Landessozialgericht Niedersachsen
Urt. v. 04.04.2000, Az.: L 3 P 5/99

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen
Datum
04.04.2000
Aktenzeichen
L 3 P 5/99
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2000, 35411
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2000:0404.L3P5.99.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Aurich - 12.11.1998 - AZ: S 12 P 58/97

Fundstelle

  • Breith. 2000, 655-659

Tenor:

  1. Das Urteil des Sozialgerichts Aurich vom 12. November 1998 und der Bescheid der Beklagten vom 5. März 1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 1. August 1997 werden aufgehoben.

  2. Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin aus beiden Rechtszügen zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich dagegen, dass die Beklagte ihr das zuvor gewährte Pflegegeld mit Wirkung vom 01. März 1997 entzogen hat.

2

Die am 07. November 1995 geborene Klägerin leidet an einem Down-Syndrom in Form der klassischen Trisomie. Aufgrund eines Heus wurden bereits wenige Wochen nach der Geburt zwei Darmoperationen erforderlich.

3

Auf den Antrag der Klägerin vom 28. Dezember 1995 bewilligte die Beklagte ihr nach Einholung eines Gutachtens von Dr I.... (vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Niedersachsen - MDKN -) vom 18. Januar 1996 mit Bescheid vom 22. Januar 1996 mit Wirkung vom 28. Dezember 1995 an Pflegegeld nach Maßgabe der Pflegestufe I in Höhe von monatlich 400,00 DM.

4

Nachdem die von der Beklagten beauftragten Gutachter Dr I.... und K.... aufgrund einer Nachuntersuchung vom 30. Januar 1997 in einem weiteren Gutachten vom 18. Februar 1997 zu der Einschätzung gelangt waren, dass im Vergleich zum Vorgutachten eine Besserung eingetreten sei und die Klägerin nicht mehr in eine Pflegestufe einzustufen sei, gab die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 26. Februar 1997 Gelegenheit, zu der erwogenen Entziehung des Pflegegeldes bis zum 12. März 1997 Stellung zu nehmen. Noch vor Ablauf dieser Äußerungsfrist teilte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 05. März 1997 mit, dass die Zahlung von Pflegegeld mit Ablauf des Monats Februar 1997 eingestellt worden sei. Im Widerspruchsverfahren holte die Beklagte eine weitere nach Aktenlage erstellte Stellungnahme von Dr I.... vom 09. April 1997 ein und wies den Widerspruch der Klägerin mit Bescheid vom 01. August 1997, der Klägerin zugestellt am 05. August 1997, zurück.

5

Mit der am 05. September 1997 erhobenen Klage hat die Klägerin ihre erhebliche Pflegebedürftigkeit hervorgehoben. Sie benötige in allen Bereichen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung erheblich mehr Unterstützung als ein gesundes gleichaltriges Kind. Darüber hinaus sei sie auf eine spezielle Förderung dringend angewiesen. Da sie selbst einfachste Anweisungen und Verbote nicht verstehen bzw umsetzen könne, benötige sie ständige Aufsicht. Auch könne sie kaum kommunizieren. Ihr stehe daher nicht nur das von der Beklagten entzogene Pflegegeld nach Maßgabe der Pflegestufe I zu, vielmehr erfülle sie letztlich sogar die Voraussetzungen für eine Höherstufung in die Pflegestufe III. Ihr erheblicher Entwickungsrückstand werde auch durch den Bericht des behandelnden Arztes Dr R.... vom 30. September 1997 und durch Stellungnahmen der Sozialpädagogin Frühling und der Krankengymnastin E....-F.... belegt.

6

Die Beklagte hat im erstinstanzlichen Klageverfahren weitere MDKN-Gutachten von Dr I.... und der Pflegefachkraft K.... vom 22. Oktober 1997 und von Dr I.... vom 27. November 1997 und vom 21. April 1998 vorgelegt, in denen die Voraussetzungen auch nur der Pflegestufe I jeweils verneint worden sind.

