Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 16.10.2013, Az.: 11 A 4807/12

Eignung; Eignungszweifel; Gutachtenanforderung; Jagdschein

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
16.10.2013
Aktenzeichen
11 A 4807/12
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2013, 64390
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

An die waffen- und jagdrechtliche Eignung können höhere Anforderungen gestellt werden als an die Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeuges (im Anschluss an BayVGH, Beschluss vom 14. Dezember 2011 - 21 CS 11.2310 - juris, Rn. 9). Aus einem fachärztlichen Gutachten, welches die Fahreignung feststellt, lässt sich daher nicht stets ableiten, dass der Betroffene auch gefahrlos die Jagd ausüben kann.

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Der am 15. Juni 1960 geborene Kläger erlitt am 26. August 2007 in alkoholisiertem Zustand (BAK 1,78 Promille) einen Verkehrsunfall bei dem er sich schwere Kopfverletzungen zuzog. Wegen Trunkenheit im Straßenverkehr ist er vom Amtsgericht Ueckermünde am 30. Oktober 2007 zu einer Geldstrafe in Höhe von 40 Tagessätzen verurteilt worden.

Am 31. Mai 2012 beantragte der Kläger bei dem Beklagten die Ausstellung eines Jagdscheines für Jahr 2012. Er legte ein Gutachten von G., Facharzt für Neurologie - Verkehrsmedizin - vom 16. Dezember 2011 vor.

Hierzu nahm der Amtsarzt des Beklagten am 8. Juni 2012 Stellung. Mit Schreiben vom 13. Juni 2012 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass auch unter Berücksichtigung des vorgelegten Gutachtens beim Amtsarzt Zweifel an seiner persönlichen Eignung bestehen würden. Er habe Gelegenheit, innerhalb von zwei Monaten ein fachpsychiatrisches Gutachten vorzulegen. Anderenfalls müsse er mit der Ablehnung seines Antrages rechnen.

Nachdem der Kläger mitgeteilt hat, dass er keinerlei Eignungszweifel erkennen könne, lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers auf Erteilung eines Jagdscheines mit Bescheid vom 28. September 2012 ab.

Am 23. Oktober 2012 hat der Kläger hiergegen Klage erhoben.

Er trägt im Wesentlichen vor: Es bestünden, wie sich aus dem Gutachten G. ergebe, keine Anhaltspunkte für Zweifel an seiner persönlichen Eignung. Die Versagungsgründe des § 17 BJagdG seien mithin nicht erfüllt. Er habe zwar im Jahre 2007 einen Unfall erlitten, jedoch entgegen der Behauptung des Beklagten keine epileptischen Anfälle gehabt. Jedenfalls könne er ggf. Krankheitsschübe erkennen und durch die Gabe von Medikamenten reagieren. Inzwischen sei ihm am 7. Februar 2013 auch die Fahrerlaubnis wiedererteilt worden. Ein Schreiben von Dr. B. vom 10. Februar 2011 an den Beklagten sei unter Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht erstellt worden. Insoweit seien bereits die Ärztekammer und die Staatsanwaltschaft eingeschaltet worden. In der mündlichen Verhandlung erklärte der Kläger, dass er bereit sei sich im Rahmen eines vom Gericht einzuholenden Sachverständigengutachtens auf seine waffen- und jagdrechtliche Eignung untersuchen zu lassen.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 28. September 2012 aufzuheben und festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet war, ihm einen Jagdschein für das Jahr 2012 zu erteilen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er erwidert im Wesentlichen: Das Gutachten G. beziehe sich lediglich auf die verkehrsmedizinische Beurteilung. Aus diesem und verschiedenen anderen ärztlichen Berichten sei zu entnehmen, dass der Kläger mehrfach epileptische Anfälle erlitten habe. Es sei sogar zweifelhaft, dass diese nach dem Oktober 2010 nicht mehr aufgetreten seien. Entgegen ärztlichem Rat nehme der Kläger keine Medikamente, so dass das Risiko weiterer Anfälle erheblich sei. Die Ergebnisse des Gutachtens G. würden auch nicht dem Eindruck des Amtsarztes entsprechen. Nach dortiger Einschätzung neige der Kläger nämlich zu emotionalen Ausbrüchen, insbesondere wenn er seine Belange nicht durchsetzen könne. Dies sei typisch für ein hirnorganisches Psychosyndrom. Es gebe auch keinen Hinweis, dass die Hirnleistung überprüft worden sei. Das ergänzende Gutachten von Herrn G. vom 31. Januar 2013 enthalte wiederum nur eine verkehrsmedizinische Beurteilung. Dort sei zudem die Tauglichkeit für Fahrzeuge der Gruppe 2 wiederum nicht festgestellt worden. Abgesehen davon bestünden bei dem Kläger Anzeichen für eine Alkoholerkrankung. Dr. B. habe in einem Schreiben vom 10. Februar 2011 angegeben, dass der Kläger regelmäßig Alkohol trinke und dennoch Auto fahre. 2007 sei er wegen Trunkenheit im Verkehr verurteilt worden.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die Gerichtsakte des vorliegenden Verfahrens sowie der Rechtsstreitigkeiten 7 A 1411/11 und 7 B 1412/11 und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen; sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig. Der Rechtstreit ist hinsichtlich des Verpflichtungsbegehrens erledigt, weil das Jagdjahr 2012 bereits abgelaufen ist, so dass hierfür sinnvoll ein Jagdschein nicht mehr erteilt werden kann. Das in entsprechender Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO insoweit erforderliche besondere Feststellungsinteresse des Klägers ergibt sich daraus, dass der Beklagte aus den Gründen des Bescheides vom 28. September 2012 die Erteilung eines Jagdscheines auch für künftige Jagdjahre ablehnen würde.

Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hatte keinen Anspruch auf Erteilung eines Jagdscheines für das Jahr 2012, so dass der ablehnende Bescheid des Beklagten rechtlich nicht zu beanstanden ist.

Nach § 17 Abs. 1 Satz 2 BJagdG darf lediglich ein hier nicht in Rede stehender Jagdschein nach § 15 Abs. 7 dieses Gesetzes erteilt werden, wenn bei dem Betroffenen die persönliche Eignung oder Zuverlässigkeit im Sinne der §§ 5, 6 WaffG fehlt. Ob darüber hinaus auch die weiteren in § 17 BJagdG geregelten speziellen jagdrechtlichen Versagungsgründe erfüllt sind, ist deshalb hier unerheblich (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. August 2012 - 6 C 27.11 - juris, Rn. 25; vgl. hier insoweit aber § 17 Abs. 6 BJagdG).

Der Kläger war im hier zu beurteilenden Zeitraum ungeeignet zum Führen von Waffen.

Gemäß § 6 Abs. 2 WaffG hat die Behörde von dem Betroffenen auf seine Kosten die Vorlage eines amts- und fachärztlichen Gutachtens über die geistige oder körperliche Eignung zu verlangen, wenn Bedenken gegen die persönliche Eignung bestehen. Weigert sich der Betroffene ein solches Gutachten vorzulegen oder bringt er dies nicht fristgerecht bei, darf die Behörde nach dem Grundsatz der Beweisvereitelung auf dessen Nichteignung schließen (§ 4 Abs. 6 Satz 1 AWaffV).

Der Kläger ist mit Schreiben des Beklagten vom 13. Juni 2012 aufgefordert worden, innerhalb von zwei Monaten ein fachpsychiatrisches Gutachten vorzulegen. Der Kläger hat ein solches Gutachten in Bezug auf seine waffenrechtliche Eignung jedoch nicht fristgerecht vorgelegt. Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung durch seinen Prozessbevollmächtigten erklärt hat, er sei nunmehr bereit, sich einer entsprechenden Untersuchung auf Grund eines gerichtlich angeordneten Gutachtens zu unterziehen, steht dies der Annahme der Ungeeignetheit nicht entgegen. Die Bereitschaft ist zum einen erst nach Ablauf des hier allein zu beurteilenden Jagdjahres 2012 geäußert worden. Zum anderen ist es nach der in § 6 Abs. 2 WaffG vorgesehenen Aufgaben- und Kostenverteilung allein Sache des Jagdscheinbewerbers und nicht des Verwaltungsgerichts oder der Verwaltungsbehörde ein solches Gutachten einzuholen.

Der Beklagte ist zutreffend davon ausgegangen, dass Zweifel an der waffenrechtlichen Eignung des Klägers bestehen.

