Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 05.06.2015, Az.: 10 W 6/15

Verlängerung für die Frist für die Ausübung eines siedlungsrechtlichen Vorkaufsrechts durch die Genehmigungsbehörde

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
05.06.2015
Aktenzeichen
10 W 6/15
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2015, 29688
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:2015:0605.10W6.15.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Wittmund - 13.02.2015 - AZ: 42 Lw 48/14

Fundstellen

  • AUR 2015, 382-383
  • AuUR 2015, 382-383

Amtlicher Leitsatz

Verlängert die Genehmigungsbehörde die Frist gemäß § 6 Abs. 1 GrdstVG sogleich um zwei auf drei Monate, obwohl zu der Zeit ein erwerbswilliger Landwirt (noch) nicht vorhanden ist, wird die Frist nur um einen Monat auf insgesamt zwei Monate verlängert.

Tenor:

Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1) wird der Beschluss des Amtsgerichts - Landwirtschaftsgerichts - Wittmund vom 13.02.2015 abgeändert.

Der Bescheid des Landkreises Wittmund vom 07.07.2014 über die Bekanntgabe der Ausübung des Vorkaufsrechts durch die Beteiligte zu 3) wird aufgehoben.

Die Grundstücksverkehrsgenehmigung zu dem vor dem Notar A ......... in Wittmund am 09.04.2014 geschlossenen Kaufvertrag zwischen den Beteiligten zu 1) und 2) gilt als erteilt.

Die Beteiligte zu 3) trägt die Gerichtskosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz.

Von einer Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten wird abgesehen.

Der Geschäftswert wird auf 67.127,28 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um die Wirksamkeit der Ausübung eines Vorkaufsrechts nach § 4 RSiedlG durch die Beteiligte zu 3).

Mit notariellem Vertrag vom 09.04.2014 kaufte der Beteiligte zu 1) von dem Beteiligten zu 2) die Grundstücke der Gemarkung ..........., Flur ...., Flurstücke ...................................und ........, eingetragen im Grundbuch von .................., Blatt ......... Es handelt sich um landwirtschaftliche Grundstücke (Grünland) mit einer Gesamtgröße von 4,7608 ha. Der Kaufpreis betrug insgesamt 67.127,28 €.

Mit Schreiben vom 30.04.2014, eingegangen bei der Genehmigungsbehörde am 05.05.2014, beantragte der beurkundende Notar A......... die Genehmigung nach dem Grundstücksverkehrsgesetz.

Am 15.05.2014 wurde in der Sitzung des Ausschusses für Grundstücksverkehrsangelegenheiten der Genehmigungsbehörde eine Fristverlängerung hinsichtlich der Entscheidung über die Genehmigung beschlossen, um zu klären, ob Landwirte an den Flächen interessiert sind.

Daraufhin erteilte die Genehmigungsbehörde einen Zwischenbescheid vom 15.05.2014 über eine Fristverlängerung, wobei die Genehmigungsbehörde ein Formular mit zwei Alternativen verwendete. Sie kreuzte nicht die Alternative der Verlängerung auf zwei Monate an, sondern: "Der Vertrag muss der Siedlungsbehörde zur Herbeiführung einer Erklärung über das Vorkaufsrecht vorgelegt werden. Die Frist verlängert sich auf drei Monate; sie endet somit am 30.07.2014." Dieser Zwischenbescheid wurde dem Notar am 19.05.2014 zugestellt.

Mit Schreiben vom 17.06.2014 teilte der Landwirt H .......... der Genehmigungsbehörde mit, dass er Interesse habe, die Flächen zur Aufstockung seines Betriebs zu erwerben. Am 18.06.2014 wurde in der Sitzung des Ausschusses für Grundstücksverkehrsangelegenheiten festgestellt, dass hinsichtlich der Genehmigung der Versagungsgrund nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrdstVG vorliege. Daraufhin wandte sich die Genehmigungsbehörde mit Schreiben vom 18.06.2014 an die Beteiligte zu 3) und legte den Kaufvertrag mit der Bitte um Prüfung der Ausübung des siedlungsrechtlichen Vorkaufsrechts vor.

Mit Schreiben vom 03.07.2014 übte die Beteiligte zu 3) das Vorkaufsrecht aus. Mit Bescheid vom 07.07.2014 gab die Genehmigungsbehörde den Beteiligten zu 1) und 2) bekannt, dass die Beteiligte zu 3) das Vorkaufrecht ausgeübt habe. Dieser Bescheid wurde dem Notar A ......... am 08.07.2014 und den Beteiligten zu 1) und 2) am 09.07.2014 zugestellt.

Dagegen hat sich der Beteiligte zu 1) mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung gewandt und beantragt, den Bescheid der Genehmigungsbehörde vom 07.07.2014 aufzuheben und die Grundstücksverkehrsgenehmigung zu erteilen, sowie die Ausübung des siedlungsrechtlichen Vorkaufsrechts durch die Beteiligte zu 3) für unwirksam zu erklären. Zur Begründung hat der Beteiligte zu 1) unter anderem die Ansicht vertreten, die Genehmigung gelte nach § 6 Abs. 2 GrdstVG als erteilt.

