Amtsgericht Nordenham
Urt. v. 27.01.2006, Az.: 3 C 308/05
Verjährung eines Anspruchs aus unerlaubter Handlung
Bibliographie
- Gericht
- AG Nordenham
- Datum
- 27.01.2006
- Aktenzeichen
- 3 C 308/05
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2006, 10418
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGNOHAM:2006:0127.3C308.05.0A
Rechtsgrundlagen
- § 195 BGB
- § 199 Abs. 1 BGB
- § 823 BGB
- § 852 BGB
In dem Rechtsstreit
hat das Amtsgericht Nordenham
auf die mündliche Verhandlung vom 20.01.2006
durch
den Richter am Amtsgericht Fischer
für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.)
Die Klage wird abgewiesen.
- 2.)
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
- 3.)
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Klägerin macht Ansprüche aus unerlaubter Handlung geltend.
Am 14. Juni 2001 fuhr die Beklagte In Nordenham mit einem bei der Klägerin haftpflichtversicherten Kraftfahrzeug mit einem Blutalkoholgehalt von 2,79 Promille auf ein anderes Fahrzeug auf. Am 07. September 2001 erklärte die Klägerin gegenüber der Beklagten, gemäß den allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung betrachte sie sich in Höhe eines Betrages von 5000,00 EUR als leistungsfrei und erwirkte am 30.03.2002 einen Vollstreckungsbescheid über 3.956,14 EUR gegen die Beklagte. Mit Strafbefehl des Amtsgerichts Nordenham vom 02. Januar 2002 wurde die Beklagte wegen fahrlässiger Rauschtat zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 20,00 EUR verurteilt. Auf den Inhalt der zu Informationszwecken beigezogenen Akte der Staatsanwaltschaft Oldenburg - 320 Js 27646/01 - wird Bezug genommen.
Am 14.2.2005 wurde über das Vermögen der Beklagten das Insolvenzverfahren eröffnet, in dem die Klägerin die titulierte Forderung als vorsätzliche unerlaubte und rechtswidrige Handlung anmeldete. Dieser Anmeldung widersprach die Beklagte.
Am 03. August 2005 ist die Klage vom 29. Juli 2005 eingegangen.
Die Klägerin beantragt
festzustellen, dass die als Nummer 6 der Insolvenztabelle angemeldete Forderung auf einer vorsätzlichen unerlaubten und rechtswidrigen Handlung der Beklagten beruht.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Unter anderem beruft sie sich auf Verjährung.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
Es kann dahinstehen, ob die angemeldete Forderung tatsächlich auf einer vorsätzlichen unerlaubten und rechtswidrigen Handlung der Beklagten beruht. Jedenfalls ist die Forderung verjährt.
Dies ergibt sich aus folgendem:
1.
Der Anspruch eines Geschädigten auf Feststellung, dass eine Forderung auf einer vorsätzlichen unerlaubten und rechtswidrigen Handlung des Gegners beruht, ist ein selbstständiger, im Recht der unerlaubten Handlungen wurzelnder Anspruch, der einer eigenen Verjährung nach den §§ 194 ff BGB unterliegt. Der Feststellungsanspruch kann gesondert neben Zahlungsansprüchen geltend gemacht werden, weil seine Titulierung den Gläubiger sowohl im Zwangsvollstreckungs- als auch im Insolvenzverfahren gegenüber anderen Gläubigern privilegiert, ohne dass ein derartiges Verfahren droht. Er steht unabhängig neben einem Zahlungsanspruch, dessen Titulierung allein nicht für die Bevorzugung des Gläubigers nach § 850 f Absatz 2 ZPO oder § 302 Ziffer 1 InsO ausreicht. Selbst wenn er prozessual nur als Nebenforderung anzusehen wäre, unterläge er einer eigenen Verjährung.
2.
Diese Verjährung ist eingetreten.
a)
Die Frist für die Verjährung des Anspruchs betrug gemäß § 195 BGB drei Jahre.
aa)
Dem steht nicht entgegen, dass der Anspruch vor dem 01. Januar 2002 entstanden ist. Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB finden die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchesüber die Verjährung in der seit dem 01. Januar 2002 geltenden Fassung auch auf die an diesem Tag bestehenden Ansprüche Anwendung. So verhält es sich hier.
bb)
Die Verjährungsfrist nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch in der seit dem 01. Januar 2002 geltenden Fassung ist auch nicht kürzer als nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch in der bis zu diesem Tag geltenden Fassung. Nach altem Recht galt für die Verjährung des unmittelbar aus § 823 BGB folgenden Anspruchs die Vorschrift des § 852 Abs. 1 BGB, wonach der Anspruch auf Ersatz eines aus einer unerlaubten Handlung entstandenen Schadens in drei Jahren von dem Zeitpunkt an verjährte, in welchem der Verletzte von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangte, ohne Rücksicht auf diese Kenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung an.
