Oberlandesgericht Braunschweig
Urt. v. 11.11.1994, Az.: 5 U 13/94

Unzulässigkeit einer Teilungszwangsversteigerung ; Teilungsanordnung der Erblasserin; Bindungswirkung eines gemeinschaftlichen Testaments (Berliner Testament) nach Vorversterben eines Ehegatten; Vorausvermächtnis; Auslegung des Erblasserwillens

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
11.11.1994
Aktenzeichen
5 U 13/94
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1994, 16712
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGBS:1994:1111.5U13.94.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG ... - 16.02.1994 - AZ: 2 O 377/93
AG ... - AZ: 24 K 80/91

Verfahrensgegenstand

Drittwiderspruchsklage gegen eine Teilungszwangsversteigerung

In dem Rechtsstreit
hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ...
die Richterin am Oberlandesgericht ... sowie
den Richter am Oberlandesgericht ...
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 28. Oktober 1994
für Recht erkannt:

Tenor:

Aufgrund der Berufung des Klägers wird das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts ... vom 16. Februar 1994 abgeändert.

Die von der Beklagten zur Geschäftsnummer des Amtsgerichts ... 24 K 80/91 betriebene Zwangsversteigerung zur Aufhebung der Gemeinschaft des im Grundbuch von ... B Bl. 7456, eingetragenen Grundbesitzer, lfd. Nr. 1, Gemarkung ... Flur 1, Flurstück 142/1, Hof- und Gebäudefläche, ... und Flurstück 143/2, Hof- und Gebäudefläche, ... in der Größe von insgesamt 719 qm, wird für unzulässig erklärt.

Die Beklagte trägt die Kosten des gesamten Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung von 15.000,00 DM abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet.

Die Beschwer der Beklagten sowie der Berufungsstreitwert betragen 120.000,00 DM.

Tatbestand

1

Der Kläger macht die Unzulässigkeit einer von der Beklagten betriebenen Teilungszwangsversteigerung geltend.

2

Die Parteien sind Geschwister. Den inzwischen verstorbenen Eltern gehörten unter anderem ein Hausgrundstück in ... bei ... sowie Hausgrundstück in der ... in ... Durch gemeinschaftliches notarielles Testament haben sich die Eltern der Parteien am 20.01.1964 gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt und die Parteien zu gleichen Teilen als Erben des Letztversterbenden bestimmt. Den in dem Haus ... vom Vater betriebenen Schlachtereibetrieb sollte der Kläger vorab erhalten.

3

Die Mutter der Parteien traf, nachdem der Vater bereits seit längerer Zeit verstorben war, am 22.08.1984 eine weitere notariell beurkundete Verfügung von Todes wegen. Darin ordnete sie unter anderem an, daß nach ihrem Tod der Kläger das Grundstück in ... und die Beklagte das Grundstück in ... jeweils einschließlich aller darin befindlichen Hausrats- und Einrichtungsgegenstände, zu alleinigem Eigentum erhalten sollten. Die restlichen Nachlaßgegenstände sollten je zur Hälfte auf die Parteien übergehen.

4

Nachdem die Mutter am 19.09.1991 verstorben war, sind die Parteien hinsichtlich des Grundstücks in ... seit Dezember 1991 als Eigentümer in Erbengemeinschaft eingetragen. Die Beklagte betreibt die Zwangsversteigerung dieses Grundstücks, das der Kläger mit seiner Familie bewohnt, zwecks Aufhebung der Gemeinschaft. Das Grundstück in ... bereits auf Betreiben der Beklagten vom Amtsgericht ... zur Aufhebung der Erbengemeinschaft versteigert worden.

5

Der Kläger vertritt die Ansicht, die von der Beklagten in das Grundstück in ... triebene Teilungsversteigerung sei unzulässig. Die letztwillige Verfügung der Mutter enthalte eine wirksame Teilungsanordnung. Der Kläger hat behauptet, die Differenz zwischen den Werten der Grundstücke in ... und in ... sei zugunsten der Beklagten dadurch ausgeglichen worden, daß diese die im Haus in ... befindlichen erheblich wertvolleren Einrichtungs- und Hausratsgegenstände erhalten habe.

6

Der Kläger hat beantragt,

die von der Beklagten betriebene Teilungszwangsversteigerung des im Grundbuch von ... B Blatt 7456, Grundstück lfd. Nr. 1, Gemarkung ... Flur 1, Flurstück 142/1, Hof- und Gebäudefläche, ... und Flurstück 143/2, Hof- und Gebäudefläche, ... in Größe von insgesamt 719 qm für unzulässig zu erklären.