7

Mit Urteil vom 12. November 1998, der Klägerin zugestellt am 15. Dezember 1998, hat das SG Aurich die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt: Die erneute Begutachtung der Klägerin durch den MDKN im Januar 1997 habe ergeben, dass diese die Leistungsvoraussetzungen für die Gewährung von Pflegegeld nicht mehr erfüllt habe. "Daher" sei die Beklagte zur Aufhebung der vorausgegangenen Bewilligung von Pflegegeld nach § 48 Abs 1 Sozialgesetzbuch Buch X Verwaltungsverfahren (SGB X) berechtigt gewesen.

8

Mit ihrer am 14. Januar 1999 eingelegten Berufung hebt die Klägerin den aus ihrer Sicht weiterhin bestehenden erheblichen Pflegebedarf hervor. Ihre Mutter sei täglich mehrere Stunden mit ihrer Pflege und Versorgung befasst. Nach wie vor müsse sie ständig beaufsichtigt werden und bei allen Verrichtungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung unterstützt werden. Im Vergleich zu gleichaltrigen gesunden Kindern weise sie einen erheblichen Entwicklungsrückstand auf. Ihre Mutter habe daher einen zusätzlichen Pflegeaufwand von weit mehr als 90 Minuten täglich zu erbringen. Der Mehraufwand im Vergleich zu einem gesunden gleichaltrigen Kind habe bis zur Vollendung des 3. Lebensjahres 127 Minuten im Tagesdurchschnitt und in der Folgezeit sogar 145 Minuten ausgemacht. Ihre erhebliche Pflegebedürftigkeit werde auch durch den Bericht des Kinderarztes Dr G.... vom 09. Februar 1996 bestätigt.

9

Die Klägerin beantragt,

  1. das Urteil des Sozialgerichts Aurich vom 12. November 1998 und den Bescheid der Beklagten vom 05. März 1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 01. August 1997 aufzuheben.

10

Die Beklagte beantragt,

  1. die Berufung zurückzuweisen.

11

Die Beklagte hat auf Anregung des Senates im Berufungsverfahren ein weiteres MDKN-Gutachten der Gutachterinnen M.... N....-G.... und R.... K.... vom 29. November 1999 eingeholt. Ihrer Einschätzung zufolge erfüllt die Klägerin seit November 1998 die Voraussetzungen für die Gewährung von Pflegegeld nach Maßgabe der Pflegestufe I.

12

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

13

Die zulässige Berufung hat Erfolg.

14

Das SG hat verkannt, dass dem angefochtenen Bescheid 05. März 1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 01. August 1997 die erforderliche Rechtsgrundlage fehlt, so dass dieser die Klägerin in ihren Rechten verletzt. Die damit gebotene Aufhebung des Entziehungsbescheides vom 05. März 1997 hat zugleich zur Folge, dass die zuvor von der Beklagten mit Bescheid vom 22. Januar 1996 ausgesprochene Bewilligung von Pflegegeld nach Maßgabe der Pflegestufe I auch über 28. Februar 1997 hinaus fortwirkt.

15

Für die der Sache nach mit Bescheid vom 05. März 1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 01. August 1997 ausgesprochene Aufhebung des vorausgegangenen Bewilligungsbescheides vom 22. Januar 1996 mangelt es an der erforderlichen Rechtsgrundlage. Bezeichnenderweise wird von Seiten der Beklagten weder im Bescheid vom 05. März 1997 noch im Widerspruchsbescheid vom 01. August 1997 überhaupt eine Rechtsgrundlage für die Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 22. Januar 1996 benannt. Eine solche ist auch sonst nicht ersichtlich.

16

Namentlich liegen die Voraussetzungen des § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X für eine Aufhebung des einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung darstellenden Bewilligungsbescheides vom 22. Januar 1996 nicht vor. Nach dieser Norm ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Eine solche wesentliche Änderung vermag der Senat im vorliegenden Fall jedoch nicht festzustellen.