Das Landwirtschaftsgericht hat den Antrag des Beteiligten zu 1) mit Beschluss vom 13.02.2015 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es eine Genehmigungsfiktion nach § 6 Abs. 2 GrdstVG verneint, da die Genehmigungsbehörde einen weiteren Zwischenbescheid hätte erlassen können. Da aber der Zwischenbescheid vom 15.05.2014 bereits eine Verlängerung auf drei Monate formuliert habe, würde dies eine überflüssige Förmelei darstellen.

Dagegen wendet sich der Beteiligte zu 1) mit seiner Beschwerde unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Beschluss des Landwirtschaftsgerichts und die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde des Beteiligten zu 1) ist nach den §§ 10 RSiedlG, 22 GrdstVG, 9 LwVfG, 58 ff. FamFG zulässig. Die Beschwerde ist auch begründet und führt dazu, dass der Bescheid der Genehmigungsbehörde vom 07.07.2014 aufgehoben wird.

Die Genehmigungsbehörde hat nicht fristgemäß über den am 05.05.2014 eingegangenen Antrag auf Erteilung der Grundstücksverkehrsgenehmigung entschieden. Daher gilt die nach § 4 RSiedlG erforderliche Genehmigung nach dem Grundstücksverkehrsgesetz aufgrund der Fiktion des § 6 Abs. 2 GrdstVG als erteilt.

1. Nach § 6 Abs. 2 GrdstVG gilt die Genehmigung als erteilt, wenn nicht binnen der in § 6 Abs. 1 GrdstVG genannten Frist die Genehmigungsbehörde eine (die Genehmigung versagende) Entscheidung nach § 9 GrdstVG dem Veräußerer zustellt.

§ 6 Abs. 1 GrdstVG bestimmt, dass die Entscheidung über die Genehmigung binnen eines Monats nach Eingang des Antrags und der Urkunde über das zu genehmigende Rechtsgeschäft bei der örtlich zuständigen Genehmigungsbehörde zu treffen ist. Kann die Prüfung des Antrags in dieser Zeit nicht abgeschlossen werden oder hat die Genehmigungsbehörde eine Erklärung über die Ausübung des Vorkaufsrechts nach § 12 GrdstVG herbeizuführen, so ist vor Ablauf der Frist dem Veräußerer ein Zwischenbescheid zu erteilen; durch den Zwischenbescheid verlängert sich die Frist des Satzes 1 auf zwei Monate und, falls die bezeichnete Erklärung herbeizuführen ist, auf drei Monate.

Der Antrag, die Genehmigung nach dem Grundstücksverkehrsgesetz zu erteilen, ist bei der Genehmigungsbehörde am 05.05.2014 eingegangen. Am 15.05.2015 hat die Genehmigungsbehörde einen Zwischenbescheid über eine Fristverlängerung erteilt. Dabei hat die Genehmigungsbehörde in ihrem Formular nicht eine Verlängerung auf zwei Monate angekreuzt, sondern: "Der Vertrag muss der Siedlungsbehörde zur Herbeiführung einer Erklärung über das Vorkaufsrecht vorgelegt werden. Die Frist verlängert sich auf drei Monate; sie endet somit am 30.07.2014."

Dieser Zwischenbescheid hat die Genehmigungsfrist allerdings nur um einen Monat auf insgesamt zwei Monate verlängert, und nicht auf drei Monate. Denn eine (irrtümliche oder) missbräuchliche Verlängerung auf drei Monate führt tatsächlich nur zu einer Verlängerung auf insgesamt zwei Monate (vgl. BGH, Beschl. v. 28.10.1965 - V BLw 19/65, WM 1966, 69; Beschl. v. 14.02.1974 - V BLw 1/73, MDR 1974, 655; Beschl. v. 28.11.2014 - BLw 3/13, Briefe zum Agrarrecht 2015, 115; Netz, Grundstückverkehrsgesetz, Praxiskommentar, § 6 Nr. 4.6.2.3). Insbesondere darf die Genehmigungsbehörde den Bescheid nicht "zur Vorsicht" verfügen (BGH, Beschl. v. 28.10.1965 - V BLw 19/65, WM 1966, 69). Die Behörde darf den auf die Dreimonatsfrist gerichteten Zwischenbescheid nicht schon dann erlassen, wenn ihr ein Vorkaufsrecht lediglich möglich erscheint, sondern erst, wenn sie nach Abschluss ihrer rechtlicher Prüfung von dessen Bestehen überzeugt ist (BGH, Beschl. v. 28.11.2014 - BLw 3/13, Briefe zum Agrarrecht 2015, 115).