7

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

8

Sie hat die Teilungsanordnung der Mutter in der letztwilligen Verfügung vom 22.08.1984 für unwirksam erachtet, da sie durch diese Anordnung gegenüber dem gemeinschaftlichen Testament der Eltern benachteiligt werde.

9

Wegen des weiteren erstinstanzlichen Parteivorbringens wird auf den Inhalt der Schriftsätze und deren Anlagen Bezug genommen.

10

Das Landgericht hat Beweis erhoben über den Verkehrswert der Grundstücke ... und ... zum Zeitpunkte des Erbfalls. Auf die Gutachten des Sachverständigen ... vom 08.12.1992 sowie 01.06.1993 wird verwiesen.

11

Das Landgericht hat die Klage am 16.02.1994 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Teilungsanordnung in der letztwilligen Verfügung vom 22.08.1984 sei unwirksam.

12

Gegen diese am 23.02.1994 zugestellte Entscheidung hat der Kläger am 23.03.1994 Berufung eingelegt und sein Rechtsmittel am 25.05.1994 nach entsprechender Fristverlängerung begründet.

13

Er hält die letztwillige Verfügung der Mutter nach wie vor für wirksam und erklärt sich ausdrücklich zur Zahlung eines etwa erforderlich werdenden Ausgleichsbetrages an die Beklagte im Fall einer Wertverschiebung bereit.

14

Der Kläger meint, aus dem gemeinschaftlichen Testament der Eltern sei lediglich die Erbeinsetzung bindend geworden. Die Mutter habe daher eine Teilungsanordnung treffen dürfen. Zumindest eine ergänzende Auslegung dieser Anordnung ergebe, daß dem Kläger eine Ausgleichspflicht auferlegt worden sei. Die Erblasserin habe die Einsetzung der Kinder zu gleichen Teilen nicht ändern wollen. Aus diesem Grund habe sie zunächst prüfen lassen, ob durch ihre letztwillige Verfügung eine Wertverschiebung erfolgen könne. Den geringfügig höheren Wert, der sich aufgrund der Auskünfte des von ihr beauftragten Sachverständigen ergeben habe, habe die Erblasserin, dadurch ausgleichen wollen, daß sie der Beklagten auch die erheblich wertvolleren Hausrat- und Einrichtungsgegenstände im Haus in ... habe zukommen lassen. Hätte die Erblasserin die späteren Ereignisse vorausgeahnt, hätte sie dem Kläger eine Ausgleichspflicht auferlegt, um ihren Willen in rechtlich zulässiger Form zum Ausdruck zu bringen. Sodann beanstandet der Kläger, daß das Landgericht die Gutachten ... unzureichend auf ihre Plausibilität im Hinblick auf den früheren Parteivortrag des Klägers überprüft habe.

15

Der Kläger begehrt in Abänderung der angefochtenen Entscheidung ein Urteil mit demselben feststellenden Inhalt wie in erster Instanz.

16

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

17

Sie hält die letztwillige Verfügung der Erblasserin für unwirksam und meint, die Eltern hätten einerseits beide Kinder als Schlußerben zu gleichen Teilen eingesetzt, andererseits dem Kläger aber zusätzlich ein Vermächtnis ausgesetzt, indem sie ihm den kompletten Schlachtereibetrieb übertragen hätten. Die Mutter sei daher nicht mehr befügt gewesen, eine davon abweichende anderweitige Verteilung des Nachlasses vorzunehmen. Das Vermächtnis unterliege ebenfalls der Bindungswirkung des Testaments. Aus diesem Grund sei die Beklagte nicht auf einen bloßen Zahlungsausgleich beschränkt. Die Beklagte ist ferner der Auffassung, die Ausführungen des Klägers zu den verschiedenen Gutachten könnten die zutreffende Beweiswürdigung des Landgerichts nicht erschüttern.

18

Wegen des weiteren Vorbringens beider Parteien wird wiederum auf den Inhalt der in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

19

Die zulässige Berufung des Klägers hat Erfolg. Die von der Beklagten betriebene Teilungsversteigerung in das Grundstück in ... ist unzulässig.

20

1.

