Verwaltungsgericht Osnabrück
Urt. v. 12.01.2000, Az.: 6 A 309/98
Anspruch eines Arztes auf die Gebietsbezeichnung Herzchirugie; Ärztliche Weiterbildung; Einführung neuer Arztbezeichnungen; Qualitätsanforderungen für eine Arztbezeichnung
Bibliographie
- Gericht
- VG Osnabrück
- Datum
- 12.01.2000
- Aktenzeichen
- 6 A 309/98
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2000, 23092
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGOSNAB:2000:0112.6A309.98.0A
Rechtsgrundlagen
Fundstelle
- MedR 2000, 488-492
Verfahrensgegenstand
Ärztl. Weiterbildung (Anerkennung der Gebietsbezeichnung Herzchirurgie)
Prozessführer
Arzt Dr. A. B., C,
Proz.-Bev.: Rechtsanwalt Dr. Horst Bonvie, Große Bäckerstraße 8, 20095 Hamburg
Prozessgegner
Ärztekammer Niedersachsen, Berliner Allee 20, 30175 Hannover
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Bei den die Facharztbezeichnungen betreffenden Regelungen handelt es sich um Vorschriften, die die Berufsausübung betreffen und insofern das Grundrecht der Berufsfreiheit gemäß Art. 12 GG beschränken. Derartige Regelungen sind nicht ausschließlich dem staatlichen Gesetzgeber vorbehalten, sondern auch in der Form von Satzungen zulässig, die von einer autonomen Körperschaft erlassen werden.
- 2.
Die Vorschrift des § 23 Abs. 4 Satz 1 WBO n. F. ist im Sinne einer redaktionellen Korrektur dahin auszulegen, dass sie generell bei Einführung neuer Arztbezeichnungen in das Regelwerk der WBO in der jeweils geltenden Fassung gilt mit der Folge, dass auch der Beginn der zweijährigen Antragsfrist gemäß § 23 Abs. 12 WBO n. F. mit dem Zeitpunkt der Einführung beginnt.
- 3,
Die Übergangsregelung des § 23 Abs. 4 WBO F. 1997 erfasst nach ihrem Wortlaut auch denjenigen, der auf dem Gebiet der Herzchirurgie in dem maßgeblichen Referenzzeitraum für die vorgeschriebene Mindestdauer überwiegend tätig war, ohne bisher die Gebietsbezeichnung Chirurgie mit der einschlägigen Teilgebietsbezeichnung geführt zu haben.
- 4.
Ein die Anwendung des § 23 Abs. 4 WBO f. 1997 ausschließendes Spezialitätsverhältnis kann nicht damit begründet werden, dass andernfalls das vom Satzungsgeber für die jeweilige Arztbezeichnung geforderte Qualifikationsniveau verfehlt würde. Die Anwendung der allgemeinen Übergangsvorschrift hat nicht zur Folge, dass damit die Bezeichnung Herzchirurgie übergangsrechtich Ärzten zuerkannt würde, die im Hinblick auf dieses Gebiet keine Qualifikation besitzen, welche derjenigen von Fachärzten für Chirurgie mit der bisherigen Teilgebietsbezeichnung Thorax- und Kardiovaskularchirurgie gleichwertig wäre.
In der Verwaltungsrechtssache
hat das Verwaltungsgericht Osnabrück - 6. Kammer -
auf die mündliche Verhandlung am 12. Januar 2000
durch
den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Dr. Thies,
die Richter am Verwaltungsgericht Beckmann und Neuhäuser sowie
die ehrenamtliche Richterin D. und
den ehrenamtlichen Richter E.
für Recht erkannt:
Tenor:
Der Bescheid der Beklagten vom 03.08.1998 und deren Widerspruchsbescheid vom 03.12.1998 werden aufgehoben.
Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger die Berechtigung zum Führen der Facharztbezeichnung für Herzchirurgie zu erteilen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die vorläufige Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Tatbestand
Der am F. geborene Kläger war vom Mai 1988 bis April 1990 in der Klinik für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie des Deutschen Herzzentrums Berlin (bei Prof. G.) tätig, wechselte anschließend für die Zeit von Juli 1991 bis August 1995 als Chefarzt der Thorax- und Herzchirurgie an das Mallya Hospital Bangalore (Indien) und ist seit September 1995 als Oberarzt in der herzchirurgischen Abteilung der Schüchtermann-Klinik in Bad Rothenfelde bei Priv.-Doz. Dr. H. tätig, welcher seit 01.10.1996 zur Weiterbildung von Ärzten im Gebiet Herzchirurgie für die volle Weiterbildungszeit von sechs Jahren ermächtigt ist. Im Juli 1998 beantragte er bei der Beklagten seine Anerkennung als Arzt für Herzchirurgie. Diesen Antrag behandelte die Beklagte als Antrag auf "Zulassung zur Prüfung der Gebietsbezeichnung Herzchirurgie", dem sie durch Bescheid vom 03.08.1998 stattgab.
Der Kläger legte dagegen mit folgender Begründung Widerspruch ein: Der Bescheid beinhalte die Feststellung, daß er die Gebietsbezeichnung Herzchirurgie nicht ohne Prüfung erhalten solle. Er habe jedoch einen Anspruch darauf, die Gebietsbezeichnung ohne Prüfung zu erhalten. In einem ergänzenden Schreiben vom 24.09.1998 führte die Beklagte dazu aus: Der Kläger erfülle nicht die Voraussetzungen der Übergangsbestimmungen gemäß § 23 Abs. 6 WBO, da er weder Facharzt für Chirurgie sei, noch das Teilgebiet Thorax- und Kardiovaskularchirurgie erworben habe und in diesem Teilgebiet bei Einführung des Facharztes für Herzchirurgie am 01.10.1996 zwei Jahre überwiegend tätig gewesen sei.
Der Kläger begründete daraufhin seinen Widerspruch ergänzend wie folgt:
1.
Er erfülle sämtliche Voraussetzungen in inhaltlicher und zeitlicher Hinsicht, welche zum Erwerb der Gebietsbezeichnung Herzchirurgie notwendig seien, da andernfalls seine Zulassung zur Prüfung nicht in Betracht gekommen wäre.
2.
