Arbeitsgericht Osnabrück
Beschl. v. 25.06.1997, Az.: 4 BVGa 3/97

Berechtigung zur Durchführung einer Mitarbeiterdienstbesprechung

Bibliographie

Gericht
ArbG Osnabrück
Datum
25.06.1997
Aktenzeichen
4 BVGa 3/97
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1997, 14548
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:ARBGOSN:1997:0625.4BVGA3.97.0A

Fundstellen

  • AiB 1998, 109-110 (Volltext mit red. LS u. Anm.)
  • AiB 2001, 718 (amtl. Leitsatz)
  • AuR 1998, 82 (amtl. Leitsatz)
  • AuR 1998, 298 (Volltext mit red. LS)

Verfahrensgegenstand

Untersagung

In dem Rechtsstreit
hat die 4. Kammer des Arbeitsgerichts Osnabrück
auf die mündliche Verhandlung vom 25.06.97
durch
den Richter am Arbeitsgericht ... als Vorsitzender und
die ehrenamtlichen Richter ... und
... als Beisitzer
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Dem Antragsgegner wird untersagt, die für den 25.06.1997 um 20.00 Uhr angeordnete Mitarbeiterdienstbesprechung durchzuführen.

  2. 2.

    Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen diese Verpflichtung wird dem Antragsgegner ein Ordnungsgeld bis zu DM 150.000,00 DM ersatzweise Ordnungshaft zu vollstrecken gegen die gesetzlichen Vertreter angedroht.

  3. 3.

    Im übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

Gründe

1

I.

Die Beteiligten streiten über Anträge des Beteiligten zu 1. auf Untersagung einer vom Beteiligten zu 2. angeordneten Mitarbeiterdienstbesprechung.

2

Der Beteiligte zu 1. ist der im Betrieb des Beteiligten zu 2., ... bestehende Betriebsrat. Er führte am 24.06.1997 eine Betriebsversammlung durch. Dieser Termin wurde dem Beteiligten zu 2. mit Schreiben vom 15.01.1997 (Bl 7 d. Akte) mitgeteilt. Mit Schreiben vom 22.05.1997 lud der Beteiligte zu 2. alle Mitarbeiter zu einer Mitarbeiterdienstbesprechung auf den 25.06.1997, 20.00 Uhr in Osnabrück ein. Er wies im Einladungsschreiben darauf hin, daß es sich um eine dienstliche Veranstaltung handele und daß als Tagesordnung vorgesehen sei eine Information über die finanzielle Situation und ihre Auswirkungen auf die Personalplanung des Beteiligten zu 2.

3

Der Beteiligte zu 1. nahm dazu mit Schreiben vom 05.06.1997 (Bl. 8 d. Akte) Stellung und lud den Beteiligten zu 2. zugleich zur Betriebsversammlung am 24.06.1997, 20.00 Uhr, unter Angabe der Tagesordnungspunkte, zu denen u. a. die Personalentwicklung gehörte, ein. Schon in diesem Schreiben und erneut mit Schreiben vom 11.06.1997 forderte der Beteiligte zu 1. den Beteiligten zu 2. auf, die von diesem für den 25.06.1997 geplante Mitarbeiterdienstbesprechung abzusagen, da darin eine unzulässige Gegenveranstaltung zur Betriebsversammlung zu sehen sei. Dies lehnte der Beteiligte zu 2. mit Schreiben vom 11.06.1997 (Bl. 10 d. Akte) ab.

4

Im Jahre 1995 hatten am 30.03. und 06.09.1995 Mitarbeiterdienstbesprechungen stattgefunden, wobei am 06.09.1995 die Betriebsversammlung und die Mitarbeiterdienstbesprechung gleichzeitig stattfanden.