Das in der prozessualen Form einer Drittwiderspruchsklage gem. § 771 ZPO verfolgte Klagebegehren ist zulässig. Die Beklagte betreibt die Zwangsversteigerung zur Aufhebung der Gemeinschaft, die die Parteien hinsichtlich des Grundstücks in ... bilden. Nach § 2042 BGB kann jeder Miterbe grundsätzlich jederzeit die Auseinandersetzung der Gemeinschaft verlangen. Diese erfolgt bei Grundstücken durch Zwangsversteigerung gem. § 180 ZVG. Nicht aus dem Grundbruch ersichtliche, der Versteigerung entgegenstehende materielle Rechte oder Einwendungen gegen die Zulässigkeit einer Auseinandersetzung sind im Wege der Klage nach § 771 ZPO geltend zu machen, obwohl die Teilungsversteigerung keine Vollstreckung und der Kläger nicht "Dritter" ist (ständige Rechtsprechung, z. B. BGH FamRZ 1984, 563, 564;  1972, 363, 364; BayObLGNJW 1971, 2314, 2315).

21

2.

Das gemeinschaftliche notarielle Testament der Eltern vom 20.01.1964 ist ein sogenanntes Berliner Testament (§ 2269 BGB) mit der Besonderheit, daß der Kläger den Schlachtereibetrieb als Vorausvermächtnis gem. § 2150 BGB erhalten sollte.

22

Die Eltern hatten in ihrem Testament zunächst vorgesehen, daß der überlebende Teil Alleinerbe des anderen sein sollte. Nach dem Tod des Letztversterbenden sollten beide Kinder dessen "Erben zu gleichen Teilen" sein. Außerdem hatten die Eltern aber "hinsichtlich der Teilung unter den Erben" bestimmt, daß der Kläger den Schlachtereibetrieb mit Inventar und Kundenkreis "vorweg erhalten" sollte; demgegenüber sollten sich die Geschwister den "übrigen Nachlaß, insbesondere beide Grundstücke mit Gebäuden ... untereinander zu gleichen Anteilen teilen." Der scheinbare Widerspruch zwischen diesen beiden verschiedenen Absätzen des Testaments ist dahin aufzulösen, daß nach dem Willen der Eltern zwar beide Kinder gleichberechtigte Miterben sein sollten, daß aber dem Kläger unabhängig von dieser Regelung der Schlachtereibetrieb zufallen sollte.

23

Die Zuwendung des Betriebes ist ein Vorausvermächtnis. Ein Vermächtnis liegt immer dann vor, wenn nach dem Willen des/der Erblasser der Übernahmeberechtigte durch das Übernahmerecht einen Vermögensvorteil gegenüber dem/den anderen Miterben bekommen soll, während eine reine Teilungsanordnung dann gegeben ist, wenn ein solcher Begünstigungswille fehlt. Die Teilungsanordnung beschränkt sich also gewissermaßen auf Fragen der technischen Durchführung der Erbeinsetzung, während die wertmäßige Gewichtsverteilung und Gewichtsverschiebung durch andere Rechtsinstitute geregelt wird, vor allem durch die Erbeinsetzung und das Vermächtnis (BGHZ 36, 115, 118 [BGH 08.11.1961 - V ZR 31/60]/119). Als Abgrenzungskriterium ist also entscheidend, ob der/die Erblasser den Erben mit der Zuweisung eines bestimmten Gegenstandes "wertmäßig begünstigen", ihm den Gegenstand nämlich zusätzlich zu seinem Erbteil zukommen lassen wollten (dann Vorausvermächtnis) oder ob (dann Teilungsanordnung) der Erbe den Mehrwert auf seinen Erbteil anrechnen oder jedenfalls ausgleichen soll (BGH FamRZ 1987, 475, 476; NJW 1985, 51, 52 [BGH 14.03.1984 - IVa ZR 87/82]; FamRZ 1985, 62, 63). Da die Eltern an zwei Stellen ihres gemeinschaftlichen Testaments ausdrücklich vorgeschrieben haben, daß die beiden Kinder Erben zu gleichen Teilen sein sollten, wollten sie dem Kläger mit der Zuwendung des Schlachtereibetriebes einen echten Mehrwert gegenüber der Beklagten zukommen lassen. Unter diese Umständen handelt es sich um ein Vorausvermächtnis (vgl. auch RGRK - Kregel, BGB, 12. Aufl., § 2048 Rdnr. 1 m. w. N.).

