Landgericht Verden
Urt. v. 05.11.1990, Az.: 9 O 103/89

Kennzeichnung von zur Verwertung übergebenem Altöl mit der falschen Abfallschlüsselnummer als schadensersatzbegründende Pflichtverletzung; Rechtmäßigkeit einer Abnahmeverweigerung durch eine Altölraffinerie bei Überschreitung der zulässigen PCB-Grenzwerte

Bibliographie

Gericht
LG Verden
Datum
05.11.1990
Aktenzeichen
9 O 103/89
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1990, 15115
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGVERDN:1990:1105.9O103.89.0A

Fundstellen

  • NVwZ-RR 1991, 230-231 (Volltext mit red. LS)
  • NVwZ-RR 1993, 56

In dem Rechtsstreit
hat die 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Verden
auf die mündliche Verhandlung vom ...
unter Mitwirkung
des Vorsitzenden Richters am Landgericht ... sowie
der Handelsrichter ... und ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 16.105,90 DM nebst 9 % Zinsen seit dem 2. Juni 1989 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreites trägt die Klägerin 1/10, die Beklagte 9/10.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 23.000,00 DM. Eine Vollstreckung durch die Beklagte darf die Klägerin durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 500,00 DM abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Klägerin wird gestattet, ihre Sicherheitsleistung auch durch Stellung einer unbedingten, unbefristeten und unwiderruflichen selbstschuldnerischen Bürgschaft einer Sparkasse zu erbringen.

Tatbestand

1

Am ... übernahm die Klägerin von der Beklagten auf deren Bestellung 1.100 l Altöl, das die Beklagte auf dem Abfallbegleitschein mit der Schlüsselnummer 54102 (für "normales" Altöl) bezeichnet hatte. Richtigerweise hätte das Öl wegen der überhöhten PCB-Belastung mit der Abfallschlüsselnummer 54107 deklariert werden müssen. Im ... Tanklager der Klägerin wurde diese Altölpartie mit 25100 kg anderen Altöls von anderen Lieferanten der Klägerin vermischt. Am ... brachte die Klägerin diese Sammelladung von nunmehr insgesamt 26200 kg zur Mineralöl-Raffinerie ... (im folgenden: Altölraffinerie), wo das Altöl aufgearbeitet werden sollte. Eine dort vorgenommene Analyse ergab einen PCB-Gehalt des Altöls von 11 mg/kg nach DIN, weswegen die Altölraffinerie die Abnahme der Lieferung ablehnte. Die daraufhin von der Klägerin veranlaßte Analyse der Rückstellproben aus den Einzellieferungen ergab für die von der Beklagten übernommene Partie einen PCB-Gehalt von 298,7 mg/kg nach DIN; die von der Beklagten selbst veranlaßte Analyse ihrer Rückstellprobe ergab einen PCB-Gehalt von 233,1 mg/kg nach DIN.

2

Die Klägerin behauptet, daß die überhöhte PCB-Belastung der Sammelpartie allein auf die von der Beklagten übernommene Altöllieferung zurückzuführen sei. Dadurch sei ihr ein Schaden von insgesamt 17.854,43 DM entstanden.

3

Sie beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 17.854,43 DM nebst 9 % Zinsen seit dem 16. Januar 1989 zu zahlen,

und ihr zur gestatten, Sicherheit auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer Sparkasse zu leisten.

4

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

5

Sie bestreitet den Schadensersatzanspruch im einzelnen nach Grund und Höhe. Außerdem macht sie geltend, daß die Klägerin die Einzellieferungen vor dem Zusammenschütten hätte untersuchen lassen müssen.

6

Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

7

Die Kammer hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen ... sowie durch Vernehmung der Zeugen ... und ... Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Gutachtens (vgl. Bl. ... f. d. A.) sowie auf die Sitzungsniederschriften vom ... (vgl. Bl. ... ff) und vom ... (vgl. Bl. ... f. d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

8

I.

Die Klage ist zulässig und zum überwiegenden Teil begründet.

9

Die Beklagte ist verpflichtet, der Klägerin in Höhe von 16.105,90 DM Ersatz wegen positiver Vertragsverletzung des von den Parteien geschlossenen Altölübernahmevertrages zu leisten. Diese Schuld ist vom ... an als dem Tage der Klagzustellung mit 9 % zu verzinsen.

