Finanzgericht Niedersachsen
Beschl. v. 12.10.2022, Az.: 5 V 117/22

Umsatzbesteuerung des Betriebs von terrestrischen Geldspielautomaten

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
12.10.2022
Aktenzeichen
5 V 117/22
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2022, 41020
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE::2022:1012.5V117.22.00

Amtlicher Leitsatz

Die Umsatzsteuerpflicht sog. terrestrischer Geldspielautomatenumsätzen bei gleichzeitiger Umsatzsteuerfreiheit virtueller Geldspielautomatenumsätzen gem. § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG ist mangels Gleichartigkeit mit dem Grundsatz der Neutralität der Umsatzsteuer vereinbar.

Tenor:

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.

Die Beschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten in der Hauptsache über die Umsatzbesteuerung des Betriebs von (terrestrischen) Geldspielautomaten im Voranmeldungszeitraum von Oktober 2021 bis einschließlich Juni 2022.

Die Antragstellerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Der Gegenstand des Unternehmens ist die Aufstellung, Wartung und Pflege von Automaten aller Art, die Beteiligung an und Verwaltung von branchengleichen Unternehmen sowie der Betrieb von Spielhallen für eigene Rechnung.

Für die Voranmeldungszeiträume Januar 2021 bis einschließlich Mai 2021 enthielten die Umsatzsteuervoranmeldungen der Klägerin im wesentlichen nur Vorsteuerbeträge. Für die Voranmeldungszeiträume Juni 2021 bis Dezember 2021 sowie für die ersten beiden Kalendervierteljahre 2022 enthielten die Voranmeldungen der Klägerin hingegen nicht unwesentliche Umsätze. Nach den Feststellungen des Antragsgegners erzielt die Klägerin als Spielhallenbetreiberin Umsätze aus terrestrischen Geldspielgeräten (mit Gewinnmöglichkeit). Weitere Einzelheiten über den Umfang der Geschäftstätigkeit der Klägerin enthält die vom Antragsgegner vorgelegte Umsatzsteuerakte nicht.

Am jeweiligen Tag der elektronischen Übermittlung der jeweiligen Umsatzsteuervoranmeldung legte die Klägerin für den jeweiligen Voranmeldungszeitraum (Oktober 2021 bis Dezember 2021 sowie 1. Kalendervierteljahr 2022 und 2. Kalendervierteljahr 2022) Einspruch ein. Der Antragsgegner hat bisher über diese Einsprüche noch nicht entschieden.

Die zunächst für die Voranmeldungszeiträume Oktober 2021 bis Dezember 2021 antragsgemäß gewährte Aussetzung der Vollziehung widerrief der Antragsgegner und lehnte auch die beantragte Aussetzung der Vollziehung der beiden ersten Kalendervierteljahre 2022 ab.

Hierauf beantragte die Klägerin die Aussetzung der Vollziehung der Umsatzsteuervorauszahlungen für die vorgenannten Voranmeldungszeiträume. Die festgesetzte Umsatzsteuer resultiere aus dem Betrieb von (terrestrischen) Geldspielgeräten. Nach der Entscheidung des Finanzgerichts Münster vom 27. Dezember 2021 (5 V 2705/21 U) bestünden ernstliche Zweifel daran, dass Umsätze aus terrestrischen Geldspielgeräten umsatzsteuerlich anders zu behandeln seien als virtuelle Geldspielumsätze. Für einen Durchschnittsverbraucher, dem es auf das Spielerlebnis und dem erzielbaren Gewinn ankäme, spiele es keine Rolle, ob er virtuell oder terrestrisch spiele.

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,

die Vollziehung der durch die Umsatzsteuervoranmeldungen erfolgten Steuerfestsetzungen für die Monate Oktober 2021 bis einschließlich Dezember 2021 sowie für das erste und zweite Kalendervierteljahr 2022 auszusetzen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Die Umsätze der Antragstellerin aus terrestrischen Geldspielautomaten seien steuerbar und steuerpflichtig. Steuerbefreit seien nur die Umsätze, die unter das Rennwett- und Lotteriegesetz (RennwLottG) fielen. Die Umsätze der Antragstellerin fielen hingegen nicht darunter.

