Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 14.02.2017, Az.: 13 WF 14/17

Duldung der Entnahme einer Blutprobe als Erfordernis zur Klärung der leiblichen Vaterschaft hinsichtlich Umgangsrechts; Mitwirkung der Mutter an der Abstammungsbegutachtung des Kindes

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
14.02.2017
Aktenzeichen
13 WF 14/17
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2017, 15441
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:2017:0214.13WF14.17.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Meppen - 20.12.2016 - AZ: 16 F 114/16 UG

Fundstellen

  • AGS 2017, 575
  • FF 2017, 216
  • FamRB 2017, 335
  • FamRZ 2017, 895
  • FuR 2017, 343-344
  • FuR 2017, 3-4
  • NZFam 2018, 40
  • RPsych 2018, 95-97

In der Familiensache
betreffend den Umgang mit
Beteiligte:
1.
Antragsteller und Beschwerdeführer,
Verfahrensbevollmächtigte:
2.
Antragsgegnerin,
Verfahrensbevollmächtigte:
3.
Antragsgegner,
Verfahrensbevollmächtigte:
hat der 13. Zivilsenat - 4. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Oldenburg durch den Richter am Oberlandesgericht ... als Einzelrichter
am 14. Februar 2017
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Dem Antragsteller wird für das Verfahren der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Meppen vom 20. Dezember 2016 Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt ... bewilligt.

    Die Beiordnung erfolgt mit der Maßgabe, dass die Mehrkosten, die dadurch entstehen, dass der beigeordnete Rechtsanwalt die Kanzlei nicht im Bezirk des Oberlandesgerichts Oldenburg hat, nur bis zur Höhe der Vergütung eines Verkehrsanwaltes am Wohnort des Verfahrenskostenhilfe begehrenden Beteiligten erstattungsfähig sind.

  2. 2.

    Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Meppen vom 20. Dezember 2016 geändert und festgestellt, dass die Weigerung der Antragsgegnerin ... zur Mitwirkung an der durch Beweisbeschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Meppen vom 12. Juli 2016 angeordneten Abstammungsbegutachtung rechtswidrig ist.

  3. 3.

    Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Außergerichtlichen Kosten der Beteiligten werden nicht erstattet.

  4. 4.

    Der Verfahrenswert für das Verfahren über die sofortige Beschwerde wird auf 1.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antragsteller begehrt auf Grundlage von § 1686a Abs. 1 Nr. 1 BGB Umgang mit dem während der - weiterhin bestehenden - Ehe der Beteiligten zu 2. und 3. geborenen Kind ..., geb. ... 2015. Er hat eine eidesstattliche Versicherung dahingehend vorgelegt, der Beteiligten zu 2. während der Empfängniszeit beigewohnt zu haben und trägt vor, auch in der Vergangenheit ernsthaftes Interesse an dem Kind gezeigt zu haben.

Die Beteiligten zu 2. und 3. als Antragsgegner bestreiten die biologische Vaterschaft sowie das Interesse des Antragstellers an ... und tragen vor, der Antragsteller habe im Jahre 2014 nur wenige Wochen im Hause der Antragsgegnerin gelebt. Auch sei es im Januar 2015 zu einem tätlichen Übergriff des Antragstellers auf die Antragsgegnerin gekommen, in dessen Verlauf dieser sich gewaltsam Zutritt zu ihrer Wohnung verschafft und ihren Freund zusammengeschlagen habe. ... sei in ihre Ehe hineingeboren worden und erlebe in ihrer Familie ein geborgenes, fürsorgliches Aufwachsen. Einen Kontakt zum Antragsteller lehnen beide Antragsgegner auch in Bezug auf ... aufgrund seines vorgetragenen Verhaltens ab.

Mit Beweisbeschluss vom 12. Juli 2016 hat das Amtsgericht die Einholung eines DNA-Abstammungsgutachtens über die Abstammung des Kindes ... unter Einbeziehung des Kindes, des Antragstellers sowie der Antragsgegnerin angeordnet. Nach durch Schriftsatz vom 27. Juli 2016 angekündigter Weigerung der Antragsgegnerin, an der Erstellung des Gutachtens mitzuwirken, hat das Amtsgericht nach entsprechendem Hinweis durch Beschluss vom 04. August 2016 die Vorführung der Antragsgegnerin sowie des Kindes durch den zuständigen Gerichtsvollzieher zwecks Entnahme von Wangenschleimhautabstrichen durch das Gesundheitsamt angeordnet. Diesen Beschluss hat das Amtsgericht am 09. September 2016 in Hinblick auf einen zwischenzeitlich gestellten Antrag der Antragsgegnerin auf Erlass einer Zwischenentscheidung nach §§ 167a Abs. 3, 178 Abs. 2 Satz 1 FamFG, 386 ff. ZPO aufgehoben.

