Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 16.07.2024, Az.: 13 UF 28/24

Beschränkung der Durchführung des Versorgungsausgleichs wegen grober Unbilligkeit bei langer Trennungszeit

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
16.07.2024
Aktenzeichen
13 UF 28/24
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2024, 21575
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
AG Nordhorn - AZ: 11 F 384/22 S

Amtlicher Leitsatz

Auch bei einer Trennungszeit von 16 Jahren kann die Durchführung des Versorgungsausgleichs bei einer Gesamtbetrachtung aller Umstände nicht grob unbillig sein.

In der Familiensache
betreffend den Versorgungsausgleich
unter den Beteiligten zu 1 und 2
Beteiligte:
1. AA, Ort1,
Ehemann, Antragsgegner und Beschwerdeführer,
Verfahrensbevollmächtigte:
(...),
Geschäftszeichen: (...)
2. BB, geb. CC, Ort2,
Ehefrau, Antragstellerin und Beschwerdegegnerin,
Verfahrensbevollmächtigter:
(...),
Geschäftszeichen: (...)
3. Deutsche Rentenversicherung Braunschweig-Hannover, Lange Weihe 6, 30880 Laatzen,
Geschäftszeichen: (...)
4. Deutsche Rentenversicherung Hessen, Danziger Straße 2, 36093 Künzell,
Geschäftszeichen: (...)
5. VBL -Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder, Hans-Thoma-Straße 19, 76133 Karlsruhe,
Geschäftszeichen: (...)
hat der 13. Zivilsenat - 4. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Oldenburg auf die Beratung vom 11. Juli 2024 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht (...), den Richter am Oberlandesgericht (...) und den Richter am Oberlandesgericht (...)
beschlossen:

Tenor:

Der Senat beabsichtigt, die Beschwerde im schriftlichen Verfahren zurückzuweisen und gibt Gelegenheit zur Stellungnahme, für den Antragsgegner ggf. auch zur Rücknahme des Rechtsmittels aus Kostengründen binnen 3 Wochen.

Gründe

I.

Gegenstand der Beschwerde ist die Entscheidung des Amtsgerichts über den Versorgungsausgleich.

Das Amtsgericht - Familiengericht - Nordhorn hat die am 22.08.1980 geschlossene Ehe der Beteiligten zu 1 und 2 (im Folgenden auch nach Scheidung noch als Ehemann bzw. Ehefrau bezeichnet) durch Beschluss vom 10.04.2024 im Verbundverfahren geschieden und den Versorgungsausgleich durchgeführt. Der Scheidungsantrag ist dem Ehemann am 29.06.2022 zugestellt worden. Die Ehefrau ist Ende 2006 aus dem gemeinsamen Haushalt ausgezogen. Der am TT.MM.1949 geborene Ehemann bezieht seit dem 01.08.2014 eine Vollrente wegen Alters. Die am TT.MM.1958 geborene Ehefrau bezieht seit dem 01.01.2017 eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit auf Dauer.

Das Amtsgericht hat den Antrag des Ehemanns, den Versorgungsausgleich gemäß § 27 VersAusglG auszuschließen, zurückgewiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss vom 10.04.2024 Bezug genommen.

Mit der Beschwerde greift der Ehemann die Durchführung des Versorgungsausgleichs bezüglich der betroffenen Rechte für die Zeit ab dem 01.01.2000 bis 31.05.2022 an.

II.

Die Beschwerde ist zulässig. In der Sache hat das Rechtsmittel keinen Erfolg. Die Entscheidung des Amtsgerichts, den Versorgungsausgleich nicht wegen grober Unbilligkeit im Sinne von § 27 VersAusglG auszuschließen, ist auch soweit sich das Rechtsmittel auf den Zeitraum ab 01.01.2000 beschränkt zutreffend.

Der Versorgungsausgleich findet gemäß § 27 VersAusglG ausnahmsweise nicht statt, soweit die Durchführung des Versorgungsausgleichs grob unbillig wäre. Dies ist nur der Fall, wenn die gesamten Umstände des Einzelfalls es rechtfertigen, von der Halbteilung abzuweichen.