10

II.

1.

Die objektive Pflichtverletzung der Beklagten ergibt sich daraus, daß sie - unstreitig - entgegen den zwischen den Parteien vereinbarten Entsorgungsbedingungen der Klägerin (vgl. Ablichtung Bl. ... d. A.) und entgegen den gesetzlichen Vorschriften (§ 5 a AbfallG i.V.m. § 6 AltölV und § 3 AbfNachwV) das von ihr der Klägerin zur Verwertung übergebene Altöl mit der falschen Abfallschlüsselnummer 54102 deklariert hat. Die Beklagte hätte nämlich - ebenfalls unstreitig - ihr Altöl im Abfallbegleitschein mit der Schlüsselnummer 54107 bezeichnen müssen, weil es mit seinem PCB-Gehalt von weit mehr als 200 mg/kg nach DIN den zulässigen Grenzwert von 4 +/- 1 mg/kg nach DIN (vgl. § 3 AltölV) erheblich überschritt.

11

Diese Pflichtverletzung erfolgte fahrlässig (vgl. § 276 Abs. 1 BGB). Die Beklagte hätte sich nämlich vor der Weitergabe des Altöles an die Klägerin über dessen Art, Herkunft und Zusammensetzung vergewissern müssen. Sie und nicht die Klägerin - traf eine entsprechende Erkundigungs- und Untersuchungspflicht; die Klägerin durfte sich vielmehr auf die Richtigkeit der Angaben der Beklagten verlassen (vgl. § 5 AltölV, § 3 AbfNachwV). Die Klägerin hat mit der Entnahme von Rückstellproben alles Erforderliche getan; ein Mitverschulden kann ihr nicht angelastet werden.

12

Schließlich hat auch die Altölraffinerie die Abnahme der Sammelpartie von 26.200 kg zu Recht verweigert, weil auch deren - unstreitige - PCB-Belastung von 11 mg/kg nach DIN über dem zulässigen Grenzwert lag. Die Beklagte bestreitet zwar, daß die PCB-Belastung ihres Altöles zu der übermäßigen Belastung der Sammelpartie geführt hat. Das steht aber nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme fest. So ergibt sich aus dem nachvollziehbaren Gutachten des Sachverständigen ... daß die in dem von der Beklagten angelieferten Altöl gemessene Belastung von 233 mg/kg bzw. von 298 mg/kg zu einer PCB-Belastung der Sammelpartie (26.200 kg) von ca. 11 mg/kg führt, wenn die anderen Einzellieferungen keine überhöhten Werte aufgewiesen haben. So ergibt sich aus den glaubhaften Angaben des Zeugen ... daß allein die Altöllieferung der Beklagten als Ursache für die überhöhte PCB-Belastung der Sammelpartie in Betracht kommt: Nach den - im Anschluß an die Abnahmeverweigerung durch die Altölraffinerie - durchgeführten Analysen der Rückstellproben wiesen allein die der Lieferung der Beklagten entnommenen einen überhöhten PCB-Wert auf.

13

2.

Durch diese schuldhafte Pflichtverletzung der Beklagten ist der Klägerin ein ersatzfähiger Schaden von insgesamt 16.105,90 DM entstanden (§§ 249 ff BGB).

14

a)

Der Klägerin ist als Fracht für den Transport von ihrem Tanklager in ... zur Altölraffinerie ein Betrag von 901,28 DM entgangen.

15

Der Zeuge ... hat glaubhaft bekundet, daß die Raffinerie der Klägerin Fracht dann gezahlt bzw. die entsprechenden Kosten dann erstattet hätte, wenn die Altölpartie entsprechend der Deklaration mit dem zulässigen PCB-Grenzwert aufarbeitungsfähig gewesen wäre. Gegen die Höhe der Fracht bringt die Beklagte nichts vor.

16

b)

Desweiteren hat die Beklagte der Klägerin entgangenen Gewinn mit 1.244,50 DM zu ersetzen.