Durch Beschluss vom 20. Dezember 2016 hat das Amtsgericht im vorgenannten Zwischenverfahren festgestellt, dass die Weigerung der Antragsgegnerin zur Mitwirkung an der Abstammungsbegutachtung für das Kind ... zum gegenwärtigen Zeitpunkt rechtmäßig ist. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Umgang des Antragstellers diene, selbst wenn er ernsthaftes Interesse an dem Kind gezeigt habe, gegenwärtig nicht dessen Wohl. Aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 05. Oktober 2016 (XII ZB 280/15) ergebe sich, dass nur bei einem über seine Herkunft aufgeklärten Kind ab einem gewissen Alter sinnvoll geprüft werden könne, ob der Umgang des leiblichen Vaters dem Kindeswohl entspreche. Die entsprechende Aufklärung des Kindes müsse zu gegebener Zeit - abhängig von seiner Entwicklung frühestens im Vorschulalter - durch einen Dritten erfolgen.

Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner nach §§ 167a Abs. 3, 178 Abs. 2 Satz 1 FamFG, 387 Abs. 3 ZPO statthaften und auch im Übrigen zulässigen sofortigen Beschwerde, mit welcher er die Feststellung begehrt, dass die Weigerung der Antragsgegnerin zur Mitwirkung an der Abstammungsbegutachtung für das Kind ... zum gegenwärtigen Zeitpunkt rechtswidrig ist. Auf die Begründung des Rechtsmittels mit Schriftsatz vom 30. Januar 2017 wird Bezug genommen.

Das Rechtsmittel ist auch in der Sache begründet.

Gemäß § 167a Abs. 2 FamFG hat jede Person, soweit es in einem Verfahren betreffend das Umgangs- oder Auskunftsrecht nach § 1686a BGB zur Klärung der leiblichen Vaterschaft erforderlich ist, Untersuchungen, insbesondere die Entnahme von Blutproben, zu dulden, es sei denn, dass ihr die Untersuchung nicht zugemutet werden kann. Im Zwischenstreit über die Weigerung der Antragsgegnerin, die durch Beweisbeschluss angeordnete Untersuchung, hier die Entnahme eines Wangenschleimhautabstriches, zu dulden, ist daher maßgebliche Frage, ob ihr diese zuzumuten ist. Dies wäre zumindest der Fall wenn der Beweisbeschluss vom 12. Juli 2016, mithin die Klärung der biologischen Vaterschaft vor der Prüfung der Dienlichkeit des Umgangs für das Kindeswohl, rechtswidrig wäre. Denn eine rechtswidrige Anordnung ist per se unzumutbar.

Die vom Amtsgericht zur Begründung der vorgenannten Feststellung herangezogene Begründung trägt die angefochtene Entscheidung nicht. Dass ... vor einer Entscheidung über ein Umgangsrecht des Antragstellers nach § 1686a Abs. 1 Nr. 1 BGB zwingend angehört werden müsse, die für die Sinnhaftigkeit einer derartigen Anhörung erforderliche Aufklärung über eine mögliche biologische Vaterschaft des Antragstellers aber erst zu "gegebener Zeit durch einen Dritten" erfolgen könne, ergibt sich weder aus den hier einschlägigen Grundrechten der Beteiligten, insbesondere aus Art. 6 Abs. 1 GG, noch aus § 1686a Abs. 1 Nr. 1 BGB oder § 167a FamFG und auch nicht aus den vom Bundesgerichthof im Urteil vom 05. Oktober 2016 (XII ZB 280/15, FamRZ 2016, 2082-2087) formulierten Grundsätzen. Im Gegensatz zu dem vom BGH entschiedenen Fall, in dem die Kinder zum Zeitpunkt der Entscheidung bereits zehn Jahre alt und daher nach § 159 Abs. 2 FamFG anzuhören waren, ist ... erst eineinhalb Jahre alt. Insofern ist bereits zweifelhaft, ob ihre persönliche Anhörung zum jetzigen Zeitpunkt i.S.v. § 159 Abs. 2 FamFG angezeigt ist. Hiervon geht auch das Amtsgericht zutreffend aus. Die vom Amtsgericht beabsichtigte Verfahrensweise bedeutet aber im Ergebnis, die von ihm vor der Anhörung für erforderlich gehaltene Aufklärung des Kindes ... über eine mögliche biologische Vaterschaft des Antragstellers und damit auch die Entscheidung über den Antrag des Antragstellers auf einen noch ungewissen und von vielen Unwägbarkeiten abhängigen späteren Zeitpunkt "frühestens im Vorschulalter" zu verschieben. Dies ließe jedoch ein eventuelles Umgangsrecht des Antragstellers zumindest für die Zeit vor einer Anhörung des Kindes, d.h. in den für den Aufbau einer Beziehung entscheidenden ersten Lebensjahren, faktisch leerlaufen.

