Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 05.03.1992, Az.: XI 319/91
Steuerbefreiung eines betrieblichen Schuldenerlasses; Steuerfreier Sanierungsgewinn; Voraussetzung der Sanierungseignung; Sanierungsabsicht; Zweckgerichtetheit des Schuldenerlasses; Begriff des Anlagevermögens
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 05.03.1992
- Aktenzeichen
- XI 319/91
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1992, 15662
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1992:0305.XI319.91.0A
Rechtsgrundlage
- § 3 Nr. 66 EStG
Fundstelle
- EFG 1992, 722-723 (Volltext mit amtl. LS)
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Ein Forderungsverzicht einer Gläubigerin führt nicht zur Steuerfreiheit des Sanierungsgewinns, wenn der Verzicht allein nicht geeignet ist, das Unternehmen zu retten bzw. es der Schuldnerin zu ermöglichen, das von ihr betriebene Unternehmen aufzugeben und sich schuldenfrei in das Privatleben zurückzuziehen.
- 2.
Der gleichzeitige Abschluss eines notariellen Vertrags, in dem sich die "Schuldnerseite" zur Zahlung eines Teilbetrags verpflichtet und ein Dritter ein notariell beurkundetes Schuldanerkenntnis mit Unterwerfungsklausel abgibt, steht der Sanierungseignung des Forderungsverzichts entgegen.
- 3.
Erlässt die Gläubigerin einen Teil der Verbindlichkeiten und erhält sie durch notariellen Vergleich einen weiteren Schuldner (Schuldanerkenntnis) sowie einen namhaften Teilbetrag der Außenstände, so hat sie den Forderungsverzicht nicht in Sanierungsabsicht ausgesprochen, sondern in der Absicht, den Schaden zu begrenzen.
- 4.
Liegen durch den Verkauf mehrerer Eigentumswohnungen innerhalb eines überschaubaren Zeitraums die Voraussetzungen des gewerblichen Grundstückshandels vor, so sind/waren die zur Veräußerung bestimmten Wohnungen Bestandteil des Umlaufvermögens. Der Verkauf von 6 Eigentumswohnungen innerhalb eines Geschäftsjahres lässt zumindest auf eine bedingte Veräußerungsabsicht schließen --auch hinsichtlich des restlichen Wohnungsbestandes-- der dann in den Folgejahren auch veräußert wurde.
Tatbestand
Streitig ist die Steuerbefreiung eines betrieblichen Schuldenerlasses gemäß § 3 Nr. 66 Einkommensteuergesetz (EStG) sowie die Frage, ob die von der Klägerin erworbenen Wohnungen zum Anlage- oder Umlaufvermögen ihres Gewerbebetriebs gehören.
Dem Rechtsstreit liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:
Die Kläger sind Eheleute. Die Klägerin erwarb mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 07.12.1982 von der Firma B GmbH in O, deren geschäftsführender Gesellschafter der Kläger ist, 15 in T, S-allee, gelegene Eigentumswohnungen mit den in den Kellergeschossen der Gebäude befindlichen Einstellplätzen und kompletten Einrichtungen. Die Finanzierung des gesamten Kaufpreises in Höhe von 3.035.880,25 DMübernahm die ... Handelsbank GmbH und Co. KG (HB) gegen Bestellung entsprechender Grundschulden.
Die Klägerin beauftragte die Firma n-GmbH, vertreten durch ihren Ehemann, den Kläger, mit der Vermietung der Wohnungen. Der zwischen der Klägerin und der n-GmbH abgeschlossene Besorgungsvertrag enthielt u.a. folgende Vereinbarung:
Der Vertrag wird ab 07.12.1982 geschlossen und verlängert sich automatisch um ein weiteres Vertragsjahr, solange die Wohnungen nicht verkauft werden. Mit Übernahme der Wohnung durch den Käufer endet der Mietvertrag für die entsprechende Wohnung.
