Oberlandesgericht Braunschweig
Urt. v. 07.03.1986, Az.: 2 U 259/85
Verkehrssicherungspflichten eines Unternehmers hinsichtlich einer von ihm eröffneten Gefahrenquelle; Haftung bei der Ausführung von Werkleistungen in Betriebsräumen des Bestellers; Verantwortlichkeit des Werkbestellers für Schäden am Werk; Aufnahme der Werksangehörigen in den Bereich der dem Unternehmer obliegenden Schutzpflichten; Voraussetzungen eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter; Kausalität des Verhaltens des Unternehmers für einen Unfall eines Werksangehörigen
Bibliographie
- Gericht
- OLG Braunschweig
- Datum
- 07.03.1986
- Aktenzeichen
- 2 U 259/85
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1986, 18333
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGBS:1986:0307.2U259.85.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Braunschweig - 19.09.1985 - AZ: 4 O 280/85
Rechtsgrundlagen
- § 1542 RVO
- § 612 BGB
Fundstelle
- NJW-RR 1986, 1314 (Volltext mit red. LS)
Verfahrensgegenstand
Schadensersatz und Feststellung
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Bei Ausführung von Werkleistungen in Betriebsräumen des Bestellers hat der Unternehmer dafür zu sorgen, dass bei diesen Arbeiten weder dem Besteller noch dessen Werksangehörigen Schäden zugefügt werden.
- 2.
Die Einbeziehung Drittbeteiligter in den Schutzbereich eines Vertrages kommt nur ausnahmsweise in Betracht. Voraussetzung ist jedenfalls, dass die Einbeziehung für den Schuldner erkennbar ist und von seinem Vertragswillen erfasst wird.
In dem Rechtsstreit
hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig
auf die mündliche Verhandlung vom 14. Februar 1986
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ...,
den Richter am Oberlandesgericht ... und
den Richter am Landgericht ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 19. September 1985 abgeändert:
Der auf Zahlung von Schadensersatz gerichtete Klagantrag ist dem Grunde nach zu einem Drittel der übergangenen Ansprüche gerechtfertigt.
Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin ein Drittel aller weiteren Aufwendungen aus Anlaß des Arbeitsunfalls des verletzten ... vom 8. Juni 1983 in der Zuckerfabrik ... zu ersetzen, soweit die Schadensersatzansprüche des Verletzten gemäß § 1542 RVO auf sie als Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung übergangen sind oder noch übergehen werden.
Die weitergehende Feststellungsklage bleibt abgewiesen, die Berufung wird insoweit zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Höhe des der Klägerin zustehenden Schadensersatzes sowie die Kosten des Berufungsverfahrens wird der Rechtsstreit an das Landgericht Braunschweig zurückverwiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000,- DM abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Sicherheitsleistung kann die Klägerin durch unbefristete und unbedingte selbstschuldnerische Bürgschaft einer westdeutschen Großbank erbringen.
Beschwer der Klägerin: 44.370,56 DM.
Beschwer der Beklagten 43.370,56 DM.
Tatbestand
Die Klägerin nimmt die Beklagte aufgrund gemäß § 1542 RVO auf sie übergegangener Ansprüche aus einem Arbeitsunfall vom 8.6.1983 auf Erstattung von Unfallversicherungsleistungen in Anspruch, die sie dem bei dem Unfall verletzten und bei ihr unfallversicherten Peter Wagner erbracht hat.
