Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 27.04.1981, Az.: 11 U 19/81
Verantwortlichkeit der anwaltlich vertretenen Partei für die Beifügung von Belegen im Prozesskostenhilfeverfahren; Zeitpunkt der nachträglichen Vorlage von Belegen zu einem Prozesskostenhilfeantrag
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 27.04.1981
- Aktenzeichen
- 11 U 19/81
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1981, 22921
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:1981:0427.11U19.81.0A
Rechtsgrundlagen
- § 117 Abs. 2 ZPO
- § 139 ZPO
- § 515 Abs. 3 ZPO
Fundstelle
- NJW 1981, 1793 (amtl. Leitsatz)
In dem Rechtsstreit
...
hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg
am 27. April 1981
durch
die unterzeichneten Richter
beschlossen:
Tenor:
Der Antrag des Klägers, ihm für den Antrag nach § 515 Abs. 3 ZPO Prozeßkostenhilfe zu bewilligen, wird zurückgewiesen.
Gründe
Der Kläger hat im vorliegenden Verfahren gegen die Beklagte einen Zahlungsanspruch geltend gemacht und im ersten Rechtszug ein obsiegendes Urteil erstritten. Die Beklagte hat gegen dieses Urteil Berufung eingelegt. Der Kläger hat auf Zurückweisung der Berufung angetragen und zugleich beantragt, ihm für die Berufungsinstanz Prozeßkostenhilfe zu bewilligen, Dem Antrag hat er eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse beigefügt und sich hierbei des durch die Verordnung des Bundesministers der Justiz vom 24.11.1980 - BGBl. I S. 2163 ff - eingeführten Vordrucks bedient. In der Erklärung hat er sein Bruttoeinkommen und seine Steuern und Sozialabgaben angegeben und ausgeführt, daß er über ein (noch nicht auszahlbares) Bausparguthaben verfüge. Belege hat er seinem Antrag nicht beigefügt. Später hat die Beklagte ihre Berufung zurückgenommen. Der Kläger stellt nunmehr den Antrag nach§ 515 Abs. 3 ZPO, für den er seinen Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe aufrechterhält. Diesem Antrag konnte nicht stattgegeben werden.
1.
Nach § 117 Abs. 2 ZPO sind dem Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe neben der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten) entsprechende Belege beizufügen. Damit ist die Pflicht zur Vorlage der entsprechenden Belege zur Voraussetzung für einen formgerechten Antrag auf Gewährung von Prozeßkostenhilfe gemacht worden. Die Vorschrift soll - im Zusammenwirken mit der Pflicht nur Benutzung eingeführter Vordrucke - sicherstellen, daß dem Gericht die der Entscheidung über die Prozeßkostenhilfe zugrundezulegenden Tatsachen vollständig und nachprüfbar bekannt gemacht werden. Dabei bürdet der Gesetzgeber die Verantwortung für die formgerechte Antragstellung und für die Vorlage der Belege dem Antragsteller auf; hierin liegt der notwendige Ausgleich dafür, daß die nach den bisherigen Armenrechtsvorschriften dem Antragsteller angesonnene Offenbarung seiner Verhältnisse gegenüber einer. Verwaltungsbehörde weggefallen ist. Bringt der Antragsteller entsprechende Belege nicht bei, so ist das zur Entscheidung berufene Gericht nicht in Stand gesetzt, sachlich über den Antrag zu entscheiden, weil die entsprechenden tatsächlichen Grundlagen für eine Entscheidung fehlen" Ein solcher Antrag ist zurückzuweisen. Welche Angaben zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen im Einzelnen belegt werden müssen, damit das Gericht eine hinreichende Entscheidungsgrundlage hat, hängt von den Umständen des einzelnen Falles ab. Vorliegend waren das Bruttoeinkommen und die Steuern und Sozialabgaben des Antragstellers - am nächstliegenden durch Vorlage einer Lohnbescheinigung - zu belegen und ferner ein Beleg - etwa ein Jahresauszug der Bausparkasse - darüber beizubringen, daß der Antragsteller über sein Bausparguthaben gegenwärtig nicht verfügen kann; denn von der Höhe des Nettoeinkommens und von dem. Umstand, daß der Antragsteller nicht über das Bausparguthaben verfügen kann, hängt - auch für den Antragsteller erkennbar, der seinen Antrag auf diese beiden Punkte gestützt hat - die Entscheidung darüber ab, ob der Antragsteller die Kosten der Prozeßführung nicht oder nur teilweise oder ratenweise aufbringen kann. Da der Antragsteller entsprechende Belege nicht vorgelegt hat, ist sein Gesuch nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Form gestellt worden. Dieser Mangel führt Jedenfalls dann, wenn die Partei - wie hier - anwaltlich vertreten ist, zur Zurückweisung des Gesuchs. Denn von einem Rechtsanwalt ist die Kenntnis und Beachtung der für die Anbringung eines Prozeßkostenhilfegesuchs gesetzlich vorgeschriebenen Förmlichkeiten zu erwarten, und die Partei maß sich eine von ihrem Anwalt zu verantwortende Nichtbeachtung dieser Formvorschriften zurechnen lassen.