Die Klägerin meldete zum 01.01.1983 bei der Stadt O einen Gewerbebetrieb an. Als Zweck des Unternehmens gab sie den "An- und Verkauf von Eigentumswohnungen" an. Verkauft wurden die mit o.g. Kaufvertrag erworbenen Wohnungen in folgender Reihenfolge:
eine Eigentumswohnung im Kalenderjahr 1982, 6 Eigentumswohnungen 1983, 2 Eigentumswohnungen 1984, 2 Eigentumswohnungen 1985 und 4 Eigentumswohnungen 1987.
Im August 1984 konnte die Klägerin die an die HB zu entrichtenden Zinsen nicht mehr abführen. Es wurden daher verschiedene Verhandlungen seitens des Klägers mit der HB geführt. Mit Datum vom 26.10.1985 schlossen die Kläger mit der HB eine Vereinbarung über einen Schuldenerlass in Höhe von 989.693,75 DM zu Gunsten der Klägerin.
Der Beklagte stellte auf Grund von Ermittlungen der Außenprüfung bei der J-Bank Hamburg, der Nachfolgerin der HB, fest, dass der Forderungsverzicht gegen Tilgung weiterer 880.000,00 DM seitens des Klägers gewährt worden war. Die HB hatte ihren Forderungsverzicht durch 450.000,00 DM Barunterlegung "Avaldeckungskonto Firma C Holding Ltd., B", und durch 200.000,00 DM Einzelwertberichtigung gedeckt.
Durch den Schuldenerlass in Höhe von rund 990.000,00 DM ist das zum 31.12.1984 ausgewiesene negative Kapital der Einzelfirma der Klägerin von rund 544.000,00 DM beseitigt worden, sodass sich zum 31.12.1985 unter Berücksichtigung eines Verlustes aus dem laufenden Geschäftsbetrieb von 137.000,00 DM ein positives Kapitalkonto von rund 250.000,00 DM ergab. Im Veranlagungsjahr 1986 ist ein weiterer Verlust von über 131.000,00 DM erzielt worden. Die Gewerbeabmeldung der Klägerin erfolgte zum 01.12.1986.
Mit ihrer Einkommensteuererklärung für das Kalenderjahr 1985 begehrten die Kläger die Steuerbefreiung gem.§ 3 Nr. 66 EStG für den betrieblichen Schuldenerlass in Höhe von 989.693,75 DM. Außerdem behandelte die Klägerin die im Kalenderjahr 1982 erworbenen Eigentumswohnungen als Anlagevermögen ihres Gewerbebetriebs und nahm entsprechende Absetzungen für Abnutzung (AfA) gem. § 7 EStG vor.
Nach Durchführung einer Außenprüfung lehnte der Beklagte die Berücksichtigung des begehrten steuerfreien Sanierungsgewinns ab, da der Schuldenerlass nicht ausgereicht habe, um auf Dauer die Erwerbsfähigkeit des Unternehmens wiederherzustellen. Außerdem gewährte der Beklagte nicht die von der Klägerin vorgenommenen Abschreibungen für die von ihr erworbenen Eigentumswohnungen.
Er erließ daher für die Jahre 1982 - 1985 geänderte Einkommensteuerbescheide und für das Jahr 1986 einen seiner Rechtsauffassung entsprechenden Steuerbescheid.
Gegen die Einkommensteuerbescheide der Jahre 1985 und 1986 wenden sich die Kläger im vorliegenden Verfahren. Sie sind der Auffassung, für das Streitjahr 1985 sei der Schuldenerlass in Höhe von 989.693,75 DM als steuerfreier Sanierungsgewinn zu berücksichtigen. Nach der neueren Rechtsprechung des BFH sei die Voraussetzung der Sanierungseignung auch dann gegeben, wenn der Schuldenerlass dazu diene, einem Unternehmen eine schuldenfreie Liquidation zu ermöglichen. Die HB als einzige Großgläubigerin habe einen erheblichen Schuldenerlass gewährt und habe dadurch den Gewerbebetrieb noch einige Jahre aufrechterhalten. Sie, die Klägerin, habe dann den Betrieb einstellen können, ohne dass finanzielle Verpflichtungen verblieben seien.
