspflichtigen Leistungen durch den Träger der öffentlichen Jugendhilfe sichergestellt wird (§ 39)“. Dies trifft für teilstationäre Leistungen - so auch im vorliegenden Fall - jedoch gerade nicht zu, weil bis auf eine etwaige Teilverpflegung außerhalb der häuslichen Gemeinschaft (die dem Kläger hier in der Einrichtung nicht einmal gewährt worden ist) alle sonstigen Bedürfnisse des täglichen Lebens nicht durch entsprechende Jugendhilfeleistungen gedeckt werden. Angesichts dessen kann nicht angenommen werden, dass der Gesetzgeber mit der Einführung des § 94 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII tatsächlich bezweckt hat, Kinder auch bei lediglich teilstationären Leistungen zu einem Einsatz von (regelmäßig) 75 % ihres Einkommens zu verpflichten und damit nachhaltig auf deren - dann nur noch zu einem geringen Teil gewährleisteten - Unterhaltsanspruch zuzugreifen.

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Ob daraus die rechtliche Schlussfolgerung zu ziehen ist, dass insoweit eine planwidrige Regelungslücke besteht, so dass eine Heranziehung von Kindern zum Kostenbeitrag für teilstationäre Leistungen generell nicht in Betracht kommt (so Jans/Happe/Saurbier/ Maas, DIJuF-Gutachten vom 21.11.2006, Stellungnahme des BMFSFJ vom 24.05. 2007, jew. aaO), kann für das vorliegende Verfahren offen bleiben. Ein - wenn auch dem Umfang nach (deutlich) reduzierter - Einsatz des Einkommens des Kindes wäre immerhin in solchen Fällen in Betracht zu ziehen, in denen der Lebensunterhalt des Kindes bei teilstationärer Unterbringung zumindest teilweise durch Leistungen der Jugendhilfe sichergestellt wird und das Kind dadurch entsprechende eigene Aufwendungen erspart. Darüber hinaus mögen - ohne dass dies hier abschließend entschieden werden muss - theoretisch Fallkonstellationen mit (besonders) hohem Elterneinkommen und entsprechend hohen Unterhaltszahlungen an das Kind denkbar sein, in denen unter Heranziehung des in § 5 der Kostenbeitragsverordnung (bezogen auf Eltern, Ehegatten und Lebenspartner) enthaltenen Rechtsgedankens an eine bestimmte prozentuale Beteiligung des Kindes an den Kosten der Jugendhilfe gedacht werden könnte (vgl. auch Ziff. 19.1 der Gemeinsamen Empfehlungen der Arbeitsgemeinschaft der Jugendämter der Länder für die Heranziehung zu den Kosten nach §§ 90 ff. SGB VIII, wo eine prozentual abgestufte, im Einzelfall vom zuständigen Jugendhilfeträger zu konkretisierende Kostenbeteiligung des Kindes vorgeschlagen wird; gegen eine derartige Verfahrensweise allerdings DIJuF-Gutachten vom 21.11.2006 und Stellungnahme des BMFSFJ vom 24.05. 2007, jew. m.w.N.). Jedenfalls aber ist die Vorschrift des § 94 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII nach ihrem Sinn und Zweck einschränkend dahingehend auszulegen, dass eine Kostenbeteiligung des Kindes an teilstationären Jugendhilfeleistungen dann nicht gefordert werden kann, wenn dadurch - wie hier - der notwendige Lebensunterhalt des Kindes nicht mehr in vollem Umfang sichergestellt wäre.

