Landgericht Verden
Beschl. v. 16.10.1989, Az.: 1 T 214/89
Berichtigung einer Geburtsurkunde wegen Fehlens des Zusatzes "von " bei Streit über die Berechtigung über den Adelstitel; Berechtigung zur Führung eines Adelstitels bei ursprünglich russischer Staatsbürgerschaft im Zeitpunkt des Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit; Führen des Adelstitels "von" durch den Vater der Beschwerdeführerin als Beweis für die Rechtsmäßigkeit des Namenszusatzes; Ersitzung eines Namens durch Namensführung
Bibliographie
- Gericht
- LG Verden
- Datum
- 16.10.1989
- Aktenzeichen
- 1 T 214/89
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1989, 14383
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGVERDN:1989:1016.1T214.89.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Verden - 01.03.1989 - AZ: 11 III 58/88
Rechtsgrundlage
- § 49 S. 2 PStG
Fundstelle
- IPRspr 1989, 22
Verfahrensgegenstand
Geburtsurkunde Nr. 356/1948 des Standesamtes in Diepholz wegen Berichtigung der Angabe des Familiennamens,
Sonstige Beteiligte
Frau Renate Kurnatowski, Weinbergstraße 22, 6466 Gründau 1,
- Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwältin Henrich in Frankfurt am Main -
Landkreis Diepholz als Standesamtsaufsichtsbehörde,
In der Standesamtssache
hat die 1. Zivilkammer des Landgerichts Verden
auf die Beschwerde der Antragstellerin vom 22./24. Mai 1989
gegen den Beschluß des Amtsgerichts Verden vom 01. März 1989
unter Mitwirkung
des Vizepräsidenten des Landgerichts Rauter,
des Richters am Landgericht Borchert und
der Richterin am Landgericht Heuken-Bethmann
am 16. Oktober 1989 beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde wird auf Kosten der Beschwerdeführerin zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 5.000,00 DM.
Gründe
Die Betroffene Renate Maria Kurnatowski ist am 14. September 1948 in Diepholz in einem Flüchtlingslager als eheliches Kind der Eheleute Witold und Wilma Kurnatowski geboren worden, nachdem ihre Eltern von Litauen in die Bundesrepublik Deutschland umgesiedelt und hier am 17. Juli 1942 eingebürgert worden waren.
Sowohl in der Einbürgerungsurkunde als auch in dem Geburtsregister der Renate Maria Kurnatowski ist als Familienname der Kindeseltern "Kurnatowski" aufgeführt. Die Antragstellerin begehrt die Berichtigung der Geburtsurkunde dahingehend, daß der Familienname "von Kurnatowski" lautet. Sie weist darauf hin, daß sie seit jeher den Namen von Kurnatowski führe, auf den auch ihre Zeugnisse und Ausweise ausgestellt seien. Auch ihre Eltern und Ihre am 19. September 1940 in Litauen geborene Schwester führten den Familiennamen von Kurnatowski. Hinweise auf diese Namensführung in Litauen bestünden seit 1386. Die Antragstellerin weist auf das genealogische Handbuch des Adels, in dem sämtliche Angehörigen ihrer Familie und sie selbst unter dem Namen von Kurnatowski aufgeführt sind. Bezüglich eines am 28. März 1878 geborenen Bruders des Vaters der Betroffenen Konstantin von Kurnatowski liegt ein urkundlicher Nachwels, nämlich ein Zeugnis der Adelsdelegierten-Versammlung der Stadt Grodno vom 21. Juli 1901 vor, in dem ausdrücklich festgestellt wird, daß dieser Onkel der Betroffenen zu dem Adelsgeschlecht der von Kurnatowski zugezählt worden ist, welches durch die Eintragung in den zweiten Teil des Geschlechtsregisters laut Ukas des Departments für Heraldik des regierenden Senats vom 19. November 1850 unter Nr. 10,070 bestätigt wurde. Aus einer Sterbeurkunde der Großmutter der Betroffenen ergibt sich als deren Familienname von Kurnatowski.