Für die von ihr im Jahre 1982 erworbenen Eigentumswohnungen seien die begehrten Abschreibungen zu gewähren. Denn es handele sich um Anlagevermögen. Die Wohnungen seien zunächst nicht zum Weiterverkauf bestimmt gewesen, sondern sollten als Ferienwohnungen genutzt werden. Entsprechende Anträge seien zum Zwecke der Grunderwerbsteuerbefreiung bei der Bezirksregierung ... eingereicht worden, denen auch entsprochen worden sei.
Die Kläger beantragen,
unter Aufhebung des Einspruchsbescheids vom 20.06.1991 und Änderung der Einkommensteuerbescheide 1985 und 1986 vom 10. bzw. 24.04.1991 den seitens der HB ausgesprochenen Schuldenerlass in Höhe von 989.693,75 DM als nach § 3 Nr. 66 EStG steuerfrei zu berücksichtigen und außerdem die Eigentumswohnungen dem Anlagevermögen des Betriebs der Klägerin zuzurechnen und die Einkommensteuer entsprechend herabzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Seiner Ansicht nach stellt der von der HB gewährte Schuldenerlass in Höhe von 989.693,75 DM keinen steuerfreien Sanierungsgewinn dar. Insbesondere habe eine Sanierungsabsicht der einzigen Gläubigerin nicht bestanden. Außerdem habe sich der Schuldenerlass nicht zur Sanierung des Betriebes geeignet.
Die von der Klägerin erworbenen Eigentumswohnungen gehörten nicht zu ihrem Anlage-, sondern zu ihrem Umlaufvermögen. Dies ergebe sich daraus, dass die Klägerin zumindest in bedingter Verkaufsabsicht die Wohnungen erworben und sie dann in der Folgezeit allesamt wieder veräußert habe.
Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung durch Vernehmung des Zeugen R. B. Beweis über die Umstände des Schuldenerlasses durch die seinerzeitige ... Handelsbank erhoben.
Hinsichtlich des Sachverhalts wird ergänzend Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der vorgelegten Steuerakten sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 5. März 1992.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
1.
Der von der HB gegenüber der Klägerin durch die Vereinbarung vom 26.10.1985 gewährte Schuldenerlass hat keinen steuerfreien Sanierungsgewinn ausgelöst.
Nach § 3 Nr. 66 EStG sind Erhöhungen des Betriebsvermögens, die dadurch entstehen, dass Schulden zum Zweck der Sanierung ganz oder teilweise erlassen werden, steuerfrei. Nach der Rechtsprechung des BFH sind Voraussetzungen hierfür, dass der bzw. die Gläubiger in der Absicht handeln, die geschäftliche und finanzielle Gesundung des Schuldners herbeizuführen, und dass der Schuldenerlass geeignet ist, das sanierungsbedürftige Unternehmen zu sanieren (Urteile vom 26. November 1980, I R 52/77, BStBl II 1981, 181; vom 28. Februar 1989, VIII R 303/84, BStBl II 1989, 711). Alle Voraussetzungen müssen im Zeitpunkt des Schuldenerlasses bzw. der Vereinbarung der Sanierungsmaßnahme gegeben sein (BFH-Urteil vom 22. November 1983 VIII R 14/81, BStBl II 1984, 472; Schmidt / Heinicke, EStG 10. Aufl.,§ 3 ABC Sanierungsgewinn Anm. a). Fehlt es an einer der Voraussetzungen, ist der Schuldenerlass kein solcher "zum Zwecke der Sanierung" und die Betriebsvermögensmehrung nicht steuerfrei
(BFH-Urteil vom 14. März 1990 I R 64/65, BStBl II 1990, 810).