Die Zulassung eines Weitergebildeten zur Prüfung bedürfe einer Rechtsgrundlage. Eine solche Rechtsgrundlage fehle für die neu eingeführte Gebietsbezeichnung Herzchirurgie.
a)
Die Gebietsbezeichnung Herzchirurgie sei durch die Weiterbildungsordnung der Beklagten vom 01.10.1997 neu eingeführt worden. Für diejenigen, die - wie er - in dem neu eingeführten Gebiet bereits seit längerem tätig seien, regele den Erwerb der neu eingeführten Gebietsbezeichnung die Übergangsbestimmung des § 23 Abs. 4 WBO. Er habe nachgewiesen, daß er innerhalb der letzten acht Jahre vor der Einführung mindestens die gleiche Zeit regelmäßig an Weiterbildungsstätten oder vergleichbaren Einrichtungen tätig gewesen sei, welche der jeweiligen Mindestdauer der Weiterbildung entspreche. In den Abschnitten IV und V sei nichts Abweichendes geregelt; insbesondere finde sich kein Hinweis darauf, daß zusätzlich zum Nachweis einer regelmäßigen Tätigkeit in den letzten acht Jahren noch eine Prüfung durchzuführen wäre.
b)
Eine Rechtsgrundlage für die Zulassung zur Prüfung lasse sich auch nicht aus den allgemeinen Bestimmungen der WBO herleiten. Die entsprechenden Vorschriften über das Erfordernis einer Prüfung seien auf neu eingeführte Weiterbildungsbezeichnungen, deren Erwerb sich nach § 23 Abs. 4 WBO richte, nicht anwendbar, weil sie auf eine Weiterbildung im engeren Sinne abstellten. Daß auch nach den Übergangsbestimmungen der Erwerb einer Gebietsbezeichnung nur auf Grund einer Prüfung möglich sein solle, sei in der WBO nicht vorgesehen.
c)
Auch das Nds. HKG enthalte keine Regelung, die für den Erwerb einer neu eingeführten Gebietsbezeichnung auf der Grundlage von Übergangsbestimmungen eine Prüfung vorsehe.
Die Beklagte wies den Widerspruch durch Bescheid vom 03.12.1998 unter Bezugnahme auf ihr Schreiben vom 24.09.1998 zurück und führte ergänzend aus: Die Anerkennung der Gebietsbezeichnung Herzchirurgie nach den Übergangsbestimmungen sei abschließend in § 21 Abs. 5 WBO f. 1996 (jetzt: § 23 Abs. 6 WBO F. 1997) geregelt, so daß eine Anerkennung auf Grund von § 21 Abs. 4 WBO F. 1996 bzw. § 23 Abs. 4 WBO F. 1997 nicht erfolgen könne. Bei der Aufnahme der Herzchirurgie in die WBO handele es sich nicht um die Einführung einer neuen Arztbezeichnung; vielmehr habe die WBO das bisherige Teilgebiet Thorax- und Kardiovaskularchirurgie unter Abänderung des Namens und Wegfall des Inhaltes der fortbestehenden Schwerpunktbezeichnung Thoraxchirurgie im Gebiet Herzchirurgie zu einer selbständigen Gebietsbezeichnung aufgewertet. Dies folge daraus, daß Ärzte, die über die Anerkennung der Teilgebietsbezeichnung Thorax- und Kardiovaskularschirurgie verfügten, mit denjenigen Ärzten gleichbehandelt würden, die über die Anerkennung der Teilgebietsbezeichnung Kinderchirurgie oder Plastische Chirurgie verfügten und bei denen die bisherigen Teilgebietsbezeichnungen nunmehr ebenfalls zu Gebietsbezeichnungen geworden seien. Außerdem ergebe sich dies aus einem Vergleich mit § 21 Abs. 7 Satz 3 WBO F. 1996, der im Rahmen der speziellen Übergangsbestimmungen für das Gebiet Transfusionsmedizin § 21 Abs. 4 WBO für anwendbar erkläre. Daraus, daß § 21 Abs. 5 WBO F. 1996 keine entsprechende Regelung enthalte, ergebe sich, daß es sich dabei um eine § 21 Abs. 4 WBO F. 1996 verdrängende Spezialregelung handele.
Der Kläger hat dagegen am 18.12.1998 Klage erhoben, zu deren Begründung er ergänzend vorträgt: § 21 Abs. 5 WBO könne nicht als lex specialis interpretiert werden. Gegen die Rechtsauffassung der Beklagten spreche bereits der Wortlaut des § 21 Abs. 4 WBO F. 1996. Tatbestandsvoraussetzung sei danach die Einführung einer neuen Arztbezeichnung. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei die Teilgebietsbezeichnung Thorax- und Kardiovaskularchirurgie nicht in die Bezeichnung Herzchirurgie überführt worden; vielmehr handele es sich dabei um eine neue Gebietsbezeichnung, auf die § 21 Abs. 4 WBO F. 1996 anwendbar sei. Wer nach dieser Regelung eine neue Arztbezeichnung erwerben wolle, müsse innerhalb der letzten acht Jahre vor Einführung der Bezeichnung in dem Gebiet mindestens die gleiche Zeit an Weiterbildungsstätten oder vergleichbaren Einrichtungen tätig gewesen sein, welche der jeweiligen Mindestdauer der Weiterbildung entspreche. Demgegenüber betreffe § 21 Abs. 5 WBO F. 1996 einen anderen Fall. Danach könne derjenige, der die Teilgebietsbezeichnung Thorax- und Kardiovaskularchirurgie geführt habe, die Gebietsbezeichnung "Herzchirurgie" bereits dann erhalten, wenn er in dem Teilgebiet mindestens zwei Jahre überwiegend tätig gewesen sei. Daher schließe § 21 Abs. 5 WBO schon vom Sinnzusammenhang her die Anwendung des § 21 Abs. 4 WBO nicht aus. Das Gegenteil hätte nach dem Grundsatz der Normklarheit in § 21 Abs. 5 WBO deutlich zum Ausdruck gebracht werden müssen. - Auch aus dem Wortlaut des § 21 Abs. 7 WBO könnten keine Rückschlüsse darauf gezogen werden, daß § 21 Abs. 4 WBO bei dem Erwerb der Facharztbezeichnung Herzchirurgie nicht einschlägig sei. Bei dieser Regelung handele es sich um die Umwandlung der bisherigen Zusatzbezeichnung Transfusionsmedizin in den Facharzt für Transfusionsmedizin. Sein Begehren entspreche im übrigen der Spruchpraxis der Ärztekammern Berlin und Rheinland-Pfalz.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 03.08.1998 und deren Widerspruchsbescheid vom 03.12.1998 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm die Berechtigung zum Führen der Facharztbezeichnung für Herzchirurgie zu erteilen;
hilfsweise,
die Beklagte zu verpflichten, seinen Antrag auf Zuerkennung der Gebietsbezeichnung Herzchirurgie unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden;
weiter hilfsweise festzustellen,
dass die Regelung des § 23 Abs. 4 WBO F. 1997 bzw. des § 21 Abs. 4 WBO F. 1996 gemäß Beschluss der Kammerversammlung vom 06.02.1993 verfassungswidrig sei, soweit sie ausschließen sollte, auch bei einer herzchirurgischen Tätigkeit von weniger als 6 Jahren die Gebietsbezeichnung für Herzchirurgie zuzuerkennen.
