Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 02.09.1991, Az.: III 28/91

Bekanntgabe eines Grunderwerbsteuerbescheides ; Grundstückschenkungen unter lebenden im Sinne des Erbschaftsteuergesetzes und Schenkungsteuergesetzes; Schenkung eines Geldbetrages für den Erwerb eines Kaufgrundstückes

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
02.09.1991
Aktenzeichen
III 28/91
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1991, 17378
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1991:0902.III28.91.0A

Fundstelle

  • EFG 1992, 292-293 (Volltext mit amtl. LS)

Verfahrensgegenstand

Grunderwerbsteuer

Prozessführer

...

Prozessgegner

Finanzamt ...

Der III. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts hat
ohne mündliche Verhandlung in der Sitzung vom 2. September 1991,
an der mitgewirkt haben:
1. Vorsitzender Richter am Finanzgericht ...
2. Richter am Finanzgericht ...
3. Richter am Finanzgericht ...
4. ehrenamtlicher Richter ...
5. ehrenamtlicher Richter ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darum, ob der Kl. ein Grunderwerbsteuerbescheid wirksam bekanntgegeben worden und ob ein Erwerbsvorgang gem. § 3 Nr. 2 Grunderwerbsteuergesetz - GrEStG - von der Besteuerung ausgenommen ist.

2

Unter dem 19. Mai 1988 teilte der Prozeßbevollmächtigte der Kl. dem beklagten Finanzamt - FR - unter dem Betreff der seinerzeitigen Steuernummer der Kl. und ihres Ehemannes mit, daß er das Steuerberatungsmandat für die Kl. und deren Ehemann übernommen habe. Er bat zugleich unter Hinweis auf § 80 Abs. 3 Abgabenordnung - AO - darum, Schriftwechsel betreffend seine Mandanten ausschließlich mit ihm zu führen. Die diesem Schreiben beigefügte, von der Kl. und ihrem Ehemann unterzeichnete und mit deren Steuernummer versehene Vollmacht erstreckte sich auf die Vertretung durch den Prozeßbevollmächtigten der Kl. "in allen Steuerangelegenheiten"; Steuerbescheide und alle sonstigen Verwaltungsakte waren ausschließlich dem Bevollmächtigten bekanntzugeben.

3

Die Kl. erwarb mit notariellem Grundstückskaufvertrag vom 16. Juli 1990 von I. und H. K. das bebaute Flurstück ... der Flur der Gemarkung D. - im folgenden: Kaufgrundstück - zu einem Kaufpreis von 370.000 DM. In einem bereits am 14. Juli 1990 geschlossenen Schenkungsvertrag hatte E. G. der Kl. einen Geldbetrag von 370.000 DM mit der Auflage geschenkt, diesen Geldbetrag nur für den Erwerb des Kaufgrundstücks zu verwenden. Das beklagte Finanzamt - FR - setzte für den Erwerbsvorgang aus dem Grundstückskaufvertrag vom 16. Juli 1990 durch einen an die Kl. gerichteten Bescheid vom 13. August 1990, der am selben Tage zur Post gegeben worden war, Grunderwerbsteuer von 7.400 DM gegen die Kl. fest. Mit Schreiben vom 5. Oktober 1990 legte der Prozeßbevollmächtigte der Kl. - der den Bescheid vom 13. August 1990 am 24. September 1990 von der Kl. erhalten hatte den Schenkungsvertrag vom 14. Juli 1990 vor und beantragte die Änderung des Grunderwerbsteuerbescheides nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO. Zur Begründung führte er aus: Der Bescheid vom 13. August 1990 sei mit Rücksicht auf die ihm erteilte Bekanntgabevollmacht nicht wirksam bekanntgegeben worden. Der angegriffene Grunderwerbsteuerbescheid sei im übrigen unter Berücksichtigung des Schenkungsvertrags vom 14. Juli 1990 wegen Verstoßes gegen § 3 Nr. 2 GrEStG nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO zu ändern. Das FA behandelte den Änderungsantrag der Kl. als Einspruch, den es durch Bescheid vom 4. Januar 1991 wegen Versäumung der Rechtsbehelfsfrist als unzulässig zurückwies. Es führte zur Begründung aus, daß der angegriffene Grunderwerbsteuerbescheid wirksam zugestellt worden sei. Dem stehe die erteilte Bekanntgabevollmacht nicht entgegen, weil diese zu der Einkommensteuerakte der Kl. eingereicht worden sei und der Grunderwerbsteuerstelle die Kenntnis eines anderen Sachgebietes nicht zugerechnet werden könne. Im übrigen lägen die Voraussetzungen einer Grunderwerbsteuerbefreiung gem. § 3 Nr. 2 GrEStG nicht vor, weil die Schenkung des Geldbetrages und der Grundstückserwerb jeweils getrennte und für sich jeweils steuerpflichtige Vorgänge darstellten.