Von seiner früheren Rechtsprechung, die Steuerfreiheit des Sanierungsgewinns setze stets voraus, dass der Schuldenerlass geeignet sei, das sanierungsbedürftige Unternehmen vor dem Zusammenbruch zu bewahren und wieder ertragsfähig zu machen (Urteile vom 22. Januar 1985, VIII R 37/84, BStBl II 1985, 50; vom 7. Februar 1985 IV R 177/83, BStBl II 1985, 504), ist der BFH nunmehr abgerückt. Nach seiner neueren Rechtsprechung ist das Merkmal der Sanierungseignung auch erfüllt, wenn es der Forderungserlass dem Einzelunternehmer ermöglicht, das von ihm betriebene Unternehmen aufzugeben, ohne von weiter bestehenden Schulden beeinträchtigt zu sein (Urteile jeweils vom 14. März 1990 I R 64/85, BStBl 1990, 810; I R 106/85, BStBl 1990, 813).
Im vorliegenden Fall fehlt es sowohl an der Sanierungseignung des ausgesprochenen Schuldenerlasses als auch an der Sanierungsabsicht der Gläubigerin der Klägerin, durch HB.
a)
Sanierungseignung ist nicht gegeben, da allein der Verzicht der HB auf die Forderung in Höhe von 989.693,75 DM nicht geeignet war, das Einzelunternehmen der Klägerin vor dem Zusammenbruch zu retten, bzw. allein diese Maßnahme es der Klägerin nicht ermöglicht hätte, das von ihr betriebene Unternehmen aufzugeben und sich schuldenfrei ins Privatleben zurückzuziehen.
Dieses war nur möglich durch das in der notariellen Vereinbarung vom 26.10.1985 zwischen den Klägern und der HB zusätzlich verabredete finanzielle Engagement des Klägers. Hiernach verpflichtete sich der Kläger, an die HB 880.000,00 DM zu zahlen, er trat insoweit der Schuld der Klägerin bei. Ein Teilbetrag in Höhe von 600.000,00 DM wurde sofort fällig und musste spätestens bis zum 15. November 1985 gezahlt werden.
Hinsichtlich des Restbetrags in Höhe von 280.000,00 DM gab der Kläger vereinbarungsgemäß am 26. Oktober 1985 ein notariell beurkundetes Schuldanerkenntnis mit Unterwerfungsklausel ab.
Erst durch das Zusammentreffen dieser beiden Maßnahmen, des Schuldbeitritts des Klägers und des Forderungsverzichts seitens der Bank, wurde letztlich eine ordentliche Abwicklung des Einzelunternehmens der Klägerin in der Folgezeit möglich.
Der in der mündlichen Verhandlung vom Kläger erhobene Einwand, er sei nur mehr oder weniger formal der Schuld seiner Ehefrau, der Klägerin, beigetreten, er sei jedoch nicht mit eigenen finanziellen Mitteln eingesprungen, sondern habe den gesamten Betrag von 880.000,00 DM aus dem Verkauf der restlichen Wohnungen und Einstellplätze, also aus Mitteln des Unternehmens der Klägerin beglichen, überzeugt nicht. Denn diese Argumentation lässt sich nicht mit den tatsächlichen Gegebenheiten in Einklang bringen.
Vier der Ferienwohnungen wurden erst 1987 verkauft, 2 zwar im Jahre 1985, es ist jedoch unklar, ob diese vor oder nach der zwischen der Klägerin und der HB getroffenen Vereinbarung vom 26.10.1985 veräußert worden sind. Der Rest der ursprünglich 15 Wohnungen war bereits bis 1984 verkauft worden. Hieraus folgt, dass der Kläger bis zum Zeitpunkt des Zahlungstermins für die 600.000,00 DM, dem 16. November 1985, im günstigsten Fall 2 Wohnungen verkauft haben kann, was jedoch eher fraglich erscheint. Diese eventuellen Verkäufe von 2 Wohnungen können auch im günstigsten Fall nicht einen Erlös von 600.000,00 DM erbracht haben.