II.

1. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist unbegründet.

Nach der im Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung gebotenen summarischen Prüfung haben sich weder Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Festsetzungen für die angefochtenen Umsatzsteuervoranmeldungszeiträume ergeben, noch liegen Gründe vor, die eine Aussetzung der Vollziehung wegen unbilliger Härte geboten erscheinen lassen.

a) Die Aussetzung der Vollziehung soll gemäß § 69 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 zweiter Halbsatz der Finanzgerichtsordnung (FGO) erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

b) Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestehen, wenn bei summarischer Prüfung neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken (ständige Rechtsprechung; vgl. BFH-Beschlüsse vom 19. März 2014 V B 14/14, BFH/NV 2014, 999 und vom 19. März 2014 III S 22/13, BFH/NV 2014, 856 jeweils mit weiteren Nachweisen). Für die Begründung solcher Zweifel i.S. des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO genügt es, dass die nach Aktenlage nicht fernliegende - ernstliche - Möglichkeit besteht, dass die Antragstellerin im Hauptsacheverfahren mit ihrem Begehren obsiegt (BFH-Beschluss vom 26. Juni 2003, X S 4/03, BFH/NV 2003, 1217 m.w.N.). Für eine Aussetzung der Vollziehung ist daher nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts sprechenden Gründe überwiegen. Vielmehr genügt es, dass der Erfolg des Rechtsbehelfs ebenso wenig auszuschließen ist wie sein Misserfolg (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 23. August 2007, VI B 42/07, BStBl. II 2007, 799). Dagegen begründet eine vage Erfolgsaussicht des Rechtsbehelfs noch keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts (BFH, Beschluss vom 11. Juni 1968 VI B 94/67, BStBl. II 1968, 657). Die Prüfung, ob ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts vorliegen, erfolgt im Rahmen einer lediglich summarischen Prüfung. Dabei beschränkt sich der Prozessstoff wegen der Eilbedürftigkeit des Verfahrens auf die dem Gericht vorliegenden Unterlagen, insbesondere auf die Akten der Finanzbehörde und andere präsente Beweismittel. Weitere Maßnahmen zur Ermittlung des Sachverhalts muss das Gericht nicht ergreifen (BFH, Beschluss vom 14. Februar 1989, IV B 33/88, BStBl. II 1989, 516).

c) Nach Maßgabe dieser Rechtsgrundsätze bestehen nach summarischer Prüfung im Streitfall keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Umsatzsteuerfestsetzungen für die Voranmeldungszeiträume von Oktober 2021 bis einschließlich dem zweiten Kalendervierteljahr 2022, weil Umsätze aus terrestrischen Geldspielautomaten sowohl umsatzsteuerbar als auch -steuerpflichtig sind. Insbesondere besteht auch kein Verstoß gegen den umsatzsteuerlichen Grundsatz der Neutralität, indem Umsätze aus virtuellen Geldspielautomaten von der Umsatzsteuer befreit sind, während die streitgegenständlichen terrestrischen Geldspielumsätze, also solche, bei denen die Spieler in den Spielhallen körperlich anwesend sind, umsatzsteuerpflichtig sind.

aa) Die Antragstellerin hat durch den Betrieb von (terrestrischen) Geldspielautomaten (mit Gewinnmöglichkeit) sonstige Leistungen im Inland gegen Entgelt erbracht, die gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) umsatzsteuerbar sind.

(1) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) erfordert die Steuerbarkeit nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG ein Rechtsverhältnis zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die vom Leistenden empfangene Vergütung den tatsächlichen Gegenwert für die dem Leistungsempfänger erbrachte bestimmbare Dienstleistung bildet. Dies ist der Fall, wenn zwischen der erbrachten Dienstleistung und dem erhaltenen Gegenwert ein unmittelbarer Zusammenhang besteht. Der Leistungsempfänger muss identifizierbar sein. Er muss einen Vorteil erhalten, der zu einem Verbrauch im Sinne des Mehrwertsteuerrechts führt (vgl. BFH-Urteil vom 10. April 2019 XI R 4/17, BStBl II 2019, 635 m.w.N.).