17

Unter einer wesentlichen Änderung iS des § 48 Abs 1 SGB X ist eine für die Anspruchsvoraussetzungen der bewilligten Leistung rechtserhebliche Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse zu verstehen. Wesentlich sind mithin alle Änderungen, die dazu führen, dass die Behörde unter den nunmehr objektiv vorliegenden Verhältnissen den Verwaltungsakt nicht hätte erlassen dürfen. Damit richtet sich die Feststellung einer wesentlichen Änderung nach den materiellen Anspruchsvoraussetzungen (vgl BSG, Urt vom 21.03.1996 - 11 RAr 101/94 - SozR 3-1300 § 48 SGB X Nr 48 und Urt vom 21.10.1999 - B 11 AL 25/99 R -). Allerdings ist § 48 Abs 1 SGB X auch dann anzuwenden, wenn sich nachträglich Tatsachen ändern, auf die der Bewilligungsbescheid zu Unrecht gestützt worden ist, weil sie von der Behörde irrtümlich für maßgebend erachtet worden sind ( BSG, Urt vom 12.02.1997 - 9 RVs 5/96 - a.a.O. Nr 60).

18

Voraussetzung für eine derartige wesentliche Änderung wäre im vorliegenden Zusammenhang, dass sich der Hilfebedarf der Klägerin in einem stärkeren Maß verringert hätte, als eine solche Abnahme ohnehin aufgrund ihres zunehmenden Alters zu erwarten gewesen wäre. Dies ergibt sich daraus, dass für die Zuordnung von Kindern zu den im Sozialgesetzbuch Buch XI Soziale Pflegeversicherung (SGB XI) vorgesehenen Pflegestufen nur der zusätzliche Hilfebedarf gegenüber einem gesunden gleichaltrigen Kind maßgebend ist (§ 15 Abs 2 SGB XI). Dieser als Vergleichsmaßstab heranzuziehende Hilfebedarf eines gesunden gleichaltrigen Kindes nimmt naturgemäß mit zunehmendem Lebensalter ab. Dies bedeutet für die Frage nach einer wesentlichen Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen im Sinne des § 48 Abs 1 SGB X, dass eine solche allenfalls dann angenommen werden kann, wenn der Hilfebedarf des pflegebedürftigen Kindes sich mit zunehmendem Alter stärker reduziert hat, als dies auch bei einem gesunden gleichaltrigen Kind zu erwarten gewesen wäre (vgl zum Prüfungsmaßstab auch bereits den Beschluss des Senates vom 08. November 1999 - L 3 B 278/99 P -).

19

Dabei sind zu vergleichen die Verhältnisse einerseits im Zeitpunkt des Erlasses des Bewilligungsbescheides vom 22. Januar 1996 und andererseits im Zeitpunkt der den Aufhebungsbescheid vom 05. März 1997 bestätigenden Widerspruchsentscheidung vom 01. August 1997.

20

Im Zeitpunkt der Bewilligung von Pflegegeld im Januar 1996 war die Klägerin erst 2 1/2 Monate alt. Unter Berücksichtigung der nach Einschätzung des Senates sachgerechten Vorgaben der Richtlinien der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem Elften Buch des Sozialgesetzbuches (Begutachtungs-Richtlinien vom 21. März 1997, in Kraft getreten zum 01. Juni 1997) beträgt der Hilfebedarf eines gesunden Kindes im ersten Lebensjahr im Bereich der Grundpflege im Tagesdurchschnitt 255 bis 315 Minuten, so dass hiervon ausgehend der Hilfebedarf eines 21/2 Monate alten Kindes mit etwa 300 Minuten zu veranschlagen ist. Bei Erlass des Wiederspruchsbescheides vom 01. August 1997 war die Klägerin bereits 20 Monate alt. Der Hilfebedarf eines gesunden einjährigen Kindes im Bereich der Grundpflege beträgt nach Maßgabe der Begutachtungs-Richtlinien lediglich 240 Minuten.