Der Kläger hat also aus eigenen Mitteln und nicht nur aus dem Betriebsvermögen des Einzelunternehmens der Klägerin die finanziellen Verpflichtungen aus dem Vergleich mit der HB beglichen. Daraus folgt, dass allein der Forderungsverzicht der Bank nicht geeignet war, das Unternehmen der Klägerin zu sanieren.
b)
Die HB hat den Forderungsverzicht gegenüber der Klägerin nicht in Sanierungsabsicht ausgesprochen, sondern in der Absicht, den der Bank durch die Illiquidität der Klägerin entstandenen und noch bevorstehenden Schaden zu begrenzen.
Sanierungsabsicht ist die subjektive Tatbestandsvoraussetzung der Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 66 EStG. Sie ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetzeswortlaut, der auf die Zweckgerichtetheit des Schuldenerlasses abstellt. An das Vorliegen einer Sanierungsabsicht sind zwar keine strengen Aufforderungen zu stellen, der Gläubiger muss den Schuldenerlass nicht aus selbstlosen Motiven gewähren, doch muss die Sanierungsabsicht mitentscheidend gewesen sein
(BFH-Urteile vom 25. Oktober 1963 I 359/60 S, BStBl III 1964, 122; 26. November 1980 I R 52/77, BStBl II 1981, 181; 26 [BFH 19.09.1980 - VI R 161/77]. Februar 1988 VII R 257/84, BFH/NV 1989, 436 [BFH 26.02.1988 - III R 257/84]).
Aus den Vermerken der HB vom 23.08.1984 und 26.06.1985 über die mit dem Kläger geführten Gespräche über die desolate Liquiditätslage des Einzelunternehmens der Klägerin geht hervor, dass die Bank ausschließlich daran interessiert war, den ihr durch das Kreditengagement U. P. entstandenen Schaden möglichst gering zu halten. So enthält der Vermerk vom 23.08.1984 eine Berechnungen des Inhalts, dass die Bank bei einem seinerzeitigen Verzicht auf 600.000,00 DM ohne Schaden aus dem Kreditengagement U P herausgekommen wäre.
Im zweiten Aktenvermerk steht die Bank einem Vergleich mit den Klägern anscheinend sehr zurückhaltend gegenüber. Ein handschriftlicher Randvermerk vermutlich der Geschäftsleitung lautet"Hier sollte kein weiterer Vergleich angestrebt werden, es wurde hier früher schon zu viel verglichen." Stattdessen wird darauf gedrängt, dass die Klägerin ein persönliches Schuldanerkenntnis abgibt, da die Bank ansonsten nur im Wege der Zwangsversteigerung der Appartements vorgehen könne oder einen unter Umständen langwierigen und kostspieligen Prozess gegen die Klägerin anstrengen müsse.
Der Inhalt der beiden Aktenvermerke der HB und der objektive Inhalt der am 26.10.1985 getroffenen Vereinbarung zwischen den Klägern und der Bank spricht dagegen, dass die HB, die Gläubigerin, auf einen Teil ihrer Forderungen in Höhe von 989.693,75 DM verzichtet hat, um die Einzelfirma der Klägerin vor dem Zusammenbruch zu bewahren bzw. gar um der Klägerin zu ermöglichen, das von ihr betriebene Unternehmen aufzugeben, ohne von weiter bestehenden Schulden beeinträchtigt zu sein.
Auch die Aussage des Zeugen B hat den Senat nicht zu einer anderen Überzeugung gelangen lassen.
Zwar hat dieser ausgesagt, es habe damals seit mehreren Jahren Verhandlungen mit den klägerischen Unternehmen, insbesondere der B GmbH, gegeben, um die durch die Immobilienflaute entstandene Schieflage zu beseitigen, man habe auch die Klägerin "nicht unter die Räder kommen" lassen wollen. Doch muss die Aussage des Zeugen vor dem Hintergrund gesehen werden, dass er zum einen zu den konkreten Vergleichsverhandlungen betreffend die Einzelfirma der Klägerin und den Forderungsverzicht gegenüber der Klägerin nichts aussagen konnte, da er die HB bereits 1983 verlassen hatte.