Für die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Weigerung der Antragsgegnerin ist eine Abwägung unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erforderlich. Der durch Art. 6 Abs. 1 GG gewährte Schutz der bestehenden Familie und des Familienlebens findet eine verfassungsimmanente Schranke im verfassungsrechtlich grundsätzlich anzuerkennenden Wunsch des leiblichen Vaters nach Umgang und nach Auskunft über das Kind. In gesetzlicher Konkretisierung dieser verfassungsimmanenten Schranke ermächtigt § 167a FamFG die Gerichte zur Anordnung einer Abstammungsuntersuchung, sofern dies in Verfahren, die das Umgangs- und Auskunftsrecht des leiblichen Vaters nach § 1686a BGB betreffen, zur Klärung der leiblichen Vaterschaft erforderlich ist (vgl. BVerfG FamRZ 2015, 119-121). Die Regelung in § 1686a Abs. 1 BGB stellt es nach der Gesetzesbegründung in das Ermessen des Gerichts, ob im Einzelfall zunächst die biologische Vaterschaft oder die Frage des Kindeswohls geprüft wird. In Fällen etwa, in denen bereits Zweifel an der biologischen Vaterschaft des Umgang oder Auskunft begehrenden Mannes bestehen, läge es - aus Gründen der Prozessökonomie und um eine für das Kind und die weiteren Beteiligten möglicherweise belastende Kindeswohlprüfung zu vermeiden - nahe, zunächst festzustellen, ob der Antragsteller überhaupt der biologische Vater ist. Wäre dies nicht der Fall, sei der geltend gemachte Anspruch von vornherein ausgeschlossen (vgl. die Begründung des Entwurfs zu § 1686a Abs. 1 BGB, BT-Drucks. 17/12163, S. 13). Das Bundesverfassungsgericht führt in seinem Beschluss vom 19. November 2014 (1 BVR 2843/14, FamRZ 2015, 119-121) zur Frage der Reihenfolge der Klärung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 1686a Abs. 1 Nr. 1 BGB aus:

"Von Verfassungs wegen darf die Reihenfolge der Klärung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 1686a BGB indessen nicht im Belieben des Gerichts stehen, weil die Betroffenen nicht mit Grundrechtseingriffen belastet werden dürfen, die nicht erforderlich sind. Insbesondere dürfen die Gerichte die Reihenfolge nicht allein aus das Gerichtsverfahren betreffenden Praktikabilitätserwägungen wählen. Wegen der familiären Auswirkungen der Abstammungsklärung kann es zur Vermeidung unnötiger Eingriffe in das Familiengrundrecht vielmehr geboten sein, die Abstammungsklärung erst dann herbeizuführen, wenn das Gericht festgestellt hat, dass die sonstigen Anspruchsvoraussetzungen vorliegen; ist hingegen absehbar, dass die Klärung der sonstigen Anspruchsvoraussetzungen für die Betroffenen ungleich belastender ist, kann es umgekehrt geboten sein, zuerst die Abstammungsklärung vorzunehmen (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 17. Dezember 2013 - 1 BvL 6/10 -, , Rn. 106). Wenn sich die Frage der Kindeswohldienlichkeit oder -verträglichkeit ohne großen Aufwand klären lässt, wird das Gericht danach in der Regel vorab keine Abstammungsuntersuchung anordnen dürfen. Die Anordnung einer Abstammungsuntersuchung vor Klärung der sonstigen Voraussetzungen eines Anspruchs nach § 1686a BGB scheidet regelmäßig auch dann aus, wenn nach dem Stand der Ermittlungen unwahrscheinlich ist, dass die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Je wahrscheinlicher hingegen ist, dass die sonstigen Anspruchsvoraussetzungen vorliegen und je geringer die damit verbundenen Beeinträchtigungen des Familienlebens wären, desto eher darf eine Abstammungsuntersuchung vor der abschließenden Klärung der sonstigen Tatbestandsvoraussetzungen angeordnet werden. Bei der Beurteilung der Beeinträchtigungen des Familienlebens kann insbesondere dem Umstand Bedeutung zukommen, ob die Möglichkeit der leiblichen Vaterschaft des Antragstellers zwischen den Beteiligten streitig ist oder nicht. Der Wortlaut von § 1686a BGB und § 167a FamFG lässt die Berücksichtigung dieser verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsanforderungen zu."

