Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 04.10.2013, Az.: 6 B 5958/13
Beförderung; Dienstpostenübertragung; Personalrat
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 04.10.2013
- Aktenzeichen
- 6 B 5958/13
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2013, 64435
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 9 BeamtStG
- Art 33 GG
- § 41 PersVG ND
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Ein sachlicher Grund, aus dem ein Bewerber für das angestrebte Amt nicht in Betracht kommt und vom Auswahlverfahren ausgeschlossen werden kann, kann darin liegen, dass dieser das erstrebte Amt bzw. die damit verbundene Funktion nicht alsbald wahrnehmen kann, etwa weil er dieses Amt letztlich nicht ausüben kann oder will (hier: Personalratstätigkeit).
Tenor:
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Gründe
Der nach § 123 Abs. 1 VwGO zu beurteilende Antrag des Antragstellers, der darauf gerichtet ist, der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, dem Beigeladenen den ausgeschriebenen Dienstposten der Stellenausschreibung H 05/2012 - lfd. Nr. 16 (DP 5802/A9 (1,0)) zu übertragen sowie dessen Einarbeitung auf diesem Dienstposten zu beginnen oder sonstige Maßnahmen bezüglich des Beigeladenen einzuleiten, die diesem einen „Leistungsvorsprung“ gegenüber ihm - dem Antragsteller - gewähren würden, der Antragsgegnerin aufzugeben, etwaige zugunsten des Beigeladenen bereits eingeleitete Maßnahmen rückgängig zu machen sowie es schließlich zu unterlassen, den Beigeladenen zu befördern, hat keinen Erfolg.
Der Antrag ist unzulässig. Es fehlt bereits am Rechtsschutzbedürfnis. Der Antragsteller ist seit dem 1. Mai 2008 zu 100 % vom Dienst freigestellt. Die nächsten Personalratswahlen finden in 2016 statt. Vor diesem Hintergrund steht fest, dass der Antragsteller den ausgeschriebenen Dienstposten, der zum 1. Dezember 2013 mit dem Beigeladenen besetzt werden soll, nicht besetzen und die entsprechenden Aufgaben nicht wahrnehmen kann. Wie sein Schreiben vom 18. Februar 2013 zudem zeigt, ist er auch nicht bereit, die Aufgaben des streitgegenständlichen Dienstpostens wahrzunehmen. Vor diesem Hintergrund kann das Gericht kein schützenswertes Interesse des Antragstellers daran erkennen, die Antragsgegnerin zu verpflichten, den hier streitgegenständlichen Dienstposten gleichsam auf Vorrat für den Antragsteller - und zwar über Jahre - freizuhalten.
Sein Hinweis im Schriftsatz vom 1. Oktober 2013, es sei nicht auszuschließen, dass er aufgrund verschiedener Einflüsse schon kurzfristig einen Teil seiner Personalvertretungsaufgaben und damit seine volle Freistellung verlieren könne, ist spekulativ und bleibt ohne Substanz. Seine dortigen Ausführungen bestätigen vielmehr, dass es ihm nur darum geht, den Dienstposten freizuhalten, damit er auf seinem Wunschdienstposten nach dem - in jeder Hinsicht ungewissen - Ende der Freistellung eingesetzt werden kann. Ein schützenwertes Interesse ist damit nicht dargetan.
Dem Antragsteller ist es auch nicht gelungen, einen Anordnungsgrund, also die Eilbedürftigkeit der begehrten gerichtlichen Entscheidung, glaubhaft zu machen. Seinem Vorbringen lässt sich nicht entnehmen, dass ihm ohne die erstrebte einstweilige Anordnung unzumutbare Nachteile drohen. Insbesondere ist für das mögliche Entstehen irreparabler Nachteile, beispielsweise in Form eines relevanten Erfahrungsvorsprungs des Beigeladenen, nichts ersichtlich. Unwidersprochen weist die Antragsgegnerin darauf hin, dass dem Antragsteller keine statusrechtlichen Nachteile im Hinblick auf seine eigenen Beförderungschancen entstehen, da er als vom Dienst freigestelltes Personalratsmitglied auch ohne vorherige Übertragung eines höherwertigen Dienstpostens befördert werden kann. Auf Ziffer 2.3 i.V.m. Ziffer 2.2 Buchstabe g) der Besonderen Beurteilungsrichtlinien für die Beamtinnen und Beamten der Laufbahnen der Fachrichtung Steuerverwaltung im Geschäftsbereich der Oberfinanzdirektion Niedersachsen (BRL-St) und auf Ziffer 4.1 der Richtlinien für die Übertragung höherwertiger Dienstposten und für die Beförderung in den niedersächsischen Steuerverwaltungen wird insoweit Bezug genommen.
