Amtsgericht Hannover
Urt. v. 29.03.2011, Az.: 462 C 12953/10
Erstattungsfähigkeit von Rechtsanwaltskosten bei einfach gelagertem Schadensfall (Verkehrsunfall)
Bibliographie
- Gericht
- AG Hannover
- Datum
- 29.03.2011
- Aktenzeichen
- 462 C 12953/10
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2011, 42220
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGHANNO:2011:0329.462C12953.10.0A
Rechtsgrundlage
- § 7 StVG
Fundstelle
- SVR 2013, 95
In dem Rechtsstreit
Klägerin
Prozessbevollmächtigte:
Unterbevollmächtigte:
gegen
Beklagte
Prozessbevollmächtigter:
hat das Amtsgericht Hannover - Abt. 462 -
auf die mündliche Verhandlung vom 15.02.2011
durch
die Richterin am Amtsgericht
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 546,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01. Dezember 2010 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 22 %, die Beklagte trägt 78%.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Gegenstandswert des Rechtsstreits wird auf 703,80 EUR festgesetzt.
Entscheidungsgründe
(Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 313a Abs. 1 ZPO abgesehen).
Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten noch einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe einer einfachen Gebühr nach einem Gegenstandswert in Höhe von 11.311,48 EUR. Aus §§ 7 StVG, 823, 249 BGB in Verbindung im § 115 VVG.
Unstreitig wurde ein Mietfahrzeug der Klägerin bei einem Verkehrsunfall beschädigt, für den die Beklagte in vollem Umfang einstrittspflichtig ist.
Die Beklagte hat die ihr gegenüber geltend gemachten Schäden der Klägerin aus dem Verkehrsunfall vom 03.07.2007 in vollem Umfang ausgeglichen, mit Ausnahme der streitgegenständlichen Gebühren für die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe im Rahmen der Abwicklung.
Wenn die Haftung der Beklagten dem Grunde nach unstreitig ist, gehören zum erstattungsfähigen Schaden grundsätzlich aber auch die Kosten für die Einschaltung eines Rechtsanwalts. Ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht liegt nicht vor.
Die Inanspruchnahme eines Rechtsanwaltes nach Verkehrsunfällen ist stets erforderlich und zweckmäßig. Lediglich dann, wenn ein einfach gelagerter Schadensfall vorliegt, aufgrund dessen die Haftung nach Grund und Höhe derart klar ist, dass aus der Sicht des Geschädigten kein Anlass besteht, an der Ersatzpflicht des Schädigers zu zweifeln, ist für die erstmalige Geltendmachung des Anspruchs gegenüber dem Schädiger die Einschaltung eines Rechtsanwaltes nur dann erforderlich, wenn der Geschädigte selbst
hierzu aus besonderen Gründen, wie etwa Mangel an geschäftlicher Gewandtheit, nicht in der Lage ist (vgl. BGH, NJW 1995, Seite 446f).
Vorliegend handelt es sich aber nicht um einen einfach gelagerten Schadensfall im Sinne der Rechtssprechung. Ein solcher Schadensfall liegt dann vor, wenn die Verantwortlichkeit für den Schaden und damit die Haftung von vorne herein nach Grund und Höhe derart klar ist, dass aus der Sicht des Geschädigten kein vernünftiger Zweifel daran bestehen kann, dass der Schädiger ohne Weiteres seiner Ersatzpflicht nachkommen würde (vgl. BGH am angegebenen Ort). In dem vom BGH entschiedenen Rechtsstreit lag die Beschädigung einer Autobahnanlage (Leitplanke etc.) vor.
Der Verkehrsunfall, für dessen anwaltliche Einschaltung die Klägerin vorliegend Rechtsanwaltskosten als Schadensersatzposition geltend macht, war kein vergleichbarer einfach gelagerter Schadenfall. Unstreitig handelte es sich um ein Unfallgeschehen, bei dem das Kraftfahrzeug der Klägerin sowohl im Frontbereich als auch im Heckbereich beschädigt wurde. Es handelte sich um einen Verkehrsunfall, bei dem die Haftungsfrage nicht ohne jeden Zweifel feststeht.
Die Klägerin hat mithin grundsätzlich einen Anspruch auf Erstattung der erforderlichen Rechtsanwaltskosten.
Der Höhe nach steht der Klägerin allerdings nur ein Anspruch auf eine 1,0-fache Geschäftsgebühr nach einem Gegenstandswert von 11.311,48 EUR zu.
Nach § 14 RVG erfolgt die Bestimmung der Gebühr unter Berücksichtigung des konkreten Einzelfalles. Bezüglich der Bedeutung der Angelegenheit und der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Klägerin ergeben sich keine vom Durchschnitt abweichende Kriterien. Zu berücksichtigen ist, dass der geltend gemachte Schadensbetrag eher hoch als niedrig einzustufen ist. Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sind allerdings als gering einzustufen. Die Tätigkeit der Rechtsanwälte hat sich darin erschöpft, die Schadensaufstellung der Klägerin selbst an die Beklagte weiterzuleiten. Zum Haftungsgrund sind zunächst keinerlei rechtliche Ausführungen in dem Anspruchsschreiben der Klägerin enthalten.
Das Gericht schließt sich der Rechtsauffassung des BGH an, wonach in durchschnittlichen Fällen die Schwellengebühr von 1,3 eine Regelgebühr darstellt und ähnliche Funktionen erfüllt wie die 7,5/10 Gebühr gemäß § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO. Bei umfangreichen oder schwierigen Tätigkeiten des Rechtsanwaltes kann eine Geschäftsgebühr über 1,3 gerechtfertigt sein, bei unterdurchschnittlichen Fällen kann die Festsetzung einer Geschäftsgebühr von 1,3 aber unbillig sein (vgl. BGH NJW RR 2007, Seite 420f).
Vorliegend ergibt sich aus dem von der Klägerin zur Akte gereichten Anspruchsschreiben der Anwälte gegenüber der Beklagten, dass eine rechtliche Auseinandersetzung mit dem Verkehrsunfallgeschehen an sich nicht erfolgt. Die rechtlichen Vertreter der Klägerin reichen allein die vorhandene Schadenmeldung sowie die Aufstellung der Kosten an die Beklagte weiter. Die Beklagte hat daraufhin unstreitig die klägerische Forderung voll umfänglich beglichen, ohne dass im Weiteren eine rechtliche Auseinandersetzung mit der Unfallverursachung und Haftung geführt wurde. Unter diesen Umständen steht dem Anwalt der Klägerin keine höhere Geschäftsgebühr als 1,0 zu. Die 1,0- Gebühr nach einem Gegenstandswert von 11.311,48 EUR beläuft sich auf 526,00 EUR, zzgl. der Pauschale für Post und Telekommunikation in Höhe von 20,00 EUR ergibt sich der ausgeurteilte Nettobetrag in Höhe von 546,00 EUR.
Die berechnete 1,3 Gebühr ist nach § 14 Abs. 1 S. 4 RVG nicht verbindlich.
Da die Beklagte den Schadensersatz ernsthaft und endgültig verweigert hat, hat sich der Freistellungsanspruch der Klägerin diesbezüglich in einen Zahlungsanspruch umgewandelt (vgl. BGH, NJW 2004, Seite 1868) gemäß § 250 Satz 2 BGB.
Zinsen schuldet die Beklagte aus Verzug nach §§ 286, 288 BGB.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre gesetzliche Grundlage in § 713 ZPO.