Der Ausnahmecharakter des § 27 ist bei der Auslegung der groben Unbilligkeit zu beachten. Die Herabsetzung oder ein Ausschluss sind nur in seltenen Fallgestaltungen gegeben. Ein Wegfall oder eine Herabsetzung des Versorgungsausgleiches kommt nur bei besonders groben Verstößen in Betracht. Die Durchführung des Versorgungsausgleiches muss sich für die Anwendung des § 27 als sinnwidrig darstellen. Eine grobe Unbilligkeit liegt nur vor, wenn eine rein schematische Durchführung des Versorgungsausgleichs unter den besonderen Gegebenheiten des konkreten Falles dem Grundgedanken des Versorgungsausgleichs, nämlich eine dauerhaft gleichmäßige Teilhabe beider Ehegatten an den in der Ehezeit insgesamt erworbenen Versorgungsanrechten zu gewährleisten, in unerträglicher Weise widersprechen würde (Götsche/Rehbein/Breuers, Versorgungsausgleichsrecht, 2. Aufl., § 27 Rn. 18).

Dabei sind in erster Linie die wirtschaftlichen Verhältnisse beider Ehepartner während der Ehe und im Zusammenhang mit der Scheidung zu berücksichtigen. Bei der Abwägung der beiderseitigen Verhältnisse dürfen Umstände nicht allein deshalb zur Begründung herangezogen werden, weil sie zum Scheitern der Ehe geführt haben (Bergmann in BeckOK BGB, § 27 VersAusglG Rn. 2).

Bei der danach gebotenen Gesamtbetrachtung ist eine Beschränkung des Versorgungsausgleichs im Sinne der Beschwerde nicht geboten.

Das Amtsgericht ist bei der erforderlichen Abwägung zunächst in tatsächlicher Hinsicht zurecht von einer Trennungszeit von rund 16 Jahren (nämlich von Ende 2006 bis zur Zustellung des Scheidungsantrags im Juni 2022) in der Ehezeit von 42 Jahren (von der Heirat 1980 bis Juni 2022) ausgegangen. Soweit die Beschwerde die Auffassung vertritt, die Zeit des Getrenntlebens habe ab dem Jahr 2000 begonnen, ist dem nicht zu folgen. Eine Trennung im Sinne des Gesetzes lässt sich auch dem Vorbringen des Ehemanns nicht entnehmen. Seine Behauptung, die Ehefrau habe von der Familie nichts wissen wollen, die Wäsche und den Haushalt hätten bereits die Kinder und die Großeltern erledigt und die Eheleute hätten sich - auf dem weiterhin gemeinsam bewohnten - Hof nach Möglichkeit gemieden und seien sich soweit möglich aus dem Weg gegangen, begründet eine solche Annahme nicht. Ein Getrenntleben im Rechtssinn lag bei den geschilderten Umständen nicht vor. Es mag keine oder geringe eheliche Gemeinsamkeiten gegeben haben. Eine in diesem Sinn schlechte Ehe ist jedoch noch nicht mit einer ehelichen Trennung gleichzusetzen. Dass eine Trennung im Hinblick auf eine beabsichtige Ehescheidung vorgenommen wurde, ist aber nicht ersichtlich. Erst mit dem Auszug der Ehefrau wurde auch nach außen objektiviert, dass zumindest ein Ehepartner die eheliche Gemeinschaft auf Dauer aufheben wollte. Bis dahin sind weder vom Ehemann noch von der Ehefrau Anstalten gemacht worden, die Ehe zu beenden. Solange die Verhältnisse insoweit unverändert blieben, bestand objektiv für die Ehefrau auch noch keine Veranlassung für die Annahme, dass die in der Ehe angelegte gemeinsame Altersvorsorge beendet würde.

Bei einer Trennungszeit von 16 Jahren liegt gleichwohl in zeitlicher Sicht eine ungewöhnlich lange Trennungszeit vor. Eine lange Trennungszeit kann die Beschränkung des Versorgungsausgleichs gebieten. Der Versorgungsausgleich soll dem Gedanken Rechnung tragen, dass die eheliche Lebensgemeinschaft (auch) dem Aufbau einer gemeinsamen Altersversorgung dient (Maaß in BeckOGK VersAusglG § 27 Rn. 57). Dementsprechend kann die Aufhebung der Lebensgemeinschaft die Grundlage für den Ausgleich entfallen lassen. Ob eine lange Trennungszeit die Anwendung des § 27 VersAusglG gebietet, hängt zunächst von der Länge des Zeitraums der Ehe vor der Trennung ab. Die für eine grobe Unbilligkeit erforderliche Schwelle wird durch eine lange Trennungszeit erst dann erreicht, wenn die Trennungszeit zur Dauer des ehelichen Zusammenlebens nicht mehr in einem angemessenen Verhältnis steht (Maaß in BeckOGK, a.a.O., Rn. 58 mit Beispielen aus der Rechtsprechung: 17 Jahre Trennungszeit bei einer Ehezeit von 36 Jahren, 10 Jahre Trennungszeit bei einer Ehezeit von 29 Jahren, 28 Jahre Trennungszeit bei 48 Jahren Ehezeit). Soweit im vorliegenden Fall eine Trennungszeit von 16 Jahren einer Ehezeit von 42 Jahren gegenüber steht, ließe sich ein unangemessenes Verhältnis vertreten.