(2) Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Insbesondere stehen die Geldeinsätze der Spieler - unbeschadet der dem Glückspiel eigenen Zufallsabhängigkeit - in einem unmittelbaren Zusammenhang mit Leistungen der Antragstellerin. Deren sonstige Leistungen bestehen in der Zulassung zum Spiel mit Gewinnchance (BFH-Urteil vom 11. Dezember 2019 XI R 13/18, BStBl II 2020, 296 m.w.N.). Das Entgelt, für das die Leistung erbracht wird, besteht aufgrund der gesetzlichen Vorgaben in den (Netto-)Kasseneinnahmen aus den Spielen aller Spieler (ständige Rechtsprechung des BFH unter Hinweis auf die EuGH-Rechtsprechung: BFH-Urteil vom 11. Dezember 2019 XI R 13/18, a.a.O., Rn. 23 m.w.N.).

bb) Die steuerbaren Leistungen der Antragstellerin sind weder nach § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG noch nach Art. 135 Abs. 1 Buchs. i der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (MwStSystRL) von der Umsatzsteuer befreit.

(1) Nach § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG sind Umsätze von der Umsatzsteuer befreit, die unter das RennwLottG fallen. Die streitigen Umsätze aus dem Betrieb der Geldspielautomaten unterfallen allerdings nicht dem RennwLottG und sind deshalb nach nationalem Recht nicht von der Umsatzsteuer befreit. Lediglich die mit Wirkung ab 1. Juli 2021 gem. § 22a des Staatsvertrags zur Neuregulierung des Glücksspielwesens in Deutschland vom 29. Oktober 2020 (GlüStV 2021) unter bestimmten Voraussetzungen im Internet erlaubten virtuellen Automatenspiele unterliegen gem. §§ 36 ff. RennwLottG der virtuellen Automatensteuer. Nach dieser Regelung unterfallen daher Umsätze aus terrestrischen Geldspielautomaten weiterhin der Umsatzsteuer, während nur die Umsätze aus virtuellen Geldspielautomaten ab dem 1. Juli 2021 umsatzsteuerfrei sind.

(2) Die Antragstellerin kann sich bei summarischer Prüfung auch nicht auf eine unmittelbare Anwendung des Unionsrechts berufen.

(a) Nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL haben die Mitgliedstaaten die Umsätze aus Wetten, Lotterien und sonstigen Glücksspielen mit Geldeinsatz unter den Bedingungen und Beschränkungen, die von jedem Mitgliedstaat festgelegt werden, von der Steuer zu befreien. Ein Unternehmer kann sich zwar in Ermangelung fristgemäß erlassener Umsetzungsmaßnahmen auf Bestimmungen einer Richtlinie, die inhaltlich als unbedingt und hinreichend genau erscheinen, gegenüber allen nicht richtlinienkonformen innerstaatlichen Vorschriften berufen (BFH-Urteil vom 17. Februar 2009 XI R 67/06, BStBl II 2013, 967; EuGH-Urteil vom 10. September 2002 C-141/00, Kügler, HFR 2002, 1146). Dem steht jedoch vorliegend entgegen, dass der nationale Gesetzgeber die Richtlinienregelung des Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL durch den Steuerbefreiungstatbestand des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG unionsrechtskonform umgesetzt hat. Denn Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL gestattet es den Mitgliedstaaten in Ausübung ihrer Befugnis, Bedingungen und Beschränkungen für die in dieser Bestimmung vorgesehene Befreiung von der Mehrwertsteuer festzulegen und insoweit auch nur bestimmte Glücksspiele mit Geldeinsatz von dieser Steuer zu befreien (EuGH-Urteil vom 10. Juni 2010 C-58/09, Leo-Libera, UR 2010, 494).

(b) Entgegen der Auffassung der Antragstellerin und des Finanzgerichts Münster in seiner Entscheidung über eine Aussetzung der Vollziehung vom 27. Dezember 2021 bestehen insbesondere auch keine Zweifel daran, dass der Gesetzgeber Umsätze aus virtuellen Geldspielautomaten umsatzsteuerlich anders behandeln durfte als die Umsätze aus terrestrischen Geldspielautomaten.

(aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) verbietet zwar der Grundsatz der Neutralität insbesondere, gleichartige und deshalb miteinander in Wettbewerb stehende Waren und Dienstleistungen hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich zu behandeln.

Bei der Beantwortung der Frage, ob Gegenstände oder Dienstleistungen gleichartig sind, ist in erster Linie auf die Sicht des Durchschnittsverbrauchers abzustellen. Gegenstände oder Dienstleistungen sind gleichartig, wenn sie ähnliche Eigenschaften haben und beim Verbraucher nach einem Kriterium der Vergleichbarkeit in der Verwendung denselben Bedürfnissen dienen und wenn die bestehenden Unterschiede die Entscheidung des Durchschnittsverbrauchers zwischen diesen Gegenständen oder Dienstleistungen nicht erheblich beeinflussen.

Es ist daher zu prüfen, ob die fraglichen Gegenstände oder Dienstleistungen aus der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers austauschbar sind. In diesem Fall könnte nämlich die Anwendung unterschiedlicher Mehrwertsteuersätze oder die Befreiung einer der Leistungen die Wahl des Verbrauchers beeinflussen, was somit auf einen Verstoß gegen den Grundsatz der steuerlichen Neutralität hindeuten würden (EuGH-Urteil vom 9. September 2021 C-406/20, Phantasialand, UR 2021, 758; FG Münster, Beschluss vom 27. Dezember 2021 5 V 2705/21 U, EFG 2022, 362). Bei der Prüfung der zweiten Voraussetzung, wonach die bestehenden Unterschiede die Entscheidung des Durchschnittsverbrauchers zwischen diesen Gegenständen oder Dienstleistungen nicht erheblich beeinflussen, sind die Unterschiede zu berücksichtigen, die die Eigenschaften der fraglichen Gegenstände oder Dienstleistungen sowie deren Verwendung betreffen und daher mit diesen Gegenständen oder Dienstleistungen naturgemäß verbunden sind. Hierbei kommt es nicht allein auf die Gegenüberstellung einzelner Leistungen an, sondern vielmehr sind die Unterschiede des Kontextes zu berücksichtigen, in dem die Leistungen erbracht werden. Als Kontext der jeweils zu vergleichenden Leistungen können nach der Rechtsprechung des EuGH - entgegen der Auffassung des FG Münsters in seiner Entscheidung vom 27. Dezember 2021 - insbesondere auch Unterschiede im rechtlichen Rahmen und in der rechtlichen Regelung erheblich sein, denen die betreffenden Leistungen unterliegen. Lediglich rechtliche Regelungen hinsichtlich der Aufsicht und Regulierung der zu vergleichenden Umsätze sind außerhalb dieses Kontexts unerheblich. Aus der Rechtsprechung des EuGH lässt sich auch nicht ableiten, dass andere als den rechtlichen Kontext betreffende Unterschiede unerheblich sind. Vielmehr ist die Berücksichtigung anderer kontextueller Unterschiede geboten, soweit sie in den Augen des Durchschnittsverbrauchers zu einer Unterscheidbarkeit im Hinblick auf die Befriedigung seien eigenen Bedürfnisse führen können (zu alledem EuGH-Urteile vom 9. September 2021 C-406/20, Phantasialand, UR 2021, 758 m.w.N. und vom 10. November 2011 C-259/10 und 260/10, The Rank Group, UR 2012, 104).

(bb) Nach Maßgabe dieser Rechtsgrundsätze sind virtuelle und terrestrische Geldspielautomaten nicht gleichartig und stehen deshalb nicht miteinander in Wettbewerb.