21

Dies bedeutet, dass auch bei einem gesunden Kind zwischen dem 2. und 20. Lebensmonat eine Reduzierung des täglichen Hilfebedarfes im Bereich der Grundpflege von ca 300 auf etwa 240 Minuten im Tagesdurchdurchschnitt, mithin um etwa 60 Minuten, zu erwarten gewesen wäre. Eine Verminderung des klägerischen Hilfebedarfes im Bereich der Grundpflege um nur 60 Minuten hätte sich daher in dem maßgeblichen Vergleichszeitraum von Januar 1996 bis zum 01. August 1997 unter Berücksichtigung des gesetzlichen Maßstabes des § 15 Abs 2 SGB XI auf ihre Pflegestufeneinteilung überhaupt nicht auswirken dürfen. Erst wenn der Rückgang des Unterstützungsbedarfes im Bereich der Grundpflege das auch bei gesunden Kindern zu erwartende Ausmaß von 60 Minuten im Tagesdurchschnitt überschritten hätte, könnte Raum für eine Anwendung des § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X sein.

22

Einen derart erheblichen Rückgang des klägerischen Hilfebedarfes im Bereich der Grundpflege im maßgeblichen Vergleichszeitraum vermag der Senat jedoch nicht festzustellen. Die eher vagen Feststellungen der von der Beklagten herangezogenen MDKN-Gutachter ermöglichen nicht einmal die Feststellung, dass der klägerische Hilfebedarf in dem fraglichen Zeitraum von Januar 1996 bis zum 01. August 1997 in dem Maße zurückgegangen ist, in dem auch bei gesunden gleichaltrigen Kindern eine Abnahme zu erwarten gewesen wäre. Erst recht vermag der Senat eine Verminderung des Entwicklungsrückstandes im Vergleich zu gesunden Kindern des jeweils gleichen Alters nicht zu erkennen.

23

Zu entsprechenden Feststellungen sieht sich der Senat schon deshalb nicht in der Lage, weil das Ausgangsgutachten des MDKN vom 18. Januar 1996 keine konkreten Feststellungen zum damaligen Hilfebedarf der Klägerin im Bereich der Grundpflege aufgewiesen hat. Dem Gutachten lässt sich letztlich nur entnehmen, dass der Hilfebedarf im Bereich der Ernährung das altersübliche Maß übertroffen hat. Ob Entsprechendes auch für die Verrichtung der Darm- und Blasenentleerung gilt, lässt die unscharfe Formulierung "Hilfebedarf: ja, Kontrolle und Überwachung" gerade offen. Darüber hinaus enthält das Gutachten keine konkreten Angaben zum Ausmaß des zusätzlichen Hilfebedarfes im Bereich der Ernährung.

24

Das dem Widerspruchsbescheid vom 01. August 1997 zugrundeliegende, auf einer Untersuchung vom 30. Januar 1997 beruhende weitere MDKN-Gutachten vom 18. Februar 1997 - die nachfolgende Stellungnahme vom 09. April 1997 ist lediglich nach Aktenlage erstellt worden - legt ebenfalls nicht konkret dar, bei welchen einzelnen Grundpflegeverrichtungen und in welchem konkreten zeitlichen Ausmaß sich der Hilfebedarf der Klägerin im Vergleich zur Voruntersuchung vermindert haben soll. Soweit in diesem Gutachten vom 18. Februar 1997 bezogen auf den Bereich der Ernährung pauschal ein zusätzlicher Hilfebedarf verneint wird, setzt es sich überdies in Widerspruch zu der in diesem Gutachten enthaltenen Feststellung, dass seit den Darmoperationen von November und Dezember 1995 eine "vermehrte" Nahrungszufuhr notwendig gewesen sei. Der des Weiteren in diesem Gutachten enthaltene pauschale Hinweis auf eine "Besserung" im Vergleich zur Vorbegutachtung lässt gerade die entscheidenden Fragen offen: Es bleibt unklar, bei welchen konkreten Verrichtungen der Grundpflege sich die mit zunehmendem Alter der Klägerin zu beobachtende Verbesserung ihres Entwicklungszustandes ausgewirkt haben soll. Es wird insbesondere nicht näher dargelegt, inwieweit sich dadurch eine konkrete Verminderung ihres Hilfebedarfes ergeben haben soll und in welchem Ausmaß eine etwaige Verminderung ihres Unterstützungsbedarfes den auch bei gesunden Kindern zu erwartenden Rückgang ggf übertroffen haben mag.

