Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 17.11.1994, Az.: 5 W 18/94
Gewährung von Prozeßkostenhilfe für eine Stufenklage, die dazu dient eine Pflichtteilerhöhung zu erreichen
Bibliographie
- Gericht
- OLG Braunschweig
- Datum
- 17.11.1994
- Aktenzeichen
- 5 W 18/94
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1994, 16713
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGBS:1994:1117.5W18.94.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Braunschweig - 04.07.1994 - AZ: 5 O 15/94
In dem Rechtsstreit
hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ...
die Richterin am Oberlandesgericht ... und
den Richter am Oberlandesgericht ...
am 17. November 1994 beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluß des Landgerichts Braunschweig vom 04. Juli 1994 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Wert von 2.700,00 DM. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
1.
Die Antragstellerin begehrt Prozeßkostenhilfe für eine Stufenklage, mit der sie im Ergebnis von ihren beiden Halbschwestern die Ergänzung einer bereits erhaltenen Pflichtteilszahlung erreichen möchte. Das Landgericht hat den Antrag am 04.07.1994 zurückgewiesen mit der Begründung, der Auskunftsanspruch -Antrag 1. der angekündigten Klage- sei verjährt. Die von der Antragstellerin gegen diese Entscheidung eingelegte Beschwerde hat keinen Erfolg. Der Beschluß des Landgerichts erweist sich als zutreffend.
2.
Unproblematisch ist zunächst die Annahme des Landgerichts, der Antragstellerin stehe grundsätzlich ein Auskunftsanspruch gegen beide Antragsgegnerinnen als den vom Vater eingesetzten Erbinnen gemäß § 2314 BGB zu. Der Auskunftsanspruch und ein möglicherweise bestehender ergänzender Pflichtteilsanspruch richtet sich auch bzgl. der vorliegend interessierenden Grundstücke in Magdeburg nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch und nicht nach dem Zivilgesetzbuch der ehemaligen DDR. Die Antragstellerin beruft sich insoweit offenbar auf Ansprüche gemäß §§ 3, 9 des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen vom 29.09.1990. Derartige Ansprüche wären erst aufgrund dieses Gesetzes in der Person der Berechtigten entstanden, also der zu Erben eingesetzten Antragsgegnerinnen. Soweit der Auskunfts- und ein möglicher ergänzender Pflichtteilsanspruch der Antragstellerin betroffen ist, ist keine Nachlaßspaltung gemäß § 25 Abs. 2 des Rechtsanwendungsgesetzes der DDR eingetreten, welches vorsah, daß sich die erbrechtlichen Verhältnisse in bezug auf das Eigentum und andere Rechte an Grundstücken und Gebäuden in der DDR stets nach dem dort geltenden Recht bestimmten (vgl. Palandt/Edenhofer, BGB, 53. Aufl., EGBGB, Art. 235, § 1, Rdnr. 7).
3.
Die Antragstellerin hat bereits einige Zeit nach dem am 10.10.1982 erfolgten Erbfall eine erhebliche Zahlung als Pflichtteil aufgrund der damals erfolgten Berechnung des Nachlaßwerts erhalten. Diese Zahlung steht ihrem nunmehr verfolgten Auskunftsanspruch nicht entgegen. Zwar wird der Berechnung des Pflichtteils der Bestand und der Wert des Nachlasses zur Zeit des Erbfalls zugrundegelegt (§ 2311 Abs. 1 S. 1 BGB). Ansprüche der Erben nach dem Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen gehören nicht zum "Bestand ... des Nachlasses zur Zeit des Erbfalls". Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist aber die Sondervorschrift des § 2313 Abs. 2 Satz 1 BGBüber den maßgeblichen Zeitpunkt der Berechnung analog auch dann anzuwenden, wenn der Erbe aufgrund des Vermögensgesetzes ein Grundstück des Erblassers in der ehemaligen DDR entweder zurückerhält oder dafür eine Entschädigung bekommt (BGH NJW 1993, 2176, 2177) [BGH 23.06.1993 - IV ZR 205/92]. Aufgrund der gesetzlichen Regelung bleiben bei der Feststellung des Wertes des Nachlasses Rechte, die von einer aufschiebenden Bedingung abhängig sind, zunächst außer Ansatz; erst wenn die Bedingung eintritt, hat die der veränderten Rechtslage entsprechende Ausgleichung zu erfolgen. Begründet hat der BGH die Rechtsanalogie mit der Erwägung, es sei nicht einzusehen, weshalb dem Erben ein Vorteil daraus erwachsen sollte, daß Ausgleichsleistungen nicht schon in der Person des Erblassers, sondern erst in der Person des Erben begründet worden sind (vgl. bereits BGH FamRZ 1977, 128, 129).