17

Die Klägerin hat bewiesen, daß die Altölraffinerie ihr bei Abnahme einen Preis von 47,50 DM/to + MWSt gezahlt hätte. Das folgt zum einen aus den Angaben des Zeugen ... im Beweisaufnahmetermin vom ... Der Zeuge ... war sich dabei zwar nur sicher, daß pro to 30,00 DM + MWSt gezahlt worden wären; einen Preis von 47,50 DM netto hat er lediglich für möglich gehalten. Nach der von der Klägerin mit Schriftsatz vom ... in Ablichtung vorgelegten Bescheinigung der Altölraffinerie vom ... die auch der Zeuge ... unterschrieben hat, steht zur Überzeugung der Kammer aber ein Preis von 47,50 DM/to fest. Gegen die Richtigkeit dieser Bescheinigung hat die Beklagte bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung Einwendungen nicht erhoben; ihr Bestreiten im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom ... Ist unbeachtlich, weil es nach dem Schluß der mündlichen Verhandlung erfolgt ist (§ 296 a ZPO).

18

c)

Ferner hat die Klägerin Anspruch auf Ersatz der Beseitigungskosten, allerdings nur in Höhe von 10.767,20 DM.

19

Unstreitig hat die Klägerin bei der Altölraffinerie eine Menge von 25.040 kg des übermäßig belasteten Altöles aus der Sammelpartie entsorgen lassen. Hierfür hat die Altölraffinerie der Klägerin pro to 430,00 DM netto berechnet. Das hat der Zeuge ... bei seiner Vernehmung durch die Kammer glaubhaft bestätigt. Für die Restmenge von 1.160 kg ist ein Anspruch auf Ersatz von Beseitigungskosten indessen nicht schlüssig dargelegt; Insoweit trägt die Klägerin nämlich nur vor, dieser Rest sei in ihrem Zwischenlagerbehälter verblieben und später beseitigt worden.

20

d)

Analysekosten hat die Beklagte der Klägerin mit 750,00 DM zu ersetzen.

21

Drei Analysen zu je 250,00 DM sind durch die Rechnung der ... vom ... belegt. Der Zeuge ... hat bei seiner Vernehmung am ... glaubhaft bekundet, daß es sich hierbei um die Analysen von drei Rückstellproben aus Einzellieferungen der streitigen Sammelpartie handelt.

22

e)

Schließlich hat die Beklagte der Klägerin Kosten der Zwischenlagerung zu ersetzen, allerdings nur in Höhe von 465,00 DM.

23

Die Klägerin berechnet Zwischenlagerkosten für 100 Tage (vom ... bis zum ... zu je 15,00 DM. Ein Ersatzanspruch besteht aber nur für die Zeit bis zum ... Als gewerbsmäßige Altölsammlerin hätte die Klägerin mit der Entsorgung des übermäßig belasteten Altöles nicht bis zum ... warten dürfen (vgl. § 254 BGB). Sie wäre vielmehr verpflichtet gewesen, alsbald nach Kenntniserlangung vom Analyseergebnis für die fachgerechte Beseitigung zu sorgen (vgl. die §§ 3, 4, 12 AbfallG). Die Ergebnisse aus der von ihr veranlaßten Überprüfung der Rückstellproben lagen spätestens am ... vor, wie sich aus der entsprechenden Bescheinigung der ... von demselben Tage ergibt. Von diesem Tage an war der Klägerin ein Zeitraum von allenfalls 14 Tagen zuzubilligen, um mit der Beklagten über das weitere Vorgehen zu verhandeln und um die ordnungsgemäße Entsorgung zu bewerkstelligen. Wie sich aus der Aussage des Zeugen ... ergibt, waren seinerzeit für die Zwischenlagerung 15,00 DM pro Tag und Kesselwagen zu zahlen.

24

f)

Dem Gesamtbetrag von 14.127,98 DM ist die gesetzliche MWSt mit 14 % hinzuzurechnen, das sind 1.977,92 DM. Demzufolge beträgt der Ersatzanspruch der Klägerin insgesamt 16.105,90 DM.

25

3.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus den §§ 288 Abs. 2, 286 Abs. 1, 284 Abs. 1 Satz 2 BGB. Einen vor Klagerhebung liegenden Verzugseintritt hat die Klägerin nicht dargetan.

26

III.

Die Kostenentscheidung folgt der Vorschrift des § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

27

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 108 Abs. 1, 709 Satz 1, 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.