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Unabhängig von den vorstehenden Erwägungen kommt die Erhebung eines Kostenbeitrags im vorliegenden Fall im Übrigen auch deshalb nicht in Betracht, weil sich daraus für den Kläger eine besondere Härte i.S.d. § 92 Abs. 5 Satz 1 SGB VIII ergäbe. Durch diese Härtefallvorschrift soll atypischen Fällen Rechnung getragen werden, die mit den auf die individuelle Zumutbarkeit abgestellten, letztlich aber doch pauschalierten Heranziehungsvorschriften nicht hinreichend erfasst werden (vgl. Wiesner, aaO, § 92 Rn. 20). Eine besondere Härte i.S.d. genannten Vorschrift liegt dann vor, wenn die Heranziehung zu einem Ergebnis führt, das den Leitvorstellungen der §§ 91 bis 93 SGB VIII nicht entspricht (vgl. Wiesner aaO.; BVerwG, U. v. 26.01.1966 - V C 88.64 -, BVerwGE 23, 149 zu § 88 Abs. 3 BSHG a.F.). Letzteres ist dann anzunehmen, wenn der Kostenbeitragspflichtige seinen notwendigen Lebensunterhalt mit seinem eigenen - ihm nach der Heranziehung verbleibenden - Einkommen nicht mehr bestreiten kann und der fortbestehende (Rest-) Bedarf auch nicht auf andere Weise gedeckt ist mit der Folge, dass er aufgrund der Heranziehung selbst hilfebedürftig i.S.d. Vorschriften des SGB XII (bzw. des SGB II) wird. Denn die Heranziehungsvorschriften der §§ 91 ff. SGB VIII dienen zwar dazu, den Nachrang der Jugendhilfe wiederherzustellen; aus dem Zusammenspiel dieser mit anderen jugendhilferechtlichen Vorschriften ergibt sich jedoch zugleich, dass der Nachrang der Jugendhilfe nur aus solchen Mitteln herzustellen ist, die zur Deckung des notwendigen Lebensunterhalts nicht erforderlich sind, weil entweder der Lebensunterhalt des Kindes durch die Jugendhilfemaßnahme selbst in vollem Umfang sichergestellt wird (§§ 39 Abs. 1, 91 Abs. 3 SGB VIII) oder weil dem Unterhaltsbedarf des Kindes anderweitig ausreichend Rechnung getragen wird, wie dies bei der Heranziehung der Eltern zu einem Kostenbeitrag der Fall ist (vgl. zum Vorstehenden U. d. Kammer v. 30.05.2007 - 6 A 89/06 -; im Ergebnis ebenso Kunkel, LPK-SGB VIII, 3. Aufl., § 92 Rn. 25). Unter Berücksichtigung dessen kommt die Erhebung eines Kostenbeitrags hier nicht in Betracht. Zwar würde der Kläger allein dadurch nicht - jedenfalls nicht in vollem Umfang - (erstmals) bedürftig i.S.d. Vorschriften des SGB XII (oder des SGB II). Vielmehr bestand bereits vor der hier streitigen Kostenbeitragserhebung ein entsprechender Bedarf des Klägers, der seit längerer Zeit durch die seiner Mutter bzw. der aus der Gesamtfamilie bestehenden Bedarfsgemeinschaft gewährten SGB II - Leistungen, im Rahmen derer der Kläger mit einem monatlichen Regelbedarf von 207,- € berücksichtigt wird, gedeckt wird. Eine Heranziehung des Klägers zu einem Kostenbeitrag würde jedoch dazu führen, dass ihm von den Unterhaltszahlungen seines Vaters lediglich ein Betrag von 46,- € verbleibt, während der Restbetrag von 69,- €, den er als Kostenbeitrag einsetzen, der allerdings ebenfalls der Sicherstellung seines Lebensunterhalts dienen soll, nicht mehr zur Verfügung steht. Die insoweit bestehende Differenz ist auch nicht anderweitig gedeckt, so dass jedenfalls in diesem Umfang ein zusätzlicher bzw. erstmaliger Bedarf i.S.d. Vorschriften des SGB II/XII entstehen würde. Denn die im vorliegenden Fall (bis zum 13.10.2006) gewährten Jugendhilfeleistungen beinhalteten allein die Kosten für die eigentliche Betreuung des Klägers in der Tagesgruppe; Leistungen für den notwendigen Lebensunterhalt des Klägers waren darin jedoch nicht enthalten. Auch die Mutter des Klägers ist aufgrund ihrer eigenen beengten wirtschaftlichen Verhältnisse nicht der Lage, den zur Sicherstellung des Lebensunterhalts des Klägers erforderlichen Differenzbetrag von 69,- € zu übernehmen.