4.
Der der Klägerin zustehende Auskunftsanspruch ist nach derzeitiger Beurteilung der Sach- und Rechtslage allerdings verjährt.
Diese Rechtsfolge ergibt sich nicht unmittelbar aus dem Wortlaut von § 2332 Abs. 1 BGB. Dieser Vorschrift zufolge verjährt der Pflichtteilsanspruch in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in welchem der Pflichtteilsberechtigte von dem Eintritt des Erbfalls und von der ihn beeinträchtigenden Verfügung Kenntnis erlangt. Zu berücksichtigen ist allerdings, daß ein etwaiger Anspruch der Antragsgegnerinnen betreffend die beiden Grundstücke in Magdeburg erst durch das Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen vom 29.09.1990 entstanden ist. Für den Fall des Lastenausgleichsverfahrens hat der Bundesgerichtshof entschieden, die besondere Rechtslage, nach der die nach dem Erbfall gesetzlich begründeten Lastenausgleichsansprüche rückwirkend dem Nachlaßvermögen zugerechnet werden, erforderten, daß die Verjährung des Pflichtteilsanspruchs in Abweichung von § 2332 Abs. 1 BGB nicht vor dem Zeitpunkt beginne, in dem diese Ansprüche entstanden seien; vorher hätten sie nämlich nicht in die Berechnung des Nachlaßwerts einbezogen werden können (BGH FamRZ 1977, 128, 129). Der BGH hat in diesem Urteil sodann erwogen, als maßgebendes Datum für den Beginn der Verjährungsfrist den Erlaß des Entschädigungsbescheides ausreichen zu lassen. Einen derartigen Lösungsweg bat er jedoch mit ausführlicher Begründung abgelehnt: Über die in § 2132 Abs. 1 BGB genannten Voraussetzungen hinaus komme es nicht auf die Kenntnis des Pflichtteilsberechtigten vom Stand des Nachlasses, insbesondere auch nicht auf die Kenntnis des Nachlaßwerts an. Die Verjährungsfrist beginne auch dann von dem in der Gesetzesvorschrift genannten Zeitpunkt an zu laufen, wenn sich im Nachlaß Forderungen oder Verbindlichkeiten befänden, deren Höhe noch nicht feststehe. Man könne auch nicht in Anwendung von § 2313 Abs. 2 BGB den Erlaß des Entschädigungsbescheides als maßgeblich ansehen. Ein zum Nachlaß gehörender Anspruch sei nämlich nicht deshalb ungewiß i. S. dieser Vorschrift, wenn und weil die Höhe des Anspruchs noch nicht feststehe. Ungewiß sei ein Anspruch vielmehr nur dann, wenn nicht sicher sei, ob er überhaupt bestehe, oder ob er dem Erblasser oder einem anderen zustehe (a.a.O., 129, 130). Demnach müsse bei der Festlegung des Verjährungsbeginns auf den Zeitpunkt der Entstehung der fraglichen Lastenausgleichsansprüche abgestellt werden, d. h. auf den Tag des Inkrafttretens des entsprechenden Gesetzes (a.a.O., 129).
Diese Rechtslage dürfte auch für den Streit der Parteien zugrundezulegen sein. Verjährungsbeginn war das Inkrafttreten des Vermögensgesetzes am 03.10.1990. Bei Eingang des Antrags auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe am 11.01.1994 war der Auskunftsanspruch daher verjährt.
