Verwaltungsgericht Stade
Beschl. v. 26.09.1986, Az.: 2 D 78/86
Antrag auf Bewilligung einer Beihilfe für eine Tauffeier
Bibliographie
- Gericht
- VG Stade
- Datum
- 26.09.1986
- Aktenzeichen
- 2 D 78/86
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1986, 18478
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGSTADE:1986:0926.2D78.86.0A
Rechtsgrundlagen
- § 11 BSHG
- § 12 BSHG
- § 21 BSHG
- § 22 BSHG
Fundstellen
- NJW 1987, 860 (Volltext mit red. LS)
- NVwZ 1987, 446 (red. Leitsatz)
Verfahrensgegenstand
Hilfe zum Lebensunterhalt - Taufbeihilfe
In dem Rechtsstreit
hat das Verwaltungsgericht Stade - 2. Kammer Stade -
am 26. September 1986
beschlossen:
Tenor:
Soweit der Antragsteller seinen Antrag zurückgenommen hat, wird das Verfahren eingestellt.
Im übrigen wird dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben, dem Antragsteller eine Taufbeihilfe in Höhe von 100,00 DM zu gewähren.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller zu einem Drittel und der Antragsgegner zu zwei Drittel.
Gründe
Der Antragsteller, als den die Kammer den gemeinsamen Sohn der in eheähnlicher Gemeinschaft lebenden Eltern und ..., gemäß § 1705 BGB vertreten durch die Kindesmutter, angesehen hat, begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die Bewilligung einer einmaligen Beihilfe zur Ausrichtung einer Tauffeier. Den hierfür erforderlichen Aufwand hat er zunächst mit 150,00 DM bemessen, nachträglich aber auf den Betrag von 100,00 DM reduziert.
Soweit der Antragsteller seinen Antrag teilweise zurückgenommen hat, war das Verfahren gemäß § 92 Abs. 2 VwGO einzustellen. Hinsichtlich des aufrechterhaltenen Teils seines Begehrens hat der auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung gerichtete Antrag Erfolg.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis, das vorliegend zwischen den Beteiligten durch die sich aus dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) ergebenden Rechte und Pflichten begründet wird, zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gefahr zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Diese gesetzlichen Voraussetzungen werden vorliegend erfüllt, da der Antragsteller sowohl einen Anordnungsgrund als auch einen Anordnungsanspruch für die von ihm begehrte Taufbeihilfe glaubhaft gemacht hat (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m.. §§ 920 ff. ZPO).
Rechtsgrundlage für das Begehren des Antragstellers sind die Bestimmungen der §§ 11, 12 i.v.m. 21 und 22 BSHG. Danach ist die Hilfe zum Lebensunterhalt dem zu gewähren, der seinen notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem aus seinem Einkommen und Vermögen, beschaffen kann (§ 11, Abs. 1 BSHG). Dieser notwendige Lebensunterhalt umfaßt gemäß § 12. Abs. 1 Satz 1. BSHG unter anderem die persönlichen Bedürfnisse des täglichen Lebens, zu denen wiederum in vertretbarem Umfang die Beziehungen zur Umwelt und eine Teilnahme am kulturellen Leben gehören (§ 12 Abs. 1 Satz 2 BSHG). Soweit der notwendige Lebensunterhalt diesbezüglich nicht durch den Regelsatz gedeckt ist (§ 22 BSHG), kann daher auch eine Erfüllung des Anspruchs durch eine einmalige Leistung gemäß § 21 Abs. 1 BSHG geboten sein. Ob und inwieweit hier ein persönlicher Bedarf anerkannt werden kann, bestimmt sich unter Berücksichtigung des sozialhilferechtlichen Zieles, dem Hilfeempfänger die Führung eines der Würde des Menschen entsprechenden Lebens zu ermöglichen (§ 1 Abs. 2 Satz 1 BSHG). In diesem Zusammenhang umfaßt der notwendige Lebensunterhalt nicht nur das für die menschliche Existenz unerläßliche Minimum, sondern der Führung eines würdigen Lebens entspricht es auch, die herrschenden Lebensgewohnheiten und Erfahrungen der Bevölkerung zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. April 1984, FEVS 33, 441 = NVwZ 1984, 728). Diesen Gewohnheiten entspricht es, die Taufe eines Kindes nicht nur im Rahmen eines kirchlichen Taufgottesdienstes zu begehen, sondern danach eine Tauffeier mit der damit verbundenen Gästebewirtung auszurichten. Insoweit handelt es sich bei der Taufe, ähnlich wie später bei der Konfirmation oder Kommunion, um einen herausgehobenen Tag in der religiösen Entwicklung eines jungen Menschen, der zum Kernbereich des religiösen Lebens zählt und sich prägend auf den weiteren Werdegang auswirkt (zur Konfirmationsbeihilfe vgl. OVG Lüneburg, Beschluß vom 17. April 1986 - 4 OVG B 80/86 -; Beschluß der erkennenden Kammer vom 29. April 1986 - 2 VG D 36/86 -). Würde man die durch die Taufe bewirkte Aufnahme in die Gemeinschaft einer christlichen Kirche nicht den persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens zurechnen und enthielte man Empfängern von laufender Hilfe zum Lebensunterhalt eine entsprechende Bedarfsdeckung vor, so wären diese nicht nur gezwungen, auf eine Tauffeier zu verzichten, sondern könnten ebenso dazu verleitet werden, von der Teilnahme an einem Taufgottesdienst abzusehen, um sich wegen des gänzlichen Fehlens einer sich anschließenden Familienfeier keinen für sie und ihre Erziehungsberechtigten peinlichen Nachfragen ausgesetzt zu fühlen.