Es greift aber zu kurz, lediglich die zeitlichen Abläufe gegenüber zu stellen. Der Ausschluss oder die Beschränkung des Versorgungsausgleichs bei langer Trennungszeit beruht auf der Erwägung, dass es grob unbillig sein kann, einen Ehegatten einseitig zu begünstigen, indem er durch den schematisch durchgeführten Versorgungsausgleich an der Altersversorgung beteiligt würde, die der andere Ehegatte in einer - im Verhältnis zur gemeinsamen Zeit vor der Trennung nicht mehr angemessenen - langen Zeit allein aufgebaut hat. Im vorliegend zu entscheidenden Fall ist jedoch der Umstand zu berücksichtigen, dass der Ehemann seit dem 01.08.2014 eine Vollrente wegen Alters bezog. Der Aufbau einer Altersvorsorge, an der die Ehefrau gegebenenfalls grob unbillig partizipieren könnte, fand nach diesem Datum somit nicht mehr statt. Mit Blick auf die vorzunehmende Gesamtabwägung verkürzt sich damit die für die Beurteilung relevante Trennungszeit auf die Zeit bis 01.08.2014. In Betracht kommt nur noch der Zeitraum von Ende 2006 bis August 2014, also rund 7,5 Jahre.

Dieser Zeitraum verkürzt sich um ein weiteres Jahr. Um eine grobe Unbilligkeit zu begründen, muss die Dauer der Trennungszeit deutlich länger angedauert haben als im Normalfall einer Scheidung (Maaß in BeckOGK, a.a.O., Rn. 58). Aufgrund des gesetzlich einzuhaltenden Trennungsjahres endet die Ehezeit im Sinne des Versorgungsausgleichs aus diesem Grund in jedem Fall (frühestens) ein Jahr nach der Trennung. Nach der Ende 2006 anzusetzenden Trennung der Beteiligten wären die Anrechte daher in jedem Fall auch noch für das Jahr 2007 auszugleichen gewesen, wenn einer der Ehegatten frühestmöglich die Scheidung eingereicht hätte.

Aber auch die Trennungszeit von 6,5 Jahren ab 2008 ist nicht allein ausschlaggebend für die vorzunehmende Gesamtabwägung.

Bei der Frage, ob es grob unbillig ist, den Versorgungsausgleich für die Zeit ab 2008 auszuschließen, sind auch die Anrechte der Ehefrau in den Blick zu nehmen. Denn diese ist erst ab dem 01.01.2017 in den Rentenbezug eingetreten, indem ihr eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bewilligt worden ist. Wie sich aus ihrem Versicherungsverlauf ergibt, hat die Ehefrau bis dahin in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt und Anwartschaften begründet. Es ist nach zwei Zeitabschnitten zu differenzieren: In dem Zeitraum bis zum Renteneintritt des Ehemanns hat die Ehefrau - wie der Ehemann - Anrechte begründet, die dem Ehemann beim Versorgungsausgleich zugute kommen, indem er nicht nur die Hälfte seiner Anrechte abgeben muss, sondern ihm die Hälfte der Anrechte der Ehefrau übertragen wird. In dem Zeitraum ab Rentenbeginn des Ehemanns (01.08.2014) bis Renteneintritt der Ehefrau (01.01.2017) hat die Ehefrau rund 2 1/2 Jahre allein Anwartschaften begründet, die im Versorgungsausgleich ausgeglichen werden, während der Ehemann in dieser Zeit keine Anrechte mehr begründete und damit bei einem Ausgleich einseitig begünstigt wird.