Die Beklagte beantragt aus den Gründen des Widerspruchsbescheides,
die Klage abzuweisen.
Ergänzend trägt sie vor: Soweit der Kläger auf den Wortlaut (des § 21 Abs. 4 WBO) abstelle, verkenne er § 35 Abs. 4 Satz 2 HKG. - § 3 Abs. 1 WBO i.d.F. der Bekanntmachung des Vorstandes vom 22.12.1993 i.V.m. Nr. I 5.1 der Anlage habe eine zweijährige ganztägige (und nicht überwiegende) Weiterbildung im Gebiet Thorax- und Kardiovaskularchirurgie vorausgesetzt. Im Vergleich mit dem in § 21 Abs. 4 Satz 4 WBO genannten Erfordernis der nur überwiegenden, d.h. mehr als 50 %igen Tätigkeit sei diese Zeit nach dem Willen des Satzungsgebers doppelt zu bewerten, so daß mit dem in § 21 Abs. 5 Nr. 3 WBO F. 1996 genannten zusätzlichen Erfordernis der zweijährigen überwiegenden Tätigkeit im Teilgebiet Thorax- und Kardiovaskularchirurgie ein gleichwertiger Tätigkeitsnachweis wie bei der subsidiären Übergangsbestimmung des § 21 Abs. 4 Satz 4 WBO F. 1996 gefordert werde (2 Jahre ganztägig = 4 Jahre überwiegend plus 2 Jahre überwiegend = 6 Jahre überwiegend). Daraus werde erkennbar, weshalb die WBO den Erwerb der Gebietsbezeichnung Herzchirurgie nicht nach der subsidiären Übergangsbestimmung des § 21 Abs. 4 Satz 4 WBO F. 1996 zulasse. Bei anderen neu eingeführten Bezeichnungen (etwa Anatomie, Biochemie, Physikalische und Rehabilitative Medizin) könne nicht an eine erworbene Teilgebiets- bzw. Schwerpunktbezeichnung oder Tätigkeiten angeknüpft werden, die unter Anleitung eines zur Weiterbildung ermächtigten Arztes durchgeführt worden seien. Dies sei bei dem Gebiet Herzchirurgie mit seiner Vorgängerbezeichnung Thorax- und Kardiovaskularchirurgie anders. Hätte man es zugelassen, daß Ärzte wie der Kläger zumindest ohne Prüfungsgespräch die Arztbezeichnung erhalten könnten, würde die Qualitätssicherung der ärztlichen Berufsausübung als Ziel der Weiterbildung torpediert. Dem Kläger würde damit der gleiche Nachweis eingehender Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten erteilt wie demjenigen, der nach einer regulären zweijährigen Weiterbildung die von Thorax- und Kardiovaskularchirurgie in Herzchirurgie umbenannte Bezeichnung unter Anleitung eines in dem ehemaligen Teilgebiet Thorax- und Kardiovaskularchirurgie ermächtigten Arztes und nach erfolgreicher Ablegung eines Prüfungsgespräches erworben habe. Danach bestünden Zweifel an der Qualifikation des Klägers im Vergleich zu Ärzten, die die Anerkennung der Teilgebietsbezeichnung Thorax- und Kardiovaskularchirurgie erworben hätten. - Der Spruchpraxis der Ärztekammern Berlin und Rheinland-Pfalz könne der Kläger nichts zu seinen Gunsten entnehmen (wird ausgeführt).
Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist im Hauptantrag begründet.
Bei der vom Kläger angestrebten Facharztbezeichnung handelt es sich um eine Frage des ärztlichen Weiterbildungsrechts. Dieses ist auf gesetzlicher Ebene in den Vorschriften der §§ 34 ff. des Kammergesetzes für Heilberufe - HKG - vom 19.06.1996 (Nds. GVBl. S. 259), zuletzt geändert durch Ges. v. 11.12.1996 (Nds. GVBl. S. 487), geregelt.
Gemäß § 34 HKG können Mitglieder der Ärztekammer, die durch Weiterbildung besondere Kenntnisse in einem bestimmten beruflichen Gebiet oder Teilgebiet oder andere zusätzliche Kenntnisse erworben haben, nach Maßgabe dieses Gesetzes neben ihrer Berufsbezeichnung weitere Bezeichnungen als Gebietsbezeichnung, Teilgebietsbezeichnung oder Zusatzbezeichnung führen. Die Kammer legt im einzelnen in ihrer Weiterbildungsordnung die einschlägigen beruflichen Gebiete, Teilgebiete und deren Bezeichnungen sowie die Zusatzbezeichnungen fest, soweit dies im Hinblick auf die wissenschaftliche Entwicklung und zur angemessenen Versorgung der Bevölkerung erforderlich ist. Dabei kann sie an Stelle der Bezeichnung "Teilgebiet" die Bezeichnung "Schwerpunkt" festlegen.
Gemäß § 35 HKG darf eine Bezeichnung nach § 34 nur führen, wer hierfür eine Anerkennung durch die Kammer erhalten hat. Diese Anerkennung erhält nach den hier allein in Betracht kommenden Alternativen, wer eine Weiterbildung nach den §§ 37 und 38 WBO erfolgreich abgeschlossen hat oder in einem von den §§ 37 und 38 abweichenden Weiterbildungsgang eine Weiterbildung erfolgreich abgeschlossen hat und deren Gleichwertigkeit nachweist.