Schließlich ist es dem Antragsteller nicht gelungen, einen Anordnungsanspruch, also sein gefährdetes Recht als Mitbewerber um den angestrebten Dienstposten, glaubhaft zu machen. Denn der Bescheid der Antragsgegnerin vom 18. Juli 2013, mit dem sie dem Antragsteller mitteilte, seine Bewerbung könne nicht berücksichtigt werden, ist offensichtlich rechtmäßig.
Nach Art. 33 Abs. 2 GG, § 9 BeamtStG hat jeder Deutsche nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Danach sind öffentliche Ämter nach Maßgabe des Leistungsgrundsatzes zu besetzen, dessen Geltung durch Art. 33 Abs. 2 GG unbeschränkt und vorbehaltlos gewährleistet wird. Art. 33 Abs. 2 GG vermittelt ein grundrechtsgleiches Recht auf leistungsgerechte Einbeziehung in die Bewerberauswahl unmittelbar nach Maßgabe von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung. Ein Bewerber um ein öffentliches Amt kann verlangen, dass seine Bewerbung nur aus Gründen zurückgewiesen wird, die durch den Leistungsgrundsatz gedeckt sind (Bewerbungsverfahrensanspruch). Der Bewerberauswahl dürfen nur Gesichtspunkte zugrunde gelegt werden, die den von Art. 33 Abs. 2 GG geforderten Leistungsbezug aufweisen. Ein Beförderungsbewerber hat dementsprechend einen Anspruch darauf, dass der Dienstherr über seine Bewerbung ermessens- und beurteilungsfehlerfrei entscheidet.
Es ist zulässig, bei einer Auswahl solche Bewerber auszuschließen, die die allgemeinen Ernennungsvoraussetzungen oder die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllen oder die dem Anforderungsprofil des zu besetzenden Dienstpostens von vornherein nicht genügen oder die aus sonstigen Gründen für das Amt nicht in Betracht kommen. Ein solcher sachlicher Grund, aus dem ein Bewerber für das Amt nicht in Betracht kommt, kann u. a. darin begründet sein, dass dieser das erstrebte Amt bzw. die damit verbundene Funktion nicht alsbald oder nicht für eine angemessene Zeit wahrnehmen kann bzw. wird, etwa weil er dieses letztlich nicht ausüben kann oder will.
Im Rahmen des dem Dienstherrn zustehenden weit gespannten Organisationsermessens handelt es sich auch um ein sachgerechtes Kriterium, wenn er zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der Verwaltung bzw. bestimmter Verwaltungsaufgaben hinsichtlich bestimmter Stellen (besonderen) Wert auf die vorgenannte Verfügbarkeit der Bewerber legt und daher bei der Bewerberauswahl zunächst auf diesen Gesichtspunkt abstellt. Das durch Art. 33 Abs. 2 GG garantierte Recht auf gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung wird durch eine dahingehende Entscheidung des Dienstherrn, die Bewerbung auf eine ausgeschriebene Stelle nicht zuzulassen, nicht verletzt, da es zur organisatorischen Gestaltungsfreiheit des Dienstherrn gehört, den Kreis der für eine freie Planstelle in Betracht kommenden Beamten gemäß den Verwaltungserfordernissen zu bestimmen. Insofern mangelt es an der für das Beförderungsamt erforderlichen Eignung, wenn der Bewerber das erstrebte Amt bzw. die damit verbundene Funktion nicht alsbald oder nicht für eine angemessene Zeit wahrnehmen kann bzw. wird, denn eine Beförderung bzw. die dieser vorgeschalteten Dienstpostenübertragung erfolgt nicht entscheidend, um einen Beamten für in der Vergangenheit erbrachte Leistungen zu belohnen, sondern im Hinblick auf die von im neuen Amt künftig wahrzunehmenden Aufgaben.