Nimmt man unter Berücksichtigung dieser Umstände die im Zeitraum vom 01.01.2008 bis 22.06.2022 erworbenen Anrechte der beteiligten Ehegatten in den Blick, um abzuschätzen, in welchem Umfang ein wirtschaftlicher Nachteil des Ehemanns bei Durchführung des Versorgungsausgleichs einschließlich dieses Zeitraums eintritt, erscheint die Durchführung des Versorgungsausgleichs zugunsten der Ehefrau jedenfalls nicht grob unbillig:

In den Auskünften der Deutschen Rentenversicherung Braunschweig-Hannover für den Ehemann und der Deutschen Rentenversicherung Hessen für die Ehefrau wurde die Ermittlung der jeweiligen Entgeltpunkte (EP) zwar nicht mitgeteilt. Es lässt sich aus den Angaben zum Versicherungsverlauf aber ableiten, wieviel Entgeltpunkte die Ehegatten jeweils in der gesetzlichen Rentenversicherung im vorgenannten Zeitraum erworben haben: Die im Rentenkonto jeweils gespeicherten sozialversicherungspflichtigen Einkünfte der Ehegatten sind dort zu den jeweiligen Zeiträumen angegeben. Sie können in Entgeltpunkte umgerechnet werden, indem das Einkommen jeweils ins Verhältnis zu dem Durchschnittsentgelt gesetzt wird, das für das jeweilige Jahr durch die Sozialversicherungsrechengrößenverordnung nach § 69 Abs. 2 SGB VI festgesetzt wird (Einkommen ./. Durchschnittsentgelt = Entgeltpunkte).

Danach lassen sich die erworbenen Anrechte im fraglichen Zeitraum wie folgt einschätzen.

DurchschnittsentgeltEinkommen EhemannEinkommen EhefrauEntgeltpunkte EMEntgeltpunkte EF
201636.187,00 €27.889,00 €0,7707
201535.363,00 €17.086,00 €0,4832
201434.514,00 €17.620,36 €4.566,00 €0,51050,1323
201333.659,00 €30.602,00 €341,00 €0,90920,0101
201233.002,00 €30.272,00 €0,00 €0,91730
201132.100,00 €29.299,00 €2.628,00 €0,91270,0819
201031.144,00 €29.712,00 €5.442,50 €0,95400,1748
200930.506,00 €32.622,00 €5.953,83 €1,06940,1952
200830.625,00 €31.774,00 €3.066,00 €1,03750,1001
200729.951,00 €31.371,00 €1.742,50 €1,04740,0582
Summe7,35802,0065

Auszugleichen ist jeweils die Hälfte der erworbenen Anrechte, also vom Anrecht des Ehemanns (7,3580 ./. 2=) 3,6790 EP zugunsten der Ehefrau und vom Anrecht der Ehefrau (2,0065 ./. 2=) 1,0033 EP zugunsten des Ehemanns. Per Saldo führt die Durchführung des Versorgungsausgleich mithin dazu, dass der Ehemann bezogen auf den vorgenannten Zeitraum 2,6757 EP abgeben muss.

Dies entspricht bei dem aktuellen Rentenwert zum Ende der Ehezeit in Höhe von 34,19 € einer Monatsrente von 91,48 € und einem korrespondierenden Kapitalwert von 19.360,26 € (aktueller Rentenwert [34,19 €] und Umrechnungsfaktor [7.235,5860] siehe Auskünfte der Deutschen Rentenversicherung).

Der Ausgleich der Anrechte des Ehemanns in der Zusatzversorgung der VBL lässt sich anhand der Auskunft des Versorgungsträgers nur ungefähr einschätzen, er liegt erheblich unterhalb der Anrechte aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Auf eine nähere Ermittlung kann aber verzichtet werden, da bei der Gesamtabwägung auch noch weitere wirtschaftliche Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind, die deutlich gegen eine Beschränkung des Versorgungsausgleichs nach § 27 VersAusglG sprechen:

Der Ehemann hat zwar wie vorstehend dargestellt als insgesamt Ausgleichspflichtiger wirtschaftliche Nachteile, wenn auch der Zeitraum von 2008 bis Juni 2022 ausgeglichen wird, obwohl die Eheleute schon seit Ende 2006 getrennt lebten. Er hat aber durch die lange Trennungszeit gleichzeitig auch erheblich profitiert: Dadurch, dass die Scheidung erst im Juni 2022 beantragt wurde und der Versorgungsausgleich deshalb mit einem gesetzlichen Ehezeitende zum 31.05.2022 durchgeführt wird, hat der Ehemann durch die Dauer der Trennungszeit bis 31.05.2022 objektiv wirtschaftliche Vorteile in Anspruch genommen:

Der Ehemann wäre auch insgesamt Ausgleichspflichtiger, wenn der Versorgungsausgleich in zeitlicher Nähe zur Trennung im Jahr 2006 durchgeführt worden wäre. Wäre der Scheidungsantrag nach Ablauf des Trennungsjahres eingereicht worden, wäre, wie oben ausgeführt, der Versorgungsausgleich mit einem Ehezeitende Anfang 2008 durchgeführt worden. Nach Wegfall des sog. Rentnerprivilegs hätte sich ein Versorgungsausgleich, der im zeitlichen Zusammenhang mit der Trennung Ende 2006 durchgeführt worden wäre, zu seinem Nachteil in dem Moment für ihn spürbar ausgewirkt, in dem er in Rentenbezug gekommen wäre, d.h. ab 01.08.2014. Dadurch, dass die Eheleute das Scheidungsverfahren nicht betrieben, erhielt der Ehemann vom 01.08.2014 bis Ehezeitende 31.05.2022, mithin fast 8 Jahre, jedoch eine ungekürzte Altersrente.

Dieser Vorteil ist erheblich. Im Fall einer Scheidung und einem dabei zu einem Ehezeitende Anfang 2008 durchgeführten Versorgungsausgleich wäre der Ehemann auch ohne die danach erworbenen Anrechte der beiden Eheleute ausgleichspflichtig gewesen. Zieht man die in der obigen Tabelle aufgelisteten Entgeltpunkte für die Zeit ab 2008, die der Ehemann im Fall einer fiktiven Scheidung noch nicht erworben hätte, von seinen gesamten Entgeltpunkten, die er nach der von der Deutschen Rentenversicherung erteilten Auskunft vom 09.11.2022 in der Ehezeit vom 01.08.1990 bis 31.05.2022 erworben hat, ab, hätte er im Fall einer früheren fiktiven Scheidung 25,5667 EP erworben, die Ehefrau 12,4044 EP. Auszugleichen gewesen wäre je die Hälfte, so dass der Ehemann per saldo 6,5812 EP hätte abgeben müssen. Das entspricht bei einem aktuellen Rentenwert in Höhe von 26,27 € (der für die Zeit vom 01.07.2007 bis 30.06.2008 galt) einer Monatsrente von 175,52 €, die der Ehemann bei einer Scheidung vor Rentenbeginn "verloren" hätte. Bei einem aktuellen Rentenwert von 28,14 € im Zeitpunkt des Beginns des Rentenbezugs entspricht dies einer Monatsrente von 185,19 €. Da ein Abzug tatsächlich nicht stattfand, lässt sich der Vorteil in 8 Jahren Rentenbezug auf mindestens 18.000 € (noch ohne Berücksichtigung der Rentensteigerungen von 2014 bis 2022) einschätzen, den der Ehemann aufgrund der langen Trennungszeit erlangt hat. Der Betrag erhöht sich noch durch den unterbliebenen Abzug der weiteren Anrechte bei der VBL, von dem der Ehemann ebenfalls 8 Jahre profitieren konnte.

Mit diesem Vorteil auf Seiten des Ehemanns korrespondiert der Nachteil der Ehefrau: Ab ihrem Renteneintritt (01.01.2017) bis zum Ehezeitende des streitgegenständlichen Verfahrens (31.05.2022) erhielt sie nur eine Rente aus eigenen Anwartschaften. Wäre die Ehe zeitnah nach der Trennung geschieden und der Versorgungsausgleich durchgeführt worden, hätte sie von den daraus übertragenen Anrechten rund 5,5 Jahre profitieren können. Stattdessen erhielt der Ehemann Rentenbezüge ohne Kürzung durch einen früheren Versorgungsausgleich, mithin auch den Anteil, der der Ehefrau zugestanden hätte. Dies aufgrund der Dauer der Trennungszeit.

Eine wirtschaftliche Gesamtbetrachtung spricht daher nicht für eine grob unbillige Benachteilung des Ehemanns. Das Gegenteil ist der Fall.

An dieser Bewertung ändern auch die weiteren persönlichen Umstände nichts, die der Ehemann vorträgt.

Das Amtsgericht hat zurecht ausgeführt, dass § 27 VersAusglG keine der Bestrafung eines Ehegatten dienende Sanktionsnorm ist (vgl. auch Götsche/Rehbein/Breuers, Versorgungsausgleichsrecht, § 27 Rn. 56). In Betracht kommt ein Ausschluss des Versorgungsausgleichs aufgrund persönlichen Fehlverhaltens hauptsächlich in Fällen, in denen das Fehlverhalten zu einer Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse in der Ehe führt, die sich zumindest mittelbar auf den gemeinsamen Erwerb von Altersvorsorgevermögen auswirkt (Maaß in BeckOGK § 27 VersAusglG Rn 66). Derartige Folgen hat der Ehemann nicht erlitten.