Die Beklagte führet im Juni 1983 als Subunternehmerin der Firma ... KG Malerarbeiten in einer Halle der Zuckerfabrik ... aus. Im gleichen Zeitraum waren im selben Arbeitsbereich Arbeiter der Zuckerfabrik ... mit Schleifarbeiten (so die Klägerin) bzw. mit Schweißarbeiten (so die Beklagte) beschäftigt. Am Abend des 7.6.1983 war an der Arbeitsstelle auf dem Holzgerüst unterhalb einer Maische ein nicht abgedeckter Eimer mit Resten einer Kunstharz-Lackfarbe stehengeblieben, die eine zylonhaltige Kunstharzverdünnung mit einem Flammpunkt von über 21 Grad Celsius enthielt. Am 8.6.1983 gegen 6.00 Uhr begann der bei der Zuckerfabrik tätige Arbeiter ... mit Schleif- bzw. Schweißarbeiten im Bereich der Maische. Gegen 6.30 Uhr geriet infolge Funkenfluges der offene Farbeimer in Brand. Auf die Flammenbildung aufmerksam geworden, begab sich Wagner zu dem Eimer, deckte ihn mit einem großen Lappen ab und brachte ihn auf eine betonierte Arbeitsbühne. Zu dieser Zeit war ein Arbeitskollege unterwegs, um einen Feuerlöscher zu holen. Unmittelbar nach Abstellen des Eimers verpufften die erneut aufflammenden Farbreste. ... Kleidung fing Feuer, das er durch Abstreifen der Kleidung löschen konnte. Er selbst erlitt Verbrennungen am linken Bein und an der linken Hand. Wegen dieser Verletzungen befand er sich vom 8.6. bis 11.8.1983 und vom 5. bis 27.9.1983 in stationärer und bis Ende April 1984 in ambulanter Behandlung. Der Heilungsverlauf verzögerte sich wegen wiederholten Narbenaufbruchs. Zurück blieb eine von oberen Drittel des linken Unterschenkels fast bis zum Fußgelenk reichende zirkuläre Vernarbung der Haut, die bei Belastung noch mehrere Monate spannungsempfindlich blieb.
Die Klägerin hat behauptet, in dem Mitarbeiter der Beklagten am Vorabend den offenen Farbeimer bei Arbeitsschluß nicht entfernt und sicher verwahrt hätten, seien unter Verstoß gegen Unfallverhütungsvorschriften der Beklagten gegenüber den Mitarbeitern der Zuckerfabrik ... obliegende Schutz- und Sorgfaltspflichten verletzt worden. Sie habe wegen des Unfalles für ihr Mitglied Wagner Leistungen in Höhe von 42.370,56 DM (Krankenhauskosten, Transport- und Fahrtkosten, Medikamente, Verletztengeld, Beiträge zur Renten- und Krankenversicherung) erbracht. An Spätfolgen seien rezidivierende Karbonuleora und chronische Stauungsödemen zu erwarten.
Die Klägerin hat beantragt,
- 1.
die Beklagte zu verurteilen, an sie 42.370,56 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 16. Mai 1985 zu zahlen,
- 2.
festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihr alle weiteren Aufwendungen aus Anlaß des Arbeitsunfalles vom 8. Juni 1983 um 6.30 Uhr in der Zuckerfabrik Königslutter AG zu ersetzen, soweit die Ansprüche des verletzten Peter Wagner, geboren am 15.6.1922, auf Schadensersatz gemäß § 1542 RVO auf sie als Träger der gesetzlichen Unfallversicherung übergegangen sind oder noch übergehen werden.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat sich darauf berufen, daß der Unfall auf alleiniges Verschulden des verletzten Wagner zurückzuführen sei, indem dieser - wie unstreitig ist - seinen Arbeitsplatz nicht auf feuergefährliche Materialien hin überprüft und das Holen eines Feuerlöschers durch einen Arbeitskollegen nicht abgewartet habe.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf das Urteil wird zur ergänzenden Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes und wegen der die Entscheidung des Landgericht tragenden Gründe Bezug genommen.
Mit ihrer rechtzeitig eingelegten und fristgerecht begründeten Berufung verfolgt die Klägerin ihren erstinstanzlichen Rechtsstandpunkt weiter.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils
- 1.
die Beklagte zu verurteilen, an sie 42.370,56 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 16.5.1985 zu zahlen,
- 2.
festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin alle weiteren Aufwendungen aus Anlaß des Arbeitsunfalls vom 8.6.1983 um 6.30 Uhr in der Zuckerfabrik ... zu ersetzen, soweit die Ansprüche des verletzten Peter Wagner, geboren am 15.6.1922, auf Schadensersatz gemäß § 1542 RVO auf sie als Träger der gesetzlichen Unfallversicherung übergegangen sind oder noch übergehen werden.
- 3.
hilfsweise, ihr Vollstreckungsnachlaß gegen Sicherheitsleistung zu bewilligen, die auch durch Bankbürgschaft erbracht werden kann.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und tritt dem Berufungsvorbringen der Klägerin entgegen.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf den vorgetragenen Inhalt der von den Parteien in zweiter Instanz gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin ist zulässig und nach Maßgabe der Urteilsformel gerechtfertigt.
I.
Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, daß zwischen den Parteien keine vertragliche Beziehungen bestanden hätten und die Beklagte gegenüber Ansprüchen aus unerlaubter Handlung den Entlastungsbeweis angetreten habe. Entgegen der Auffassung des Landgerichts besteht aber eine Einstandspflicht der Beklagten gegenüber der Klägerin für die Folgen des Betriebsunfalles vom 8.6.1983 gemäß §§ 1542, 278 BGB wegen fahrlässiger Verletzung von Schutz- und Sorgfaltspflichten aus einem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter. Dazu im einzelnen:
1.)