24

Ebenso wie die wechselseitige Erbeinsetzung ist auch das Vermächtnis mit dem Tod des Vaters der Parteien bindend geworden (§ 2271 Abs. 2 BGB), Das Vermächtnis ist ebenfalls eine wechselbezügliche Verfügung gem. § 2270 Abs. 1 BGB. Wenn Ehegatten in einem Berliner Testament ein Vermächtnis angeordnet haben, das nach dem Tode des Überlebenden erfüllt werden soll, dann ist nach der Auslegungsregel des § 2269 Abs. 2 BGB im Zweifel anzunehmen, daß das Vermächtnis dem Bedachten erst mit dem Tode des Überlebenden zufallen soll. Die in einem derartigen Testament getroffene Bestimmung geht also dahin, daß jeder Ehegatte ein Vermächtnis für den Fall aussetzt, daß er von beiden der Überlebende ist. Die Anordnung des zuerst Verstorbenen hat sich durch dessen Tod erledigt, während die Bestimmung des überlebenden Ehegatten wirksam geblieben ist. Daraus folgt, daß beide Vermächtnisverfügungen im Verhältnis der Gegenseitigkeit stehen, also wechselbezüglich sind (RGRK - Johannsen, a.a.O., § 2269 Rdnr. 37; siehe auch BGHZ 36, 115, 120) [BGH 08.11.1961 - V ZR 31/60].

25

3.

Die letztwillige Verfügung, die die Mutter am 22.08.1984 getroffen hat, ist als Teilungsanordnung wirksam.

26

Entgegen der Annahme der Beklagten kann nicht zweifelhaft sein, daß die Mutter der Parteien in jener notariellen Urkunde eine die Kinder bindende Regelung treffen wollte. Zu Beginn der Urkunde heißt es ausdrücklich, daß Frau ... eine "letztwillige Verfügung" errichten wolle. Der Text auf Seite 2 oben lautet dahin, daß sie den Notar ersuchte, eine "Verfügung von Todes wegen" zu beurkunden. Unter diesen Umständen kann der Satz auf derselben Seite dieser Urkunde, daß es nämlich der nachdrückliche Wunsch der Mutter sei, daß sich die Kinder wie folgt ... auseinandersetzen sollten, nicht als für die Parteien unverbindliche Vorstellung der Erblasserin angesehen werden.

27

Die Verfügung von Todes wegen stellt eine Teilungsanordnung dar. Die Mutter hat im einzelnen angeordnet, in welcher Weise sich die Parteien "hinsichtlich des Grundeigentums und (des) Hausrats und der Wohnungseinrichtungen auseinandersetzen sollen". Die Beklagte sollte nämlich das Grundstück in ... einschließlich aller Hausrats- und Einrichtungsgegenstände zu Alleineigentum erhalten, der Kläger dagegen das Grundstück in ... Außerdem hat die Mutter angeordnet, daß ihre sonstigen Vermögenswerte je zur Hälfte auf beide Kinder übergehen sollten. In der Verfügung hat sie ferner ausdrücklich darauf hingewiesen, daß sie die Kinder "hinsichtlich der von (ihr) gewünschten Aufteilung des Grundeigentums gleichmäßig bedenken" wolle und daß sie der bestehenden Wertdifferenz bezüglich beider Grundstücke dadurch Rechnung getragen habe, daß sie "den weit wertvolleren Hausrat und die Wohnungseinrichtung in ... mit Silber und Geschirr und dem Klavier" der Tochter Gisela zukommen lasse. Nach dem klaren Wortlaut der Verfügung war es der Wille der Mutter, daß kein Kind wertmäßig begünstigt oder benachteiligt würde.