3.
Die Verjährungsfrist von drei Jahren begann spätestens am 07.09.2001, als die Klägerin der Beklagten mitteilte, sie betrachte sich als teilweise leistungsfrei.
a)
Aus dem Schreiben der Klägerin vom 07.09.2001 (Blatt 4 d.A.) ergibt sich, dass sie zu jenem Zeitpunkt Kenntnis von allen Umständen hatte, die erforderlich waren, um den jetzt eingeklagten Anspruch Erfolg versprechend, wenn auch nicht risikolos zu begründen und gerichtlich geltend zu machen. Ausweislich Blatt 40 der beigezogenen Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Oldenburg hatte die Klägerin am 22.08.2001 Einsicht in jene Akte beantragt und ausweislich ihres Schreibens vom 21. September 2001 auch erhalten. Damit lagen der Klägerin alle Tatsachen vor, die sie zur Begründung ihres Anspruchs benötigte und auf die allein sie nach wie vor ihren Anspruch stützt. Der Umstand, dass erst am 02. Januar 2002 Strafbefehl gegen die Beklagte erlassen worden ist, steht dem nicht entgegen, da dieser auf dieselben Tatsachen gestützt ist, die der Klägerin bereits im September 2001 bekannt waren.
b)
Die Verjährung begann bereits im September 2001 und nicht erst zum Ende des Jahres 2001. Zwar beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist gemäß § 199 Abs. 1 BGB erst mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden und der Gläubiger von dem den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 EGBGB bestimmt sich der Beginn der Verjährung jedoch im vorliegenden Fall nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch in der bis zu dem 01. Januar 2002 geltenden Fassung, mithin dem damals geltenden § 852 BGB.
4.
Der Verjährung des Anspruchs steht nicht entgegen, dass für die Klägerin erst in dem Moment ein praktisches Bedürfnis für dessen Geltendmachung bestand, als die Beklagte der Anmeldung des Anspruchs als Anspruch aus vorsätzlicher unerlaubter rechtswidriger Handlung im Jahre 2005 widersprach. Der Anspruch entstand bereits
in dem Moment, als es zur unerlaubten Handlung und nicht erst, als es zur Durchführung des Insolvenzverfahrens kam. Allein die Möglichkeit, dass dies einmal der Fall sein kann, rechtfertigt seine Entstehung und eröffnet das Rechtsschutzbedürfnis für seine gerichtliche Geltendmachung. Dies ist aus gutem Grunde der Fall. Entstünde der Feststellungsanspruch erst im Insolvenzverfahren, drohten in zahlreichen Fällen erhebliche Beweisschwierigkeiten für beide Seiten, wenn zwischen der unerlaubten Handlung und der Durchführung des Insolvenzverfahrens ein langer Zeitraum verstrichen ist. Es wäre zu befürchten, dass weder Gläubiger noch Schuldner in der Lage wären, die zur Herbeiführung einer gerechten Entscheidung notwendigen Beweismittel vorzulegen, da Zeugen keine Erinnerung mehr an einen lange zurückliegenden Haftungsfall hätten und Beweismittel wie Arztberichte, Gerichtsakten und Gutachten mittlerweile vernichtet wären und nicht mehr herangezogen werden könnten. Gerade dieser Belastung der Parteien, aber auch der Gerichte wollen die Verjährungsregelungen im Sinne des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit entgegenwirken.
Das Gericht verkennt nicht, dass es für Gläubiger wie die Klägerin einen erheblichen Verwaltungs- und Kostenaufwand bedeuten kann, wenn lediglich eine Frist von drei Jahren zur Verfügung steht, um Ansprüche aus unerlaubter Handlung insolventfest werden zu lassen. Dies wird auch für Sozialversicherungsträger gelten, wenn diese Ansprüche wegen vorenthaltender Arbeitnehmeranteile gemäß § 266 a StGB geltend machen wollen. Diese Interessen müssen jedoch hinter dem Allgemeininteresse an einer zügigen und zeitnahen Feststellung berechtigter Ansprüche zurücktreten.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 708 Ziffer 10, 711 ZPO.