Verwaltungsgericht Osnabrück
Urt. v. 29.03.2000, Az.: 3 A 9/99
Begriff der Popularklage; Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über den Zugang zu Räumen der Universität; Rechte einer studentischen hochschulpolitischen Vereinigung
Bibliographie
- Gericht
- VG Osnabrück
- Datum
- 29.03.2000
- Aktenzeichen
- 3 A 9/99
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2000, 22826
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGOSNAB:2000:0329.3A9.99.0A
Rechtsgrundlage
- 43 Abs. 2 S. 1 VwGO
Fundstelle
- NVwZ-RR 2000, 789 (Volltext mit red. LS)
Verfahrensgegenstand
Überlassung einer universitären Einrichtung
Prozessführer
Liberale Hochschulgruppe A. e. V., B.
Prozessgegner
Universität C.
In der Verwaltungsrechtssache
hat das Verwaltungsgericht Osnabrück - 3. Kammer -
auf die mündliche Verhandlung vom 29. März 2000
durch
den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Essig,
den Richter am Verwaltungsgericht Flesner,
den Richter am Verwaltungsgericht Specht sowie
die ehrenamtlichen Richter D. und E.
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die vorläufige Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger macht einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über den Zugang zu Räumen der Beklagten geltend. Sie ist eine studentische hochschulpolitische Vereinigung, die sich um Mandate im Studentenparlament bewirbt und dort vom 01.04.2000 an mit zwei Sitzen vertreten ist.
Auf der Grundlage einer Vereinbarung zwischen der Beklagten und ihrem Allgemeinen Studentinnen- und Studentenausschuss (AStA) vom 28.03.1989 überlässt die Beklagte dem AStA das Foyer Ihres "Erweiterungsgebäudes" für maximal 20 Feste der Studentenschaft ("EW-Feten") im Kalenderjahr für jeweils einen bestimmten Betrag. Vor jeder Fete hat danach der AStA die Überlassung des Raumes bei der Universitätsverwaltung zu beantragen und das Entgelt zu entrichten. Die Ausrichtung der in der Vorlesungszeit jeweils von Mittwoch auf Donnerstag stattfindenden Feten legt der AStA in die Hände unterschiedlicher Gruppierungen, an die der AStA auf der Grundlage eines Beschlusses des Studentenparlaments nach Maßgabe folgender Regelung den Raum vergibt: Mit dem Ende des Sommersemester werden alle Fachschaften, die im Studentenparlament vertretenen Hochschulgruppen sowie alle vom Studentenparlament für förderungswürdig erachteten Initiativen aufgefordert, Ansprüche auf Überlassung des Foyers im Erweiterungsgebäude für die Durchführung von "EW-Feten" anzumelden. Von den eingehenden Anträgen werden vorrangig und alle anderen Anträge ausschließend die der Fachschaften berücksichtigt. Bleiben danach Termine frei, so kommen nach dem gleichen Prinzip die im Studentenparlament vertretenen Hochschulgruppen zum Zuge. An letzter Stelle wird den als förderungswürdig anerkannten Initiativen unter Berücksichtigung einer "Wartezeit" und - soweit erforderlich - durch Losentscheid der Raum überlassen.
Der Kläger bewirbt sich seit dem Wintersemester 1997/98 erfolglos um die Ausrichtung einer "EW-Party". Nachdem er im Sommer 1998 wiederholt den AStA um Überlassung des Party-Raumes ersucht hatte, ohne eine Antwort zu erhalten, wandte er sich mit Schreiben vom 07.10.1998 an die Hochschulleitung mit der Bitte, gegenüber dem AStA im Wege der Rechtsaufsicht tätig zu werden. Dies lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 21.10.1998 ab und führte zur Begründung aus; die Praxis des AStA bei der Raumvergabe sei nicht zu beanstanden.
Unter dem 01.11.1998 beantragte der Kläger bei der Beklagten, ihm das Foyer des Erweiterungsgebäudes für die Ausrichtung einer "EW-Party" zuzuteilen, und legte zugleich Widerspruch ein gegen die Mitteilung vom 21.10.1998. Darauf teilte ihm die Beklagte unter dem 12.11.1998 mit, dass die Entscheidung über die Zuteilung des Raumes Sache des AStA und dessen Vergabepraxis im Übrigen nicht zu beanstanden sei; gegen die Mitteilung vom 21.10.1998 sei ein Widerspruch nicht zulässig, weil es sich "um ein Schreiben in Ausübung der Rechtsaufsicht über den AStA" handele.