28

Bei der Abgrenzung einer Teilungsanordnung von einem Vermächtnis ist zunächst darauf abzustellen, welche Vorstellungen der Erblasser nach dem Testament subjektiv hatte. Nur dann, wenn er die zuvor festgelegten Erbquoten durch seine Verfügung nicht verschieben, sondern sie gerade unangetastet lassen wollte, handelt es sich um eine Teilungsanordnung. Im anderen Fall liegt ein Vermächtnis vor. Teilungsanordnung ist die Verfügung auch dann, wenn dem Bedachten objektiv ein zusätzlicher Vermögensvorteil zugewendet worden ist, ohne daß der Erblasser ihn aber gegenüber dem oder den übrigen Miterben bevorzugen wollte (BGH FamRZ 1985, 62, 63, mit erläuternder Anmerkung von Rudolf; BGH NJW 1985, 51, 52) [BGH 14.03.1984 - IVa ZR 87/82]. Wenn durch die Anordnung objektiv eine Wertverschiebung bei den im übrigen verfügten Erbquoten eintritt, dann ist allerdings zu prüfen, ob der Erblasser dem Begünstigten den Mehrwert zusätzlich verschaffen wollte oder ob nach seinem Willen eine Wertverschiebung dadurch ausgeschlossen sein soll, daß der bedachte Miterbe hinsichtlich dieses Mehrwerts einen Ausgleich aus seinem eigenen Vermögen zahlen muß (BGH FamRZ 1987, 475, 476; NJW 1985, 51, 52 [BGH 14.03.1984 - IVa ZR 87/82]; Rudolf FamRZ 1985, 63, 64). Nur im letzten Fall liegt eine Teilungsanordnung vor. Der Wille des Erblassers ist durch Auslegung der letztwilligen Verfügung zu ermitteln, wobei durch den Wortlaut grundsätzlich keine Grenzen gesetzt sind. Wenn der Inhalt einer letztwilligen Verfügung verschiedene Auslegungen zuläßt, dann ist im Zweifel diejenige Auslegung vorzuziehen, bei der die Verfügung Erfolg haben kann (§ 2084 BGB). Gelingt es trotz Auswertung aller zur Aufdeckung des Erblasserwillens dienlichen Umständen nicht, sich von dem tatsächlich vorhandenen Willen zu überzeugen, dann muß der Richter sich notfalls damit begnügen, den Sinn zu ermitteln, der dem mutmaßlichen Erblasserwillen am ehesten entspricht (BGHZ 86, 41, 45 [BGH 08.12.1982 - IVa ZR 94/81]; BGH FamRZ 1985, 62, 63). Eine ergänzende Auslegung ist vor allem dann geboten, wenn dem Erblasser der objektive Vermögensvorteil nicht bewußt gewesen ist (Soergel/Wolf, BGB, 11. Aufl., § 2048 Rdnr. 6, Palandt/Edenhofer, BGB, 51. Aufl., § 2048 Rdnr. 4 a). Ergibt diese Auslegung, daß der Erblasser den Bedachten trotz der objektiv eingetretenen Wertverschiebung nicht gegenüber den anderen Miterben bevorzugen wollte, dann liegt eine Teilungsanordnung vor mit der Folge, daß der die Erbquote übersteigende Wert ausgeglichen werden muß (Rudolf, a.a.O.).

29

Unter Berücksichtigung dieser Rechtslage sowie der bei der Auslegung der letztwilligen Verfügung der Mutter zu berücksichtigenden Umstände ergibt sich, daß diese Verfügung wirksam ist. Die Eltern hatten in ihrem gemeinschaftlichen Testament lediglich Erbeinsetzungen sowie die Zuwendung eines Vermächtnisses an den Kläger vorgesehen. In diesem Umfang unterliegen die Verfügungen der Bindungswirkung des § 2271 Abs. 2 BGB. Eine neue letztwillige Verfügung, die der überlebende Ehegatte einseitig getroffen hat, ist nur insoweit und solange unwirksam, als sie die Rechte des aus dem gemeinschaftlichen Testament Bedachten beeinträchtigen würde. Beeinträchtigt würde die Rechtsstellung der Beklagten durch die Teilungsanordnung der Mutter aber nur, wenn dadurch eine Wertverschiebung zu ihren Lasten eingetreten wäre (Soergel/Wolf, a.a.O., § 2271 Rdnr. 16), Das ist nicht der Fall. Der Kläger muß seiner Schwester einen durch die getroffenen Anordnungen der Mutter etwa eingetretenen Mehrwert schuldrechtlich erstatten.