5

Der Beteiligte zu 1. sieht in der Mitarbeiterdienstbesprechung vom 25.06.1997 eine unzulässige Gegenveranstaltung zur Betriebsversammlung vom 24.06.1997 und damit verbunden eine Behinderung der Betriebsratstätigkeit. Er behauptet, der Vorstand des Beteiligten zu 2. weigere sich bereits seit geraumer Zeit, die Mitarbeiter auf den vom Beteiligten zu 1. einberufenen Betriebsversammlungen zu informieren und entsende regelmäßig nur den Direktor des Beteiligten zu 2., aber kein Vorstandsmitglied. Die Untersagung der Mitarbeiterdienstbesprechung vom 25.06.1997 sei auch deshalb erforderlich, weil dazu Mitarbeiter herangezogen würden, für die diese Versammlung außerhalb ihrer persönlichen Arbeitszeit läge, so daß der Beteiligte zu 2. gleichzeitig Überstunden anordne, ohne den Beteiligten zu 1. daran beteiligt zu haben. Der Verfügungsgrund ergebe sich daraus, daß die Beteiligungsrechte des Beteiligten zu 1. entwertet würden, wenn die Rechtskraft eines Hauptsacheverfahrens abgewartet werden müßte.

6

Der Beteiligte zu 1. beantragt,

  1. 1.

    dem Antragsgegner zu untersagen, die für den 25.06.1997 um 20.00 Uhr angeordnete Mitarbeiterdienstbesprechung durchzuführen,

  2. 2.

    dem Antragsgegner aufzugeben, alle Beschäftigten unverzüglich über die Absage der Mitarbeiterdienstbesprechung am 23.06.1997 zu informieren,

  3. 3.

    für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung aus Nr. 1 und 2 dem Antragsgegner ein Ordnungsgeld bis zu DM 500.000,00, ersatzweise Ordnungshaft gegen die gesetzlichen Vertreter, anzudrohen,

    hilfsweise

  4. 4.

    dem Antragsgegner zu untersagen, die Mitarbeiterdienstbesprechung am 25.06.1997 ab 20.00 Uhr durchzuführen, da die notwendigerweise anfallenden Überstunden ohne Beachtung des Mitbestimmungsrechtes des Betriebsrats angeordnet wurden,

  5. 5.

    für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung aus Nr. 4 dem Antragsgegner ein Ordnungsgeld bis zu DM 500.000,00, ersatzweise Ordnungshaft gegen die gesetzlichen Vertreter, anzudrohen,

    äußerst hilfsweise

  6. 6.

    dem Antragsgegner zu untersagen, die Mitarbeiterdienstbesprechung am Mittwoch, den 25.06.1997 ab 20.00 Uhr durchzuführen, da die notwendigerweise für die Mitarbeiterinnen der Verwaltung Frau ..., Frau ... Frau ... Frau ... und Herr ... anfallenden Überstunden ohne Beachtung des Mitbestimmungsrechtes des Betriebsrats angeordnet wurden,

  7. 7.

    für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung aus Nr. 6 dem Antragsgegner ein Ordnungsgeld bis zu DM 500.000,00, ersatzweise Ordnungshaft des gesetzlichen Vertreters, anzudrohen.

7

Der Beteiligte zu 2. beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

8

Er trägt vor, zulässigerweise sein Recht als Arbeitgeber wahrzunehmen, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu einer Versammlung zu laden und mit ihnen betriebsbezogene Fragen zu besprechen. Dies sei nicht mitbestimmungspflichtig, da damit keine Regelung der Arbeitszeit und auch keine Anordnung von Überstunden oder Mehrarbeit verbunden sei. Es handele sich nicht um eine unzulässige Gegenveranstaltung zur Betriebsversammlung vom 24.06.1997. Am 24.06.1997 habe eine Vorstandssitzung des Beteiligten zu 2. stattgefunden, über deren Ergebnisse die Mitarbeiter umfassend und zeitnah in einer Mitarbeiterdienstbesprechung hätten informiert werden sollen. Zum Zeitpunkt der Einladung zur Mitarbeiterdienstbesprechung habe die Tagesordnung für die Betriebsversammlung vom 24.06.1997 noch nicht vorgelegen. Der Beteiligte zu 2. weigere sich auch nicht, die Mitarbeiter auf den Betriebsversammlungen zu informieren. Die Informationen erfolgten regelmäßig durch den Schulleiter sowie durch den Verwaltungsleiter, die als leitende Angestellte des Beteiligten zu 2. fachlich kompetent und mit allen den Betrieb des Beteiligten zu 2. betreffenden Angelegenheiten vertraut seien.