Das Nähere zur Ausgestaltung der Weiterbildung regelt die Kammer in ihrer Weiterbildungsordnung (§ 41 HKG). Da es sich vorliegend um eine Verpflichtungsklage handelt, kommt die geltende Weiterbildungsordnung der Beklagten vom 01.10.1997 - WBO - (Nds. Ärzteblatt - Arztrecht in Niedersachsen -, Sonderheft 10 S. 209) zur Anwendung. Diese enthält in § 23 Abs. 4 folgende allgemeine Übergangsregelung:
¹Wer bei Einführung einer neuen Arztbezeichnung in diese Weiterbildungsordnung in dem Gebiet, Schwerpunkt oder Bereich, für das bzw. für den diese Arztbezeichnung eingeführt worden ist, innerhalb der letzten acht Jahre vor der Einführung mindestens die gleiche Zeit regelmäßig an Weiterbildungsstätten oder vergleichbaren Einrichtungen tätig war, welche der jeweiligen Mindestdauer der Weiterbildung entspricht, kann auf Antrag die Anerkennung zum Führen dieser Arztbezeichnung erhalten. ... ³Der Antragsteller hat den Nachweis einer regelmäßigen Tätigkeit für die in Satz 1 angegebene Mindestdauer in dem jeweiligen Gebiet, Schwerpunkt oder Bereich zu erbringen. 4Aus dem Nachweis muß hervorgehen, daß der Antragsteller in dieser Zeit überwiegend im betreffenden Gebiet, Schwerpunkt oder Bereich tätig gewesen ist und dabei umfassende Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten erworben hat.
Weiter enthält § 23 Abs. 6 WBO folgende Regelungen für bestimmte bisherige Teilgebietsbezeichnungen aus dem Gebiet der Chirurgie:
Wer bei Inkrafttreten dieser Weiterbildungsordnung zusammen mit der bisherigen Gebietsbezeichnung im Gebiet der Chirurgie eine der bisherigen Teilgebietsbezeichnungen der Chirurgie (Kinderchirurgie, Plastische Chirurgie, Thorax- und Kardiovaskularchirurgie) führt, kann sie beibehalten. Auf Antrag erhält er das Recht, unter Verzicht auf die Bezeichnung "Facharzt für Chirurgie" oder "Arzt für Chirurgie" oder "Chirurg" und die bisher geführte Teilgebietsbezeichnung eine der nachstehenden Facharztbezeichnungen zu führen, wenn er berechtigt war, eine der nachstehend genannten Teilgebietsbezeichnungen zu führen und in diesem Teilgebiet mindestens 2 Jahre überwiegend tätig war:
1.
bei Teilgebietsbezeichnung "Kinderchirurgie" die Facharztbezeichnung für "Kinderchirurgie";2.
bei Teilgebietsbezeichnung "Plastische Chirurgie" die Facharztbezeichnung für "Plastische Chirurgie";3.
bei Teilgebietsbezeichnung "Herzchirurgie" die Facharztbezeichnung für "Herzchirurgie".
Die vorstehenden Regelungen scheiden als einschlägige Rechtsgrundlage nicht bereits deswegen aus, weil die streitige Gebietsbezeichnung Herzchirurgie nicht (erst) durch die WBO vom 01.10.1997, sondern bereits durch die WBO vom 01.10.1996 (Nds. Ärzteblatt 1996, S. 32) eingeführt worden ist. Letztere ist zwar auch ohne ausdrückliche Aufhebung mit Inkrafttreten der neuen WBO ihrerseits zum 01.10.1997 außer Kraft getreten, weil ohne weiteres davon auszugehen ist, daß der Satzungsgeber eine Weitergeltung der bisherigen WBO ausschließen wollte (arg. § 23 Abs. 3 WBO). Dies bedeutet jedoch nicht, daß damit zugleich die einschlägige Rechtsgrundlage weggefallen wäre. Denn gleichermaßen dürfte es nicht der Intention des Satzungsgebers entsprochen haben, Rechtspositionen bzgl. der Anerkennung von Arztbezeichnungen, welche durch die bisherige WBO neu eingeführt worden waren und von der neuen WBOübernommen worden sind, dem begünstigten Personenkreis zu entziehen. Die Vorschrift des § 23 Abs. 4 Satz 1 WBO n. F. ist demzufolge im Sinne einer redaktionellen Korrektur dahin auszulegen, daß sie generell bei Einführung neuer Arztbezeichnungen in das Regelwerk der WBO in der jeweils geltenden Fassung gilt mit der Folge, daß auch der Beginn der (hier eingehaltenen) zweijährigen Antragsfrist gemäß § 23 Abs. 12 WBO n. F. mit dem Zeitpunkt der Einführung beginnt.
Es bestehen auch keine durchgreifenden Bedenken hinsichtlich der Wirksamkeit der Übergangsregelung unter dem Gesichtspunkt ihrer Vereinbarkeit mit der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage. Zwar ist die Anerkennung, eine neu eingeführte Bezeichnung ohne erfolgreichen Abschluß eines Weiterbildungsganges auf Grund einer durch vorausgegangene einschlägige Berufstätigkeit nachgewiesenen Qualifikation führen zu dürfen, weder in § 35 Abs. 2 HKG vorgesehen noch ist die Ärztekammer durch § 41 HKG ausdrücklich ermächtigt, eine entsprechende Regelung in der Weiterbildungsordnung zu treffen. Dies schließt letztere jedoch nicht aus. Bei den die Facharztbezeichnungen betreffenden Regelungen handelt es sich um Vorschriften, die die Berufsausübung betreffen und insofern das Grundrecht der Berufsfreiheit gemäß Art. 12 GG beschränken. Derartige Regelungen sind nicht ausschließlich dem staatlichen Gesetzgeber vorbehalten, sondern auch in der Form von Satzungen zulässig, die von einer autonomen Körperschaft erlassen werden. Bei der beklagten Ärztekammer handelt es sich um eine derartige Körperschaft öffentlichen Rechts, die mit einem eigenem Wirkungskreis ausgestattet ist, welchen sie im Rahmen der Gesetze eigenverantwortlich wahrzunehmen hat (vgl. §§ 1 Abs. 2, 9 bis 15, 86, 87 HKG). Allerdings sind einer derartigen Rechtsetzungsbefugnis autonomer Berufsverbände im Hinblick auf den Gesetzesvorbehalt gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG Grenzen gesetzt. Das BVerfG hat dazu in seinem Beschluß vom 09.05.1972 - 1 BvR 518/62 u. 308/64 - (NJW 1972, 1504/1507) ausgeführt:
..., daß im Bereich des Facharztwesens jedenfalls die "statusbildenden" Normen, d.h. etwa diejenigen Regeln, welche die Voraussetzungen der Facharztanerkennung, die zugelassenen Facharztrichtungen, die Mindestdauer der Ausbildung, das Verfahren der Anerkennung, die Gründe für eine Zurücknahme der Anerkennung sowie endlich auch die allgemeine Stellung des Facharztes innerhalb des gesamten Gesundheitswesens betreffen, in den Grundzügen durch ein förmliches Gesetz festgelegt werden müssen. Die dann noch erforderlichen ergänzenden Regelungen können nach Ermessen des Gesetzgebers dem Satzungsrecht der Ärztekammern Obertassen werden.