30

Diese Erstattungspflicht entspricht dem Willen der Mutter, den diese für den Fall gehabt und ausdrücklich niedergelegt hätte, wenn sie vorausgesehen hätte, daß im Zeitpunkt ihres Todes beide Kinder infolge ihrer Anordnungen wertmäßig nicht gleich behandelt würden. Aus der Urkunde vom 22.08.1984 ergibt sich der eindeutige Wille von Frau ... beiden Kindern im Ergebnis gleich hohe Vermögenswerte zukommen zu lassen. Die Erblasserin hat dies nicht nur als ihren Willen niedergelegt, sondern zusätzlich auch mitgeteilt, daß sie zur Bewertung der beiden Grundstücke einen Sachverständigen eingeschaltet habe und daß sich die Gutachten bei ihren persönlichen Akten befänden, "damit meine Kinder sich überzeugen können, daß ich sie hinsichtlich der von mir gewünschten Aufteilung des Grundeigentums gleichmäßig bedenken will". Wäre die Mütter bereits kurze Zeit nach dem 22.08.1984 verstorben und hätte sich sodann herausgestellt, daß die von dem beauftragten Sachverständigen vorgenommenen Bewertungen unzutreffend wären, dann hätte es nach dem von der Mutter in der Urkunde im übrigen deutlich geäußerten Willen auch ihrem Wunsch entsprochen, daß der Kläger eine entsprechende Ausgleichszahlung an die Beklagte hätte erbringen müssen. Eine gleiche subjektive Vorstellung hätte die Erblasserin gehabt für den Fall, daß der Hausrat und die Wohnungseinrichtung im Haus in ... entgegen ihrer Annahme nicht so wertvoll war, um die von ihr mitgeteilte Wertdifferenz von 35.000,00 DM zu Lasten der Beklagten auszugleichen. Kann dieser Wille der Mutter, bezögen auf einen mutmaßlichen Erbfall kurz nach der Errichtung ihrer letztwilligen Verfügung, aufgrund des gesamten Inhalts der Urkunde nicht zweifelhaft sein, dann gilt das gleiche aber auch für den nunmehr zu entscheidenden Sachverhalt.

31

Demgegenüber besteht für die Richtigkeit der von der Beklagten in der Senatsverhandlung aufgestellten Behauptung, der Mutter sei bereits bei Errichtung ihrer letztwilligen Verfügung klar gewesen, daß sie mit ihrer Anordnung von den im gemeinschaftlichen Testament festgelegten Erbquoten zugunsten des Klägers abwich, kein Anhaltspunkt. Diese Annahme der Beklagten ist durch objektive Umstände nicht belegt. Der Inhalt der letztwilligen Verfügung spricht eindeutig gegen sie. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang, daß die Mutter in der Urkunde ausdrücklich erklärt hat, sie wolle beide Kinder im Ergebnis gleichmäßig bedenken, und daß sie unmittelbar vor der Beurkundung ihres letzten Willens das Gutachten eines vereidigten Sachverständigen über den Verkehrswert beider Grundstücke eingeholt hat. Dieses Verhalten kann nur so erklärt werden, daß Frau ... nicht nur die Absicht hatte, auf der Grundlage des früheren gemeinschaftlichen Testaments eine wertmäßig gerechte Verteilung des Nachlasses zwischen den Parteien vorzunehmen, sondern daß sie auch davon überzeugt gewesen ist, daß sie dieses Ziel durch ihre Anordnungen erreichen würde, jedenfalls bezogen auf den Zeitpunkt der Abfassung der letztwilligen Verfügung.

32

Unter diesen Umständen hat die Verfügung in ergänzender Auslegung des Erblasserwillens den Inhalt, daß der Kläger der Beklagten aus seinem sonstigen Vermögen eine entsprechende Ausgleichszahlung zu erbringen hat, wenn er durch die Anordnungen der Mutter zur Zeit des Erbfalls einen zusätzlichen Vermögensvorteil erhalten würde. Mit diesem Inhalt ist die letztwillige Verfügung vom 22.08.1984 als Teilungsanordnung anzusehen und damit wirksam. Die Beklagte muß einen etwaigen Ausgleichsanspruch, der bisher auch noch nicht beziffert ist, gesondert geltend machen. Der vorliegende Rechtsstreit kann lediglich das Ergebnis haben, daß aufgrund des Anspruchs des Klägers aus der wirksamen Teilungsanordnung im Rahmen des gem. § 771 ZPO betriebenen Klageverfahrens festzustellen ist, daß die von der Beklagten betriebene Teilungsversteigerung unzulässig ist.

33

Als unterlegene Partei hat die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, § 91 Abs. 1 ZPO. Die weiteren Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 708 Nr. 10, 711 sowie § 546 Abs. 2 ZPO. Die Bemessung des Streitwerts beruht auf der zutreffenden und von den Parteien auch nicht angegriffenen Festsetzung durch das Landgericht und berücksichtigt, daß die Widerklage nicht mehr Gegenstand des Berufungsverfahrens war.

Streitwertbeschluss:

Die Beschwer der Beklagten sowie der Berufungsstreitwert betragen 120.000,00 DM.