Seine Aussage ergab zum anderen, dass wegen der Schwierigkeiten der B GmbH bereits seit Ende der siebziger Jahre ständig mit dem Kläger Gespräche geführt worden seien, auch sei der B GmbH gegenüber ein Forderungsverzicht seitens HB ausgesprochen worden. Eine Maßnahme zur "Sanierung" der B GmbH sei die Ausgliederung von 15 Appartements gewesen, die dann von dem Einzelunternehmen der Klägerin übernommen worden seien. Die Bank habe den Kauf dieser Wohnungen damals total fremdfinanziert, da der Erlös ihr sozusagen bei der B GmbH direkt wieder zugeflossen sei. Man habe auf diese Weise die Verbindlichkeiten der B GmbH um 3.000.000,00 DM reduzieren können und gleichzeitig einen weiteren Schuldner, die Klägerin, gewonnen.
Aus der Aussage folgt, dass im Grunde die Gründung des Einzelunternehmens der Klägerin und der Kauf der 15 Wohnungen von der B GmbH eine Sanierungsmaßnahme für die GmbH war, die insbesondere auch bankintern gern gesehen wurde. Denn die Bilanz der B GmbH sah nunmehr deutlich besser aus. Außerdem konnte dem Aufsichtsgremium ein weiterer Schuldner, die Klägerin, präsentiert werden, ohne dass sich das Kreditengagement der Bank bezüglich der klägerischen Unternehmen insgesamt erhöhte.
Aus alledem folgt, dass es der HB bei dem Forderungsverzicht gegenüber der Klägerin allein darum ging, den Schaden der Bank aus dem Kreditengagement soweit wie möglich zu begrenzen. Deshalb hat die HB"im Gegenzug" auf einer sofortigen Erfüllung bzw. Sicherung ihrer weiteren Forderung in Höhe von 880.000,00 DM bestanden.
2.
Für die von der Klägerin erworbenen Ferienwohnungen ist keine Absetzung für Abnutzung (AfA) gem. § 7 EStG zu gewähren, da diese Wohnungen nicht zum Anlagevermögen des Einzelunternehmens der Klägerin gehörten.
Der Begriff des Anlagevermögens im Sinne von§ 6 EStG entstammt dem Handelsrecht (§§ 151 Abs. 1, 152 Abs. 1 Aktiengesetz). Anlagevermögen ist danach die Summe derjenigen Wirtschaftsgüter, die am Bilanzstichtag dazu bestimmt sind, dauernd dem Betrieb zu dienen
(BFH-Urteil vom 01.10.1970 V R 49/70, BStBl 1971, 34; vom 09.04.1981 IV R 24/78, BStBl II 1981, 481, 483; Herrmann / Heuer / Raupach, EStG, 19. Aufl., § 6 Anm. 253).
Die Begriffsmerkmale "bestimmt sein", "Gebrauch" und "dienen" lassen im Einzelfall sicherlich Zweifel über die Zurechnung eines Wirtschaftsguts zum Anlage- oder zum Umlaufvermögen bestehen (vgl. hierzu Herrmann / Heuer / Raupach, a.a.O.), zumal es keine selbstständige gesetzliche Begriffsbestimmung des Umlaufvermögens gibt. Diese wird nach herrschender Meinung und Rechtsprechung durch negative Abgrenzung umschrieben: Umlaufvermögen ist danach die Summe der Wirtschaftsgüter, die weder Anlagevermögen noch Rechnungsabgrenzungsposten sind (vgl. BFH-Urteil vom 09.04.1981 IV R 24/78, a.a.O.; Baumbach / Duden, Aktiengesetz, 13. Aufl., §§ 151, 152 Rz. 9; Herrmann / Heuer / Raupach, a.a.O.,§ 6 Rn. 258). Regelmäßig sind dies Wirtschaftsgüter, die bestimmungsgemäß dem Wechsel unterliegen, deren Zweck also im Verbrauch oder der Weiterveräußerung liegt.