Die in §§ 34 bis 40 HKG enthaltenen Regelungen entsprechen diesen Vorgaben. Dabei sind die Ausführungen des BVerfG entsprechend der überkommenen Rechtsetzungspraxis dahin zu verstehen, daß nicht auch der Kanon der Facharztrichtungen selbst einschließlich der Teilgebietsbezeichnungen, sondern lediglich die dafür maßgeblichen Grundsätze durch Gesetz zu regeln sind, wie dies durch § 34 Abs. 2 HKG geschehen ist (vgl. dazu BVerwG, B. v. 27.05.1986 - 3 B 54.85 - Buchholz 418.00 Nr. 67; B. v. 21.11.1988 - 3 B 80.88 - Buchholz 418.00 Nr. 76; ferner OVG Münster, U. v. 15.12.1992 - 5 A 796/91 - MedR 1993, 273; ferner Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, 2. Aufl. 1999, § 11 Rz. 28 ff. <31>). Daß das HKG seinerseits keine übergangsrechtlichen Bestimmungen für den Fall der Einführung neuer Gebiets- und Teilgebietsbezeichnungen enthält, die gleichermaßen nicht dem Gesetzgeber vorbehalten sind, bedeutet vor diesem Hintergrund nicht, daß der Landesgesetzgeber eine entsprechende Regelung dem Satzungsgeber vorenthalten wollte. Zum einen geht es bei dem Weiterbildungsrecht auf gesetzlicher Ebene darum, dem verfassungsrechtlichen Gesetzvorbehalt für grundrechtseinschränkende Regelungen Rechnung zu tragen, während die hier in Rede stehenden Übergangsregelungen bezüglich der Führung von (Teil)gebietsbezeichnungen eine Erweiterung der beruflichen Rechte zum Gegenstand haben. Zum anderen waren entsprechende Übergangsregelungen bereits in früheren Weiterbildungsordnungen der Beklagen enthalten, ohne daß der Gesetzgeber Veranlassung gesehen hätte, insbesondere in dem geltenden HKG zum Ausdruck zu bringen, daß diese nicht seinem Regelungswillen entsprachen.
Der Klageerfolg scheitert nicht daran, daß die Gebietsbezeichnung für Herzchirurgie übergangsrechtlich nur nach Maßgabe des § 23 Abs. 6 WBO geführt werden darf, ohne daß der Kläger dessen Voraussetzungen erfüllt. Dies würde - entsprechend dem von der Beklagten eingenommenen Rechtsstandpunkt - ein Spezialitätsverhältnis zu § 23 Abs. 4 WBO voraussetzen. Es müßte sich mithin bei § 23 Abs. 6 WBO F. 1997 um die gegenüber § 23 Abs. 4 WBO vorrangige, deren Anwendung nach dem Grundsatz lex specialis derogat legi generali ausschließende Regelung handeln. Dazu bedürfte es eines Normwiderspruchs in dem Sinne, daß dem Kläger die Berechtigung zum Führen der Arztbezeichnung für Herzchirurgie nach Maßgabe der allgemeinenÜbergangsvorschrift, falls er deren tatbestandliche Voraussetzungen erfüllt, zuzuerkennen wäre, während ein solches Ergebnis mit der anderen Regelung nach deren Wortlaut sowie Sinn und Zweck ausgeschlossen werden soll.
Nach den vorstehenden Grundsätzen stellt sich eingangs die Frage, ob es sich bei der Gebietsbezeichnung Herzchirurgie überhaupt um eine neue Arztbezeichnung handelt, auf die die allgemeine Vorschrift des § 23 Abs. 4 WBO im Grundsatz anwendbar ist. Dies ist der Fall, wie eine vergleichende Betrachtung die verschiedenen Bezeichnungen deutlich macht. Auszugehen ist dabei von dem Zuschnitt des Gebiets bzw. der (Teil)gebiete nach der WBO vom 09.02.1980 i.d.F. der Bekanntmachung vom 22.12.1993, an den die WBO F. 1996 mit den hier einschlägigen Übergangsregelungen angeknüpft hat. Danach gab es neben der Neurochirurgie und der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie als eigenständigen Gebieten ein Gebiet (allgemeine) Chirurgie mit den Teilgebieten Gefäßchirurgie, Kinderchirurgie, Plastische Chirurgie, Thorax- und Kardiovaskularchirurgie sowie Unfallchirurgie. Das hier in Rede stehende (Teil)gebiet Thorax- und Kardiovaskularchirurgie mit einer Weiterbildungszeit von 2 Jahren war wie folgt beschrieben (Anl. Abschnitt 1 Ziff. 5.1):
Vermittlung und Erwerb spezieller Kenntnisse und Erfahrungen in der operativen Behandlung von Erkrankungen, Mißbildungen und Verletzungen der Brustwand, der Lunge, des Mediastinums, des Herzens einschließlich seines Gefäßsystems.
Demgegenüber hat die WBO F. 1996 in dem hier in Rede stehenden Bereich eine völlig veränderte Gebietsstruktur geschaffen, indem einerseits das frühere Teilgebiet Thorax- und Kardiovaskularchirurgie als Schwerpunkt auf den Bereich Thoraxchirurgie beschränkt wurde, während andererseits der Bereich der Kardiovaskularchirurgie zu einem eigenständigen Gebiet mit sechsjähriger Weiterbildungszeit aufgewertet worden ist. Dieses Gebiet ist gemäß Abschnitt IV Nr. 12 wie folgt definiert:
Die Herzchirurgie umfaßt die Erkennung, operative und postoperative Behandlung von chirurgischen Erkrankungen, Verletzungen und Fehlbildungen des Herzens, der herznahen Gefäße und des angrenzenden Mediastinums sowie der Lunge in Zusammenhang mit herzchirurgischen Eingriffen einschließlich der Voruntersuchung und der Nachsorge.
