Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 04.09.1996, Az.: 5 A 103/95

Übergang einer Referenzmenge aus Anlaß der Rückgabe verschiedener Pachtflächen; Beurteilung der Rechtslage für einen Referenzmengenübergang nach der Milchgarantiemengenverordnung

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
04.09.1996
Aktenzeichen
5 A 103/95
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1996, 11041
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGLUENE:1996:0904.5A103.95.0A

Fundstelle

  • AgrarR 1999, 28-29

Verfahrensgegenstand

Streitgegenstand: Milchgarantiemenge

Prozessführer

der Landwirt ...

Prozessgegner

die Landwirtschaftskammer Hannover, Johannssenstraße 10, 30159 Hannover,

Sonstige Beteiligte

1. das Domänenamt ...

2. Frau ...

3. Herr ...

In dem Rechtsstreit
hat die 5. Kammer des Verwaltungsgerichts Lüneburg
auf die mündliche Verhandlung vom 04. September 1996
durch
den Präsidenten des Verwaltungsgerichts ...
den Richter am Verwaltungsgericht ... und
die Richterin am Verwaltungsgericht ... sowie
die ehrenamtlicher Richter ... und ...
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Die Bescheide der Beklagten vom 18. Mai 1995 gegenüber den Beigeladenen zu 1.-3.) und der Widerspruchsbescheid vom 7. Juli 1995 werden aufgehoben.

  2. 2.

    Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

  3. 3.

    Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind erstattungsfähig.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen den Übergang einer Referenzmenge zu seinem Nachteil aus Anlaß der Rückgabe verschiedener Pachtflächen an die Beigeladenen.

2

Der Kläger war in der Milcherzeugung tätig. Mit Wirkung zum 1. April 1995 gab er an die Beigeladenen Pachtflächen zurück: an den Beigeladenen zu 1.) 2,028 ha, die Beigeladene zu 2.) 1,25 ha und an den Beigeladenen zu 3.) 5 ha.

3

Die Beigeladenen beantragten bei der Beklagten die Bescheinigung des Übergangs einer entsprechenden Referenzmenge aus Anlaß der Pachtflächenrückgabe. Dem entsprach die Beklagte mit den Bescheiden vom 18. Mai 1995. Sie bescheinigte den Übergang einer Referenzmenge auf den Beigeladenen zu 1.) von 5.808 kg, die Beigeladene zu 2.) von 3.580 kg und den Beigeladenen zu 3.) von 14.320 kg zum 1. April 1995.

4

Dagegen legte der Kläger mit der Begründung Widerspruch ein, daß die zurückgegebenen Pachtflächen vor ihrer Rückgabe nicht der Milcherzeugung gedient hätten. Er habe nach dem Ende seines Nichtvermarktungszeitraumes im Oktober 1985 zwar die Milcherzeugung aufgenommen. Diese Flächen hätten aber wegen der entfernten Hoflage der Pachtflächen und des dort betriebenen Anbaus von Getreide und Zuckerrüben der Milcherzeugung nicht gedient.

5

Mit Widerspruchsbescheid vom 7. Juli 1995 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, weil nach den Rechtsvorschriften über die Zuteilung von Referenzmengen und deren Flächenbindung davon auszugehen sei, daß die spezifische Referenzmenge auf landwirtschaftlich genutzten Flächen des Betriebes erzeugt worden seien. Aktenmäßig ergebe sich kein Hinweis, daß die vom Kläger genutzten Flächen nicht der Milcherzeugung gedient hätten. Die Prüfung betrieblicher Daten stehe dem nicht entgegen.

6

Dagegen erhob der Kläger die Klage am 11. August 1995. Zu deren Begründung wiederholt der Kläger sein Widerspruchsvorbringen und meint, daß es keine Vermutung gebe, auch Pachtflächen dienten der Milcherzeugung. Durch die Fruchtfolge und durch die vorgelegten Versicherungsnachweise werde belegt, daß er die Pachtflächen ausschließlich zum Anbau von Getreide und Rüben genutzt habe. Das auf den Pachtflächen geworbene Rübenblatt sei zur Gründüngung verwendet worden. Zuckerschnitzel aus der Rübenproduktion habe der Betrieb nicht erzeugt. Das Getreide sei ausweislich seiner Verkaufsbelege verkauft worden. Soweit es nicht verkauft worden sei, sei es ausschließlich zur Mast eingesetzt worden.

7

Der Kläger beantragt,

die Bescheide der Beklagten vom 18. Mai 1995 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 7. Juli 1995 aufzuheben.

8

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

9

Die Beklagte meint, bei einer örtlichen Besichtigung des Betriebes des Klägers sei einvernehmlich festgestellt worden, daß 1996 alle drei Pachtflächen mit Getreide bestellt seien. Der Kläger habe dabei angegeben, daß die Flächen bis Oktober 1994 auch der Milcherzeugung gedient hätten, da das Getreide über die hofeigene Schrotmühle in der Milchviehhaltung verwendet worden sei.

10

Dem ist der Kläger detailliert in der mündlichen Verhandlung entgegengetreten.

11

Die Beigeladenen stellen keine Anträge. Sie unterstützen das Vorbringen der Beklagten.

12

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

13

Die zulässige Klage ist begründet.

14

Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzten den Kläger in seinen Rechten. Mit den angefochtenen Bescheinigungen hat die Beklagte rechtsfehlerhaft festgestellt, daß aus Anlaß der Rückgabe der vom Kläger angepachteten Flächen eine anteilige Referenzmenge von (5.808 + 14.320 + 3.580 =) 23.708 kg vom Kläger auf die Beigeladenen übergegangen ist.