2.
Die Nichtvorlage der Belege würde allerdings nicht sogleich zur Zurückweisung des Antrages führen, wenn der Senat verpflichtet wäre, vor seiner Entscheidung über die Prozeßkostenhilfe den Antragsteller auf das Fehlen der Belege hinzuweisen und ihm, gegebenenfalls mit einer entsprechenden Zwischenfrist, Gelegenheit zu geben, die Belege nachzureichen. Nach Auffassung des Senats besteht jedoch eine solche Verpflichtung im - hier vorliegenden - Falle, daß die Partei anwaltlich vertreten ist, nicht.
a)
Für eine Zwischenverfügung der beschriebenen Art wäre zunächst dann kein Raum, wenn ein Nachreichen von Belegen nach der gesetzlichen Regelung überhaupt ausgeschlossen wäre, die Belege also zusammen mit dem Antrag eingereicht werden müßten, worauf das Wort "beizufügen" hindeuten könnte. Eine solche enge Bedeutung in dem Sinne, daß ein Prozeßkostenhilfeantrag nur bei gleichzeitiger Einreichung von Antrag und Belegen statthaft wäre, hat jedoch der Begriff des Beifügens nicht. Maßgebend ist vielmehr, wie regelmäßig in Verfahren ohne mündliche Verhandlung, daß dem Gericht die Entscheidungsgrundlagen im Zeitpunkt der Entscheidung zur Verfügung stehen. Eine nachträgliche Vorlage von Belegen ist daher bis zu dem Zeitpunkt möglich, in dem das Gericht über den Prozeßkostenhilfeantrag entscheidet. Da allerdings der Antragsteller mit einer alsbaldigen Entscheidung über sein Gesuch rechnen muß, handelt er in seinem eigenen Interesse, wenn er die erforderlichen Belege möglichst gleichzeitig mit dem Antrag einreicht. Von der gleichzeitigen Einreichung von Antrag und Belegen als Regelfall geht auch das Gesetz aus, wenn auch eine Nachreichung von Belegen möglich ist. Besondere Bedeutung wird der Möglichkeit, Belege bis zur Entscheidung über das Prozeßkostenhilfegesuch nachträglich beizubringen, in den Fällen zukommen, in denen der Antragsteller das Gesuch - etwa zur Fristwahrung - in einem Zeitpunkt einreichen muß, in dem er von ihm selbst für erforderlich gehaltene Belege trotz darauf gerichteter Bemühungen sich nicht verschaffen konnte. In derartigen Fällen dürfte es - ohne daß dies hier abschließend zu entscheiden ist - geboten sein, die Entscheidung über die Prozeßkostenhilfe erst zu einem Zeitpunkt zu treffen, in dem der Antragsteller Gelegenheit zur Vorlage der bis dahin noch fehlenden Unterlagen hatte. Da nach dem Gesetz der Antragsteller die Verantwortung für die Beibringung der Belege trägt, wird es allerdings in einem solchen Falle seine Sache sein darzulegen, welche Belege er noch nachreichen will, was er zur Erlangung der Belege veranstaltet hat und welche Zeit er voraussichtlich für die Vorlage noch benötigt.
b)
Eine andere Frage ist es indessen, ob das zur Entscheidung über die Prozeßkostenhilfe zuständige Gericht in Fällen, in denen der Antrag ohne Belege eingereicht und deren Nachreichung auch nicht unter Angaben der bisher bestehenden Hinderungsgründe angekündigt wird, verpflichtet ist, von sich aus durch Zwischenverfügungen auf die Vorlage fehlender Unterlagen hinzuwirken oder sich solche Unterlagen selbst zu beschaffen. Diese Frage ist für den hier vorliegenden Fall, daß die Partei anwaltlich vertreten ist, zu verneinen.
