Amtsgericht Hannover
Urt. v. 15.11.2011, Az.: 484 C 3413/11
Kriterien zur Überprüfung von Beschlüssen der Hausverwaltung anhand der Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung
Bibliographie
- Gericht
- AG Hannover
- Datum
- 15.11.2011
- Aktenzeichen
- 484 C 3413/11
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2011, 36370
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGHANNO:2011:1115.484C3413.11.0A
Rechtsgrundlage
- § 21 Abs. 3 WEG
Fundstelle
- ZMR 2012, 229-230
Verfahrensgegenstand
Erklärung der Ungültigkeit von Beschlüssen
In dem Rechtsstreit
...
hat das Amtsgericht Hannover - Abt. 484 -
durch
den Richter am Amtsgericht Dr. Löffler
auf die mündliche Verhandlung vom 08.11.2011
für Recht erkannt:
Tenor:
Der Beschluss der Wohnungseigentümerversammlung zu
TOP 2 über die Jahresabrechnung 2010 wird hinsichtlich der Kostenposition Instandhaltungsrücklage und Garagenkosten
für ungültig erklärt.
Weiterhin werden die Beschlüsse zu TOP 3, 5, 8 und 12 der Eigentümerversammlung vom 23.02.2011 für ungültig erklärt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Den Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Parteien bilden die Wohnungseigentümergemeinschaft Friedrichstr. 2, 3 und 4 in Hannover. Der Kläger ist Eigentümer der Wohnung Erdgeschoss links. Die Gemeinschaft besteht aus 21 Wohneinheiten. 10 Eigentümer benutzen auch Garagen, die allerdings nicht zur Eigentümergemeinschaft gehören.
Die Hausverwaltung lud mit Tagesordnung (Bl. 3 d.A.) zur Versammlung vom 23.02.2011 ein. Auf dieser Versammlung wurde zu TOP 2 die Jahresabrechnung 2010, zu TOP 3 die Entlastung der Hausverwaltung, zu TOP 12 der Wirtschaftsplan 2011, zu TOP 5 die Umstellung von Kabel- auf Satellitenfernsehen auf Mietbasis und zu TOP 8 die Ablehnung der Geschoßdeckendämmung gemäß dem vom Kläger vorgelegten Angebot beschlossen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Versammlungsniederschrift (Bl. 20 f d.A.) verwiesen.
Der Kläger hält die Beschlüsse für rechtswidrig. Hinsichtlich des Genehmigungsbeschlusses über die Abrechnung 2010 (Bl. 11 d.A.) macht er geltend, dass rechtswidrig die Position Instandhaltungsrücklage als Kostenposition verbucht sei. Auch ergäbe sich auch der Abrechnung nicht Kontenanfangsbestand. Der Vermögensstatus sei nicht nachvollziehbar. Verwaltungskosten der Garagen seien unzutreffend gebucht. Hinsichtlich des Wirtschaftsplans 2011 wird gerügt, dass nur der Gesamtwirtschaftsplan beschlossen worden sei. Im Hinblick auf die Umstellung von Kabel- auf Satellitenfernsehen auf Basis einer Miete hält der Kläger die dafür erforderlichen Kosten, die etwa doppelt so hoch seien, für zu hoch, zumal zusätzlich noch die Endgeräte angeschafft werden müssten. Auch seien diese hohen Kosten in der Versammlung seitens der Hausverwaltung nicht richtig klargestellt worden. Die Einladung enthalte insoweit keinen Hinweis. Im Übrigen sei der Beschluss zu unbestimmt. Im Hinblick auf den ablehnenden Beschluss hinsichtlich der Geschoßdeckendämmung macht der Kläger geltend, dass nach der EnEV eine solche Dämmung bis spätestens 31.12.2011 auszuführen sei und mit einer Einblasdämmung mit Kosten von lediglich 4.500,00 EUR den Anforderungen genüge getan sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den gesamten Klägervortrag Bezug genommen.