4

Hiergegen richtet sich die Klage. Die Kl. ist unter Hinweis auf den Wortlaut der ihrem Prozeßbevollmächtigten erteilten Vollmacht der Auffassung, daß sich die Bekanntgabevollmacht auf alle Steuerangelegenheiten - und nicht, wie vom FA angenommen, lediglich auf die Einkommensteuer - erstreckt habe. Die Angabe der Steuernummer in der Vollmacht und in dem Schreiben ihres Prozeßbevollmächtigten vom 19. Mai 1988 stehe dem nicht entgegen, weil diese Angabe nur zur Erleichterung der Weiterleitung der erteilten Bekanntgabevollmacht innerhalb des FA erfolgt sei. In materiellrechtlicher Hinsicht räume § 3 Nr. 2 GrEStG der Erbschaft- und Schenkungsteuer den Vorrang vor der Grunderwerbsteuer ein. Diese Bestimmung knüpfe nach ihrem Wortlaut an den Grunderwerb "im Sinne des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes" an, so daß sich der Erwerb nach erbschaftsteuer- und schenkungsteuerlichen Grundsätzen bemesse. Der von ihr entsprechend der Schenkungsabrede vom 14. Juli 1990 durchgeführte Erwerb des Kaufgrundstücks sei im schenkungsteuerlichen Sinne als Grundstücksschenkung zu behandeln und demgemäß nach § 3 Nr. 2 GrEStG grunderwerbsteuerfrei. Dies folge ferner aus dem rechtlichen Zusammenhang von Grundstückskauf- und Schenkungsvertrag, so daß grunderwerbsteuerlich die Schenkung des Grundstücks den Gegenstand des Erwerbsvorgangs darstelle.

5

Die Kl. beantragt sinngemäß,

die Grunderwerbsteuer unter Änderung des Grunderwerbsteuerbescheides vom 13. August 1990 und des Einspruchsbescheides vom 4. Januar 1991 auf 0 DM festzusetzen.

6

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

7

Es hält an der im Einspruchsverfahren vertretenen Auffassung fest und führt ergänzend aus: Eine Erstreckung der Bekanntgabevollmacht auch auf sämtliche nicht laufend zu veranlagenden Steuern führe wegen der dann notwendigen Überprüfung sämtlicher Grunderwerbsteuerpflichtigen auf eine etwaige Empfangsvollmacht in den Steuerakten anderer Sachgebiete zu einem unangemessen hohen Arbeitsaufwand.

8

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten verweist der Senat auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze sowie auf die beim FA geführte Grunderwerbsteuerakte (St.-Nr.: ...).

9

Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung vor dem Senat verzichtet.

Entscheidungsgründe

10

Die Klage ist unbegründet. Die angegriffenen Bescheide unterliegen nicht der Änderung gem. §§ 172, 173 Abs. 1 Nr. 2 AO.

11

1.