Es ist anerkannten Rechts, daß bei Ausführung von Werkleistungen in Betriebsräumen des Bestellers der Unternehmer dafür zu sorgen hat, daß bei diesen Arbeiten weder den Besteller noch dessen Werksangehörigen Schäden zugefügt werden (vgl. BGHZ 33, 247; 55, 11, 18) [BGH 10.11.1970 - VI ZR 104/69]. Die Werksangehörigen sind in dem Bereich der den Unternehmer obliegenden Schutzpflichten aufgenommen, weil deren Schädigung den Besteller trifft, der für das Wohl und Wehe seiner Arbeitnehmer verantwortlich ist (vgl. § 612 BGB). Unmittelbare Vertragsbeziehungen, aus denen sich Schutzpflichten der Beklagten gegenüber den verletzten Wagner ableiten, gibt es im Verhältnis der Zuckerfabrik ... als dessen Arbeitgeberin zur Beklagten zwar nicht. Zwischen der Firma ... und der Beklagten ist auch nicht ausdrücklich vereinbart, daß die Beklagte bei Ausführung der Arbeiten Schutzpflichten übernimmt, die der Firma ... KG gegenüber der Zuckerfabrik ... und dessen Werksangehörigen oblagen. Voraussetzung für die Aufnahme Dritter in die Schutzwirkung des Vertrages ist, das deren Einbeziehung den Schuldner erkennbar ist und von seinem Vertragswillen erfaßt wird. Das Landgericht hat hierzu zutreffend ausgeführt, daß die Einbeziehung Drittbeteiligter in den Schutzbereich eines Vertrages nur in engen Grenzen vertretbar ist, damit der Schuldner das einzusehende Haftrisiko überschaubar und kalkulierbar bleibt. Hierdurch soll eine uferlose Ausdehnung des Kreises der in den Schutzbereich fallenden Personen vermieden werden (vgl. BGHZ 53, 338 [BGH 16.03.1970 - VII ZR 125/68]; 70, 327, 330) [BGH 15.02.1978 - VIII ZR 47/77]. Aufgrund der objektiven Interessenlage beider Vertragspartner ist nach den Grundsätzen von Treu und Glauben aber die stillschweigende Ausdehnung des Schutzbereichs des Vertrages der Firma Korn GmbH & Co. KG mit der Beklagten über den Kreis der Vertragspartner hinaus anzunehmen. Eine Beschränkung der Schadensersatzpflicht der Beklagten auf die Schäden, die sie der Firma ... oder ihres Mitarbeiters erwachsen, entsprach angesichts ihrer Haftung gegenüber der Zuckerfabrik ... und deren Werksangehörigen nicht dem rechtsgeschäftlichen Willen der Firma ... die an einer Enthaftung durch die Beklagte interessiert war. Von der Beklagten konnte nach Treu und Glauben in zumutbarer Weise erwartet werden, daß sie in die Einstandspflicht der Firma ... gegenüber der Zuckerfabrik ... und deren Werksangehörigen in ihrem Arbeitsbereich in den Betriebsräumen der Zuckerfabrik eintritt. Auch wenn die Firma ... das Wohl und Wehe der Werksangehörigen der Zuckerfabrik selbst nicht anvertraut war, so hatte sie diesen gegenüber in ihren Werkvertrag mit der Zuckerfabrik Königslutter AG Obhutspflichten übernommen. Bei schuldhafter Pflichtverletzung standen den betroffenen Werksangehörigen der Zuckerfabrik ... Schadensersatzansprüche gegen sie zu. Der Beklagten war ohne weiteres erkennbar, daß diejenigen Werksangehörigen der Zuckerfabrik Königslutter AG, die an ihrem Erfüllungsort ebenfalls ihren Arbeitsplatz hatten, bestimmungsgemäß auch mit ihrer Werkleistung in Berührung kommen würden. Es handelte sich um einen begrenzten überschaubaren Kreis gefährdeter Personen, denen die Beklagte Schutz vor von ihrer Tätigkeit ausgehender Gefahren nicht versagen konnte. Durch die Begrenzung der Einbeziehung der Zuckerfabrik ... und deren Werksangehörigen auf die unmittelbar vom Arbeitsplatz der Beklagten ausgehenden Schadenszufügungen ist der Haftungseintritt der Beklagten billig und angemessen. Hierfür spricht nicht zuletzt die Überlegung, daß dadurch ein doppelter Rückgriff im Verhältnis der Klägerin zur Firma ... einerseits um anschließend im Verhältnis der Firma ... anderseits vermieden wird, der letzten Endes zu keinem anderen Ergebnis führen würde.