Der Kläger beantragt,
die Beschlüsse zu TOP 2, 3, 5, 8 und 11 der Versammlung vom 23.02.2011 für ungültig zu erklären.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Im Hinblick auf die Verbuchung der Instandhaltungsrückstellung verweisen sie auf die EDV-Anlage. Der Anfangskontenbestand ergäbe sich aus der Abrechnung des Vorjahres. Der Vermögensstatus sei zum Einen nachvollziehbar, zum Anderen nicht zwingender Bestandteil der Jahresabrechnung. Hinsichtlich der Garagen war zunächst schriftsätzlich vorgetragen worden, diese gehörten zur Gemeinschaft (Bl. 32 d.A.). Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurde jedoch klargestellt, das diese nicht Teil der Wohnungseigentümergemeinschaft seien, jedoch aus Praktikabilitätsgründen im Rahmen der Jahresabrechnung abgerechnet würden. Hinsichtlich des Wirtschaftsplans 2011 war zunächst vorgetragen worden, dass auch über die Einzelwirtschaftspläne abgestimmt worden sei. Dieser Vortrag wurde im Rahmen der mündlichen Verhandlung dahin korrigiert, dass zunächst im Rahmen der Versammlung über den Gesamtwirtschaftsplan beschlossen wurde und der Einzelwirtschaftsplan auf Grundlage dieses Gesamtwirtschaftsplanes erstellt und nachgereicht wurden (Bl. 40 d.A.). Hinsichtlich der Umstellung des Fernsehempfangs weisen die Beklagten auf ihr Ermessen und darauf, dass hinsichtlich Vertragsschlusses eine Rücksprache mit dem Verwaltungsbeirat erfolgen solle. Hinsichtlich der Kostendarstellung in der Versammlung sei es so gewesen, dass der anwesende Mitarbeiter der Firma Antec sich zwar verrechnet habe, dies jedoch im Rahmen der Versammlung aufgeklärt und genügend besprochen worden sei. Hinsichtlich der Ablehnung der Geschossdeckendämmung verweisen die Beklagten darauf, dass lediglich die Beauftragung der Firma Pieper gemäß ihrem Angebot in Höhe von 30.388,71 EUR abgelehnt worden sei. Im Übrigen habe der Kläger die übrigen Eigentümer nicht von der von ihm vorgeschlagenen Einblasdämmung überzeugen können. Ihm fehle das Rechtsschutzbedürfnis. Schließlich verweisen die Beklagten auf § 10 Abs. 6 EnEV. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den gesamten Beklagtenvortrag Bezug genommen.
Im Übrigen wird auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die gemäß §§ 43 Nr. 4, 46 Nr. 1 WEG zulässige Anfechtungsklage ist überwiegend begründet.
Die angefochtenen Beschlüsse widersprechen im Wesentlichen den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung gemäß § 21 Abs. 3 WEG.
TOP 2:
Im Hinblick auf das Urteil des Bundesgerichtshofes vom 04.12.2009 (V ZR 44/09) ist die Abrechnung fehlerhaft, soweit die Zahlungen den Instandhaltungsrückstellung als Kostenposition eingebucht wurde.
Weiterhin ist die Abrechnung fehlerhaft, soweit die Garagenkosten als Gemeinschaftskosten verbucht wurden, da unstreitig die Garagen nicht zur Wohnungseigentümergemeinschaft gehören.
Der Kontenanfangsbestand ergibt sich aus dem Endbestand der Vorjahresabrechnung.
Hinsichtlich des Anfechtungsteils Vermögensstatuses war die Klage abzuweisen, da insofern die Beklagten zutreffend darauf verweisen, dass der Vermögensstatus nicht zu dem zwingenden Bestandteil einer Jahresabrechnung gehört.
Der zunächst gerügte Punkt zuviel gezahltes Verwalterentgelt ist im Rahmen der mündlichen Verhandlung fallengelassen worden.