Das Amtsgericht hat mit der angefochtenen Entscheidung den Berichtigungsantrag der Beschwerdeführerin zurückgewiesen, Bl. 40 ff. d.A.
Zur Begründung hat es ausgeführt, es könne nicht festgestellt werden, daß in der Geburtsurkunde bezüglich des Familiennamens eine unvollständige oder unrichtige Eintragung erfolgt sei.
Die Beschwerdeführerin leite Ihren Namen von Ihrem am 29. Oktober 1897 in Lettland geborenen Vater her. Dieser sei jedoch zur Zelt des Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit (17. Juli 1942) nicht mehr berechtigt gewesen, dem Namen "von Kurnatowski" zu führen. Nach Artikel 2 des Dekretes des Zentralexecutiv-Kommitees der Räte der Arbeiter- und Soldatendeputierten vom 10. November 1917 seien in Lettland alle Stände aufgehoben und auch die Führung von Adelsbezeichnungen als Namensbestandteil ausgeschlossen worden. Da dieses Dekret im Baltikum am 21. Juli 1940 durch die Umbildung Lettlands in eine Sowjetrepublik und Ihre Eingliederung in die UdSSR am 05. August 1940 wirksam geworden sei, sei der Vater der Antragstellerin von diesem Zeitpunkt an zur Führung des Adelsbestandteils seines Namens nicht mehr berechtigt gewesen.
Zur weiteren Begründung wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.
Hiergegen wendet sich die Beschwerdeführerin mit ihrer Beschwerde, mit der sie u.a. vorträgt, ihre Eltern hätten nicht - wie das Amtsgericht angenommen habe - die lettische, sondern die litauische Staatsangehörigkeit besessen.
Die gemäß § 49 Satz 2 Personenstandsgesetz zulässige (einfache) Beschwerde ist unbegründet.
Die Entscheidung des Amtsgerichts ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Dem Berichtigungsantrag der Beschwerdeführerin kann nicht stattgegeben werden, da nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden kann, daß die Geburtsurkunde Nr. 356/1948 des Standesamtes Diepholz bezüglich des Familiennamens der Beschwerdeführerin unrichtige oder unvollständige Angaben enthält.
Nach dem überzeugenden Gutachten des Professors Dr. Dr. h.c. Beitzke vom 04. September 1989, auf das Bezug genommen wird und dem sich die Kammer anschließt, ist zwar davon auszugehen, daß der Vater der Beschwerdeführerin - unabhängig davon, ob er seinerzeit die lettische oder litauische Staatsangehörigkeit besaß - den Namen "von Kurnatowski" behalten haben würde, sofern er vor 1917 berechtigt gewesen sein sollte, diesen Namen in Rußland zu führen.
Letzteres ist jedoch nicht feststellbar, da hierfür keine ausreichenden Unterlagen vorgelegt worden sind.
Der Name als Persönlichkeitsrecht unterliegt nach herkömmlicher Regel des deutschen internationalen Privatrechts dem sogenannten Personalstatut, d.h. im Regelfall dem Recht des Staates, dem die Person angehört (Artikel 10 EGBGB); im Grundsatz galt Gleiches auch vor dem neuen IPR-Gesetz vom 1986 und zur Zeit der Einbürgerung der Eltern der Beschwerdeführerin im Jahre 1942.
Beide Eltern der Beschwerdeführerin waren, da in Lettland geboren, ursprünglich russische Staatsangehörige.
Das "von" kann kein russischer Adelstitel sein, da als Adelstitel im alten russischen Recht nur "Baron", "Graf" und "Fürst" galten, und der dafür zuständige russische Senat Mitte des 19. Jahrhunderts streng darauf hielt, daß es in Rußland kein (deutsches) "von" gebe. Der sogenannte niedere Adel führte in Rußland lediglich die russische Bezeichnung "Edelmann".
