Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 18.12.1991, Az.: III 540/85

Schenkung unter Leistungs- und Duldungsauflage; Nichtabzugsfähigkeit des Kapitalwertes einer Duldungsauflage; Zinsloser Stundungsanspruch nach dem Erbschaftssteuerecht als untrennbarer Bestandteil der Steuerfestsetzung; Schenkungssteuer in Bezug auf freigiebige Zuwendungen; Zu erbringende Sach- und Dienstleistungen im Rahmen des Altenteils

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
18.12.1991
Aktenzeichen
III 540/85
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1991, 15307
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1991:1218.III540.85.0A

Fundstellen

  • EFG 1993, 89 (amtl. Leitsatz)
  • HFR 1993, 285 (Volltext mit amtl. LS)
  • UVR 1993, 87

Amtlicher Leitsatz

Schenkung unter Leistungsauflage und Duldungsauflage: Ermittlung des Kapitalwerts der Duldungsauflage bei Anwendung des§ 25 ErbStG.

Ist der Kapitalwert einer Duldungsauflage (hier: lebenslanges Wohnrecht) ausnahmsweise wegen der Regelung des § 25 Abs. 1 Satz 1 ErbStG nicht als Last abzugsfähig, so ist die hierauf entfallende Steuer gem. § 25 Abs. 1 Satz 2 ErbStG bis zum Erlöschen der Belastung zinslos zu stunden (Anschluss an BFH-Urteil vom 12. April 1989 II R 37/87, BFHE 156, 244 BStBl II 1989, 524). Bei der im Rahmen einer Verhältnisrechnung erforderlichen Ermittlung des Verkehrswerts der Bereicherung des Beschenkten ist der Verkehrswert der Duldungsauflage vom Verkehrswert der Leistung des Schenkers abzuziehen. Entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung in den Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder vom 9. November 1989 (BStBl I 1989, 445) ist § 16 BewG hierbei nicht anwendbar.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die schenkungsteuerliche Bewertung eines Hofüberlassungsvertrages.

2

Der Kläger sowie seine beiden Geschwister schlossen am 28. Mai 1984 mit ihrer Mutter einen als"Hofesübergabe-, Altenteils- und Abfindungsvertrag" bezeichneten notariell beurkundeten Vertrag ab. Hiernach verpflichtete sich die Mutter, dem Kläger ihren 92, 47, 96 ha großen Hof (Einheitswert des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes: 251.384,00 DM) sowie weiteres Grundvermögen (140 v.H. des Einheitswertes: 205.380,00 DM) zu übertragen. Mitübertragen wurden Geschäftsanteile an der ... Bank E (gemeiner Wert: 1.000,00 DM), Aktien (gemeiner Wert: 92.258,00 DM) sowie Kapitalforderungen in Höhe von 35.512,00 DM. Im Gegenzug verpflichtete sich der Kläger gegenüber seiner Mutter zur Leistung eines lebenslänglichen Altenteils in Gestalt einer monatlichen Rente sowie weiterer Sach- und Dienstleistungen (Jahreswert: 30.495,00 DM) und zur Gewährung eines Wohnrechts an der 1. Etage des Altenteilerhauses (Jahreswert: 3.400,00 DM). Außerdem verpflichtete sich der Kläger gegenüber seinen beiden Geschwistern zur Zahlung einer Abfindung von je 90.000,00 DM.

3

Das beklagte Finanzamt (FA) setzte hierfür mit Bescheid vom 25. Februar 1985 gegen den Kläger Schenkungsteuer in Höhe von 25.074,00 DM fest. Der Bescheid erging gemäß § 164 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Den Wert des steuerpflichtigen Erwerbs in Höhe von 358.200,00 DM (= 448.263,00 DM ./. 90.000,00 DM Freibetrag) ermittelte es entsprechend den gleich lautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder vom 10. Februar 1983 (BStBl I 1983, 238) wie folgt:

Einheitswert des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens 251.348,00 DM

Einheitswert des Grundvermögens 205.380,00 DM

übriges Vermögen 69.112,00 DM

----------

= Steuerwert der Leistung der Schenkerin 525.876,00 DM

Verkehrswert der Leistungen der Schenkerin = 3.520.000,00 DM

davon ab Verbindlichkeiten 236.556,00 DM

Kapitalwert Altenteil (Jahreswert 25.000 x 11,318) 282.950,00 DM

------------

Abzüge insgesamt 519.506,00 DM

Verkehrswert der Bereicherung des Beschenkten = 3.000.494,00 DM

Nach der Formel:

Steuerwert der Leistung x Verkehrswert der Bereicherung des Schenkers des Beschenkten

-------------------------------------------------------

Verkehrswert der Leistung des Schenkers

525.876,00 DM x 3.000.494,00 DM

-------------------------

3.520.000,00 DM

ergab dies einen Steuerwert der freigebigen Zuwendung von 448.263,00 DM

4

Im Einspruchsverfahren trug der Kläger vor, das FA könne sich bei seiner Wertermittlung nicht auf das BFH-Urteil vom 21. Oktober 1981 II R 176/78 (BStBl II 1982, 83) berufen, da diese Entscheidung nur gemischte Schenkungen betreffe. Im vorliegenden Fall handele es sich hingegen um eine Auflagenschenkung, die nach der Rechtsprechung des BFH als Vollschenkung anzusehen sei mit der Folge, dass sämtliche Auflagen in vollem Umfang abzugsfähig seien. Das FA wies den Einspruch mit Einspruchsbescheid vom 5. August 1985 als unbegründet zurück. Hierbei erhöhte es - nach vorangegangenem Hinweis auf die Verböserung - die Schenkungsteuer auf 30.907,50 DM, indem es nunmehr statt des Nennwertes den gemeinen Wert der Aktien zu Grunde legte. Der Vorbehalt der Nachprüfung blieb bestehen.

5

Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage. Der Kläger verweist auf das zwischenzeitlich ergangene BFH-Urteil vom 12. April 1989 II R 37/87 (BStBl II 1989, 524), wonach bei einer Schenkung unter Auflage die dem Bedachten auferlegten Aufwendungen (Leistungsauflagen) von den ihm obliegenden Duldungspflichten zu unterscheiden seien. Zwar schließe§ 25 Abs. 1 Erbschaftsteuergesetz 1974 (ErbStG) einen Abzug der mit der Duldungsauflage (Wohnrecht) in Zusammenhang stehenden Last insoweit aus; jedoch sei die Steuer, die auf den Kapitalwert des Wohnrechts entfalle, gemäß § 25 Abs. 1 Satz 2 ErbStG zinslos zu stunden. Hierbei müsse das Wohnrecht mit dem Verkehrswert ohne die in§ 16 Bewertungsgesetz (BewG) vorgesehene Begrenzung des Jahreswertes bewertet werden.

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Der Kläger beantragt,

die Schenkungsteuer auf der Grundlage der mit Schriftsatz vom 2. Oktober 1991 mitgeteilten Zahlen (Jahreswert der Duldungsauflage: 3.400,00 DM, Jahreswert der Leistungsauflagen: 30.495,00 DM) unter Berücksichtigung der im BFH-Urteil II R 37/87 entwickelten Grundsätze festzusetzen und dabei die Duldungsauflage (Wohnrecht) mit dem Verkehrswert und nicht unter Berücksichtigung des § 16 BewG anzusetzen.

7

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen, d.h. die Duldungsauflage von § 16 BewG zu bemessen.

8

Es erkennt nunmehr an, dass die Schenkungsteuer entsprechend dem BFH-Urteil II R 37/87 in Verbindung mit dem MF-Erlass vom 9. November 1989 (BStBl I 1989, 445) zu berechnen sei. Entsprechend der Anweisung in Tz. 3.2 und 3.3 des MF-Erlasses sei jedoch die zu vollziehende Duldungsauflage als Last mit ihrem Kapitalwert gemäß §§ 13 - 16 BewG abzuziehen, soweit § 25 Abs. 1 ErbStG dem nicht entgegenstehe. Demzufolge sei im Streitfall der Jahreswert des Wohnrechts zu Recht gemäß § 16 BewG auf den 18. Teil des Einheitswerts der genutzten Wohnung begrenzt worden.

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Wegen des Weiteren Vorbringens der Beteiligten verweist der Senat auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze, auf die beim FA geführte Schenkungsteuerakte (Az.: ...) sowie auf die Niederschriftüber die mündliche Verhandlung.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist teilweise begründet.

11

1.