Demgegenüber ist das Teilgebiet Thoraxchirurgie nunmehr folgendermaßen umschrieben:
Die Thoraxchirurgie umfaßt die Prävention und Diagnostik einschließlich der instrumentellen Untersuchungsverfahren sowie postoperative Behandlung chirurgischer Erkrankungen und Fehlbildungen der Lunge, der Pleura, des Bronchialsystems, des Mediastinums und der Thoraxwand, insbesondere im Rahmen der Tumorbildung.
Danach ist nicht lediglich an die Stelle einer bisherigen Teilgebietsbezeichnung eine neue Schwerpunktbezeichnung getreten, ohne daß sich an den zugrundeliegenden Tätigkeitsinhalten bzw. dem Gebietszuschnitt wesentliches geändert hätte. Daß der Bereich der Herzchirurgie schon bisher durch eine besondere gebietsmäßige Zuordnung erfaßt war, bedeutet unter den gegebenen Umständen nicht, daß es sich insoweit um keine neue Gebietsbezeichnung im Sinne des § 23 Abs. 4 WBO 1997 handelte. Vielmehr verhält es sich insoweit nicht anders als etwa bei der Schwerpunktbezeichnung Angiologie: Der davon erfaßte Bereich ging vor seiner Verselbständigung zu einem Schwerpunkt der Inneren Medizin durch die WBO F. 1996 vollständig in letztgenanntem Gebiet auf. Gleichwohl handelt es sich gerade wegen dieser Verselbständigung um eine neue Arztbezeichnung im Sinne des § 23 Abs. 4 WBO F. 1997. Nicht anders verhält es sich im Verhältnis von Thorax- und Kardiovaskularchirurgie einerseits und Herzchirurgie andererseits, indem letztere aus dem bisherigen Teilgebiet der Chirurgie herausgelöst und zum Gegenstand einer neuen Arztbezeichnung gemacht wurde. Dabei ist übergangsrechtlich nur zu beachten, daß insoweit keine neue Schwerpunktezeichnung eingeführt wurde, die Übergangsrechtlich von vornherein nur für denjenigen relevant ist, der auch die dafür einschlägige Gebietsbezeichnung führen darf, wie dies beispielsweise für den Schwerpunkt Angiologie zutrifft, für den als Übergangsbewerber nur der Facharzt für Innere Medizin in Betracht kommt, nicht der Allgemeinmediziner, auch wenn dieser eine in den maßgeblichen Referenzzeitraum fallende überwiegende Tätigkeit in dem Schwerpunkt von entsprechender Mindestdauer ausgeübt haben sollte. Denn damit könnte nur eine ausschließlich schwerpunktbezogene Sachkunde belegt werden, nicht aber die umfassende Sachkunde auf dem Gebiet der Inneren Medizin, welche übergangsrechtlich mit der Koppelung der Schwerpunktbezeichnung an die entsprechende Gebietsbezeichnung vorausgesetzt wird. Anders verhält sich dies für den hier in Rede stehenden Bereich der Chirurgie. Der Satzungsgeber hat sich bei dessen Neustrukturierung nicht darauf beschränkt, auf der Schwerpunktebene eine anderweitige Abgrenzung vorzunehmen, wie dies bei dem bisherigen Teilgebiet Thorax- und Kardiovaskularchirurgie für einen der Teilbereiche, nämlich den der Thoraxchirurgie geschehen ist. Vielmehr hat er die bisherigen Teilgebiete Kinderchirurgie und Plastische Chirurgie sowie den anderen Teilbereich des bisherigen Teilgebietes Thorax- und Kardiovaskularchirurgie als neue Gebiete geschaffen und damit die jeweiligen (neuen) Arztbezeichnungen nicht an andere Gebietsbezeichnungen gekoppelt. Daraus folgt, daß die Übergangsregelung des § 23 Abs. 4 WBO F. 1997 nach ihrem Wortlaut auch denjenigen erfaßt, der auf dem Gebiet der Herzchirurgie in dem maßgeblichen Referenzzeitraum für die vorgeschriebene Mindestdauer überwiegend tätig war, ohne bisher die Gebietsbezeichnung Chirurgie mit der einschlägigen Teilgebietsbezeichnung geführt zu haben.
Damit schließt sich als weitere Frage an, ob eine gegenteilige Auslegung nach dem Wortlaut des § 23 Abs. 6 WBO F. 1997 und dem erkennbaren Sinn und Zweck dieser Regelung geboten ist. Dazu müßte der Satzungsgeber übergangsrechtlich, soweit es um die Arztbezeichnung u.a. für Herzchirurgie geht, ausschließlich den Chirurgen bzw. Facharzt für Chirurgie (vgl. § 4 Ziff. 5 WBO i.d.F. der Bekanntmachung vom 22.12.1993) erfasst haben wollen, der zugleich die Teilgebietsbezeichnung Thorax- und Kardiovaskularchirurgie geführt hat. In diese Richtung deutet der Umstand, daß die Regelung nur für diesen Personenkreis ausdrücklich die Voraussetzungen regelt, unter denen die Gebietsbezeichnung Herzchirurgie geführt werden darf. Andererseits läßt der Wortlaut auch ein Normverständnis in dem Sinne zu, daß sich der Regelungsgehalt (ohne ausschließende Wirkung) auf zwei Punkte beschränkt: Zum einen wird ausschließlich zur Wahrung des Besitzstandes geregelt, daß die bisherige Teilgebietsbezeichnung (unverändert) weitergeführt werden darf (Satz 1). Zum anderen wird geregelt, unter welchen Voraussetzungen dieser Personenkreis übergangsrechtlich befugt ist, eine der neuen Gebietsbezeichnungen zu führen (Satz 2), ohne etwas darüber auszusagen, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen andere Ärzte berechtigt sind, übergangsrechtlich die neue Gebietsbezeichnung zu führen.