9

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Gegenstand der Anhörung waren, Bezug genommen.

10

II.

Die zulässigen Anträge sind bereits hinsichtlich der Hauptanträge weitgehend begründet.

11

1.

Der Beteiligte zu 2. ist nicht berechtigt, am 25.06.1997 die von ihm geplante Mitarbeiterdienstbesprechung durchzuführen. Dem Beteiligten zu 1. steht dagegen ein Anspruch auf Untersagung zu. Dieser folgt nach Auffassung der Kammer aus dem Beschluß des BAG vom 03.05.1994 (AP Nr. 23 zu § 23 BetrVG 1972). Danach steht einem Betriebsrat bei Verletzung seiner Mitbestimmungsrechte aus § 87 BetrVG ein Anspruch auf Unterlassung der mitbestimmungswidrigen Maßnahme zu, der keine grobe Pflichtverletzung des Arbeitgebers i. S. d. § 23 Abs. 3 BetrVG voraussetzt. Diese Entscheidung ist nicht nur auf Verstöße gegen das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 BetrVG zu beziehen, sondern hat auch für andere betriebsverfassungswidrige Verhaltensweisen zu gelten. Deshalb kommt es nicht darauf an, ob ein grober Verstoß des Beteiligten zu 2. gegen seine betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten i. S. von § 23 Abs. 3 BetrVG vorliegt. Im übrigen geht es vorliegend auch nicht um einen Unterlassungsanspruch gerichtet auf künftige Fälle, sondern um einen Anspruch auf Beseitigung, also gerichtet auf Korrektur eines gegenwärtigen, dem Betriebsverfassungsrecht widersprechenden Zustandes. Für den Beseitigungsanspruch scheidet mangels Konkurenzverhältnisses der Vorrang des § 23 Abs. 3 BetrVG aber ohnehin aus (vgl. Richardi in Anmerkung zu BAG vom 03.05.1994 - AP Nr. 23 zu § 23 BetrVG 1972, Bl. 746 Rs). Ein betriebsverfassungswidriges Verhalten des Beteiligten zu 2. liegt vor. Zwar ist auch nach der Rechtsprechung des BAG (Beschluß v. 27.06.1989 - AP Nr. 5 zu § 42 BetrVG 1972) ein Arbeitgeber grundsätzlich berechtigt, auf von ihm einberufenen Mitarbeiterversammlungen über betriebliche Belange zu informieren, auch wenn Fragen berührt werden, für die der Betriebsrat zuständig ist. Solche Mitarbeiterversammlungen dürfen aber nicht zu "Gegenveranstaltungen" gegenüber Betriebsversammlungen mißbraucht werden. In der vorstehend zitierten Entscheidung hat das BAG verschiedene Indizien genannt, die für einen Mißbrauch einer Mitarbeiterversammlung zu einer Gegenveranstaltung gegenüber einer Betriebsversammlung sprechen könnten.

12

Im Streitfall liegt eine mißbräuchliche Ausübung seitens des Beteiligten zu 2. vor, indem dieser die Mitarbeiterdienstbesprechung auf den 25.06.1997 anterminiert hat. Der Beteiligte zu 2. hat in Kenntnis der Tatsache, daß der Beteiligte zu 1. am 24.06.1997 eine Betriebsversammlung durchführen wollte, die Mitarbeiterdienstbesprechung auf den 25.06.1997 angesetzt. Allein schon die unmittelbare zeitliche Nähe erweckt den Eindruck einer Konkurrenzveranstaltung. Es läßt sich nämlich nicht ausschließen, daß dadurch Mitarbeiter davon abgehalten werden, an der Betriebsversammlung am 24.06.1997 teilzunehmen. Denn die Teilnahme an einer Betriebsversammlung ist freiwillig, während es sich bei der Mitarbeiterdienstbesprechung vom 25.06.1997 ausdrücklich um eine dienstliche Veranstaltung handelte. Ferner sind auch die Tagesordnungspunkte jedenfalls teilweise identisch, was nicht verwundert, da die Beteiligten schon zuvor Gespräche über die Personalplanung und die finanzielle Situation beim Beteiligten zu 2. gerührt haben, so daß ein diesbezügliches Informationsinteresse auf Seiten der Belegschaft bestand.