In einer neueren Entscheidung hat der Bundesgerichtshof zu der vorliegend interessierenden Rechtsfrage Stellung genommen und folgendes ausgeführt (BGH NJW 1993, 2176, 2177) [BGH 23.06.1993 - IV ZR 205/92]: Wenn dem Nachlaß zuzurechnende Vermögenswerte erst durch eine gesetzliche Neuregelung geschaffen würden und der Pflichtteilsberechtigte seinen Anteil daran vorher weder der Höhe noch auch nur dem Grunde nach gerichtlich habe feststellen lassen können, dann beginne die Verjährung abweichend von § 2332 Abs. 1 BGB nicht vor der Entstehung dieser neuen Ansprüche. Das habe das Gericht bereits für die Lastenausgleichsansprüche in FamRZ 1977, 128, 129 entschieden. Der Bundesgerichtshof hat in seiner neuen Entscheidung zu dem durch das Inkrafttreten des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen entstandenen Rechtsproblem also ohne weitere Ausführungen in der gleichen Weise Stellung genommen wie zuvor zum entsprechenden Problem im Zusammenhang mit dem Lastenausgleich. Auf etwaige Unterschiede zwischen beiden gesetzlichen Regelungen hat er nicht abgestellt, diese nicht einmal erwähnt. Auch der Hinweis in seinem neuen Urteil, die Verjährung beginne "nicht vor" der Entstehung der neuen Ansprüche, besagt dabei nicht, daß der Verjährungsbeginn auch ein späterer sein könne. Das zeigt die allgemeine Inbezugnahme der zum Lastenausgleichsverfahren getroffenen Entscheidung. Dort hatte der BGH den Tag des Inkrafttretens des neuen Gesetzes als den entscheidenden Stichtag bezeichnet. Den Tag des Inkrafttretens des Vermögensgesetzes hat nunmehr ausdrücklich auch das OLG Koblenz als maßgebend angesehen (DtZ 1993, 253, 254).
Die Antragstellerin kann sich zur Begründung ihrer gegenteiligen Ansicht nicht auf die Abhandlung von Casimir (DtZ 1993, 234 ff) stützen. Der Autor räumt ein, daß für die Berechnung der dreijährigen Verjährung gemäß § 2332 Abs. 1 BGB zunächst zu berücksichtigen sei, daß der Anspruch des Erben dem Grunde nach mit Inkrafttreten des Vermögensgesetzes am 03.10.1990 entstanden sei (a.a.O., 235). Seine folgende Annahme, zwischen den Ansprüchen nach dem Lastenausgleichsgesetz und denjenigen nach dem Vermögensgesetz bestünden Unterschiede, die auch eine unterschiedliche Behandlung bei der Verjährungsfrage rechtfertigten, überzeugt allerdings nicht. Das Landgericht ist in seinem angefochtenen Beschluß bereits ausführlich darauf eingegangen. Neue Gesichtspunkte hat die Antragstellerin nicht geltend gemacht. Der Umstand, daß nach dem Vermögensgesetz möglicherweise eine Vielzahl schwieriger tatsächlicher und rechtlicher Vorfragen geprüft werden muß, kann nicht dazu führen, den in jenem Verfähren geltend gemachten Anspruch als ungewiß i. S.v. § 2313 Abs. 2 BGB anzusehen mit der Folge, daß die Verjährung des dem Grunde nach bereits bei Inkrafttreten des Gesetzes entstandenen Anspruchs erst mit dem späteren Erlaß des Bescheides der zuständigen Behörde beginnen würde. Zutreffend hat das Landgericht darauf abgestellt, daß sowohl das Lastenausgleichsgesetz als auch das Vermögensgesetz für Grund und Höhe der jeweiligen Ansprüche bestimmte Voraussetzungen festgelegt hätten, die gegeben oder nicht gegeben sein müßten, um den Anspruch zu begründen. Nach der Rechtsprechung ist ein Anspruch nur dann ungewiß i. S. v. § 2313 Abs. 2 BGB, wenn nicht sicher ist, ob er überhaupt besteht oder ob er dem Erblasser oder einer anderen Person zusteht (BGH FamRZ 1977, 128, 130; BGHZ 3, 395, 397) [BGH 22.11.1951 - IV ZR 37/51]. Diese Voraussetzung liegt bei einem dem Grunde nach bestehenden Anspruch nicht vor. Das Inkrafttreten des Vermögensgesetzes muß daher auch für den von der Antragstellerin verfolgten Auskunfts- bzw. Pflichtteilsanspruch als maßgeblicher Verjährungsbeginn angesehen werden. Daß auch das schutzwürdige Interesse des Pflichtteilsberechtigten kein Hinausschieben des Verjährungsbeginns über den 03.10.1990 hinaus erfordert, hat das Landgericht bereits dargelegt.