Der Senat neigt zu der Auffassung, daß hinsichtlich des angegriffenen Grunderwerbsteuerbescheides vom 13. August 1990 ein Bekanntgabemangel vorliegt und das FA demgemäß den Einspruch zu Unrecht wegen Versäumung der Rechtsbehelfsfrist als unzulässig verworfen hat. Zwar hat der Senat in seinem Urteil vom 23. Mai 1990 III 450/89, EFG 1990 S. 504, ausgeführt, daß die Erteilung einer Empfangsvollmacht für Grunderwerbsteuerbescheide eine gesonderte Mitteilung an das jeweils zuständige FA im Zusammenhang mit jedem einzelnen Erwerbsvorgang (z.B. durch entsprechenden Hinweis im Grundstückskaufvertrag) voraussetzt. Diese Rechtsauffassung des Senats hatte jedoch die Auslegung einer Bekanntgabevollmacht zum Gegenstand, die lediglich in einem Betriebseröffnungsbogen enthalten war und sich nur auf die laufend veranlagten Steuern erstreckte. Im Streitfall tritt hingegen eine im Auslegungswege festzustellende Beschränkung der Empfangsvollmacht auf die laufend veranlagten Steuern nicht klar hervor. Insbesondere ist eine solche Beschränkung - entgegen der Auffassung des FA - nicht der Angabe der im Betreff des Schreibens des Prozeßbevollmächtigten der Kl. vom 19. Mai 1988 sowie der beigefügten Vollmachtsurkunde angegebenen Steuernummer zu entnehmen. Denn der Angabe der Steuernummer kommt jedenfalls dann keine den Umfang einer Empfangsvollmacht einschränkende Bedeutung zu, wenn die Mitteilung über die Erteilung der Empfangsvollmacht unabhängig von bestimmten Steuerarten die allgemeinen Beziehungen des Steuerpflichtigen zum Finanzamt betrifft (BFH-Urteil vom 2. Oktober 1986 VII R 58/83 BFH-NV 1987, 482). Ein solcher Fall ist hier gegeben: Abgesehen davon, daß sich die vorgelegte Vollmachtsurkunde auf alle Steuerangelegenheiten der Kl. und ihres Ehemannes bezog, hatte der Prozeßbevollmächtigte der Kl. in seiner Mitteilung an das FA vom 19. Mai 1988 unter Hinweis auf § 80 Abs. 3 AO ausdrücklich gebeten, seine Mandanten betreffenden Schriftwechsel ausschließlich mit ihm zu führen. Bei einer solchen Sachlage kann das FA voraussichtlich nicht mit Erfolg geltend machen, daß seiner für die Bearbeitung des Grundsteuerfalls zuständigen Dienststelle die in den Steuerakten eines anderen Sachgebiets abgelegte Bekanntgabevollmacht nicht bekannt gewesen sei. Vielmehr dürfte dem FA die Verpflichtung oblegen haben, durch organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, daß alle die Kl. und ihren Ehemann betreffenden Verwaltungsakte gegenüber dem Empfangsbevollmächtigten bekanntgegeben wurden (BFH-Urteil vom 2. Oktober 1986, a.a.O.). Diese Verpflichtung erstreckte sich demgemäß auch auf von dem FA zu erlassende Grunderwerbsteuerbescheide gegen die Kl. Ein hiernach anzunehmender Bekanntgabemangel wurde sodann durch die Weitergabe des Grunderwerbsteuerbescheids an den Prozeßbevollmächtigten der Kl. am 24. September 1990 geheilt (BFH-Urteil vom 8. Dezember 1988 IV R 24/87, BStBl II 1989, 346), so daß eine Versäumung der Rechtsbehelfsfrist nicht in Betracht käme.

12

2.

Die vorbehandelte Rechtsfrage bedarf indes deshalb keiner abschließenden Entscheidung, weil die Klage bereits aus anderen Gründen keinen Erfolg hat. Denn der von der Kl. im Einspruchsverfahren vorgelegte Schenkungsvertrag vom 14. Juli 1990 erfüllt nicht die Voraussetzungen einer Änderung gem. §§ 172, 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO, weil dieser Schenkungsvertrag die Grunderwerbsteuerpflicht der Kl. aus dem Grundstückskaufvertrag vom 16. Juli 1990 unberührt läßt. Hinsichtlich dieses Grundstückskaufvertrages ist die Kl. zu Recht gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG zur Grunderwerbsteuer herangezogen worden. Dieser Grundstückserwerb war entgegen der Rechtsauffassung der Kl. - nicht gem. § 3 Nr. 2 GrEStG grunderwerbsteuerbefreit.