So liegt der Fall hier. Der Antragsteller ist wegen seiner vollständigen Freistellung nicht in der Lage und wie sein Schreiben vom 18. Februar 2013 zeigt, auch nicht gewillt, die Aufgaben des streitgegenständlichen Dienstpostens in den nächsten Jahren wahrzunehmen.
Zudem kam der Antragsteller für die Übertragung des hier streitgegenständlichen Dienstpostens auch deshalb nicht in Betracht und konnte - wie mit Bescheid vom 18. Juli 2013 geschehen - im Auswahlverfahren unberücksichtigt bleiben, da er sich weigert, die von der Antragsgegnerin gemäß Ziffer 2 Satz 1 der LSt-Kartei vom 22. Mai 1996 zu § 42 f EStG (Fach 1, Blatt 6) für erforderlich gehaltene sechsmonatige Einarbeitungszeit in die Aufgaben des Lohnsteueraußendienstes zu absolvieren. Auch nutzte er nicht die ihm von der Antragsgegnerin eingeräumte Möglichkeit, unter teilweiser Reduzierung der Freistellung diese Einarbeitung zu absolvieren. Diese Einarbeitung dient dem Erwerb zusätzlicher fachlicher Qualifikationen, die für die Tätigkeit in der Lohnsteueraußenprüfung nach Auffassung der Antragsgegnerin erforderlich sind. Das stellt der Antragsteller auch nicht durchgreifend in Abrede.
Ohne Erfolg macht er geltend, die LSt-Kartei vom 22. Mai 1996 zu § 42 f EStG (Fach 1, Blatt 6) sei veraltet. Denn nur weil sie aus dem Jahr 1996 stammt und seitdem in unveränderter Form weitergilt, ist sie nicht per se unbrauchbar. Das gilt auch, wenn es die Lohnsteuerstelle für Arbeitgeberangelegenheiten in dieser Organisationsform nicht mehr geben sollte. Denn die entsprechenden Aufgaben gibt es nach wie vor. Zudem spielt dieser Teil der Einarbeitung in zeitlicher Hinsicht nur eine untergeordnete Rolle. Den Schwerpunkt der Einarbeitung machen die Teilnahme und Mitarbeit an Prüfungen sowie später die selbständige Durchführung von Prüfungen aus.
Es mag zutreffen, dass die Einarbeitung des Antragstellers in die Aufgaben des Arbeitnehmerbereichs nicht mehr erforderlich ist. Auf diesen Gesichtspunkt stützt die Antragsgegnerin ihre Ablehnung jedoch nicht. Sie stellt darauf ab, dass er die vorgeschriebene Einarbeitung in die Aufgaben der Lohnsteueraußenprüfung nicht absolvieren will. Wie die Aufzählung der Tätigkeiten des Antragstellers im Schriftsatz vom 1. Oktober 2013 zudem zeigt, verfügt er in dieser Hinsicht auch nicht über Vorkenntnisse, die die Einarbeitung entbehrlich machen könnte.
Es handelt sich auch nicht um eine bloße Erprobungszeit zur Feststellung der Eignung, die ggf. im Wege der Nachzeichnung als erfolgreich absolviert angesehen werden könnte. Vielmehr dient die Einarbeitung in die Tätigkeit eines Lohnsteueraußenprüfers dem Erwerb zusätzlicher steuerrechtlicher Fachkenntnisse sowie der Aneignung der für diese Tätigkeit erforderlichen prüfungstechnischen Fertigkeiten. Somit erfüllt der Antragsteller nicht das Anforderungsprofil des hier streitgegenständlichen Dienstpostens.
Abschließend wies die Antragsgegnerin zutreffend darauf hin, dass ein fiktiver Erwerb dieser zusätzlichen Qualifikation im Wege der Nachzeichnung nicht möglich ist und dass dies auch nicht gegen das personalvertretungsrechtliche Benachteiligungsverbot (§ 39 Abs. 5 i.V.m. § 41 Abs. 1 NPersVG) verstößt. Denn auch das Benachteiligungsverbot verschafft keinen Anspruch darauf, von bestimmten Qualifikationsmerkmalen dispensiert zu werden (BVerwG, Urteil vom 21. September 2006 - 2 C 13.05 -, juris). Die insoweit vom Antragsteller also letztlich begehrte Begünstigung wegen seiner Personalratstätigkeit verbietet § 41 Abs. 1 NPersVG.