Diese Voraussetzungen für eine Verlängerung auf drei Monate liegen hier aber gerade nicht vor. Die Genehmigungsbehörde hatte zum Zeitpunkt des Erlasses ihres Zwischenbescheids am 15.05.2015 eine Erklärung über die Ausübung des Vorkaufsrechts tatsächlich nicht herbeizuführen. Denn am 15.05.2015 bestanden keine Anhaltspunkte, dass das Vorkaufsrecht (letztlich zugunsten eines anderen Landwirts) auszuüben wäre. In der Sitzung des Ausschusses für Grundstücksverkehrsangelegenheiten der Genehmigungsbehörde wurde auch nur besprochen, dass geklärt werden solle, ob überhaupt Landwirte an den Flächen interessiert seien. Die von der Genehmigungsbehörde angekreuzte Formulierung "Der Vertrag muss der Siedlungsbehörde zur Herbeiführung einer Erklärung über das Vorkaufsrecht vorgelegt werden" ist also - für den 15.05.2015 - unzutreffend. Die Genehmigungsbehörde war gerade nicht vom Bestehen eines Vorkaufsrechts überzeugt; auch nach ihrer Erklärung in der Sitzung vom 07.05.2015 konnte sie ein solches lediglich "nicht ausschließen". Demnach hat sich die Genehmigungsfrist (nach Eingang des Antrags am 05.05.2014) nur bis zum 05.07.2014 verlängert.

2. Diese Genehmigungsfrist hat sich nach dem 15.05.2015 auch nicht verlängert. Zwar hat der Landwirt H ...... mit Schreiben vom 17.06.2014 der Genehmigungsbehörde mitgeteilt, dass er Interesse habe, die Flächen zur Aufstockung seines Betriebs zu erwerben. Zudem ist am 18.06.2014 in der Sitzung des Ausschusses für Grundstücksverkehrsangelegenheiten festgestellt worden, dass der Versagungsgrund nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrdstVG vorliege; daraufhin hat sich die Genehmigungsbehörde mit Schreiben vom 18.06.2014 an die Beteiligte zu 3) gewandt und den Kaufvertrag mit der Bitte um Prüfung der Ausübung des siedlungsrechtlichen Vorkaufsrechts vorgelegt.

Aber keiner dieser Umstände hat eine Außenwirkung gegenüber den betroffenen (und in ihrem Kaufgeschäft von Art. 14 GG geschützten) Beteiligten zu 1) und 2) erzielt. Insbesondere ist kein weiterer Zwischenbescheid mit rechtlicher Wirkung nach außen erteilt worden. Dies wäre nach § 6 Abs. 1 GrdstVG allerdings erforderlich gewesen, zumal dem Zwischenbescheid, der die Herbeiführung einer Erklärung über das Vorkaufsrecht ankündigt, eine Warnfunktion für die Beteiligten zu 1) und 2) zukommt. Denn dadurch haben die Vertragspartner bei drohender, aber noch nicht erklärter Vorkaufsrechtsausübung noch die Möglichkeit, ihre Genehmigungsanträge zurückzuziehen (vgl. Netz, Grundstückverkehrsgesetz, Praxiskommentar, § 6 Nr. 4.6.3.4). Der Zwischenbescheid vom 15.05.2014 konnte dieser Warnfunktion nicht in gleicher Weise genügen, da dieser Bescheid objektiv unrichtig war. Auf die subjektive Sicht der Beteiligten zu 1) und 2) (denen eine Frist bis zum 30.07.2014 mitgeteilt worden war) kommt es nicht an, da schon objektiv die Frist nur bis zum 05.07.2014 lief.

Demnach blieb es bei der Genehmigungsfrist bis zum 05.07.2014. Diese Frist ist von der Genehmigungsbehörde allerdings nicht gewahrt worden. Denn der Bescheid vom 07.07.2014, mit dem die Genehmigungsbehörde den Beteiligten zu 1) und 2) bekannt gegeben hat, dass die Beteiligte zu 3) das Vorkaufrecht ausgeübt habe, wurde dem Notar A ............ erst am 08.07.2014 (Dienstag) und den Beteiligten zu 1) und 2) am 09.07.2014 (Mittwoch) zugestellt. Dies hat zur Folge, dass die Genehmigung nach dem Grundstücksverkehrsgesetz nach § 6 Abs. 2 GrdstVG als erteilt gilt.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 44 Abs. 1, 45 LwVfG. Die Gerichtskosten sind der Beteiligten zu 3) aufzuerlegen, weil diese mit der Ausübung des Vorkaufsrechts keinen Erfolg hat und mithin unterlegen ist. Die außergerichtlichen Kosten haben die Beteiligten nach dem Grundsatz, der § 45 Satz 1 LwVfG zugrunde liegt, selbst zu tragen. Eine Ausnahme ist hier nicht geboten. Da die Beschwerde Erfolg hat, kommt auch eine Kostenerstattung nach § 45 Satz 2 LwVfG nicht in Betracht.

Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf den §§ 46, 47 GNotKG.

Gegen diesen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden. Ein Rechtsmittel ist danach nicht gegeben.