2.)
Die damit auch den verletzten ... gegenüber bestehende Sorgfalts- und Schutzpflicht haben Mitarbeiter der Beklagten verletzt, als sie entgegen den Unfallverhütungsvorschriften nach Arbeitsschluß am 7.6.1983 einen unverschlossenen Farbeimer mit entflammbaren Inhalt auf dem Gerüst unter einer Maische stehen ließen. Durch diese Unvorsichtigkeit wurde die zum Arbeitsunfall Wagners führende Ursachenkette in Lauf gesetzt und sein Brandschaden adäquat verursacht. Der Farbeimer mit entflammbaren Kunstharzlack war eine Gefahrenquelle, die notwendige Vorkehrungen zum Schutze gefährdeter Dritter erforderte. Die Unfallverhütungsvorschriften als konkretisierte Verkehrssicherungspflichten von Gewerbebetrieben (vgl. BGH MDR 1979, 45) sehen deshalb für das Verarbeiten von Anstrichstoffen in § 13 Abs. 1 VBG 23 vor daß in feuergefährdeten Räumen sowie in feuer- und explosionsgefährlichen Bereichen Anstriche nur in einer zum Fortgang der Arbeit erforderlichen Menge und nur in bruchsicheren und verschlossenen Gefäßen bereitgestellt werden dürfen. Nach § 3 Abs. 2 Satz 2 WSG 23 gilt bei Verarbeitung dieser Anstriche außerhalb gesonderter Räume - wie hier - ein Bereich von 5 m um die Verarbeitungsstelle als feuergefährdet. Dies hatten die Mitarbeiter der Beklagten nicht beachtet, als sie den Farbeimer unverschlossen und unversichert an der Arbeitsstelle zurückließen. Daß der Kunstharzlack durch Funkenflug bei Schleif- oder Schweißarbeiten entzündbar ist und bei einer Entzündung für in der Nähe befindlichen Personen die Gefahr von Verbrennungen besteht, war für sie vorhersehbar gewesen. Ihnen war bekannt, daß Werksangehörige der Zuckerfabrik im gleichen Arbeitsbereich Schleif- oder Schweißarbeiten ausführten, und es lag erfahrungsgemäß auch nicht ganz fern, daß diese sich im Augenblick der Gefahr sachwidrig verhalten könnten. Auch wenn die Anforderungen an die zuzumutende Sorgfalt nicht überspannt werden dürfen, so ist, wenn - wie hier - wegen der erhöhten Gefährlichkeit von Materialien besondere Sicherheitsvorschriften erlassen worden sind, die auch der Ausschaltung von folgenschweren Zufällen dienen sollen, bei der Beurteilung der Vorhersehbarkeit ein strenger Maßstab anzulegen (BGH GA 1966, 373). Bei pflichtgemäßer Entfernung des Farbeimers nach Arbeitsschluß am Vortag wäre der spätere Brandschaden am 8.6.1983 vermieden worden. Gemäß § 278 S. 1 BGB hat die Beklagte ein Verschulden ihrer Mitarbeiter als ihrer Erfüllungsgehilfen wie eigenes Verschulden zu vertreten.
3.)
Das zum Schadenseintritt führende Unfallereignis und damit seine Verletzung hat Wagner nach dem Ergebnis der Berufungsverhandlung allerdings überwiegend mitverursacht, indem er die in seinem eigenen Interesse liegenden Sorgfaltspflichten nicht beachtet hat.