Für eine Auslegung in letzterem Sinne spricht zunächst, daß ohne den Rückgriff auf die umfassende Übergangsvorschrift des § 23 Abs. 4 WBO F. 1997 bereits der Chirurg bzw. Facharzt für Chirurgie ohne entsprechende Teilgebietsbezeichnung, jedoch mit einschlägiger Erfahrung und nachgewiesener Sachkunde auf dem Gebiet der Herzchirurgie die Gebietsbezeichnung nicht beanspruchen könnte. Gleichermaßen wäre der Facharzt für Chirurgie mit der bisherigen Teilgebietsbezeichnung Thorax- und Kardiovaskularchirurgie gehindert, sich nach Maßgabe des § 23 Abs. 4 WBO F. 1997 zum Nachweis entsprechend ausgeprägter Spezialisierung auf die neue Schwerpunktbezeichnung Thoraxchirurgie zu beschränken.
Ein die Anwendung des § 23 Abs. 4 WBO f. 1997 gleichwohl ausschließendes Spezialitätsverhältnis kann nicht damit begründet werden, daß andernfalls das vom Satzungsgeber für die jeweilige Arztbezeichnung (übergangsrechtlich) geforderte Qualifikationsniveau verfehlt würde. Die Anwendung der allgemeinen Übergangsvorschrift hat nicht zur Folge, daß damit die Bezeichnung Herzchirurgie übergangsrechtich Ärzten zuerkannt würde, die im Hinblick auf dieses Gebiet keine Qualifikation besitzen, welche derjenigen von Fachärzten für Chirurgie mit der bisherigen Teilgebietsbezeichnung Thorax- und Kardiovaskularchirurgie (mindestens) gleichwertig wäre. Für letzere genügt es, daß sie im vergangenen 8-Jahres-Zeitraum vor Einführung der Facharztbezeichnung für Herzchirurgie mindestens zwei Jahre in dem (bisherigen) Teilgebiet Thorax- und Kardiovaskularchirurgie überwiegend tätig waren. Dabei ist eine Tätigkeit überwiegend, wenn sie die reguläre Arbeitszeit zu mehr als der Hälfte in Anspruch genommen hat, und zwar unter Zugrundelegung einer ganztägigen und hauptberuflichen Tätigkeit (arg. § 4 Abs. 6 Satz 1 WBQ). Der Bewerber muß also im Ergebnis mindestens 1 Jahr in dem fraglichen Teilgebiet tätig gewesen sein. Bei der Gewichtung dieses Zeitraums im Hinblick auf dessen Indizfunktion für eine entsprechende Qualifikation ist zu berücksichtigen, daß die geforderte Tätigkeit auf das gesamte Teilgebiet - also einschließlich der Thoraxchirurgie - bezogen ist, sich also nicht auf das Gebiet der Herzchirurgie beschränkt haben musste, so daß die darauf bezogenen Tätigkeiten einen entsprechend geringeren Anteil ausmachen konnten, der nach Maßgabe des Verhältnisses der nunmehr im Gebiet Herzchirurgie und dem Schwerpunkt Thoraxchirurgie geltenden Weiterbildungszeiten von 6 bzw. 3 Jahren mit 8 Monaten (= 12 Monate × 2/3) angenommen werden kann. Andererseits darf bei diesem Personenkreis unter dem Gesichtspunkt der gebietsspezifischen Qualifikation nicht die reguläre Weiterbildung im bisherigen Teilgebiet außer Acht gelassen werden, soweit diese sich auf die Kardiovaskularchirurgie bezogen hat und damit für die hier maßgebliche Qualifikation im Gebiet Herzchirurgie einschlägig ist. Der darauf entfallende Anteil ist bei einer Gesamtweiterbildungszeit im bisherigen Teilgebiet von zwei Jahren (vgl. Abschnitt I Ziff. 5.4 der Anl. z. WBO F. 1993) - wiederum nach Maßgabe des o.a. Verhältnisses der nunmehr geltenden Weiterbildungszeiten - mit 16 Monaten (= 2 Jahre × 2/3) anzunehmen, so daß sich bei dem von § 23 Abs. 6 WBO 1997 erfaßten Personenkreis eine einschlägige herzchirurgische Tätigkeit von insgesamt 2 Jahren ergibt.
Demgegenüber muß ein Bewerber nach der allgemeinenÜbergangsvorschrift des § 23 Abs. 4 WBO F. 1997 eine regelmäßige herzchirurgische Tätigkeit über einen der Weiterbildungsdauer in diesem Gebiet entsprechenden Zeitraum von 6 Jahren ausgeübt haben, was mit Rücksicht darauf, daß eine überwiegende Tätigkeit in dem Gebiet während dieses Zeitraums genügt, einer ausschließlich herzchirurgischen Tätigkeit von mindestens 3 Jahren entspricht. Danach weist der die Mindestanforderungen des § 23 Abs. 4 WBO F. 1997 erfüllende Bewerber gegenüber dem von § 23 Abs. 6 Ziff. 3 WBO erfassten Personenkreis eine einschlägige herzchirurgische Tätigkeit von deutlich längerer Dauer auf. Dieser Vergleich macht deutlich, daß es bei dem Facharzt für Chirurgie mit entsprechender Teilgebietsbezeichnung in § 23 Abs. 6 Satz 2 WBO F. 1997 übergangsrechtlich (nur) darum geht, diesem den Zugang zur neuen Gebietsbezeichnung Herzchirurgie zu erleichtern. Ein solcher Regelungszweck rechtfertigt es nicht, anderen Übergangsbewerbern die Berechtigung zum Führen der Gebietsbezeichnung auch dann vorzuenthalten, wenn sie die strengeren Voraussetzungen des § 23 Abs. 4 WBO F. 1997 erfüllen.
Vor diesem Hintergrund können Zweifel an der einschlägigen Qualifikation der Klägers in Bezug auf das hier maßgebliche Gebiet der Herzchirurgie nicht daraus hergeleitet werden können, daß dieser bislang nicht die Gebietsbezeichnung als Facharzt für Chirurgie mit entsprechender Teilgebietsbezeichnung geführt hat. Daß er sich im Gegensatz zu dem von § 23 Abs. 6 Satz 2 WBO F. 1997 erfassten Personenkreis nicht einem entsprechenden Prüfungsgespräch hat unterziehen müssen, bedeutet nicht, daß ihm aus Gründen der Qualitätssicherung ärztlicher Berufsausübung die Gebietsbezeichnung vorenthalten werden müsste. Dieses Weiterbildungsziel wird andernfalls nicht etwa, wie die Beklagte geltend macht, "torpediert". Eine solche Sicht lässt außer acht, daß an die Stelle der bisherigen zweijährigen Weiterbildungszeit, die noch dazu den Bereich der Thoraxchirurgie umfasste, eine ausschließlich auf den Bereich der Herzchirurgie beschränkte sechsjährige Weiterbildung getreten ist, so daß der nach bisherigem Gebietszuschnitt abgelegten Weiterbildungsprüfung nur eingeschränkte Aussagekraft zukommt. Im übrigen gilt auch in allen anderen Weiterbildungsbereichen, auf die die allgemeine Übergangsvorschrift des § 23 Abs. 4 WBO F. 1997 Anwendung findet, daß die gebietsbezogene Qualifikation nicht durch eine förmliche Prüfung zu belegen ist. Daß insoweit für das Gebiet der Herzchirurgie ein grundsätzlich anderer Qualitätssicherungsmaßstab gelten soll, lässt sich aus den dargelegten Gründen dem § 23 Abs. 6 WBO F. 1997 nicht entnehmen.