Es handelt sich im vorliegenden Fall um eine Anfechtungsklage im Sinne von § 40 Abs. 1 1. Halbsatz Finanzgerichtsordnung (FGO), da der Stundungsanspruch gemäß § 25 Abs. 1 Satz 2 ErbStG untrennbarer Bestandteil der Steuerfestsetzung ist und das Anfechtungsbegehren des Klägers, die Steuer nach § 25 Abs. 1 Satz 1 ErbStG anderweitig festzusetzen, zugleich das Begehren beinhaltet, den festgesetzten Betrag ganz oder teilweise nach Maßgabe des § 25 Abs. 1 Satz 2 ErbStG zu stunden (s. BFH-Urteil II R 37/87).

12

2.

Zu Recht gehen die Beteiligten nunmehr davon aus, dass es sich bei dem streitigen Hofüberlassungsvertrag zivilrechtlich um eine Schenkung unter Auflage im Sinne von § 525 BGB handelt, die als freigebige Zuwendung gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG der Schenkungsteuer unterliegt, soweit der Kläger auf Kosten der Zuwendenden bereichert ist.

13

Nach dem BFH-Urteil II R 37/87, dem sich der Senat anschließt, ist hierbei zwischen sog. Leistungs- und Duldungsauflagen zu differenzieren. Leistungsauflagen sind wie Gegenleistungen bei der gemischten Schenkung zu behandeln mit der Folge, dass der Beschenkte insoweit nicht im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG auf Kosten des Zuwendenden bereichert ist. Duldungsauflagen hingegen sind grundsätzlich durch Abzug der Last zu berücksichtigen, soweit § 25 Abs. 1 ErbStG dies nicht ausschließt.

14

Im Streitfall handelt es sich bei den vom Kläger gegenüber seiner Mutter zu erbringenden Sach- und Dienstleistungen im Rahmen des Altenteils um Leistungsauflagen im Sinne der BFH-Rechtsprechung, deren Jahreswert (ohne das Wohnrecht) unstreitig 345.142,00 DM (30.495,00 DM x 11,318 Vervielfältiger) beträgt. Gleiches gilt für die sonstigen vom Kläger im Zusammenhang mit der Hofüberlassung übernommenen Verbindlichkeiten in Höhe von 236.556,00 DM (= Darlehen, Abfindungen an seine beiden Geschwister sowie sonstige Verbindlichkeiten).

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Demgegenüber handelt es sich bei dem der Mutter eingeräumten Wohnrecht um eine Duldungsauflage im Sinne der o. a. Rechtsprechung, denn der Kläger ist einerseits zur Leistung des versprochenen Altenteils verpflichtet und hat andererseits den Gebrauch der Sache durch die Altenteilerin zu dulden. Zwar ist diese Last, die in der vorübergehenden Einschränkung des ansonsten mit der Rechtsübertragung verbundenen vollen Nutzungsrechts besteht, grundsätzlich abzugsfähig; im vorliegenden Fall steht einem Abzug jedoch § 25 Abs. 1 ErbStG entgegen.

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Die Schenkungsteuer war daher nach der o. a. Formel wie folgt zu ermitteln:

Steuerwert der Leistung des Schenkers 585.534,00 DM

Verkehrswert der Leistung der Schenkerin 3.648.770,00 DM

Verkehrswert der Bereicherung des Klägers 3.067.072,00 DM

(= 3.648.770,00 DM)

./. 236.556,00 DM Schulden

./. 345.142,00 DM Jahreswert des Altenteils ohne Wohnrecht

585.534 x 3.067.072

-------------------

3.648.770 = 492.186,00 DM

Freibetrag 90.000,00 DM

-------------

= 402.186,00 DM

abgerundet 402.100,00 DM

7,5% Schenkungsteuer = 30.157,00 DM

17

3.

Die Klage ist auch zum Teil begründet, soweit der Kläger die teilweise Stundung der Schenkungsteuer begehrt. Denn nach§ 25 Abs. 1 ErbStG ist der Erwerb von Vermögen, dessen Nutzungen dem Schenker zustehen, ohne Berücksichtigung dieser Belastung zu besteuern. Die Steuer, die auf den Kapitalwert dieser Belastung entfällt, ist jedoch bis zu deren Erlöschen zinslos zu stunden. Den Kapitalwert des Wohnrechts hat der Senat wie folgt ermittelt:

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Jahreswert der Belastung (= ertragsteuerlicher Wert des Wohnrechts 3.400,00 DM x 11,318 Vervielfältiger = Kapitalwert 38.481,00 DM.