Denn bei der im Hinblick auf den Grundsatz der steuerlichen Neutralität vorzunehmenden Prüfung, ob zwei Arten von Geldspielautomaten gleichartig sind und deshalb auch die gleiche Behandlung hinsichtlich der Mehrwertsteuer erfordern, ist auch zu prüfen, ob die Benutzung dieser Gerätearten aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers vergleichbar ist und dieselben Bedürfnisse befriedigt, wobei insoweit insbesondere Gesichtspunkte wie die Mindest- und Höchsteinsätze und -gewinne und die Gewinnchancen berücksichtigt werden können. Insoweit können auch Unterschiede bei den verfügbaren Formaten und der Möglichkeit von Interaktion zwischen dem Spieler und dem Geldspielautomaten erheblichen Einfluss auf die Entscheidung des Durchschnittsspielers haben, da die Anziehungskraft von Glücksspielen mit Geldeinsatz in erster Linie auf der Möglichkeit eines Gewinns beruht (EuGH-Urteil vom 10. November 2011 C-259/10 und 260/10, The Rank Group, a.a.O.).

Hiernach ist aus der Sicht eines Durchschnittsspielers die vom jeweiligen Unternehmer erbrachte Dienstleistung beim terrestrischen Automatenspiel gegen diejenige beim virtuellen Automatenspiel gerade nicht austauschbar. Die Leistungen in Bezug auf terrestrisches und virtuelles Automatenspiel ähneln sich zwar unzweifelhaft, denn dem Spieler wird in beiden Fällen die Chance auf einen vom Zufall abhängigen Geldgewinn verschafft, wobei sich die Spiele hinsichtlich der Darstellung auf dem Display und der Spielabläufe gleichen, sofern man das Streben nach Gewinn und Unterhaltung durch das Spiel als vorrangige Ziele des Spielers ansieht (vgl. Brüggemann, UR 2022, 169).

Dennoch bestehen erhebliche Unterschiede, die die Entscheidung der Durchschnittsspieler zwischen diesen Geldspielautomaten erheblich beeinflussen. Diese erheblichen Unterschiede resultieren unter anderem aus dem rechtlichen Rahmen, dem die Dienstleistungen insbesondere in Bezug zur Einsatz- und Gewinnhöhe unterliegen, und diese Unterschiede haben ganz erheblichen Einfluss auf die Wahl des Durchschnittsspielers, weil auch bereits nach der vorgenannten Rechtsprechung des EuGH gerade die Anziehungskraft von Glücksspielen mit Geldeinsatz in erster Linie auf der Gewinnmöglichkeit beruhen. Denn während an terrestrischen Geldspielautomaten gem. § 13 Nr. 2 der Verordnung über Spielgeräte und andere Spiele mit Gewinnmöglichkeiten (SpielV) der Maximaleinsatz bei einem Spiel mit einer Mindestspieldauer von 5 Sekunden grundsätzlich 0,20 € und der Maximalgewinn 2 € beträgt, liegt der Maximaleinsatz bei einem virtuellen Automatenspiel hingegen gem. § 22a Abs. 6 - 7 GlüStV 2021 mit einer durchschnittlichen Mindestspieldauer von 5 Sekunden bei 1 €, ohne das eine maximale Gewinngrenze existiert. Demgegenüber ist für terrestrische Geldspielautomaten nach § 13 Nr. 4 und Nr. 5 SpielV vorgegeben, dass im Verlauf einer Stunde die Summe der Verluste 60 € und die Summe der Gewinn abzüglich der Einsätze 400 € nicht übersteigen darf. Darüber hinaus dürfen in terrestrischen Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SpielV bei langfristiger Betrachtung technisch kein höherer Betrag als 20 € je Stunde als Kasseninhalt verbleiben. Für das virtuelle Automatenspiel beschränkt sich gem. § 6c GlüStV 2021 lediglich das individuelle monatliche anbieter- und spielübergreifende Einzahlungslimit für Spieler auf 1.000 €.