§ 23 Abs. 6 WBO F. 1997 erweist sich ferner nicht deswegen als § 23 Abs. 4 WBO F. 1997 verdrängende lex specialis, weil der davon erfasste Personenkreis eine förmliche, 6 Jahre dauernde Weiterbildung in Chirurgie mit entsprechender Prüfung durchgeführt hat und anderen Übergangsbewerbern insoweit eine vergleichbare Qualifikation fehlt. Das neue Weiterbildungsrecht hat die Gebiete Chirurgie und Herzchirurgie gleichwertig nebeneinander gestellt. Dies kommt zum einen in der gleichen Dauer der jeweiligen Weiterbildungszeit und zum anderen darin zum Ausdruck, daß die Weiterbildung im beiden Gebieten zugeordneten Schwerpunkt Thoraxchirurgie bei gleichen Anrechnungsmöglichkeiten jeweils 3 Jahre dauert. Setzt danach die Gebietsbezeichnung Herzchirurgie nicht den Nachweis einer zusätzlichen allgemeinchirurgischen Qualifikation voraus, kann diese auch übergangsrechtlich nicht gefordert werden.
Schließlich kann eine einschränkende Auslegung der Übergangsbestimmung des § 23 Abs. 6 WBO F. 1996 in dem von der Beklagten vertretenen Sinne auch nicht aus der Regelung des § 23 Abs. 8 WBO F. 1997 hergeleitet werden. Wenn dort für die übergangsrechtliche Anerkennung als Facharzt für Transfusionsmedizin ausdrücklich auf § 23 Abs. 4 WBO F. 1997 verwiesen wird, folgt daraus nicht etwa (wegen der in Abs. 6 fehlenden Verweisung) im Umkehrschluss, daß Entsprechendes nicht für das Gebiet Herzchirurgie gelte. Bei der Transfusionsmedizin handelte es sich früher um einen sog. Bereich mit dem Recht auf Führung einer Zusatzbezeichnung nach entsprechender 3-jähriger Weiterbildung (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 18 i.V.m. Anl. Abschnitt II Nr. 18 WBO F. 1993). Diesen Bereich hat der Satzungsgeber weiterbildungsrechtlich mit der WBO F. 1996 zu einem eigenständigen Gebiet mit nunmehr fünfjähriger Weiterbildungszeit aufgewertet. Wenn er neben der ausschließlich der Besitzstandswahrung dienenden Regelung des § 23 Abs. 8 Satz 1 WBO F. 1997 in Satz 3 (aaO) die übergangsrechtliche Anerkennung als Facharzt für Transfusionsmedizin von den Voraussetzungen der allgemeinen Übergangsregelung des Abs. 4 (aaO) abhängig gemacht hat, hat er damit lediglich (klarstellend) zum Ausdruck gebracht, daß für denjenigen, der bisher die Zusatzbezeichnung Transfusionsmedizin geführt hat, ein gegenüber Abs. 4 (aaO) erleichterter Zugang zu der entsprechenden Facharztbezeichnung, wie er in Abs. 6 Satz 2 vorgesehen ist, ausgeschlossen sein sollte, dieser sich also (wie der nicht unter Abs. 6 fallende Übergangsbewerber für die Gebietsbezeichnung Herzchirurgie) den strengeren, Anforderungen der allgemeinen Übergangsregelung des Abs. 4 zu stellen hat.
Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen des § 23 Abs. 4 WBO F. 1997 auch in tatsächlicher Hinsicht. Er ist innerhalb von acht Jahren vor Einführung der Gebietsbezeichnung Herzchirurgie für einen der regulären Weiterbildungszeit entsprechenden Zeitraum von 6 Jahren überwiegend herzchirurgisch tätig gewesen. Letzteres gilt nicht nur für die Zeiten am Deutschen Herzzentrum in Berlin und an der Schüchtermann-Klinik L, in denen er ausschließlich herzchirurgisch gearbeitet hat, sondern auch für seine Zeit als Chefarzt am Mallya Hospital in Bangalore. Nach der von ihm in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Aufstellung über seine dort ausgeübte operative Tätigkeit machten die thoraxchirurgischen Operationen (34) gegenüber dem herzchirurgischen Operationsaufkommen (526) nur einen untergeordneten Anteil von ca. 6 v.H. aus. Für beide Kliniken kann im übrigen davon ausgegangen werden (und wird auch von der Beklagten nicht in Frage gestellt), daß es sich dabei um Einrichtungen handelt, die nach damaligem Stand regulären Weiterbildungsstätten im Sinne des § 23 Abs. 4 Satz 1 WBO F. 1997 vergleichbar waren. Schließlich hat der Kläger nachgewiesen, daß er, wie es § 23 Abs. 4 Satz 4 WBO F. 1997 fordert, mit diesen Tätigkeiten "umfassende Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten" auf dem Gebiet der Herzchirurgie erworben hat, sofern er diese nach seinem beruflichen Werdegang nicht schon zuvor besessen haben sollte. Dies ergibt sich im einzelnen aus den bei den Verwaltungsvorgängen befindlichen entsprechenden Zeugnissen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Streitwertbeschluss:
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 20.000,- DM festgesetzt.
Gründe
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG. Dabei folgt die Kammer im Interesse einer einheitlichen Rechtsanwendungspraxis dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit - Fassung 1996 (NVwZ 1996, 563). Danach ist das Klägerinteresse bei Streitigkeiten um die Zusatzbezeichnung eines Arztes mit 20.000,- DM zu bewerten.
Beckmann
Neuhäuser