Die von der Klägerin erworbenen Ferienwohnungen gehörten zum Umlaufvermögen ihres Einzelunternehmens, da sie erklärtermaßen zur Veräußerung bestimmt waren (vgl. Anmeldung zum Handelsregister) und darüber hinaus die von dem Unternehmen der Klägerin durchgeführte Veräußerungstätigkeit sogar die von der Rechtsprechung entwickelten Voraussetzungen für das Vorliegen eines so genannten gewerblichen Grundstückshandels erfüllt (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 26.11.1974 VIII R 61 - 62/73, BStBl II 1975, 352). Hieran ändert nichts, dass die Ferienwohnungen bis zu deren Veräußerung vermietet wurden.
Gewerblicher Grundstückshandel mit Eigentumswohnungen ist dann anzunehmen, wenn der Veräußerer die Wohnungen zuvor gekauft oder selbst errichtet hat und sie im engen zeitlichen Zusammenhang hiermit veräußert. Eine feste Verkaufsabsicht muss im Zeitpunkt des Erwerbs bzw. der Errichtung der Wohnungen nicht bestanden haben (BFH-Urteil vom 5. September 1990 X R 107 - 108/89, BStBl II 1990, 1060). Eine bedingte Veräußerungsabsicht reicht aus. Auf diese deutet ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen Erwerb und Veräußerung hin. Ein solcher enger zeitlicher Zusammenhang wird angenommen, wenn die Zeitspanne zwischen Erwerb bzw. Errichtung und dem Verkauf der Wohnungen nicht mehr als 5 Jahre beträgt
(BFH- Urteile vom 31. Januar 1980 IV R 13/76, BStBl II 318, vom 9. Dezember 1986, VIII R 317/82, BStBl 1988, 293; vom 22. März 1990, IV R 23/88, BStBl II 1990, 637; vom 5. September 1990 X R 107 - 108/89, BStBl 1990, 1060).
Der Einwand der Klägerin, sie habe die Wohnungen als Vermögensanlage gekauft und sie nur vermieten wollen, vermag nicht zuüberzeugen, denn die Klägerin hat direkt nach dem Erwerb der Wohnungen im Dezember 1982 am 01.01.1983 bei der Stadt Osnabrück einen Gewerbebetrieb angemeldet mit dem Gegenstand "An- und Verkauf von Eigentumswohnungen". Folgerichtig hat sie noch im Jahr 1982 eine Wohnung verkauft und im Folgejahr 1983 sogar sechs, insgesamt mithin innerhalb des ersten Geschäftsjahres schon fast die Hälfte ihres Bestandes. Die Zahlungsschwierigkeiten der Klägerin gegenüber der HB sind nach dem Vorbringen der Kläger erst ab August 1984 aufgetreten. Deshalb ist auch nicht anzunehmen, dass der Entschluss zum Verkauf der ersten sieben bzw. neun (sofern die beiden in 1984 veräußerten ebenfalls vorher verkauft worden sind) Wohnungen etwa erst durch die Zahlungsschwierigkeiten ausgelöst worden ist. Vielmehr sprechen dieäußeren Umstände für eine umgekehrte Kausalität: die Zahlungsschwierigkeiten sind entstanden, weil der Verkauf der Wohnungen ab 1984 schleppender verlief als von Anfang an geplant.
Die Verkaufsabsicht der Klägerin wird auch noch durch den mit der n-GmbH abgeschlossenen Besorgungsvertrag untermauert. Dieser wurde mit Datum des Erwerbs der Wohnungen, dem 07.12.1982, für ein Jahr abgeschlossen. Er sollte sich jeweils um ein weiteres Vertragsjahr verlängern, "solange" die Wohnungen nicht verkauft werden. Mit Übernahme der Wohnung durch den neuen Käufer"sollte" der Mietvertrag für die entsprechende Wohnung "enden".
Aus alldem folgt, dass die Ferienwohnungen zum Umlaufvermögen des Einzelunternehmens der Klägerin gehörten und die beantragte AfA daher nicht zu gewähren ist.
3.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).