Unerheblich ist es in diesem Zusammenhang, daß über den Umfang von Tauffeiern in der Bevölkerung unterschiedliche Vorstellungen anzutreffen sind, und diese von einer schlichten Feier im engsten Familienkreis bis zu einem größeren Familienfest reichen (vgl. dazu VG Oldenburg, Beschluß vom 26. März 1986, NJW 1986, 1951). Denn dieser Umstand berührt nicht die Anerkennung einer den Bedarf deckenden Leistung an sich, sondern, den Umfang der Hilfe. Diesbezüglich geht die Kammer davon aus, daß mit der von ihr befürworteten pauschalen Abgeltung der Taufbeihilfe in Höhe von 100,00 DM ohnehin - so wie es die Eltern des Antragstellers auch beabsichtigen - nur die Bewirtung der engsten Angehörigen und Paten, nicht aber eines größeren Familienkreises gewährleistet sein kann (vgl. dazu auch VG Stade - Kammern Lüneburg -, Beschluß vom 2. April 1986 - 4 VG D 42/86 -).
Der somit anzuerkennende Bedarf, den die Kammer mit 100,00 DM für angemessen erachtet, wird schließlich nicht von den laufenden Leistungen zum Lebensunterhalt, soweit sie nach Regelsätzen gewährt werden, erfaßt (a.A. diesbezüglich VG Oldenburg a.a.O.). Denn diese umfassen lediglich den laufenden, in allen Monaten annähernd gleichmässigen Lebensbedarf (so BVerwG, Urteil vom 12. April 1984 a.a.O.; Gottschick/Giese, Kommentar zum BSHG, 9. Aufl., § 1 RegelsatzVO Anm. 5.10). Weder die gesetzliche Begriffsbestimmung in § 12 Abs. 1 BSHG noch die nähere Umschreibung der laufenden Leistungen in § 1 Abs. 1 RegelsatzVO ergibt, daß ein vorliegend geltend gemachter außerplanmäßiger Bedarf durch die gleichmäßige Verteilung auf die übrige Zeit des Jahres und die hierfür zu gewährenden Beträge gedeckt wäre. Dem Hilfeempfänger ist es ferner nicht zumutbar, seinen erhöhten Lebensbedarf anläßlich seiner Taufe durch Ersparnisse aus den Regelsätzen abzudecken. Denn ein solches Ansinnen widerspräche dem Zweck der Regelsätze, nur den allgemein und regelmäßig auftretenden Bedarf für den Lebensunterhalt sicherzustellen. Ein darüber hinausgehender einmaliger Bedarf ist daher im Rahmen einer Beihilfe gemäß § 21 Abs. 1 BSHG zu decken.
Schließlich hat der Antragsteller auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht; denn er hat dargelegt, daß angesichts des Tauftermins eine schnelle Entscheidung durch das Gericht erforderlich und die Verweisung auf ein längeres Rechtsmittelverfahren in der Hauptsache mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes nicht zu vereinbaren ist.
Gerichtskosten werden gemäß § 188 Satz 2 VwGO in sozialhilferechtlichen Verfahren nicht erhoben. Soweit der Antragsteller seinen Antrag zurückgenommen hat, trifft ihn gemäß § 155 Abs. 2 VwGO die Kostenlast für die außergerichtlichen Kosten. Im übrigen hat der Antragsgegner als unterliegender Beteiligter gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die außergerichtlichen Verfahrenskosten zu tragen.