TOP 12:
Der Beschluss war für ungültig zu erklären, da unstreitig nur über den Gesamtwirtschaftsplan beschlossen wurde. Die Beschlussfassung widerspricht den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung, da bei der Abstimmung im Wirtschaftsplan immer sowohl über den Gesamt- als auch über den Einwirtschaftsplan abzustimmen ist. Denn für die Wohnungseigentümer ist in erster Linie interessant, welche monatlichen Vorauszahlungsbeiträge sie aufgrund des vorliegenden Einzelwirtschaftsplans trifft (vgl. BGH, Urt. v. 02.06.2005: ZMR 2005, 547 [BGH 02.06.2005 - V ZB 32/05]).
TOP 3:
Da nach dem Vorstehenden die Beschlüsse zu TOP 2 und 12 zu beanstanden sind, sind mögliche Schadensersatzansprüche gegen die Hausverwaltung nicht auszuschließen, so dass der Beschluss über die Entlastung der Hausverwaltung den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung widerspricht.
TOP 5:
Hinsichtlich der Umstellung des Fernsehens von Kabel- auf Satellit ist zwar grundsätzlich die Finanzierung über Miete nicht zu beanstanden, jedenfalls haben selbst bei doppelten Kosten die Beklagten noch im Rahmen ihres Ermessens gehandelt.
Der Beschluss ist jedoch insoweit rechtswidrig, als er unzulässigerweise die letztendliche Entscheidungskompetenz auf die Hausverwaltung delegiert. Damit wird gegen das Primat der primären Entscheidungskompetenz der Wohnungseigentümer verstoßen. Zwar ist anerkannt, dass eine Delegierung von Entscheidungskompetenzen auf die Hausverwaltung wie auch auf Dritte zulässig ist, dies setzt jedoch voraus, dass die wesentlichen Vertragsbestandteile vorab geklärt sind. Dies ist jedoch hier nicht der Fall, da die Hausverwaltung erst nach Einholung von Vergleichsangeboten entscheiden soll. Zwar soll dies nach Rücksprache mit dem Verwaltungsbeirat geschehen, jedoch bleibt es dabei, dass die wesentlichen Eckdaten noch offen sind und dies auch nicht durch eine Rücksprache mit dem Verwaltungsbeirat geheilt werden kann.
TOP 8:
Auch dieser Beschluss ist rechtswidrig. Der Kläger verweist zutreffend darauf, dass bis Ende dieses Jahres nach der EnEV eine Dämmung durchzuführen ist. Nach dem vorliegenden Negativbeschluss ist dies bis zum Jahresende nicht mehr realisierbar.
Soweit die Beklagten auf den Ausnahmetatbestand des § 10 Abs. 6 EnEV verweisen, reicht der Vortrag und das Angebot der Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht aus. Für das Vorliegen der Tatsachen des Ausnahmetatbestands tragen zunächst die Beklagten die Darlegungslast, d.h. sie müssen hierzu substantiiert vortragen. Ein solcher substantiierter Vortrag liegt nicht vor, so dass der bloße Hinweis auf ein Sachverständigengutachten auf eine unzulässige Ausforschung hinauslaufen würde. Mithin ist vom Vorliegen der Voraussetzung für eine Ausnahme nicht auszugehen. Dabei spielt es auch keine Rolle, welche Dammmethode die Gemeinschaft im Rahmen ihres Ermessens gewählt hätte. Es musste nicht etwa die Einblasdämmung sein. Ungeachtet davon hätte aber überhaupt entweder eine angemessene Dämmung beschlossen werden müssen oder es hätte klar gemacht werden müssen aufgrund eines nachvollziehbaren und schlüssigen Vortrages, warum die Voraussetzungen der Nichtwirtschaftlichkeit vorliegen.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 92, 708 Nr. 11 und 711 ZPO.