Ausnahmsweise stand das "von" lediglich den besonders anerkannten Edelleuten ausländischen (deutschen) Adelsursprungs sowie den in die ritterschaftlichen Matriken des baltischen Adels eingetragenen Personen und Geschlechtern zu, nicht dagegen den untitulierten russischen Edelleuten, die in die Gouvernementsadelsbücher eingetragen wurden. Allerdings wurden im gesellschaftlichen Verkehr russische Erb- und Dienstadelige häufig mit der deutschen Adelsbezeichnung "von" betitelt. Daraus kann jedoch kein Recht auf die Führung des deutschen Adelszeichens "von" hergeleitet werden.
Somit ist das Führen seines Namens mit "von" durch den Vater der Beschwerdeführerin kein Beweis für die Rechtsmäßigkeit dieses Namenszusatzes.
Es kann nicht festgestellt werden, daß die Familie Kurnatowski zu den sogenannten "baltischen Ritterschaften" zu zählen wäre mit der Folge, daß die Rechtmäßigkeit des Namenszusatzes unterstellt werden könnte. Gegen eine solche Zugehörigkeit spricht zum einen die nicht-deutsche Namensform, zum anderen auch die Tatsache, daß in dem Buch des Freiherrn von Ungern-Sternberg "Geschichte der baltischen Ritterschaften" solche aus Litauen überhaupt nicht erwähnt werden.
Auch das einem jüngeren Bruder des Vater der Beschwerdeführerin ausgestellte Adelszeugnis, Bl. 13 d.A., spricht dagegen. Es ist in der seinerzeitigen Gouvernementshauptstadt Grodno ausgestellt worden. Die Register über die sogenannten "untitulierten" russischen Edelleute wurden in den Gouvernementshauptstädten geführt. Das Zeugnis spricht auch nicht von einer bestimmten Ritterschaft, sondern von einer "Adelsdelegierten-Versammlung". Damit dürfte es sich bei der Familie Kurnatowski um einen sogenannten "untitulierten" russischen Adel gehandelt haben. Dafür spricht auch, daß der in dem Adelszeugnis für den Zeugnisempfänger dessen Vater nur als Oskar-Johannes Kurnatowski (ohne "von" oder sonstigen Titel) bezeichnet ist. Welche Bedeutung es hat, daß in der Mitte des Zeugnisses vom "Adelsgeschlecht der von Kurnatowski" die Rede ist, kann ohne weitere Unterlagen (russischer Originaltext) nicht geklärt werden. Es kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß hiermit ein dem ganzen Geschlecht verliehenes Recht der Führung des "von" als Adelsprädikat gemeint sein sollte. Denn das deutsche "von" ist nur in seltenen Fällen russischen Edelleuten verliehen worden (s.o.).
Eine solche Verleihung an ihren Vater hat die Beschwerdeführerin nicht belegt.
Danach kann nicht ausreichend sicher davon ausgegangen werden, daß die Verleihung des "von" als Adelsprädikat an den Vater der Beschwerdeführerin erfolgt ist.
Ein Recht zur Führung eines Adelsprädikates kann auch nicht daraus abgeleitet werden, daß auch russische Edelleute ohne eigentlichen Titel das "von" als Namen geführt haben und auch damit angeredet worden sind. Da keine "Ersitzung" eines Namens durch Namensführung anzuerkennen ist, gibt auch die langjährige Führung eines nicht durch Verleihung erworbenen "von" noch kein Namensrecht.
Da nach alledem nicht mit hinlänglicher Sicherheit festgestellt werden kann, daß dem Vater der Beschwerdeführerin schon nach altem russischen Recht das "von" als Namensbestandteil zustand, ist davon auszugehen, daß er 1942 zur Zeit seiner Einbürgerung nur den Namen Kurnatowski ohne ein davor gesetztes "von" führen durfte, wie er es auch getan hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 127 Abs. 2, 131 Abs. 1 Ziffer 1 KostO.
Der Beschwerdewert ist gemäß §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 2, Abs. 3 KostO festgesetzt worden.
Streitwertbeschluss:
Beschwerdewert: 5.000,00 DM.
Borchert
Heuken-Bethmann