Zum einen spricht viel dafür, dass der Kläger am 7. Februar und 24. Oktober 2010 wegen epileptischer Anfälle ins Krankenhaus eingeliefert werden musste. In dem Entlassungsbrief des Universitätsklinikums M. vom 10. Februar 2010 ist ausgeführt, dass dort die Diagnose eines infektgetriggerten epileptischen Anfalls gestellt worden sei. Der Kläger sei von seinem Bruder in benommenem Zustand in seiner Wohnung vorgefunden worden. In einem Bericht des Krankenhauses Q. vom 4. November 2010 ist ausgeführt worden, dass der Kläger dort nach zwei weiteren epileptischen Anfällen stationär aufgenommen worden sei. Das von dem Kläger selbst eingereichte Gutachten des Facharztes für Neurologie G. vom 16. Dezember 2011 geht auf Grund dieser Atteste ebenfalls von einer solchen Erkrankung aus. Hierfür spricht auch, dass der Kläger bei dem Unfall am 26. August 2007 – wie er nicht bestreitet – eine schwere Kopfverletzung erlitten hat. Demensprechend ist auch das erkennende Gericht in den Verfahren betreffend die Entziehung der Fahrerlaubnis von einem entsprechendem Anfallsleiden des Klägers ausgegangen (vgl. Beschluss vom 7. Juli 2011 - 7 B 1412/11 -; Urteil vom 19. Januar 2012 – 7 A 1411/11 -). Der Kläger ist schon in diesen Rechtsstreitigkeiten darauf hingewiesen worden, dass er nicht nur behaupten kann, er habe tatsächlich keine solchen Anfälle gehabt; vielmehr müsste er sachverständige Aussagen vorlegen, die es ausgeschlossen erscheinen lassen, dass er jemals derartige Probleme gehabt habe.

Die Gutachten von Herrn G. vom 16. Dezember 2011 und 31. Januar 2013 sind für die hier in Rede stehende Beurteilung der waffenrechtliche Eignung des Klägers nicht ausreichend. Sie beziehen sich lediglich auf die Fahreignung des Klägers. Es ist aber zu berücksichtigen, dass von Waffen eine signifikant höhere Gefahr ausgeht, so dass auch die Anforderungen an die Beurteilung der Eignung erheblich strenger sind (vgl. VGH München, Beschluss vom 14. Dezember 2011 - 21 CS 11.2310 - juris, Rn. 9). Bejaht wird von Herrn G. zudem lediglich die Eignung zum Führen von Fahrzeugen der sog. Gruppe 1, also im Wesentlichen für PKW, nicht jedoch für die größeren Fahrzeuge der sog. Gruppe 2.

Nach der überzeugenden amtsärztlichen Stellungnahme vom 8. Juni 2012 ist das Gutachten G. vom 16. Dezember 2011 auch nicht ausreichend, um andere Zweifel an der persönlichen Eignung des Klägers auszuräumen. Denn nach dortiger nachvollziehbarer Einschätzung neigt der Kläger zu emotionalen Ausbrüchen, insbesondere wenn er seine Belange nicht durchsetzen kann. Dies wird durch in den Verwaltungsvorgängen befindliche Vermerke vom 8. April und 27. Mai 2009 bestätigt, wonach der Kläger bei Vorsprachen wegen der damaligen Verweigerung eines Jagdscheines sehr aufgebracht gewesen ist.

Zur Vermeidung weiterer Rechtsstreitigkeiten wird darauf hingewiesen, dass der Kläger vor der Erteilung eines Jagdscheines zudem eine fachgutachterliche Stellungnahme einreichen müsste, wonach eine Alkoholkrankheit ausgeschlossen ist. Anhaltspunkte hierfür ergeben sich aus dem hohen Blutalkoholgehalt bei dem Unfall am 26. August 2007 und dem jedenfalls für ordnungsrechtliche Zwecke verwertbaren Schreiben von Dr. med B. vom 10. Februar 2011, wonach der Kläger regelmäßig unter Alkohol Kraftahrzeuge führen soll. Außerdem hat der Kläger nach dem Gutachter G. vom 16. Dezember 2011 (S. 4) angegeben, am Abend vor der Einlieferung in das Krankenhaus Q. drei Flaschen Wein getrunken zu haben