Der Kläger hat am 02.02.1999 Klage erhoben, zu deren Begründung er vorträgt: Die "EW-Parties" seien bei den Studentinnen und Studenten beliebt und dienten den politischen und anderen Hochschulgruppen zur Eigenwerbung und -finanzierung. Veranstalter einer "EW-Party" erzielten regelmäßig einen Reingewinn von 500,00 DM bis 1.000,00 DM. Er sei zur Zeit nicht im Studentenparlament vertreten und gehöre deshalb nicht zu den potentiell berücksichtigungsfähigen Organisationen. Einen Antrag auf Anerkennung als förderungswürdige Initiative sei ihm nicht zuzumuten. Zum Einen widerspreche dies seiner Eigenart als politische Gruppierung; zum Anderen erhöhe die Anerkennung die Chancen, eine "EW-Party" ausrichten zu können, nicht hinreichend. Die Praxis der Überlassung des betreffenden Raumes an Interessenten sei rechtswidrig. Die Beklagte dürfe die Vergabe des Raumes nicht dem AStA als dessen eigene Entscheidung überlassen. Jedenfalls verletze die Beklagte gegenüber dem AStA ihre Aufsichtspflicht, indem sie dessen Vergabepraxis unbeanstandet lasse. Die Beklagte habe bei der Überlassung des Raumes Chancengleichheit zu gewährleisten. Er habe einen Anspruch darauf, dass ihm die gleichen Zugangschancen wie einer im Studentenparlament vertretenen Gruppierung eingeräumt würden. Als Organisation mit hochschulpolitischer Zielsetzung sei er zu vergleichen mit einer politischen Partei, die Anspruch auf Überlassung öffentlicher Einrichtungen für ihre Veranstaltungen erhebe. Bleibe ihm die Möglichkeit verschlossen, eine "EW-Party" zu veranstalten, sei er gegenüber anderen politischen Gruppierungen in der Hochschule willkürlich benachteiligt.
Der Kläger beantragt,
festzustellen, dass die Raumvergabepraxis der Beklagten in Bezug auf das Foyer des Erweiterungsgebäudes der Beklagten für studentische Feste rechtswidrig sei,
hilfsweise,
die Beklagte zu verurteilen, ihm für das Sommersemester 2000 oder das Wintersemester 2000/2001 das Foyer des Erweiterungsgebäudes für eine EW-Party zu überlassen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor: Die Klage sei unzulässig. Nicht sie, sondern der AStA entscheide über die Raumvergabe für die "EW-Party"; gegen ihn sei die Klage zu richten. Darüber hinaus sei die Feststellungsklage auch deshalb unzulässig, weil der Kläger sein Begehren mit einer Leistungs- oder Verpflichtungsklage verfolgen könne. In der Sache könne der Kläger keine Rechtsposition beanspruchen, die der einer politischen Partei beim Zugang zu öffentlichen Einrichtungen entspreche. Denn der Kläger wolle in dem fraglichen Raum keine politische Veranstaltung abhalten, sondern eine Party feiern. Die Vergabekriterien des AStA seien sachgerecht. Sie habe daher gegen die Vergabepraxis nicht im Wege der Rechtsaufsicht einzuschreiten.
Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Gründe
Die Klage ist nicht zulässig. Der auf eine generelle Überprüfung der Praxis der Beklagten bei der Überlassung von universitätseigenen Räumen gerichtete Hauptantrag geht im Sinne einer Popularklage über eine mögliche subjektive Rechtsbetroffenheit des Klägers hinaus. Er knüpft nicht, wie der Vertreter des Klägers in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich bestätigt hat, an die aus seiner Sicht durch die Mitteilung der Beklagten vom 12.11.1998 abgeschlossenen, an den AStA und die Universitätsleitung gerichteten Gesuche vom Sommer 1998 bzw. vom 07.10.1998 mit dem Ziel einer positiven Bescheidung dieser Gesuche an, sondern soll ganz allgemein die aus der Sicht des Klägers rechtswidrige Vergabepraxis der Beklagten einer gerichtlichen Prüfung unterwerfen. Damit verfolgt der Kläger nicht die Wahrung eigener Rechte. Jedenfalls aber kann er die begehrte Feststellung nicht erstreiten, solange er seine Rechte mit einer Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann (§ 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Das vom Kläger geltend gemachte Recht auf ermessensfehlerfreie Entscheidung darüber, ob ihm dass Foyer des Erweiterungsgebäudes der Beklagten für eine Fete zu überlassen ist, kann Gegenstand einer Verpflichtungs- oder Bescheidungsklage und damit einer die Feststellungsklage ausschließenden Leistungsklage im Sinne des § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO sein. Dieser Ausschluss greift auch dann ein, wenn eine Leistungsklage deshalb nicht zulässigerweise erhoben werden kann, weil ihr kein Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren vorangegangen ist. Letzteres trifft auf das hilfsweise verfolgte Leistungsbegehren des Klägers zu, das bisher nicht Gegenstand eines an die Beklagte gerichteten Antrages gewesen ist. Deshalb ist die Klage auch mit dem Hilfsantrag unzulässig.
Die Klage wäre auch dann sowohl mit dem Hauptantrag wie auch mit dem Hilfsantrag unzulässig, wenn man entgegen der ausdrücklichen Erklärung des Klägers, die Gesuche vom Sommer und Oktober 1998 nicht zum Gegenstand des Verfahrens gemacht zu haben, die Mitteilung der Beklagten vom 12.11.1998 als streitbefangen ansieht. Unzulässig wäre die Klage dann jedenfalls deshalb, weil der Kläger mit Wirkung vom 01.04.2000 im Studentenparlament vertreten ist und sich damit sein Begehren, wie eine im Studentenparlament vertretene Hochschulgruppe in das Vergabeverfahren einbezogen zu werden, erledigt. Für eine Verpflichtung der Beklagten, nach Maßgabe einer mit dem Standpunkt des Klägers übereinstimmenden Rechtsauffassung des Gerichts über den Antrag des Klägers vom 07.10.1998 erneut zu entscheiden, fehlt dem Kläger ein Sachentscheidungsinteresse. Denn angesichts der Zeitspanne von wenigen Tagen, die zwischen der mündlichen Verhandlung in dieser Sache und dem Einzug von Mitgliedern des Klägers in das Studentenparlament und der damit verbundenen Beseitigung der durch das Klageverfahren auszuräumenden Beschwer liegen, hat sich bereits im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung das ursprüngliche Begehren des Klägers erledigt. Vor dem 01.04.2000 ist das Ziel, als nicht im Studentenparlament vertretene Hochschulgruppe wie eine dort vertretene bei der Raumvergabe berücksichtigt zu werden, nicht mehr realisierbar. Von diesem Zeitpunkt an gehört der Kläger zu den bei der Raumvergabe aus seiner Sicht zu Unrecht privilegierten Gruppen. Er kann sich wie diese, mit denen er gleichgestellt zu werden durch die Klage zu erreichen sucht, um die Überlassung des fraglichen Raumes bewerben. Insofern ist eine im Vergleich zu dem ursprünglichen Begehren neue Sachlage eingetreten, mit der die Beschwer des Klägers, als im Studentenparlament nicht vertretene politische Hochschulgruppe von der Möglichkeit, eine "EW-Party" zu veranstalten, weitgehend ausgeschlossen zu sein, entfallen ist. Damit ist jedem Klagebegehren, das auf die "alte" Sachlage gestützt wird, die Grundlage entzogen. Den Standpunkt des Klägers, ihm stehe jedenfalls ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse zur Seite, teilt die Kammer nicht. Aus einer Wiederholungsgefahr lässt sich ein solches Interesse nicht ableiten. Denn es ist völlig ungewiss, ob sich die Sachlage, auf die der Kläger seinen Klageanspruch gegründet hat, erneut einstellen wird. Ein anderes Feststellungsinteresse ist nicht erkennbar.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Streitwertbeschluss:
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 8000 DM festgesetzt.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG.
Flesner
Specht