13

Schließlich ist zu berücksichtigen, daß das Instrument der Betriebsversammlung ausdrücklich gesetzlich geregelt ist, während dies bei vom Arbeitgeber einberufenen Mitarbeiterversammlungen nicht der Fall ist. Dies bedeutet nach Auffassung der Kammer, daß eine Betriebsversammlung grundsätzlich der Vorrang vor Mitarbeiterversammlungen einzuräumen ist, so daß diese einen weitergehenden Schutz beanspruchen können. Dies bedeutet aber auch, daß einer Mitarbeiterversammlung im Verhältnis zu einer Betriebsversammlung nur ein ergänzender Charakter zukommen kann (Belling/Liedmeier, Anmerkung zu BAG v. 27.06.1989 - SAE 1990, 166 u. 167).

14

Durch die Einberufung der Mitarbeiterdienstbesprechung auf den 25.06.1997 hat der Beteiligte zu 2. nach alledem seine Befugnis zur grundsätzlichen Veranstaltung solcher Mitarbeiterversammlungen überschritten, weil im konkreten Fall diese Versammlung zu einer Schädigung der Institution der Betriebsversammlung führt und damit die Rechte des Betriebsrats einschränkt, was rechtsmißbräuchlich ist. Auch in Anbetracht des offensichtlich grundlegend gestörten Verhältnisses zwischen den hier Beteiligten (von Betriebspartnern kann eigentlich nicht gesprochen werden) -immerhin waren seit 1996 ausweislich der Gerichtsstatistik 14 BV- oder BVGa-Verfahren beim erkennenden Gericht anhängig -widerspricht das Vorgehen des Beteiligten zu 2., nämlich die Anberaumung der Mitarbeiterdienstbesprechung auf den 25.06.1997 der gesetzlichen Forderung zur vertrauensvollen Zusammenarbeit (§§ 2 Abs. 1, 74 f. BetrVG).

15

Nach alledem liegt ein betriebsverfassungswidriger Zustand vor, der den Beseitigungsanspruch des Beteiligten zu 1. rechtfertigt. Auf ein Verschulden des Beteiligten zu 2., auf die Frage, ob der Vorstand des Beteiligten zu 2. sich weigert, an Betriebsversammlungen teilzunehmen sowie darauf, ob durch die Anberaumung der Mitarbeiterdienstbesprechung auf den 25.06.1997, 20.00 Uhr, Mitbestimmungsrechte gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 u. 3 BetrVG betroffen sind, kommt es deshalb nicht an.

16

Der Verfügungsgrund ist gegeben, da die vom Beteiligten zu 2. geplante Veranstaltung am 25.06.1997 und damit am Tag der gerichtlichen Anhörung stattfinden soll.

17

2.

Der zweite Hauptantrag ist unbegründet. Ein Verfügungsanspruch des Beteiligten zu 1. dahingehend, alle Beschäftigten unverzüglich über die Absage der Mitarbeiterdienstbesprechung zu informieren, besteht nicht. Eine Anspruchsgrundlage dafür ist nicht ersichtlich. Der Beteiligte zu 2. wird bereits im eigenen Interesse, nämlich um keinen Arbeitsentgelt- oder Aufwendungsersatzansprüchen seiner Mitarbeiter ausgesetzt zu sein, die geforderte Information vornehmen. Insoweit war der Antrag deshalb zurückzuweisen.

18

3.

Die Androhung des Ordnungsgeldes folgt aus § 890 ZPO, wobei die Kammer in Anbetracht der Sachlage ein solches in Höhe von DM 150.000,00 für angemessen und ausreichend erachtet hat.