Eine ausdrückliche gesetzliche Vorschrift, die den Gerichten die Nachforderung von Belegen zur Pflicht macht, besteht nicht. Nach dem Gesetz ist die Verantwortung für die Beschaffung und rechtzeitige Vorlage der Belege allein in die Hand der Parteien gelegt, während dem Gericht die Prüfung obliegt, ob die antragende Partei nach den von ihr darzulegenden und zu belegenden wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung ganz oder teilweise aufbringen kann. Schon dieser Zusammenhang spricht gegen eine Pflicht des Gerichts, von sich aus auf die Vorlage fehlender Belege hinzuwirken.
Nichts anderes ergibt sich aus dem Zweck der gesetzlichen Regelung. Mit dem in § 117 ZPO geregelten Zwang zur Benutzung von Vordrucken und zur Beifügung von Belegen soll es dem Gericht ermöglicht werden, zügig und ohne verfahrensverzögernde Zwischenverfügungen über die Prozeßkostenhilfe zu entscheiden (vgl. Senatsbeschluß vom 27.04.1981 - 11 WF 29/81
Eine Verpflichtung des Gerichts, bei fehlender Beifügung zunächst auf die Vorlage der Belege hinzuwirken, würde diesem auf Straffung und Beschleunigung des Verfahrens gerichteten Zweck der Vorschrift widersprechen. Die auf Prozeßkostenhilfe antragende Partei hätte es sonst in der Hand, durch die Nichtvorlage von Belegen die Entscheidung über die Prozeßkostenhilfe und damit das gesamte Verfahren entgegen dem Zweck der gesetzlichen Regelung zu verzögern.
Endlich läßt sich auch nicht aus der den Parteien gegenüber besteheden prozessualen Fürsorgepflicht eine Verpflichtung des Gerichts herleiten, vor der Entscheidung über die Prozeßkostenhilfe auf die Verschaffung von Belegen zu den die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien betreffenden Angaben hinzuwirken. Der Richter hat in einem bei ihm anhängigen Verfahren die Pflicht, im Rahmen der prozessualen Vorschriften durch Fragen und Hinweise an die Parteien (§ 139 ZPO) die verfahrensmäßigen Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, daß eine richtige Sachentscheidung getroffen werden kann; auch darf er eine Sachentscheidung nicht aus förmlichen Gründen verweigern, wo er sachlich entscheiden Kann. Diese richterliche Fürsorgepflicht entbindet jedoch die Parteien nicht von der Verpflichtung, ihrerseits verfahrensrechtliche Vorschriften einzuhalten, deren Beachtung durch Gesetz ausdrücklich in ihre Verantwortung gelegt ist und die so eindeutig sind, daß im Falle ihrer Nichteinhaltung der Verstoß gegen die gesetzliche Regelung evident ist. Eine solche Regelung liegt auch hier vor. Die auf dem Gebier der Prozeßkostenhilfe bestehende Vorschrift, die den Parteien die Beibringung der Belege zu ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen zur Pflicht macht, erscheint so eindeutig, daß ihre Nichtbeachtung durch eine anwaltlich vertretene Partei keine Verpflichtung des Gerichts begründen kann, aus Gründen prozessualer Fürsorge von sich aus auf die Vorlage hinzuwirken. Im Gegenteil würde die Annahme einer solchen Verpflichtung mit dem auf Förderung und Beschleunigung des Verfahrens gerichteten Zweck der Regelung nicht im Einklang stehen. Anders sind allerdings die Fälle zu beurteilen, in denen der Antragsteller seinem Antrag verwertbare Belege beifügt, das Gericht aber für seine Entscheidung weitere Unterlagen für erforderlich hält. Hier ist die Notwendigkeit zur Beschaffung weiterer Belege nicht die Folge der Nichtbeachtung einer eindeutigen Gesetzesvorschrift, sondern das Ergebnis einer auf einen formrichtigen Antrag hin vorgenommenen Prüfung des Gerichts. In einem solchen Falle wird es die richterliche Fürsorgepflicht gebieten, auf die Beibringung weiterer Unterlagen hinzuwirken. Jedoch liegt ein solcher Fall hier nicht vor.
Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe war nach alledem zurückzuweisen.