19

Hierbei hat der Senat den zwischen den Beteiligten unstreitigen Verkehrswert des Wohnrechts zu Grunde gelegt. Entgegen der Ansicht des FA hält das Gericht die nach § 16 BewG vorgesehene Begrenzung des Jahreswerts des Wohnrechts auf ein 18tel des Steuerwerts der Wohnung im vorliegenden Fall für nicht gerechtfertigt. Diese Vorschrift soll verhindern, dass auf Grund der zu niedrigen Einheitswerte des Grundbesitzes der Wert der Nutzungen eines Wirtschaftsgutes wesentlich höher ist als der steuerliche Wert des genutzten Wirtschaftsgutes selbst, sodass nach Abzug des Kapitalwerts steuerlich häufig keine Bereicherung mehr verbleibt (vgl. Troll, Kommentar zum BewG und VStG, 15. Aufl., § 16 Anm. 7). Diese Fallkonstellation ist vorliegend jedoch nicht gegeben. Da es sich im Streitfall um eine Schenkung handelt, die zum Teil mit Leistungsauflagen belastet ist, besteht die Bereicherung im Unterschied zwischen dem Verkehrswert des zugewendeten Vermögens und dem Verkehrswert der von der Schenkerin angeordneten (Leistungs-) Auflagen sowie der vom Kläger übernommenen Verbindlichkeiten. Diese ist entsprechend der o. a. Berechnungsformel zu ermitteln (vgl. Tz. 1 - 3 des MF-Erlasses). Zwar ist die Duldungsauflage wegen§ 25 ErbStG grundsätzlich nicht abziehbar; gleichwohl ist sie jedoch für die Anwendung des § 25 ErbStG, d.h. für die Ermittlung der zinslos zu stundenden Steuer, soweit sie auf den Kapitalwert des Wohnrechts entfällt, von Bedeutung. Das heißt, da der Verkehrswert der Bereicherung des Klägers unter Einbeziehung des Verkehrswerts des Wohnrechts zu ermitteln ist. Da diese Berechnungsweise einerseits dem Umstand Rechnung trägt, dass der Einheitswert nicht dem Verkehrswert entspricht, erscheint es andererseits nur folgerichtig, im Rahmen der Verhältnisrechnung den Verkehrswert des Wohnrechts vom Verkehrsrecht der Leistung des Schenkers abzuziehen, ohne hierbei § 16 BewG anzuwenden. Hiervon dürfte auch der BFH in seinem Urteil II R 37/87 ausgegangen sein, wenn er bei der Ermittlung des Jahreswerts des Wohnrechts den ertragsteuerlichen Wert des Wohnrechts zu Grunde gelegt hat (s. BStBl II 1989, 524, 527 [BFH 12.04.1989 - II R 37/87] unter 5.). Die vom Senat gewählte Berechnung unterscheidet sich im Ergebnis allerdings nur geringfügig von der Berechnungsmethode des FA, da sich der Wert des Bruttoerwerbs im gleichen Verhältnis verändert wie der Kapitalwert des Wohnrechts.

20

Ermittlung des Verkehrswerts der Bereicherung des Klägers für die Anwendung des § 25 ErbStG:

3.648.770,00 DM Verkehrswert der Leistung der Schenkerin

./. 236.556,00 DM Schulden

./. 345.142,00 DM Jahreswert des Altenteils ohne Wohnrecht

./. 38.481,00 DM Jahreswert des Wohnrechts

------------

3.028.591 Verkehrswert der Bereicherung des Klägers

585.534 x 3.028.591

-------------------

3.648.770 = 486.011,00 DM Bruttoerwerb

./. 90.000,00 DM Freibetrag

----------

396.011,00 DM

396.000,00 DM abgerundet

7% Schenkungsteuer = 27.720,00 DM

Steuer bisher = 30.157,00 DM

zinslos zu stunden 2.437,00 DM

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO. Hierbei ist das Gericht davon ausgegangen, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung den Antrag gestellt hat, die Schenkungsteuer auf 30.157,00 DM festzusetzen, wovon 4.698,00 DM zinslos zu stunden sind, sodass 25.459,00 DM zu zahlen wären (Bruttoerwerb 492.186,00 DM ./. 38.481,00 DM Wohnrecht ./. 90.000,00 DM Freibetrag = 363.700,00 DM abgerundet, davon 7% Schenkungsteuer = 25.459,00 DM).

Streitwertbeschluss:

Die Streitwertermittlung erfolgte nach den Grundsätzen des BFH-Urteils IV 311/62 (BStBl II 1968, 534).