25

Zu entsprechenden Feststellungen sieht sich der Senat auch anderweitig nicht in der Lage. Die vorliegenden Berichte der behandelnden Ärzte geben keinen Anlass zu der Annahme, dass der Hilfebedarf der Klägerin im Vergleich von Januar 1996 bis zum 01. August 1997, wenn überhaupt, in stärkerem Maße abgenommen hat, als dies auch bei gesunden Kindern dieses Alters zu erwarten gewesen wäre.

26

In diesem Zusammehang muss der Senat nicht der Frage nachgehen, ob die Einschätzung der Gutachter Dr I.... und K.... in ihrer Stellungnahme vom 18. Februar 1997 zutrifft, dass die Klägerin zu jenem Zeitpunkt die Voraussetzungen der §§ 15 Abs 1 Ziffer 1, Abs 3 Ziffer 1, Abs 2 und 14 Abs 4 SGB XI für die Gewährung von Pflegegeld nach Maßgabe der Pflegestufe I nicht erfüllt habe. Die für die Anwendung des § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X erforderliche wesentliche Änderung in den tatsächlichen (oder rechtlichen) Verhältnissen wird nicht allein dadurch begründet, dass die Verwaltung nach nochmaliger Überprüfung erkennt, dass ein Versicherter die gesetzlichen Voraussetzungen für die zuvor zuerkannte Dauerleistung nicht erfüllt.

27

Es liegen auch keine greifbaren Anhaltspunkte dafür vor, dass die Beklagte bei Erlass des Bewilligungsbescheides vom 22. Januar 1996 andere als die nach der objektiven Rechtslage maßgeblichen Umstände für entscheidungserheblich erachtet hat. Dementsprechend kann sich bezüglich ihrer auch nicht die Frage einer wesentlichen Änderung stellen.

28

Soweit die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden die Bewilligung von Pflegegeld nicht nur mit Wirkung für die Zukunft, sondern auch rückwirkend für den Zeitraum vom 01. März 1997 bis zum Zeitpunkt der Zustellung des Bescheides vom 05. März 1997 und darüber hinaus bis zum Beginn des nächsten Leistungszeitraumes (vgl ebenfalls BSG, Urt vom 21.10.1999) aufgehoben hat, kann dies unter Berücksichtigung der vorausgegangenen Darlegungen erst recht nicht auf § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X gestützt werden.

29

Die angefochtenen Bescheide können auch nicht auf § 45 Abs 1 SGB X gestützt werden. Nach dieser Vorschrift darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (dh ein begünstigender Verwaltungsakt), nur insoweit mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit nach Maßgabe der weiteren Bestimmungen des § 45 Abs 2-4 zurückgenommen werden, wie er sich als rechtswidrig erweist. Die Beklagte macht jedoch selbst nicht die Rechtswidrigkeit ihres ursprünglichen Bewilligungsbescheides vom 22. Januar 1996 geltend. Auch der Senat vermag eine solche nicht festzustellen. Die vagen Angaben im MDKN-Gutachten vom 18. Januar 1996 stehen jedenfalls nicht von vornherein der Annahme entgegen, dass die Klägerin im damaligen Zeitpunkt die gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Pflegegeld nach Maßgabe der Pflegestufe I erfüllt hat und dass diese lediglich in dem Gutachten nur unzulänglich dokumentiert worden sind. Darüber hinaus stände eine Rücknahme des Bescheides vom 22. Januar 1996 nach Maßgabe des § 45 Abs 1 SGB X im Ermessen der Beklagten; die angefochtenen Bescheide vom 05. März und 01. August 1997 lassen jedoch keine Ermessenserwägungen erkennen. Vielmehr machen die Ausführungen im Widerspruchsbescheid deutlich, dass die Beklagte davon ausgegangen ist, dass sie rechtlich an einer Fortgewährung des zuvor mit Bescheid vom 22. Januar 1996 bewilligten Pflegegeldes gehindert war.

30

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG; Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs 2 SGG), sind nicht gegeben.