Die von ihm vorgetragenen Verstöße gegen eheliche Pflichten vermögen einen Ausschluss ebenfalls nicht zu rechtfertigen. Das Amtsgericht hat ebenfalls zutreffend ausgeführt, dass die Gestaltung des Zusammenlebens während bestehender Ehe keiner staatlichen Bewertung untersteht. Ehebruch hat im Grundsatz keinen Einfluss auf den Versorgungsausgleich (vgl. Maaß a.a.O. Rn. 81 und 84). Soweit der Ehemann mit Schriftsatz vom 28.02.2024 sexuelle Affären der Ehefrau mit verschiedenen Männern konkret behauptet hat, handelt es sich zum Teil um solche weit vor der Trennung (1991, 1992 bzw. "in den 90ern"), mit keinerlei zeitlichem Bezug zu dem vorgenannten Zeitraum, um den es bei dem Ausschluss des Versorgungsausgleichs geht. Soweit eine Beziehung "ab 1999/2000 bis zur Trennung" behauptet wird, mag ein solcher bestehen. Es ist aber nicht sachgerecht, einen Ausschluss des Versorgungsausgleichs darauf zu stützen. Der Ehegatte, der trotz des Fehlverhaltens gleichwohl an der Ehe festhält, bringt damit zum Ausdruck, den dadurch geschaffenen Rahmen nicht verlassen zu wollen, so dass es auch bei der Ehe als Versorgungsgemeinschaft bleiben soll (vgl. Maaß a.a.O. Rn. 81). Dies gilt für sämtliches der Ehefrau vorgehaltenes Fehlverhalten. Dem Ehemann stand frei, sich von der Ehefrau zu trennen, sie von dem ihm oder seiner Familie gehörenden Hof zu verweisen und die Scheidung einzureichen. Stattdessen wurde von ihm nichts in dieser Richtung unternommen, bis die Ehefrau aus eigenem Entschluss den Hof verließ, weil die Situation dort nach von ihrem wiederum streitigen Vortrag unerträglich wurde. Schließlich ist mit dem Amtsgericht bei der Würdigung etwaigen Fehlverhaltens der Ehefrau deren Alkoholabhängigkeit zu berücksichtigen. Die Ehefrau war nach dem Vorbringen des Ehemanns hochgradig süchtig und hatte verschiedene erfolglos gebliebene Therapien absolviert. Vor diesem Hintergrund muss auch der - bestrittene - Vorwurf, die Ehefrau habe ein Küchenbeil nach dem Ehemann geworfen, eingeordnet werden. Hierbei handelt es sich zwar um einen gravierenden Vorwurf. Andererseits ereignete sich der Vorfall nach Darstellung des Ehemanns bereits im Jahr 2000, ohne dass der Ehemann ihn zum Anlass genommen hat, irgendeine Konsequenz daraus zu ziehen. Nach der Rechtsprechung des BGH ist es auch bei Straftaten unter Ehegatten die Feststellung erforderlich, dass die - auch psychischen - Folgen einer Tat für den anderen so erheblich sind, dass es unerträglich erscheint, den Versorgungsausgleich dennoch durchzuführen (BGH FamRZ 2009, 1313, Rn. 31). Die Entscheidung differenziert zwar nicht danach, ob ein Gesamtausschluss auch für Zeiträume vor der Straftat oder nur für den Zeitraum danach in Betracht kommt. Aber auch für letzteren ist es bei einer Gesamtabwägung von erheblicher Bedeutung, ob und in welchem Umfang der betroffene Ehegatte körperliche oder seelische Schäden davongetragen hat. Entsprechendes ergibt sich aus dem Vorbringen des Ehemanns nicht. Dagegen spricht auch der bereits erwähnte Umstand, dass der Ehemann keine Konsequenzen aus dem behaupteten Vorgehen der Ehefrau gezogen hat.

Im Ergebnis sind die Voraussetzungen des § 27 VersAusglG bei einer Gesamtabwägung aller Umstände, insbesondere unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Erwägungen, nicht erfüllt.

Die Beschwerde hat daher keinen Erfolg.