Verwaltungsgericht Braunschweig
Beschl. v. 08.05.2006, Az.: 6 B 150/06

Asyl; Asylantrag; Ausländer; Heilung; Klageantrag; Verfahrensfehler

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
08.05.2006
Aktenzeichen
6 B 150/06
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2006, 53174
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. In den Fällen des § 14 Abs. 2 AsylVfG kann mit der Stellung eines Verpflichtungsantrags im Asylrechtsstreit ein zu Unrecht nach § 14a Abs. 2 AsylVfG fingierter (oder nicht gestellter) Asylantrag wirksam nachgeholt werden.

2. § 14 Abs. 2 AsylVfG fordert weder eine persönliche noch eine Asylantragstellung, die unmittelbar gegenüber dem Bundesamt erklärt wird.

Gründe

1

Der gemäß § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG i.V.m. § 80 Abs.5 VwGO statthafte Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der am 27.04.2006 erhobenen Klage der Antragsteller gegen die in dem Bescheid der Antragsgegnerin vom 18.04.2006 verfügte Abschiebungsandrohung ist nicht begründet.

2

Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung kann nicht erfolgen, weil nach gegenwärtigem Erkenntnisstand (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) in der Hauptsache Erfolgsaussichten nicht bestehen.

3

In diesem Verfahren kommt es nicht darauf an zu entscheiden, ob die Auffassung der Antragsgegnerin zutrifft, § 14a Abs. 2 AsylVfG sei auch auf Kinder anwendbar, die bereits vor dem 01.01.2005 in Deutschland gelebt haben. Selbst wenn dem nicht so wäre und die Antragsgegnerin das Verfahren (zunächst) ohne den nach §§ 13 ff AsylVfG erforderlichen Asylantrag betrieben hätte (vgl. dazu etwa VG Braunschweig, Beschl. vom 12.08.2005 - 6 B 453/05 -), ergäbe sich eine andere Beurteilung nicht. Da eine fehlerhafte Auslegung des § 14a Abs. 2 AsylVfG nicht zur Nichtigkeit eines daraufhin erlassenen Bescheides führen würde, wäre die Verletzung von Verfahrensvorschriften durch die gemäß § 45 Abs. 2 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) rechtzeitige Nachholung des Asylantrags gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG unbeachtlich geworden (vgl. dazu auch VG Gießen - 2 E 12/06.A - zitiert nach juris). Davon ist hier auszugehen.

4

Die Antragsteller, die in den Jahren 2000, 2002, 2003 bzw. 2004 geboren worden sind und die serbisch-montenegrinische Staatsangehörigkeit ihrer aus dem Kosovo stammenden Eltern besitzen, haben mit der erhobenen Verpflichtungsklage einen Antrag gestellt, der (auch) als Nachholung ihres Asylantrag zu verstehen ist, wenn die Auffassung der Antragsgegnerin zu § 14a Abs. 2 AsylVfG nicht geteilt wird. Nach § 13 Abs. 1 AsylVfG liegt ein Asylantrag vor, wenn sich dem schriftlich, mündlich oder auf andere Weise geäußerten Willen des Ausländers entnehmen lässt, dass er im Bundesgebiet Schutz vor politischer Verfolgung sucht. Diesen Willen haben die anwaltlich vertretenen Antragsteller mit ihrem ausdrücklich u.a. auf die Gewährung von Asyl im Sinne von § 13 Abs. 2 AsylVfG gerichteten Klageantrag zum Ausdruck gebracht. Sie haben damit in schlüssiger Weise erklärt, dass sie den für einen Erfolg dieses Klagebegehrens vorausgesetzten Asylantrag stellen wollen, zumal sie sich gegen die Auffassung der Antragsgegnerin zu § 14a AsylVfG nicht gewandt und auch auf den mit Schreiben vom 28.04.2005 gegebenen rechtlichen Hinweis des Gerichts nichts Gegenteiliges erklärt haben.

5

Die Wirksamkeit dieser Antragstellung hängt von weiteren Erfordernissen als der durchgeführten Weiterleitung an das Bundesamt nicht ab. Soweit § 23 Abs. 1 AsylVfG auch mit Folgen für die Wirksamkeit eines Schutzgesuchs verlangt, dass der Asylantrag persönlich bei der Außenstelle des Bundesamtes zu stellen ist, gilt dies nur für die Ausländer, die in einer Aufnahmeeinrichtung aufgenommen worden sind (§§ 14 Abs. 1, 22 AsylVfG). Dazu zählen die Antragsteller nicht. Als noch nicht 16 Jahre alte Asylsuchende, deren gesetzliche Vertreter nicht in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen verpflichtet sind, haben sie den Asylantrag gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylVfG beim Bundesamt (statt bei einer seiner Außenstellen) zu stellen. § 14 Abs. 2 AsylVfG fordert eine persönliche Antragstellung nicht.

6

§ 14 Abs. 2 AsylVfG kann im Übrigen auch nicht dahin ausgelegt werden, nur ein unmittelbar gegenüber dem Bundesamt erklärter Antrag sei wirksam. Dies ergibt sich bereits aus § 14 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG, wonach ein bei der Ausländerbehörde eingereichter schriftlicher Antrag unverzüglich an das Bundesamt weiterzuleiten ist. Insofern liegt nicht lediglich eine Ausnahmeregelung, sondern eine Bestärkung des Grundansatzes des § 13 Abs. 1 AsylVfG vor, der von einer formlos möglichen Asylantragstellung ausgeht. Ebenso wie es der Ausländerbehörde möglich ist, einem Asylbegehren durch die gebotene Weiterleitung an das Bundesamt zur Wirksamkeit zu verhelfen, kann auch eine im Verwaltungsrechtsstreit abgegebene und an das Bundesamt weitergeleitete Erklärung wirksam werden. Dies gilt erst recht dann, wenn berücksichtigt wird, dass das Bundesamt - wie vorliegend - ohnehin (bereits) annimmt, ein ordnungsgemäßer Antrag liege - und sei es in der Form einer Fiktion nach § 14 a Abs. 2 Satz 3 AsylVfG - vor.

7

Die Antragsgegnerin hat den nach § 13 Abs. 2 AsylVfG auch auf die Feststellung politischer Verfolgung im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG bezogenen Asylantrag ersichtlich zu Recht als offensichtlich unbegründet angesehen. Das Gericht macht sich die zutreffenden materiellrechtlichen Gründe des angefochtenen Bescheides gemäß § 77 Abs. 2 AsylVfG zu Eigen und nimmt darauf Bezug.

8

Demnach war die Antragsgegnerin gemäß den §§ 34, 36 AsylVfG und § 59 AufenthG gehalten, die Antragsteller zur Ausreise aufzufordern, eine Frist von einer Woche zur Ausreise zu setzen und ihnen die Abschiebung anzudrohen. Dem ist sie in dem angegriffenen Bescheid rechtsfehlerfrei nachgekommen.

9

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens ergibt sich aus der Anwendung der §§ 154 Abs. 1 VwGO und 83b AsylVfG.