15

Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtslage für den hier streitigen Referenzmengenübergang ist die im April 1995 geltende Milchgarantiemengenverordnung vom 21.03.1994 (BGBl. 1 S. 586) in der Fassung der 32. Änderungsverordnung vom 26.09.1994 (BGBl. 1 S. 2575), - MGV -.

16

Nach § 7 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 MGV geht ein Referenzmengenanteil auf den Verpächter über, wenn aufgrund eines vor dem 2. April 1984 abgeschlossenen und nunmehr beendeten Pachtvertrages Flächen eines Betriebes, die für die Milcherzeugung genutzt wurden, an den Verpächter zurückgewährt werden.

17

Die Pachtverträge zwischen dem Kläger und den Beigeladenen sind vor 1984 abgeschlossen worden. Die Pachtflächen sind nach dem 30. September 1984 an die beigeladenen Verpächter zurückgegeben worden. Weil der Kläger nicht geltend gemacht hat, daß er einen Anspruch auf Vertragsverlängerung unter entsprechenden Bedingungen gehabt habe und daher ggf. Pächterschutz beanspruchen könnte, ist unter den Beteiligten lediglich streitig, ob die Pachtflächen vor der Rückgabe vom Kläger "für die Milcherzeugung" im Sinne des § 7 Abs. 4 Satz 1 MGV genutzt worden sind. Das ist hier nicht festzustellen, so daß die Klage Erfolg haben muß.

18

Landwirtschaftliche Flächen werden zur Milcherzeugung genutzt, wenn ihre Nutzung in einem zumindest mittelbaren funktionalen Zusammenhang zur Milcherzeugung steht. Der erforderliche Bezug zur Milcherzeugung fehlt, wenn die betreffenden Flächen ausschließlich zu anderen Zwecken oder gar nicht genutzt worden sind (BVerwG, Urteil v. 01.09.1994 - 3 C 1.92 - AS 96, 337 = Buchholz Nr. 451.512 Nr. 97 = Agrarrecht 1994, 401). Als Milcherzeugungsflächen sind alle Flächen des Betriebes zu berücksichtigen, die unmittelbar oder mittelbar zur Milcherzeugung beitragen. So dienen mittelbar der Milcherzeugung alle diejenigen landwirtschaftlichen Flächen, auf denen etwa Futter für die Milchkühe des Betriebes im Zuge der bodenbedingten, üblichen Fruchtfolge angebaut werden. Ebenso dient eine landwirtschaftliche Fläche zur Milcherzeugung, wenn sie als Weideland oder Futterfläche für das zur Ergänzung des Milchkuhbestandes gehaltene Jungvieh genutzt worden ist (BVerwG, a.a.O.).

19

Für die Charakterisierung als Milcherzeugerfläche kommt es regelmäßig auf die Verhältnisse im Zeitpunkt des mutmaßlichen Referenzmengenübergangs an (BVerwG, Urteil v. 22.12.1994 - 3 C 24.92- = Buchholz a.a.O. Nr. 104 und Urteil v. 23.06.1995 - 3 C 6.94 = Buchholz a.a.O. Nr. 110 = AgrarR 1996, 31). Dieser Zeitpunkt ist jedoch nicht statisch, sondern wegen ackerbaulicher Gründe in einem dynamischen Sinne zu verstehen, da eine Umnutzung der Fruchtfolgeprodukte die Flächenzuordnung ändern kann. In solch einem Fall ist der Kilogrammbetrag pro Hektar aus den tatsächlich für die Milcherzeugungsflächen genutzten Flächen zu berechnen (BVerwG, Urteil v. 23.06.1995, a.a.O.).

20

Die zum 1. April 1995 den Beigeladenen zurückgegebenen Pachtflächen sind vom Kläger nicht zur Milcherzeugung genutzt worden, so daß ein Milchreferenzmengenübergang nicht erfolgt ist. Durch die Versicherungsnachweise 1989-94 hat der Kläger für die streitbefangenen Flächen glaubhaft gemacht, daß zum einen im letzten 3jährigen Fruchtfolgezeitraum die Fläche der Beigeladenen zu 2. zum Teil "ohne Anbau" stillgelegt war. Die Flächen der Beigeladenen zu 1. und 3. und zum Teil der Beigeladenen zu 2. dienten zum anderen der Erzeugung von Getreide (Wintergerste und Weizen) und Zuckerrüben. Die erzeugten Produkte sind nach den vorgelegten Unterlagen auch nicht mittelbar für die Milcherzeugung eingesetzt worden. Sie wurden den glaubhaften Angaben des Klägers zufolge auch nicht mittelbar der Milcherzeugung zugeführt, da er weder geschrotetes Getreide, noch die als Abfallprodukte aus der Zuckererzeugung verwertbaren Zuckerrübenschnitzel an das Milchvieh verfüttert hat. Die entgegenstehenden Feststellungen des Landwirtschaftsberaters Fathke im Protokoll vom 28.06.1996 beruhen, wie sich in der mündlichen Verhandlung ergeben hat, offenbar auf einem Mißverständnis zwischen ihm und dem Kläger.

21

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO.

22

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11 ZPO.

Streitwertbeschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf

4.741,60 DM

festgesetzt.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluß ist die Beschwerde an das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 100,00 DM übersteigt. Sie ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten nach Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache oder anderweitiger Erledigung des Verfahrens schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem

Verwaltungsgericht Lüneburg,

Fuchsweg 9, 21337 Lüneburg, oder

Postfach 2941, 21319 Lüneburg,

oder bei dem

Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht,

Uelzener Straße 40, 21335 Lüneburg, oder

Postfach 2371, 21313 Lüneburg,

eingelegt wird. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.