Die Unfallverhütungsvorschriften für Schweißarbeiten und verwandte Tätigkeiten verlangen von den Ausführenden, sich vor Arbeitsbeginn zu vergewissern, daß sich an seinem Arbeitsplatz im Bereich von Funkenflug keine leicht entflammbaren Materialien befinden. Diese Verhaltensregel hat Wagner mißachtet, indem er vor Beginn seiner Tätigkeit am Unfalltag den Bereich der Maische nicht nach solchen Gefahrenquellen untersucht hatte, obwohl er wußte, daß dort Malerarbeiten ausgeführt wurden und damit rechnen mußte, daß Farbreste versehentlich zurückgeblieben sein konnten. Dabei ist allgemein bekannt, daß Kunstharzfarben leicht entflammbar sind und bei Schleif- wie Schweißarbeiten an Metallbehältern entzündlicher Funkenflug entsteht. Die von seiner Tätigkeit ausgehende Gefährdung erforderte eine sorgfältige und aufmerksame Untersuchung des Arbeitsbereiches nach gefährlichen Materialien. Ist dabei der Bereich des Funkenfluges bei der Arbeitsausführung nicht überblickbar, muß eine genaue Nachschau des nicht einsehbaren Bereichs durchgeführt werden. Hierbei hätte der ortskundige Wagner vor Betreten des Arbeitsgerüstes den Raum unterhalb seines späteren Standortes unschwer einsehen und den Farbeimer erkennen können.
Auch bei der Entfernung des Farbeimers hat ... fahrlässig gehandelt, als er den mit einem Lappen überdeckten Farbeimer mit brennender Flüssigkeit anfaßte und wegtrug. Eine Ausdehnung des Brandes war auch nach dem Vorbringen der Klägerin zu der Zeit nicht zu befürchten, ... selbst nicht konkret gefährdet gewesen. Erst das dem Gebot der Vorsicht widersprechende Wegtragen des entflammten Farbeimers mit der Gefahr, daß hinzutretende Zugluft das Feuer verstärkte, bewirkte das Übergreifen der Flammen auf Wagners Kleidung.
Die dem verletzten ... in beiden Fällen zur Last zu legende Verletzung der erforderlichen Sorgfalt führte zu einer höheren Gefährlichkeit der zunächst von Mitarbeitern der Beklagten gesetzten Schadensursache. Daß sich der Verletzte an die unter den gegebenen Umständen sich aufdrängenden Gebote zum Schutze der eigenen Person nicht gehalten hat, rechtfertigt die Feststellung eines auch der Klägerin zuzurechnenden Mitverschuldens an der Schadensentstehung, das seinem Gewicht nach deutlich höher ist als der der Beklagten zuzurechnende Verursachungsbeitrag, unter Abwägung aller Umstände erscheint eine Mithaftung von 2/3 als gerechtfertigt.
4.)
Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Klägerin vom 27.2.1986 gibt keinen Anlaß, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.
II.
Auf der Grundlage eines Mitverschuldensanteils von 2/3 ist der Feststellungsanspruch der Klägerin nur zu 1/3 gerechtfertigt, so daß die Klage wegen des weitergehenden Feststellungsanspruches abgewiesen bleiben muß und die Berufung insoweit zurückzuweisen ist.
Die Höhe des der Klägerin dem Grunde nach zu 1/3 zustehenden Zahlungsanspruch ist bislang ungeklärt (vgl. Ausführungen der Klägerin im Schriftsatz vom 24.7.1985 auf S. 7, im Schriftsatz vom 9.9.1985 und im Schriftsatz vom 14.2.1986 auf S. 8, sowie dem Gegenvorbringen der Beklagten im Schriftsatz vom 2.9.1985 auf S. 3 und in der Berufungserwiderung vom 27.1.1986 auf S. 12). Die vorliegende ärztliche Bescheinigung des Kreiskrankenhauses ... vom 9.4.1984 (Bl. 31 d.A.) kann die fehlende Endentscheidungsreife nicht herbeiführen. Im Hinblick darauf ist es geboten, gemäß § 538 Abs. 1 Nr. 3 ZPO zu verfahren und den Rechtsstreit insoweit an das Landgericht zurückzuverweisen.
Die Voraussetzungen für ein Grundurteil liegen vor. Nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand ist es nämlich wahrscheinlich, daß der Klägerin irgendein Betrag zugesprochen werden wird. Das Landgericht wird aber insoweit auf eine Substantiierung des Schadensumfanges hinzuwirken und den Einzelheiten nachzugehen haben.
III.
Die getroffenen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 708 Nr. 10, 711, 546 Abs. 2 S. 1 ZPO.
Über die kosten des Rechtsstreits wird das Landgericht zu entscheiden haben. Eine Kostenentscheidung kann zur Zeit nicht ergehen, weil gegenwärtig nicht abzusehen ist, in welchem Umfang die Parteien in der Sache letztendlich obsiegen oder unterliegen werden.
Streitwertbeschluss:
Beschwer der Klägerin: 44.370,56 DM.
Beschwer der Beklagten: 43.370,56 DM.