5.
Entgegen der Meinung der Antragstellerin kann auch die Vereinbarung der Beteiligten vom 14.07.1983 nicht verhindern, daß die Antragsgegnerinnen mit Erfolg die Verjährungseinrede erheben dürfen. Die Regelung im Bericht des Treuhandbüros des Willensvollstreckers ... vom 14.07.1983 (S. 3 unten, 4 oben) dürfte als Anerkenntnis eines möglichen erweiterten Pflichtteils der Antragstellerin und ihres Bruders ... durch die Antragsgegnerinnen anzusehen sein. Dieses Anerkenntnis ist jedoch lediglich deklaratorisch und nicht konstitutiv erfolgt. Das deklaratorische Schuldanerkenntnis soll eine bereits bestehende Schuld lediglich bestätigen. Sein Zweck liegt regelmäßig darin, das Schuldverhältnis insgesamt oder zumindest in bestimmten Beziehungen dem Streit oder der Ungewißheit der Parteien zu entziehen und vergleichsweise endgültig festzulegen. Demgegenüber soll das konstitutive Anerkenntnis unabhängig vom bestehenden Schuldgrund eine neue selbständige Verpflichtung schaffen (vgl. Palandt/Thomas, a.a.O., § 781 Rdnr. 3, 7). Vorliegend war es für die an der Vereinbarung vom 14.07.1983 Beteiligten nicht zweifelhaft, daß die Antragstellerin und ihr Bruder wertmäßig auch an dem Grundbesitz in der ehemaligen DDR zu beteiligen waren. Die Antragstellerin hatte dementsprechend auch in einer offenbar vom Willensvollstrecker vorbereiteten Erklärung im Anschluß an die Vereinbarung vom 14.07.1993 bestätigt, durch die Auszahlung des darin genannten Betrages wegen aller Ansprüche gegenüber dem Nachlaß befriedigt zu sein, mit Ausnahme des Anspruchs an das genannte Grundvermögen. Unter diesen Umständen besteht kein Anhaltspunkt, in dem zuvor erwähnten Teil der Vereinbarung selbst eine neue selbständige Verpflichtung zu sehen, die die Antragsgegnerinnen unabhängig von einem bereits bestehenden Schuldgrund übernommen hätten. Vielmehr ist in der Vereinbarung der Inhalt der letztwilligen Verfügungen des Erblassers lediglich bestätigt und konkretisiert sowie einem praktikablen weiteren Verfahren zugeführt worden.
Da das Anerkenntnis der Antragsgegnerinnen vom 14.07.1983 keine neue Verpflichtung begründet hat, hat es entgegen der Annahme der Antragstellerin auch nicht die 30jährige Verjährungsfrist des § 195 BGB in Lauf gesetzt. Vielmehr greift die Verjährungsfrist ein, die für das anerkannte Schuldverhältnis gilt, vorliegend also die Drei-Jahres-Frist des § 2332 Abs. 1 BGB (vgl. OLG Zweibrücken OLGZ 1966, 20, 22; RGRK-Steffen, BGB, 12. Aufl., § 781 Rdnr. 16)). Entsprechend seinem Zweck schließt das deklaratorische Anerkenntnis alle Einwendungen tatsächlicher und rechtlicher Art für die Zukunft aus, die der Schuldner bei der Abgabe kannte oder mit denen er zumindest rechnete (BGH WM 1974, 411; OLG Zweibrücken, a.a.O.). Das bedeutet aber nicht, daß es den Antragsgegnerinnen verwehrt wäre, sich nach Ablauf der maßgebenden Zeit auf die Verjährung des geltend gemachten Anspruchs zu berufen. Ein derartiger Inhalt kann einem deklaratorischen Schuldanerkenntnis nicht beigemessen werden. Die Einrede der Verjährung, deren Voraussetzungen im Zeitpunkt des Anerkenntnisses noch nicht vorliegen und deren künftiger Eintritt ungewiß ist, kann durch die Abgabe einer die Schuld anerkennenden Erklärung nicht abgeschnitten werden (OLG Zweibrücken, a.a.O.). Ausgeschlossen sind vielmehr nur Einwendungen, die sich gegen den Bestand des Anspruchs richten.
6.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 127 Abs. 4 ZPO.
Streitwertbeschluss:
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Wert von 2.700,00 DM.