13

Nach der letztgenannten Vorschrift sind u.a. "Grundstückschenkungen unter lebenden im Sinne des Erbschaftsteuer und Schenkungsteuergesetzes" von der Besteuerung ausgenommen. Der Wortlaut dieser Vorschrift könnte es zwar als fraglich erscheinen lassen, ob eine Grundstückschenkung im vorgenannten Sinne auch die Grundstückschenkung durch Hingabe einer Geldsumme (sog. mittelbare Grundstückschenkung) und damit auch den Grundstückserwerb von einem Dritten durch den Bedachten mit ihm geschenkten Mitteln erfaßt. Die rechtssystematische Stellung des § 3 Nr. 2 GrEStG sowie die dieser Vorschrift zugrundeliegende Intention des Gesetzgebers läßt indes nur eine dahingehende Auslegung zu, daß ausschließlich die sich zwischen dem Schenker und dem Beschenkten vollziehende unmittelbare Grundstückschenkung grunderwerbsteuerbefreit ist (ebenso FG Münster, Urteil vom 31. Januar 1978 VIII - IV 1058/74 GrE, EFG 1978, S. 563; Boruttau-Egly-Sigloch, Grunderwerbsteuer, 12. Auflage 1986, § 3 Rn. 209; Petzoldt, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, 2. Auflage 1986, § 7 Rn. 59; Troll, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Stand Januar 1991, § 7 Rn. 109): Rechtssystematisch knüpft § 3 GrEStG an alle Tatbestände des § 1 GrEStG an und stellt diese Erwerbsvorgänge von der Grunderwerbsteuer frei (Boruttau-Egly-Sigloch, a.a.O. § 3 Rn. 12). Schon diesem rechtssystematischen Zusammenhang beider Vorschriften ist - entgegen dem insoweit mißverständlichen Wortlaut des § 3 Nr. 2 GrEStG - zu entnehmen, daß sich der jeweilige Erwerbsvorgang im Sinne des § 1 GrEStG als Grundstücksschenkung unter lebenden im Sinne des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes darstellen muß. Mithin reicht es zur Annahme einer Grunderwerbsteuerbefreiung gem. § 3 Nr. 2 GrEStG - wie im Falle einer mittelbaren Grundstücksschenkung - nicht aus, daß der Beschenkte mit den ihm vom Schenker zur Verfügung gestellten Mitteln ein Grundstück von einem Dritten erwirbt und schenkungsteuerlich im Verhältnis zwischen Schenker und Beschenktem das Grundstück - und nicht der hingegebene Geldbetrag - als zugewendet anzusehen ist. Denn der Erwerbsvorgang im Sinne des § 1 GrEStG vollzieht sich nicht zwischen dem Schenker und dem Beschenkten, sondern ausschließlich in dem - hier durch den Grundstückskaufvertrag vom 16. Juli 1990 verwirklichten - Rechtsverhältnis zwischen dem Beschenkten und dem das Grundstück veräußernden Dritten. Eine Steuerbefreiung gem. § 3 Nr. 2 GrEStG ist folglich nur dann zu gewähren, wenn der Erwerbsvorgang im Sinne des § 1 GrEStG unmittelbar im Verhältnis zwischen dem Schenker und dem Beschenkten vollzogen wird.

14

Die damit im Falle der mittelbaren Grundstücksschenkung - wie hier - eintretende Doppelbelastung des Beschenkten mit Schenkungsteuer hinsichtlich der zum Grundstückserwerb zur Verfügung gestellten Geldmittel und mit Grunderwerbsteuer hinsichtlich des mit dem Dritten geschlossenen Grundstückskaufvertrag verstößt auch nicht gegen das mit § 3 Nr. 2 GrEStG verfolgte Ziel (vgl. BVerfG, Beschluß vom 15. Mai 1984 1 BvR 464/81 u.a., BStBl II 1984, 608; Boruttau-Egly-Sigloch a.a.O., § 3 Rn. 91, 261 ff), die Doppelbelastung des Erwerbes eines Vermögensgegenstandes mit Erbschaft- und Schenkungsteuer einerseits und Grunderwerbsteuer andererseits auszuschließen. Denn das Verbot einer solchen Doppelbelastung setzt tatbestandlich voraus, daß derselbe Erwerbsvorgang im Sinne des § 1 GrEStG sowohl der Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer als auch der Grunderwerbsteuer unterliegt. Diese Voraussetzungen sind - wie dargelegt - im Falle der mittelbaren Grundstücksschenkung nicht erfüllt. Die von der Kl. zur Begründung ihres abweichenden Rechtsstandpunktes herangezogene Rechtsprechung des BFH (u.a. BFH-Urteil vom 24. Januar 1990 II R 94/87 BStBl II 1990, 590) zum Gegenstand des Erwerbsvorgangs betrifft ausschließlich Fragen der Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer; dieser Rechtsprechung läßt sich folglich für die Auslegung des § 3 Nr. 2 GrEStG nichts entnehmen.

15

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung - FGO -.

16

Der Senat hat die Revision zugelassen, weil die Rechtssache im Hinblick auf die Auslegung des § 3 Nr. 2 GrEStG grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO in Verbindung mit Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs vom 8. Juli 1975, Bundesgesetzblatt I, S. 1861).