Nach vorgenannten Maßstäben ist eine Klärung der biologischen Vaterschaft vor der Klärung der sonstigen Voraussetzungen des § 1686a Abs. 1 Nr. 1 BGB im vorliegenden Fall nicht zu beanstanden. Weitere, über den bisherigen Schriftwechsel im gerichtlichen Verfahren sowie dessen Kenntnisnahme durch die beiden Antragsgegner hinausgehende Belastungen des Familienlebens drohen nicht. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang, dass auch der Antragsgegner zu 2. als rechtlicher und sozialer Vater Kenntnis vom Begehren des Antragstellers und von dessen Behauptung, mit der Antragsgegnerin zu 1. während der Empfängniszeit geschlechtlich verkehrt zu haben, hat. Das Kind ... hat von den vorgenannten Umständen noch nicht erfahren. Eine Klärung der sonstigen Voraussetzungen des § 1686a Abs. 1 Nr. 1 BGB, namentlich der Frage, ob und ggfs. in welchem Umfang der vom Antragsteller begehrte Umgang dem Wohl des Kindes dient, würde zumindest zum jetzigen Zeitpunkt eine deutlich größere Belastung des Familienlebens der Antragsgegner und des Kindes darstellen als die Duldung einer Probenentnahme. Denn aufgrund des Umstandes, dass die von den Antragsgegnern behaupteten Vorfälle im Wesentlichen bestritten sind und die Antragsgegner eine Kindeswohldienlichkeit des begehrten Umgangs in Frage stellen, wäre eine aufwändige Anhörung und ggfs. auch eine Beweiserhebung erforderlich. Da auch das Kind in eine hier naheliegende Begutachtung einzubeziehen wäre, müsste der Verfahrensgegenstand auch ihm, wenn auch in kindgerechter Weise, kommuniziert werden. Auch nach Darstellung der Antragsgegner im Schriftsatz vom 21. Juni 2016 würde der Antragsteller "mit der Durchführung einer Begutachtung den Familienverband, der sich prächtig gebildet hat, sprengen und insbesondere negativ in diese gelebte Familie einbrechen." Dies wäre entbehrlich, wenn sich zuvor durch die bereits angeordnete Abstammungsbegutachtung ergibt, dass der Antragsteller - was im Übrigen auch dem Vortrag der Antragsgegner entspricht - nicht ...s biologischer Vater ist.

Da die Entscheidung des Amtsgerichts, vor Klärung der sonstigen Voraussetzungen des § 1686a Abs. 1 Nr. 1 BGB zunächst die biologische Vaterschaft des Antragstellers gemäß Beweisbeschluss vom 12. Juli 2016 zu klären, rechtmäßig ist, ist die Weigerung der Antragsgegnerin, an der Abstammungsbegutachtung mitzuwirken, mangels anderweitiger belastbarer Anhaltspunkte für eine Unzumutbarkeit rechtswidrig. Dies war auf Antrag des Antragstellers in Abänderung der angefochtenen Zwischenentscheidung festzustellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 20 FamGKG, 81 FamFG.

Die Festsetzung des Verfahrenswertes beruht in Abweichung von §§ 40, 45 FamGKG aufgrund der größeren Nähe zum Gegenstand des Zwischenverfahrens auf § 40 FamGKG i.V.m. einer entsprechenden Anwendung von § 47 Abs. 1 HS 2 FamGKG.