Erhebliche Unterschiede ergeben sich darüber hinaus auch aus der Ausschüttungsquote. Diese liegt im Fall des terrestrischen Automatenspiels nach der SpielV regelmäßig bei ca. 85% und wird beim virtuellen Automatenspiel zwischen 91% und 96% beziffert (vgl. u.a. Sächsisches FG, Beschluss vom 21. April 2022, 8 V 92/22, ZfWG 2022, 307 und Brüggemann, UR 2022, 169 m.w.N.). Insoweit hat auch der Gesetzgeber unter anderem darauf abgestellt, dass sich virtuelles Automatenspiel von Angeboten im terrestrischen Bereich schon durch die im GlüStV 2021 festgelegten ordnungsrechtlichen Rahmenbedingungen hinsichtlich der Ausschüttungsquoten unterscheiden. Ebenso weist der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang darauf hin, dass sich Online-Angebote von terrestrischen Angeboten trotz einer oberflächlichen Ähnlichkeit in der Optik ihrer Natur nach bereits grundlegend unterscheiden. Online-Angebote seien regelmäßig günstiger zu betreiben und ermöglichen wirtschaftlich effizientere Kalkulationen, weil unter anderem das Vorhalten physischer Geräte oder von Lokalitäten entfalle (vgl. BT-Drs. 19/28400, S. 66).

Schlussendlich ergeben sich zwischen terrestrischem und virtuellem Automatenspiel aber auch noch nicht unerhebliche Unterschiede in Bezug auf die Interaktion zwischen Spieler und Geldspielautomat und dem daraus resultierenden Gewinn- und Spielerlebnis. Beim terrestrischen Automatenspiel agiert der Spieler unmittelbar am Geldspielautomaten. Er zahlt seine Bareinsätze in den Automaten ein und bedient das Gerät mit Hilfe der technischen Vorrichtungen. Eine vergleichbare Haptik fehlt beim virtuellen Automatenspiel, die nur visuell auf dem Anzeigenfeld auf den nutzereigenen Endgeräten dargestellt wird. Ebenso kann der Spieler beim terrestrischen Automatenspiel seinen Gewinn in Gestalt des ausgezahlten Bargelds unmittelbar an sich nehmen, während der Spieler beim virtuellen Automatenspiel lediglich eine Gutschrift auf seinem Spielerkonto erhält, deren Auszahlung er verlangen kann. Aus den Augen des Durchschnittsspielers macht es auch einen erheblichen Unterschied, ob er - wie beim terrestrischen Automatenspiel - aus der Anonymität heraustritt und eigens einen auf das Automatenspiel ausgerichteten Ort aufsucht, der dann im Vergleich zum virtuellen Automatenspiel auch eine den Spieltrieb fördernde Atmosphäre und den Umgang mit Gleichgesinnten ermöglicht (vgl. dazu Brüggemann, UR 2022, 169).

Nach alledem folgt nach der im Verfahren über die Aussetzung der Vollziehungen gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung, dass terrestrisches und virtuelles Automatenspiel mit Gewinnmöglichkeit nicht austauschbar und damit nicht gleichartig sind, so dass diese Automatenspiele auch nicht in einem Wettbewerbsverhältnis zueinanderstehen.

d) Die Aussetzung der Vollziehung ist auch nicht deswegen geboten, weil die Vollziehung der angefochtenen Bescheide für die Antragstellerin eine unbillige Härte zur Folge hätte. Eine unbillige und nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte liegt vor, wenn der Antragstellerin durch die Vollziehung des angefochtenen Bescheides wirtschaftliche Nachteile drohen, die durch eine etwaige spätere Rückzahlung der eingezogenen Beträge nicht ausgeglichen werden oder nur schwer gutzumachen sind, oder wenn die Vollziehung zu einer Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz der Antragstellerin führen würde (BFH-Beschluss vom 26. Oktober 2011 I S 7/11, BFH/NV 2012, 583). Es ist insoweit erforderlich, dass die Antragstellerin ihre wirtschaftliche Lage im Einzelnen vorträgt oder glaubhaft macht (BFH-Beschluss vom 9. März 2012 VII B 185/11, BFH/NV 2012, 999). Solche Gründe sind weder aus den Akten ersichtlich, noch hat die Antragstellerin entsprechend vorgetragen.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

3. Die Beschwerde wird gem. § 128 Abs. 3 i.V.m. § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO im Hinblick auf die Entscheidung des FG Münsters vom 27. Dezember 2021 (5 V 2705/21 U, EFG 2022, 362) zugelassen.